Titel: | Zwei neue Expansionsformeln; von Robert Röntgen. |
Autor: | Robert Röntgen [GND] |
Fundstelle: | Band 172, Jahrgang 1864, Nr. XL., S. 161 |
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XL.
Zwei neue Expansionsformeln; von Robert Röntgen.
Röntgen's neue Expansionsformeln.
Zu den verschiedenen Formeln, welche bis jetzt über die Abhängigkeit zwischen der
Temperatur und Spannkraft des Wasserdampfes aufgestellt worden sind, erlaube ich
mir, hier noch zwei neue hinzuzufügen. Die eine gibt die Expansion des Dampfes für
Temperaturen zwischen 0 und 100° C. und weicht in den ungünstigsten Fällen
etwa stark um 1/3 Procent von den beobachteten Werthen Regnault's ab; die andere ist für die Temperaturen von 100 bis 230°
berechnet und liefert Resultate, welche ebenfalls mit den beobachteten des genannten
Physikers recht gut übereinstimmen.
Die erstere heißt:
log. p = log. 760 – [0,015432 + 0,0000542 (100 – t) + 0,0000000704 (100 – t)² + 0,0000000000066 (100 – t)⁴] (100 – t);
die andere:
log. p = log. 760 – [0,015432 + 0,00004265 (100 – t) + 0,0000000704 (100 – t)²] (100 – t),
worin p die Spannung in
Millimetern, t aber die Temperatur des Dampfes
bezeichnet.
Man sieht, daß ich bei Entwickelung derselben von der Annahme ausgegangen bin: die
Spannungen des Dampfes bildeten eine geometrische Progression, deren Exponent des
QuotientenUnter Quotient ist die Zahl verstanden, womit irgend ein Glied der
Progression multiplicirt werden muß, um das nächstfolgende zu erhalten. mit der Temperatur wächst, so daß, wenn man diesen Quotienten mit q bezeichnet, die Expansion p in Atmosphären für die Temperatur t aus
folgender Gleichung erhalten wird:
p = 1/q¹ºº–t,
oder log. p = log. 1 – (100 – t) log. q.
Und setzt man statt 1 Atmosphäre 760 Millimet., so würde man haben:
log. p = log. 760 – (100 – t) log. q.
Da man nun aber aus den Resultaten der Beobachtungen über die Spannungen des Dampfes
sogleich erkennt, daß unsere Annahme nur für kleine Temperatur-Unterschiede
beinahe zutrifft, so muß, wenn der obige Ausdruck die Expansionen für eine größere
Zahl von Graden mit Genauigkeit wiedergeben soll, q oder
log. q selbst mit der Temperatur veränderlich seyn.
Diese Abhängigkeit des log. q von der Temperatur wird
aber für die Grade unter 100 durch die Reihe
0,015432 + 0,0000542 (100 – t)
+ 0,0000000704 (100 – t)² +
0,0000000000066 (100 – t)⁴
und für die Grade über 100 durch
0,015432 + 0,00004265 (100 – t) + 0,0000000704 (100 – t)²
so genau wie wohl möglich dargestellt; oder mit anderen
Worten: es ist für jede Temperatur t unter 100°
log. q aus der oberen, und für jedes t über 100° log. q
aus der unteren Reihe zu berechnen. – Beide Reihen sind hauptsächlich durch
Versuche gefunden worden. Bei Herleitung der ersteren habe ich die Mittelwerthe aus
den Beobachtungen von Regnault und Magnus zu Grunde
gelegt, die aus Müller's Lehrbuch der Physik entnommen
sind; bei Auffindung der letzteren wurden nur die Versuche Regnault's benutzt.
Indem ich verschiedene Wege einschlug, die Abhängigkeit des Werthes von log. q von der Temperatur aufzufinden, überzeugte ich
mich, daß dieß unter den vorliegenden Bedingungen nur für bestimmte
Temperaturgrenzen geschehen kann. Eine Reihe z.B. für log.
q welche zwischen 0 und 100° fast ganz genau die mittleren Werthe
der Beobachtungen von Regnault und Magnus wiedergibt, liefert unter und über 100° Abweichungen von den
Versuchen, welche jenseits der Grenzen der Beobachtungsfehler liegen. Es läßt sich
demnach auch auf dem eingeschlagenen Wege keine Formel finden, welche für alle
Temperaturen die Dampfspannungen mit gleicher Genauigkeit wiedergibt, wenn dieselbe
nicht zu complicirt und demnach zu Berechnungen bequem seyn soll.
Eine einfache und für die Grade unter 100 sehr genaue Formel ist die von Magnus und Holtzmann (Weisbach's Ingenieur- und Maschinen-Mechanik, Bd. II S.
459); dagegen gibt die erstere für eine Temperatur von 150° schon eine.
Abweichung von 80, die andere von 100 Millimet. gegen die Beobachtungen von Regnault, und eine noch größere gegen die von Dulong und Arago. Die Formel
von August (s. das angeführte Werk), welche eine
verwickeltere Gestalt hat, ist nur für die älteren Beobachtungen berechnet; mittelst
derselben erhält man für die Temperaturen über 100° Werthe, welche mit den
älteren Beobachtungen der beiden letztgenannten Physiker sehr gut übereinstimmen.
– Aus diesen Gründen sind denn auch die meisten Expansionsformeln nur für
eine gewisse Zahl von Graden berechnet worden. Daß es überhaupt wohl kaum möglich
ist, eine Formel zu finden, welche mit gleicher Genauigkeit die Dampfspannungen für
alle Temperaturen angibt, mag, abgesehen davon, daß sich für höhere Temperaturen die
Expansivkraft des Dampfes schon weniger genau bestimmen läßt, auch vorzüglich in der
ungleichförmigen Ausdehnung des Wassers seinen Grund haben. Denn man kann annehmen,
je geringer die Dichtigkeit des Wassers wird, desto schneller kann dasselbe
verdampfen, desto größer wird die Dichtigkeit und damit die Expansivkraft, welche
der gesättigte Dampf erhält. Wenn nun die Ausdehnung des Wassers oder – was
damit zusammenhängt – die Zunahme der specifischen Wärme desselben auch mit
der Vermehrung seiner Temperatur einen mehr regelmäßigen Gang befolgte, so würde
wahrscheinlich auch die Dichtigkeit und Spannung des Dampfes nach einem einfacheren
Gesetze oder weit regelmäßiger erfolgen als das jetzt der Fall ist. Daraus geht denn
aber auch hervor, daß die latente Wärme des Dampfes für höhere Temperaturen geringer
seyn muß als für niedrigere: denn man hat im ersteren Falle verhältnißmäßig weniger
Wärme nöthig, um ein gewisses Quantum Nasser in Dampf zu verwandeln, als im anderen.
Eine Formel, welche also das Gesetz über die Elasticität des Dampfes genau
ausdrücken sollte, müßte demnach auch dasjenige von der Ausdehnung und der
specifischen Wärme des Wassers etc. enthalten.
Was die aufgestellte zweite Formel betrifft, so bemerken wir darüber Folgendes:
1) Sie ist zu Berechnungen sehr bequem, vielleicht bequemer als irgend eine
andere.
2) In Schellen-Delaunay's Mechanik befindet sich
Bd. II S. 466 eine Tabelle, welche einen Auszug aus den Versuchen Reguault's über die Elasticität des Dampfes von 100 bis
230°,9 enthält.
Wenn man für die dort angegebenen Temperaturen die Spannungen des Dampfes nach unserer Formel
berechnet, so findet man fast ganz genau dieselben Resultate; die Uebereinstimmung
ist so groß, daß es scheinen könnte, die Tabelle sey nach unserer Formel berechnet.
Schließen sich also die Werthe dieser Tabelle den Versuchsresultaten möglichst genau
an, so drückt auch unsere Formel das Gesetz über die Elasticität des Dampfes so
genau wie nur möglich aus.
Uebrigens wollen wir hier noch bemerken, daß nach einer Tabelle in Weisbach's Ingenieur- und
Maschinen-Mechanik Bd. II S. 456 (4te Auflage), welche die wirklichen
Versuchsresultate Regnault's von 100 bis 148°
enthält, die in Rede stehende Tabelle bei 148° eine Abweichung von etwa 40
Millimet., also von 0,05 Atmosphären liefert, und daß man von 100 bis 148°,30
mit den Versuchen fast mathematisch genau stimmende Werthe erhält, wenn man in
unserer Formel statt 0,00004265 (100 – t) setzt:
0,0000454 (100 – t). Darüber hinaus wird man aber
unbedingt ziemlich starke Abweichungen erhalten, weil sonst die Tabelle in Schellen's Mechanik ungenau und unzuverlässig wäre; und
das mag denn abermals ein Beweis seyn, wie auch Formeln von der vorliegenden
Gestalt, wenn sie Werthe liefern sollen, welche sich ganz genau den Beobachtungen
anschließen, nur für bestimmte Temperaturgrenzen gelten können.
Es folgt hier eine nach den Formeln berechnete Tabelle, welche die Spannungen von
– 30 bis 230° enthält.
Textabbildung Bd. 172, S. 164
Temperatur nach Cels.; Größte
Spannkraft; in Quecksilberhöhe; in Atmosphären; Logarithmus der letzten Zahl +
10; Druck des Dampfes auf 1 Quadratz. prß.; Grade; Millim.; Pfunde
Textabbildung Bd. 172, S. 165
Temperatur nach Cels.; Größte
Spannkraft; in Quecksilberhöhe; in Atmosphären; Logarithmus der letzten Zahl +
10; Druck des Dampfes auf 1 Quadratz. prß.; Grade; Millim.; Pfunde
Textabbildung Bd. 172, S. 166
Temperatur nach Cels.; Größte
Spannkraft; in Quecksilberhöhe; in Atmosphären; Logarithmus der letzten Zahl +
10; Druck des Dampfes auf 1 Quadratz. prß.; Logarithmus der letzten Zahl; Grade;
Millim.; Pfunde
Textabbildung Bd. 172, S. 167
Temperatur nach Cels.; Größte
Spannkraft; in Quecksilberhöhe; in Atmosphären; Logarithmus der letzten Zahl;
Druck des Dampfes auf 1 Quadratz. prß.; Grade; Millim.; Pfunde; Anmerkung. Der
Druck einer Atmosphäre ist zu 14 Pfd. prß. gerechnet worden
Wollte man die beiden Formeln zu einer vereinigen, so würde man folgenden Ausdruck
erhalten:
log.p = log.760 – [0,015432 + [0,000048425 ± 0,000005775] (100
– t) + 0,0000000704 (100 – t)² + [0,0000000000033 ± 0,0000000000033]
(100 – t)⁴] (100 – t),
wo die Zeichen + in den kleinen eckigen Klammern für die Grade
unter 100, die Zeichen – aber für die Grade über 100 gelten.
Remscheid, im April 1864.