Titel: Sturrock's Verbesserungen an Locomotiven durch Vergrößerung der Adhäsion des Tenders.
Fundstelle: Band 172, Jahrgang 1864, Nr. LXII., S. 251
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LXII. Sturrock's Verbesserungen an Locomotiven durch Vergrößerung der Adhäsion des Tenders. Aus dem Mechanics' Magazine, Februar 1864, S. 120. Mit Abbildungen auf Tab. V. Sturrock's Verbesserungen an Locomotiven durch Vergrößerung der Adhäsion des Tenders. Die bereits mit Erfolg angewendeten Verbesserungen an Locomotiven und Tendern von Archibald Sturrock, Obermaschinenmeister der Great Northern Railway, bezwecken die Benutzung der Tenderräder als Treibräder und mithin der Adhäsion der Tenderlast als Triebkraft. Fig. 14 ist der Längendurchschnitt eines Tenders und einer Locomotive mit über die Hinterachse verlängerter Feuerbüchse, im Vergleich mit der gewöhnlichen in Fig. 16 dargestellten Feuerbüchse; Fig. 15 ist ein Querdurchschnitt des vorderen Tenderendes mit dem Wassererhitzungsapparat D und einem Cylinder B. Die Kraft der Locomotive ist bekanntlich aus drei Elementen zusammengesetzt, nämlich der Adhäsion oder dem Anhaftungsvermögen an den Schienen, dem Dampferzeugungsvermögen und der mechanischen Kraft, welche durch den erzeugten Dampf übertragen wird. Die beiden letzten Elemente lassen sich in beliebigem Grade erzielen. Die Adhäsion aber ist die praktische Grenze für das Ziehen schwerer Lasten bei geringer Geschwindigkeit. Es ist durch Erfahrung festgestellte Thatsache, daß auf einer gut construirten Eisenbahn eine Locomotive von 35 Tonnen1 Tonne = 21 Centner engl. Gewicht mit einem 20 Tonnen wiegenden Tender erforderlich ist, um einen aus 30 Wagen von je 7 Tonnen Gewicht bestehenden Zug über eine Steigung von 1 : 200 hinaufzuziehen; es sind also 55 Tonnen Totalgewicht für ein Nettogewicht von 210 Tonnen nothwendig. Die gegenwärtig in England gebräuchlichen großen Güterzugmaschinen, welche so schwer sind wie eine gut construirte Eisenbahn es noch gestattet, wiegen 35 Tonnen und haben einen Tender von 20 Tonnen; von diesen 55 Tonnen Totalgewicht sind aber nur 35 Tonnen auf Adhäsion verwerthbar. Die in der Praxis von einer solchen Maschine gezogene Last ist netto 210 Tonnen bei einer Steigung von 1 : 200, und die ausgeübte mechanische Kraft macht die Räder gleiten, sobald die Schienen nicht im allerbesten Zustande sind. Der Tender ist gegenwärtig ein Hinderniß und muß gezogen werden, ehe der Wagenzug an die Reihe kommt; und doch bietet er ein wesentliches Kraftelement so nahe an der Maschine dar, daß dasselbe leicht benutzt werden kann. Hierzu genügt es, daß der Tender nach Sturrock's Patent mit einer Hülfsmaschine versehen wird, welche seine Räder als Treibräder zu benutzen gestattet. Die Cylinder der Tendermaschine erhalten ihren Dampf von dem Kessel der Locomotive; da dieser in der Praxis 1/3 mehr Dampf liefert, als eigentlich nothwendig ist, so kann dieses Mehr sofort benutzt werden. Außerdem wird aber noch die Feuerbüchse, wie die Abbildung zeigt, vergrößert und die Verdampfungskraft des Kessels durch Speisung desselben mit heißem Wasser erhöht. Es geht nämlich der Dampf aus den Tendercylindern durch ein Röhrensystem, welches im Wasserbehälter liegt, so daß das Wasser fast bis zum Siedepunkt erhitzt wird; die Speisepumpen liegen so, daß das Wasser aus dem Tender frei in dieselben hineinfließt, daher das Speisen mit heißem Wasser keine Schwierigkeit darbietet. Von der ganzen Einrichtung ist weiter nichts zu erwähnen, als die Dampfleitung nach den Tendercylindern. Dieselbe muß natürlich eine gewisse Beweglichkeit haben; man hat aber alle sonst üblichen biegsamen Verbindungen aufgegeben und statt derselben nur eine lange, gekrümmte Kupferröhre angewandt, welche von festen Platten, innerhalb deren sie sich bewegen kann, geführt wird. Länge und Krümmung dieser Röhre gestatten jede erforderliche Beweglichkeit. Ein derartiger Hülfstender (auxiliary tender) zieht, wenn er einer unveränderten (englischen) Güterzugmaschine angehängt ist, allein 33 Proc. Mehrgewicht. Wird er aber an eine Maschine gehängt, deren Feuerbüchse allein vergrößert, deren Gewicht jedoch um nicht mehr als 10 Ctr. vermehrt ist, so zieht er 50 Proc. Mehrgewicht mit einer Kostenvermehrung von nur 1/2 Penny für Brennmaterial per engl. Meile (wenn die Kohlen 7 Sh. 6 P. per Tonne kosten), bei nur unbedeutend größeren Reparaturkosten. Seit dem 27. Mai 1863 sind Locomotiven mit solchem Hülfstender auf der Great Northern Railway in Gebrauch; sie ziehen 33 und 50 Proc. vermehrter Last mit vollkommenem Erfolg. Auf anderen Bahnen ist der Vortheil in Folge localer Umstände ein noch größerer. Da ein solcher Hülfstender schwerer als der gewöhnliche ist, so wird er vermittelst Kuppelung seiner sämmtlichen Räder zu einem so wirksamen Bremser, daß der Führer den um 5 Proc. schwereren Zug dennoch besser in der Gewalt hat, als gewöhnlich, und keine besondere Bremsvorrichtung erforderlich ist. Durch Anwendung des Hülfstenders wird sich die Fracht pro Meile für Güter (Kohlen, Erze etc.) um ein Drittel vermindern lassen, da die Mehrkosten im Vergleich zur Mehrleistung nur nominell sind. Eine Locomotive von 25 Tonnen Gewicht mit einem 15 Tonnen wiegenden Hülfstender wird eine eben so schwere Last ziehen als die gegenwärtige Locomotive von 35 Tonnen mit einem Tender von 20 Tonnen; es können daher auf Eisenbahnen von leichter Construction eben so schwere Lasten befördert werden, als auf den besten Eisenbahnen, wie sie gegenwärtig gebaut werden. Ferner können durch Anwendung des Hülfstenders Bahnen mit einfachem Geleise viel vortheilhafter als jetzt betrieben werden, weil sich die Anzahl der Züge erheblich vermindern läßt; die zweigeleisigen Bahnen aber können weit länger für vergrößerten Verkehr offen gehalten werden.

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