Titel: | Ueber die Herstellung leicht explodirender Zündungen für Schießwaffen und für Percussions-, beziehungsweise Concussions-Geschosse. |
Autor: | Dy |
Fundstelle: | Band 172, Jahrgang 1864, Nr. LXX., S. 275 |
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LXX.
Ueber die Herstellung leicht explodirender
Zündungen für Schießwaffen und für Percussions-, beziehungsweise
Concussions-Geschosse.
Mitgetheilt vom Artillerie-Hauptmann Dy.
Ueber die Herstellung leicht explodirender Zündungen für
Schießwaffen und für Percussionsgeschosse.
Bei der gesteigerten Aufmerksamkeit, welche der Krieg im Norden Deutschlands
gegenwärtig dem Zündnadelgewehr und den Wirkungen der Artillerie zuwendet, dürfte
für den Leserkreis dieses Journals vielleicht die Mittheilung eines Artikels
„über die Herstellung leicht explodirender Zündungen jeder Art in
Militär-Etablissements“ nicht ohne Interesse seyn, welcher unter
anderem auch den Zündsatz zu den Zündspiegeln des Zündnadelgewehres mittheilend, als
Frucht reiflichen Nachdenkens und jahrelanger im Gebiete der Pyrotechnik gemachter
Erfahrungen, bereits im Jahre 1862 der Redaction der zu Darmstadt erscheinenden
Militär-Zeitung zur Verfügung gestellt, am 24. Januar 1863 in Nr. 4 genannten
Blattes aufgenommen wurde, und folgend lautet:
„Die in den verschiedensten Erscheinungsformen als Zündhütchen,
Sprenghütchen, Zündspiegel, Frictionsschlagröhren, Zündschrauben für die Langgeschosse gezogener
Kanonen etc. auftretenden, leicht explodirenden Zündungen haben bei dem jetzigen
Standpunkte der Schießwaffentechnik einen so hohen Grad von militärischer
Bedeutung erhalten, daß es wohl als eine Zeitfrage bezeichnet werden darf, ob
sich alle diese bei Geschütz und Kleingewehr zur Anwendung kommenden
Percussions-, Concussions-, Frictions- und Nadelstichzündungen möglichst
einfach, gefahrlos, zuverlässig und billig in Militäretablissements herstellen
lassen.
Stellt man, auf diese Frage eingehend, zunächst die Bedingungen fest, welchen der
einer solchen Fabrication zur Basis dienen sollende Zündsatz nothwendiger Weise
entsprechen muß, so kann in Militärlaboratorien mit dienstlich dahin
commandirten Leuten selbstverständlich nur ein solcher Satz zur Anwendung
kommen, dessen Bearbeitung – bei Befolgung der für Anstalten dieser Art
gewöhnlichen Dienstvorschriften – völlig gefahrlos ist, und weiter werden
auch die Gebrauchssicherheit und die Lagerbeständigkeit des mit einem solchen
Satze zu erzielenden Fabricats, bei richtiger Behandlung des ersteren, außer
Frage stehen müssen.
Unterwirft man ferner die beiden Hauptrichtungen, welche in diesem
Fabricationszweige bisher verfolgt wurden, nämlich Herstellung der leicht
explodirenden Zündungen durch Knallquecksilber-Präparate oder durch muriatisches
Pulver, einer vergleichenden Analyse, so findet sich, daß die erstere
Fabricationsweise, als anerkannt zu gefährlich, immer mehr aus den
Militäretablissements verbannt und der Privatindustrie überwiesen wurde, während
den bei gehöriger Vorsicht gefahrlos anzufertigenden muriatischen Zündungen
bisher fast immer noch etwas von dem Makel der Unzuverlässigkeit anhängend
blieb, indem behauptet wurde, sie seyen nicht so lagerbeständig und also auch
nicht so wirkungssicher wie die Knallquecksilber-Zündungen. Wer sich in diesem
Fabricationszweige umgesehen und darin experimentirt hat, weiß allerdings, wie
schwierig Sätze mit chlorsaurem Kali im Allgemeinen zu behandeln sind und wie
leicht sie, bei nicht ganz richtiger Fabricationsweise, nach längerer oder
kürzerer Lagerung in einen Zustand der Unempfindlichkeit übergehen, welcher den,
ein Zündhütchen nach dem anderen auf sein Gewehr aufsetzenden Schützen zur
Verzweiflung bringen kann und auch wohl schon manchen Leiter solcher
Zündhütchenlaboratorien zu dem Wunsche gebracht haben mag, daß man dieselben
lieber aufgeben und Knallquecksilber-Zündhütchen aus dem Handel beziehen möchte.
Dagegen aber tauchen auch gegen die Knallquecksilber-Zündungen jetzt gewichtige
Stimmen auf, indem diese Präparate bei ungünstigen Fabrications-, Lagerungs- und
Transportverhältnissen möglicherweise in einen Zustand der Zersetzung gerathen können,
welcher nicht nur ihre Wirkung beeinträchtigt, sondern auch ihren Gebrauch
absolut gefährlich macht, weil dadurch die Efflorescenz von feinen
Krystallnädelchen hervorgerufen wird, welche, wenn auch nur mit bewaffnetem Auge
erkennbar, schon bei der leisesten Berührung durch ihr Zerbrechen eine Explosion
der ganzen Masse herbeizuführen im Stande sind, – ein Uebelstand, welchem
es z.B. zuzuschreiben ist, daß solche Knallquecksilber-Zündhütchen bereits beim
Aufsetzen auf den Piston von Percussionsgewehren explodirten, und daß weiter
Gewehre, welche mit aufgesetzten solchen Zündungen an der Wand hingen, sich ohne
wahrnehmbare Veranlassung entluden.
Hiernach ist also die Anfertigung von Quecksilber-Zündungen in
Militäretablissements nicht räthlich und ferner auch ihr Gebrauch nicht ohne
Gefahr. – Muriatische Zündungen aber lassen sich, bei gehöriger Vorsicht,
zwar gefahrlos in militärisch organisirten Laboratorien darstellen, es war aber
bisher noch immer mehr oder minder fraglich, ob dieselben zu einem durchaus
kriegstüchtigen Material gemacht werden können, indem man ihren Satz durch
richtige Auswahl seiner Bestandtheile und durch geeignete Behandlungsweise
desselben dahin bringt, in einem genügenden Grade empfindlich, wirksam und
lagerbeständig zu seyn.
Diese letzteren Eigenschaften aber lassen sich nach mehrjährigen, auf praktischem
Wege gewonnenen positiven Erfahrungen bei muriatischen Zündungen mit Anwendung
folgender Fabricationsgrundzüge erreichen.
Man lasse alles Streben darauf gerichtet seyn, den seinen Bestandtheilen nach
chemisch rein, in feinster Zertheilung und innig gemengt, in die zugehörige
Zündhülse eingeschlossenen muriatischen Satz vollständig von jedem basischen,
saueren oder atmosphärischen Einflusse fern zu halten. – Schwefel, als
solcher, ist ein gefährlicher Satzbestandtheil, weil er, als Schwefelblume stets
und als zerkleinerter Stangenschwefel meistens, schweflige Säure einschließt,
durch deren allmähliche Oxydation zu Schwefelsäure an der atmosphärischen Luft
dann dem Satze mit ihr sein gefährlichster Feind einverleibt wird. Glaubt man
diesen Satzbestandtheil nicht entbehren zu können, so muß er jedenfalls kurz vor
seinem Gebrauche so lange mit chemisch reinem Wasser ausgesüßt werden, bis
geeignete Reagentien das zuletzt aufgegossene Wasser als säurefrei nachweisen.
Chlorsaures Kali und Schwefelantimon jedoch, chemisch rein und in nöthiger
Feinheit der mechanischen Zertheilung bezogen, – wofür sich zuverlässige
Quellen nachweisen lassen – geben, in gleichen Gewichtstheilen zu dem
gewöhnlichen Frictionssatze der Artillerielaboratorien zusammengemischt, auch
schon für sich einen sehr empfindlichen, bei richtiger Ladungsmenge sehr kräftig
explodirenden und nach gehöriger Behandlungsweise auch durchaus lagerbeständigen,
dauernd wirkungssicheren Satz für leicht explodirende Zündungen jeder Art ab.
– Die hierzu führenden Mittel anlangend, so muß zunächst der den
Bedingungen der Reinheit, Feinheit und inniger Mengung entsprechende Satz nach
allen Richtungen hin mit Lackhüllen umschlossen werden, und wendet man ferner
zur Aufnahme des Satzes Metallkapseln an, so sind diese, mit der entsprechenden
sauren Lösung metallisch rein gebeizt, vor dem jedesmaligen Gebrauche erst so
lange mit reinem Wasser auszusüßen, bis man auf chemischem Wege sie vollständig
vor saurer Reaction geschützt sieht. Erst hiernach dürfen dieselben durch
Austrommeln mit Nadelholzsägespänen getrocknet und als Zündkapseln verwendet
werden.
Ist weiter zur kräftigen Wirkung des Zündhütchens eine Satzwarze nothwendig, wie
dieses bei den Militärzündhütchen für Percussionsgewehre stets der Fall seyn
wird, so mache man dieselben immer gerade nur so groß, als dieses zur verlangt
werdenden Detonationskraft der Zündung eben erforderlich ist, übersteige hierbei
aber niemals diejenige Grenze, welche durch die Ausdehnbarkeit des
Deckplättchens gegeben ist; die Warze springt sonst leicht aus und der Satz
verdirbt dann. Endlich müssen nach Vollendung dieser Munitionsanfertigung alle
Fugen der Zündungen hermetisch gegen Luft und Feuchtigkeit geschlossen seyn.
So fabricirte Zündhütchen können erfahrungsgemäß Wochen und Monate lang unter
Wasser, in feuchten Kellern oder auch ungehinderten Einwirkungen der Atmosphäre
ausgesetzt liegen, ohne daß sie ihren Dienst versagen, und es lassen sich auf
diese Weise vermittelst eines und desselben muriatischen Satzes alle leicht
explodirenden Zündungen, seyen es Frictionsschlagröhrchen für Geschütze,
Zündhütchen für Percussionsgewehre, Zündschrauben für die Munition gezogener
Kanonen jeden Systems, Sprenghütchen zu Explosionspatronen oder Zündspiegel für
Zündnadelgewehre mit genügender Sicherheit vollkommen kriegstüchtig in
Militäretablissements herstellen.
Schließlich möge hier noch die Bemerkung Raum finden, daß die Zündhütchenkapseln
der für Projectile von gezogenen Kanonen bestimmten Zündschrauben in jedem
Militär-Zündhütchenlaboratorium durch geringe Zusatzstücke zu den dort
befindlichen Streck- und Prägmaschinen für gewöhnliche
Percussionsgewehr-Zündhütchen leicht selbst beschafft werden können. –
Weitere Detailmittheilungen aber würden sich, insoweit sie gewünscht werden
sollten, wohl durch Gefälligkeit der Redaction vermitteln lassen.“
Hieraus wird nun auch leicht ersichtlich seyn, warum es gerade für das
Zündnadelgewehr von großer Wichtigkeit seyn mußte den, spontaner Zersetzung
unterworfenen Knallquecksilbersatz der Musketen-Zündhütchen etc. nicht auch in die
Patrone des Zündnadelgewehres verwenden zu müssen, denn diese mußte der Natur der
Sache nach einheitlich seyn, also Pulver, Kugel und Zündung mit einander vereinigt
in sich enthalten, was durch den zwischen Kugel und Pulver liegenden und die
Zündmasse in sich aufnehmenden Papier-Spiegel auch sehr sinnreich bewirkt worden
ist, eine öftere Revision dieser Zündmasse aber natürlich ganz unthunlich macht,
während die, bei einer vorkommenden Selbstentzündung der Zündmasse entstehende
Gefahr durch das Zusammenliegen von Pulverladung und Zündung natürlich sehr
gesteigert wird und selbst bei den gesondert aufbewahrt werdenden Zündhütchen für
Infanteriegewehre, Percussions- und Concussionsgeschosse der Artillerie etc.,
insoweit dieselben mit dem unter Umständen selbstentzündlichen Knallquecksilbersatze
gefüllt sind, nur durch häufige und strenge Nachrevisionen mit Hülfe der Loupe einer
Gefahr für die Batterie etc. vorgebeugt werden kann, wogegen man die zündende
Eigenschaft des oben angebenenen Satzes von chlorsaurem Kali und Schwefelantimon
immer ganz sicher in Hand behält, wenn bei seiner Darstellung das erwähnte praktisch
erprobte Verfahren eingehalten wird.
Cassel, im April 1864.