Titel: | Die Käsefabrication zu Roquefort. |
Autor: | Johannes Rudolph Wagner [GND] |
Fundstelle: | Band 172, Jahrgang 1864, Nr. LXXXII., S. 309 |
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LXXXII.
Die Käsefabrication zu Roquefort.
Mitgetheilt von Prof. Dr. Rud. Wagner.
Ueber die Käsefabrication zu Roquefort.
C. Blondeau
Moniteur scientifique, 1863 p. 641; Annales de Chimie
et de Physique, 1864, t. I p. 208. fand bei dem Studium der einzelnen Operationen der Fabrication der Käse von Roquefort (Aveyron), daß die Vegetation eines
Schimmelpilzes, des Penicillium glaucom, der sich üppig
auf dem Caseïn entwickelt, die Umwandlung des Caseïns in eine
Fettsubstanz bewirkt, welche die Ursache des von den Feinschmeckern so sehr
geschätzten Geschmackes des Roquefort-Käses ist. Die Erzeugung des Fettes ist leicht
zu constatiren. Behandelt man das Caseïn aus Schafmilch, welches als Material
zur Käsefabrication dient, mit einem Gemisch von Alkohol und Aether, so lassen sich
nur 2 Procent eines Fettes extrahiren, welches sich von der Butter nicht
unterscheidet. Behandelt man auf gleiche Weise Käse, der zwei Monate in dem
Käsekeller verweilt hatte, so erhält man 30 bis 40 Proc. einer Fettsubstanz, die von
der Butter verschieden ist, obgleich sie die nämlichen Bestandtheile enthält. Es ist
wohl nicht zweifelhaft, daß die Umwandlung das Ergebniß der Vegetation der oben
genannten Schimmelpflanze ist, welche die Oberfläche des Käses überkleidet. Nachdem
die Pflanze alle Phasen ihres Lebens durchlaufen hat, entfernt man sie, um die
Entwickelung neuer Keime zu befördern, welche die alte Pflanze ersetzen und so die
Arbeit weiterführen, die eine einzige Vegetation nicht vollenden konnte. Dadurch,
daß man die Oberfläche der Käse erneuert und mehrere Generationen der
Schimmelpflanze auf einander folgen läßt, ertheilt man dem Käse die Eigenschaften,
um derentwillen er ein geschätzter Artikel ist. Die besten Keller zum Reifen der
Käse sind daher diejenigen, in welchen das Penicillium am schnellsten wuchert. Das
Dorf Roquefort liegt auf dem Kalkplateau, welches man mit dem Namen Larzac
bezeichnet. In dem Boden, dem Jurakalk angehörend, finden sich geräumige Höhlen oder
Grotten (ganz ähnlich wie die Höhlen in der sogenannten fränkischen Schweiz), welche
die Eigenthümlichkeit besitzen, daß sie durch Luftströme auf einer niederen
Temperatur erhalten werden. Blondeau constatirte darin
eine Temperatur von 6 bis 8° C. während der größten Sommerhitze, bei welcher
das Thermometer außerhalb 26 bis 28° zeigte. Unter dem Einfluß der niederen
Temperatur und genügender Feuchtigkeit entwickelt sich nun der Pilz in der üppigsten
Weise.
Die Gegend von Larzac ist vorzugsweise zur Schafzucht geeignet, und in der That gibt
es dort zahlreiche Schafheerden, deren Milch auf Käse verarbeitet wird. Einige
Landwirthe aus Roquefort bewahrten ihren Käse in den natürlichen Felsenkellern auf
und bemerkten sehr bald, daß das Product eine höhere Qualität angenommen hatte, wenn
es hinlängliche Zeit der Einwirkung des Kellers ausgesetzt war. Auf diese Weise
entstand eine Industrie, welche jährlich viele Tausend Kilogramme Käse
producirt.
Ehe man den Käse der Einwirkung der Mycodermen überläßt, wird das Caseïn,
welches der Landwirth dem Kellerbesitzer bringt, und das höchstens 2 Proc. Butter
enthält, gesalzen.
Eine Abtheilung des Kellers ist für diese Arbeit bestimmt. Nach dem Salzen wird der
Käse in Laibe von 4 bis 5 Pfund Gewicht gebracht und dann in den kühlsten Theilen
des Kellers auf Gestelle gelegt, so daß sie einander nicht berühren. Nach kurzer
Zeit bedecken sie sich mit Schimmel, welcher in Gestalt einer Weißen Vegetation an
den prächtigsten Schwanenflaum erinnert. Nach einigen Tagen hat die Mycoderma alle Phasen ihres
Lebens durchlaufen, was man daran erkennt, daß an den Enden der zweigähnlichen
Fasern schwarze Poren zum Vorschein kommen. Man entfernt nun mit Hülfe von
Schabemessern den Schimmel, damit eine neue Generation Platz zur Entwickelung finde.
Auf diese Weise erneuert man in Zeit von etwa zwei Monaten sechs- oder siebenmal die
Oberfläche der Käse; aus dem Caseïn ziehen sechs oder sieben Generationen der
Schimmelpflanze die zu ihrer Entwickelung erforderlichen Nährstoffe. In dem Grade
aber, als das Caseïn eine Metamorphose erleidet, wird es zur Ernährung des
Schimmels immer untauglicher und die später zum Vorschein kommenden Generationen
sind überaus dürftig. Wenn nach ungefähr zweimonatlichem Verweilen im Keller der
Käse nicht mehr zur Ernährung des Penicilliums geeignet ist, erscheinen zwei neue
Schimmelpilze; der eine davon, eine Ascophora, ist weiß
und bildet seidenglänzende Fäden, während der andere hier und da in Gestalt
orangerother Näpfchen auftritt. Das Erscheinen dieser beiden Kryptogame lehrt den
Fabrikanten, daß das Caseïn den gewünschten Grad der Umwandlung erlitten hat
und daß der Käse reif ist.
Um die Modificationen zu erforschen, welchen der Käse während seines Aufenthaltes im
Keller unterliegt, wurde ein roher Käse von 4 Kilogr. Gewicht in 4 Theile getheilt.
Der eine Theil diente zur Untersuchung des Rohmaterials. Die drei anderen Theile
wurden gesalzen und in die Keller gebracht. Nr. 2 wurde daraus nach einmonatlichem
Verweilen entfernt, Nr. 3 und 4 blieben einen Monat länger in dem Keller. Nr. 4
wurde endlich 1 Jahr lang unter einer Glasglocke aufbewahrt und dann erst
untersucht.
Das Stück Nr. 1 zeigte eine schwach saure Reaction, von der Gegenwart der Milchsäure
herrührend; mit einem Gemisch von Alkohol und Aether behandelt, gab es 1/50 vom
Gewicht des Käses an Butter ab, welche während der Käsebereitung mechanisch in das
Caseïn übergegangen war. 100 Theile roher Roquefort-Käse bestanden aus:
Caseïn
85,43
Fettsubstanz
1,85
Milchsäure
0,88
Wasser
11,84
––––––
100,00
Nach einmonatlichem Verweilen in dem Keller hatte der gesalzene Käse bereits sein
Ansehen ganz verändert, er zeigte sich speckig, machte auf der Papierunterlage einen
Fettfleck, nahm einen angenehmen und milden Geschmack an und besaß fast keinen Geruch. 100
Theile gaben bei der Analyse:
Caseïn
61,33
Fettsubstanz
16,12
Kochsalz
4,40
Wasser
18,15
––––––
100,00
Diese Analyse zeigt deutlich, wie durch das Verweilen der Käse in dem Keller der
Fettgehalt zunimmt. Bemerkenswerth ist der Umstand, daß die neugebildete
Fettsubstanz die größte Aehnlichkeit mit Butter hat.
Das Käsefragment Nr. 3 zeigte nach zweimonatlichem Verweilen in dem Keller alle
Eigenschaften, die man von einem guten Käse verlangt; er war speckig und besaß einen
schwachen Geruch. Bei der Analyse ergab er in 100 Theilen:
Caseïn
43,28
Fett
32,31
Buttersäure
0,67
Kochsalz
4,45
Wasser
19,16
–––––
99,86
Aus diesen Resultaten folgt unzweifelhaft, daß die Fettsubstanz auf Kosten des
Caseïns gebildet worden war. Die 32,31 Proc. Fett bestanden aus 18,3 Proc.
sogenanntem Margarin und 14 Proc. Oleïn.
Der längere Zeit bei Luftzutritt aufbewahrte Käse erleidet tief gehende
Veränderungen; seine weiße Farbe macht einer braunen Platz und der Geruch wird immer
stärker und charakteristischer. Der anfängliche milde und fettige Geschmack geht in
einen scharfen und stechenden über. Ein solcher, ein Jahr lang unter einer Glocke
aufbewahrter Käse ergab bei der Analyse folgende Zusammensetzung:
Caseïn
40,23
Margarin
16,85
Oleïn
1,48
buttersaures Ammoniak
5,62
capronsaures
„
7,31
caprylsaures „
4,18
caprinsaures „
4,21
Kochsalz
4,45
Wasser
15,16
–––––
99,49
Das Oleïn war mithin fast völlig verschwunden und durch Oxydation in
Buttersäure und die ähnlichen Säuren übergegangen, die sich auch in ranziger Butter finden,
mit dem Unterschiede, daß sie in dem Roquefort-Käse durch Ammoniak gesättigt
sind.Das Ammoniak in der obigen Analyse mag wohl zum Theil Butylamin und Amylamin
seyn, welches mit der Salzsäure des Kochsalzes zu Butylsalmiak, Amylsalmiak
zusammentrat, während das Natron mit der Fettsäure sich verband. Das
Caseïn ist übrigens in dem speckigen Käse – wahrscheinlich als
Caseïn-Natron oder Caseïn-Ammoniak – in einem in Wasser
löslichen Zustande vorhanden.R. W.