Titel: | Ueber die Durchdringbarkeit des Schmiedeeisens für Gase bei hoher Temperatur; von L. Cailletet. |
Fundstelle: | Band 172, Jahrgang 1864, Nr. XCI., S. 358 |
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XCI.
Ueber die Durchdringbarkeit des Schmiedeeisens
für Gase bei hoher Temperatur; von L.
Cailletet.
Aus den Comptes rendus, t. LVIII p.
327.
Caillettet, über die Durchdringbark. des Schmiedeeisens für Gase
bei hoher Temperatur.
In einer der (französischen) Akademie eingereichten MittheilungPolytechn. Journal Bd. CLXXI S.
201. machten H. Sainte-Claire Deville und Troost auf eine merkwürdige Eigenschaft des
Schmiedeeisens aufmerksam; ihren Beobachtungen zufolge wird dieses Metall bei
starker Erhitzung für Sauerstoffgas durchdringbar. Es ist
bekannt, daß ein eisernes Rohr, welches in einem Ofen zu hoher Temperatur erhitzt,
dann mit Wasserstoffgas gefüllt und darauf hermetisch verschlossen wird, dieses Gas
in solchem Maaße entweichen läßt, daß in dem metallenen Apparate ein fast absolutes
Vacuum entsteht. Die merkwürdigen Versuche der genannten Chemiker tragen zur
Erklärung mancher bei metallurgischen Operationen auftretenden Erscheinungen bei,
hinsichtlich welcher genügende Aufschlüsse bisher noch nicht gegeben seyn dürften.
Ich habe nun selbst nach dieser Richtung hin mehrfache Untersuchungen angestellt,
deren Resultate ich hier mittheile, deren weitere Verfolgung und Vervollständigung
ich mir übrigens vorbehalte.
Zunächst ließ ich Stücke von Flintenläufen unter glatten Walzen platt walzen und dann
an beiden Enden zusammenschweißen, so daß ich aus zwei einander berührenden und an
den Rändern zusammengeschweißten Platten bestehende Rechtecke erhielt. Als ein
solches Stück der höchsten Temperatur eines Schweißofens ausgesetzt wurde, trennten
sich die Platten an den nicht zusammengeschweißten Stellen bald, und nahmen ihre
frühere cylindrische Form und ihr ursprüngliches Volum wieder an. Demzufolge dürfte es
nicht in Zweifel zu ziehen seyn, daß die im Herde entwickelten Gase die Masse des
Schmiedeeisens durchdrungen und die Ausdehnung, somit die Trennung der vorher
einander berührenden Platten und die Zurückführung zur cylindrischen Gestalt bewirkt
haben.
Einem solchen Ein- oder Durchdringen von Gasen müssen auch die blasenartigen
Auftreibungen zugeschrieben werden, welche sich öfters an großen Schmiedestücken,
namentlich an Blendstücken in dem Augenblicke, in welchem sie aus dem Schweißofen
kommen, zeigen. Schlägt man beim Herausnehmen des abgerichteten Stückes aus dem
Herde eine solche Blase auf, so fährt ein Strahl von brennbaren Gasen aus derselben
heraus, welche sich unzweifelhaft in den beim Erhitzen des noch nicht fertig
ausgearbeiteten Stückes in demselben vorhandenen Höhlungen angehäuft haben.
Schon lange ist die Erscheinung bekannt, daß das in den Cementirkästen mit
Kohlenstaub zusammen erhitzte Eisen nach seiner Umwandlung in Stahl sich mit Blasen
bedeckt, deren Menge und Größe, der Beschaffenheit des angewendeten Eisens
entsprechend, mehr oder weniger bedeutend ist.
Bei näherer Untersuchung kann man sich leicht überzeugen, daß jede dieser Blasen
einer Stelle entspricht, an welcher der Metallschwamm nur unvollständig geschweißt
wurde, entweder in Folge des Vorhandenseyns eines unschmelzbaren Körpers, wie Kalk
oder Asche, oder in Folge unvollkommener mechanischer Bearbeitung. Den Versuchen von
H. Deville und Troost zufolge
läßt sich nun wohl annehmen, daß die in den Cementirkästen eingeschlossenen Gase die
Poren des Eisens durchdringen, sich dann in den vorhandenen Hohlräumen des glühenden
Metalls anhäufen und auf diese Weise die erwähnte Blasenbildung hervorrufen. Diese
Annahme findet auch durch einen ganz einfachen Versuch volle Bestätigung.
Cementirt man nämlich mit einander Eisen von den verschiedenartigen Qualitäten wie
sie die Industrie uns liefert, so erhält man stets solchen Blasenstahl. Unterwirft man dagegen das durch mehrstündiges Erhitzen von
Gußstahl bei sehr hoher Temperatur dargestellte, vollkommen weiche und homogene
Eisen der Cementation, so erhält man allerdings auch Stahl, doch ist derselbe an
seiner Oberfläche ganz blasenfrei.
Es ergibt sich aus diesen Versuchen, daß zu eisernen Maschinentheilen, welche in
Stahl verwandelt werden sollen, deren Oberfläche aber nicht verändert werden darf, nur
möglichst homogenes Eisen angewendet und dessen Cementation thunlichst beschleunigt
werden muß.
Um auch bei größeren Schmiedestücken die erwähnte Blasenbildung zu vermeiden, muß man
in dem aus dem Groben geschmiedeten Stücke, wo möglich schon in der gezängten Luppe,
die Entstehung von Hohlräumen oder von nicht ganz vollkommen geschweißten Stellen
sorgfältig verhüten; denn aus dem im Vorstehenden Mitgetheilten geht hervor, daß
jene Blasen nur durch die Verdichtung der Herdgase in den Hohlräumen des Metalles
entstehen.
Bemerkungen zu vorstehen der
Mittheilung, von H. Sainte-Claire Deville.
Ohne dieser eben so interessanten als überzeugenden Mittheilung Cailletet's etwas hinzufügen zu wollen, möchte ich die Aufmerksamkeit auf
eine andere, bei hüttenmännischen Processen sehr häufig zu beobachtende Erscheinung
lenken: nämlich auf das Entweichen von Gasen, welche in geschmolzenen
„feuerflüssigen“ Substanzen bei sehr hohen Temperaturen
aufgelöst, von ihnen absorbirt sind. Das Spratzen des Silbers, das von Le Blanc so sorgfältig untersuchte Spratzen der
Bleiglätte, das Entweichen von Blasen brennbarer Gase aus glasigen Substanzen,
Schlacken etc., sind Erscheinungen, deren allgemeines Vorkommen leicht zu
constatiren ist. Flüssiges weißes Roheisen und flüssiger Stahl lassen im Augenblicke
ihres Erstarrens ein Gas – ohne Zweifel Kohlenoxyd oder Wasserstoff –
entweichen, wodurch die Sauberkeit der Güsse, namentlich aus Gußstahl, oft in hohem
Grade beeinträchtigt wird. Aus diesen Erscheinungen lassen sich mehrere von Résal und Minari
gemachte, sehr beachtenswerthe Beobachtungen über die Bildung blasiger Schlacken mit
gasförmigem entzündlichem Blaseninhalt auf flüssigem oder vielmehr im Erstarren
begriffenem weißem Roheisen erklären; bei grauem Roheisen findet merkwürdiger Weise etwas
derartiges nicht statt. Der Ursprung dieser brennbaren Gase ist natürlich in den
Herdgasen zu suchen; die Wandungen der Schmelztiegel vermitteln durch Endosmose die
Concentrirung der sie umspülenden Gase in dem in ihnen enthaltenen Schmelzgute.
Es wäre sehr wünschenswerth, daß auf größeren Hüttenwerken, wo den Ingenieuren
wissenschaftliche Apparate zu Gebote stehen, nach dieser Richtung hin möglichst
umfassende Versuche angestellt würden.
Durch Cailletet's Versuche läßt sich auch, in Verbindung
mit den wichtigen Beobachtungen von H. Deville und Troost über die Porosität des PlatinsPolytechn. Journal Bd. CLXXI S.
199., die Entstehung der Blasen erklären, durch welche die Güte dieses Metalles
nicht selten stark beeinträchtigt wird; denn solche Blasen bilden sich nur, wenn
gewalztes Platin sehr stark erhitzt wird, und ihre Bildung steht mit der Ausdehnung
der Luft, welche, wie man annehmen kann, zwischen den seine Wandungen bildenden
dünnen Metallschichten eingeschlossen ist, durchaus nicht im Verhältniß. Diese
Wandungen oder dünnen Metallschichten wirken dann wie eine Saug- und Druckpumpe,
indem sie die aus dem sie umgebenden Medium aufgenommenen Gase in den Höhlungen,
welche an nicht vollkommen zusammengeschweißten Stellen vorhanden sind, stark
comprimiren.