Titel: | Ueber eine einfache und sichere Reaction für auf Gespinnsten und Geweben fixirte Anilinfarben; von Dr. J. J. Pohl. |
Autor: | Joseph Johann Pohl [GND] |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. LII., S. 211 |
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LII.
Ueber eine einfache und sichere Reaction für auf
Gespinnsten und Geweben fixirte Anilinfarben; von Dr. J. J. Pohl.
Pohl, über eine sichere Reaction für auf Gespinnsten u. Geweben
fixirte Anilinfarben.
Der Gebrauch der Anilinfarben in der Färberei und im Zeugdrucke hat seit Kurzem in
überraschender Weise zugenommen. Da diese Farben zu den unächten gezählt werden
müssen, läßt sich diese Thatsache nur durch die große Pracht der Anilinfarben und
dadurch erklären: daß damit gegenwärtig nicht nur Violett, sondern auch Roth, Blau,
Grün, Gelb, Braun und selbst Schwarz in verschiedenen Nuancen gefärbt werden kann.
Sind nun auch einige Nuancen der Anilinfarben so auffallend, daß sie der nur etwas
Geübte augenblicklich ohne alle Hilfsmittel als solche erkennt, so bleibt dennoch
bei anderen Nuancen und besonders ihrer Anwendung im Zeugdrucke, deren sichere
Untersuchung ohne chemische Reactionen unthunlich. Aus diesem Grunde nach einem
einfachen und sicheren Erkennungsmittel der auf Garnen und Geweben fixirten
Anilinfarben suchend, fand ich in der Chlorwasserstoffsäure (Salzsäure) das
gewünschte Reagens, welches wie die Wiederholung meiner Versuche Jedem beweisen
wird, den angestrebten Zweck vollkommen erfüllt. Ich übergebe daher dem
Farbenchemiker im Nachstehenden einen kleinen Beitrag zur Analyse der auf
Gespinnstfasern fixirten Farbstoffe, welche bereits von Persoz, Bolley und Anderen auf eine ziemliche Stufe der Vollkommenheit
gebracht wurde.
Unter den Anilinfarben sind wohl die am häufigsten gebrauchten: Anilinviolett, Parme d'Aniline, Dahlia, Fuchsin, Rosëin,
Corllain, Anilinblau, Bleu de lumière, Bleu de
Lyon, Azurin, Jaune phosphorine, Anilingrün,
Anilinbraun und Anilinschwarz. Um diese Farben nach erfolgter Fixirung auf Garnen
oder Geweben von allen anderen Farbestoffen zu unterscheiden, genügt die Anwendung
reiner rauchender Salzsäure und einer Salzsäure, die mit dem dreifachen Volumen
Wasser verdünnt ist. Man beobachtet die Einwirkung der concentrirten Säure bei
gewöhnlicher Temperatur gleich nach dem Uebergießen der in einem passenden
Glasgefäße befindlichen Waare, dann nach 5 und nach 15 Minuten, sowie die
Erscheinung welche nach dem Verdünnen mit Wasser eintritt. Beim Gebrauche der
verdünnten Salzsäure hingegen beobachtet man sogleich, nach 15 Minuten und nach
hierauf vorgenommener starker Verdünnung mit Wasser. Die Erscheinungen welche die
einzelnen Anilinfarben hierbei zeigen, gibt die folgende Uebersicht:
Textabbildung Bd. 173, S. 212–213
Name der fixirten Farbe; Wirkung
der concentrirten Salzsäure; Hierauf mit Wasser verdünnt; Sogleich; nach 5
Minut.; nach 15 Minut.; Anilinviolett; Blau; die Flüssigkeit färbt sich blau;
Blau die Flüssigkeit blau; Die Waare wird violett, jedoch etwas röther als
ursprünglich; Violett; Violett, mehr in's Rothe als ursprünglich; Dahlia
(Violett); Schmutzig braunroth, in's Dunkelviolette; Flüssigkeit: braunroth;
Schmutzig braunroth, ins Graue; Flüssigkeit: ebenso; Graugrün; Flüssigkeit
graugrün; Blau, nach einiger Zeit Stich in's Violette; Flüssigkeit: blau; Blau;
Taubengrau, die Flüssigkeit ist schmutzig rothbraun; Violett; Flüssigkeit: blau;
Parme d'Aniline (Violett); Wie Dahlia; Fuchsin
und Rosëin; Violett; Dunkelbraun; Flüssigkeit: gelbbraun; Corallin v.
Würtz; Keine Aenderung; Blässer; Flüssigkeit: johannisbeerroth.; Farbe fast ganz
abgezogen; Flüssigkeit: stark johannisbeerroth.; Die Farbe fällt wieder etwas
an; Keine Aenderung; Etwas heller; die Flüssigkeit: blaß johannisbeerroth.;
Anilinblau; Schmutzig blaugrün; Flüssigkeit: sehr blaß violett; Dunkel schmutzig
blaugrün; Flüssigkeit: blaßviolett; Blau, mit einem Stich in's Violette; Bleu de Lyon und Bleu de
lumière; Rein blau; Flüssigkeit: farblos; Blau, mit dem
ursprünglichen Stich in's Violette; Ungeändert; Azurin v. Würtz; Blau, mit einem
Stich in's Grünliche; Flüssigkeit: blaß blau; Wie bei 5 Minut.; Zeigt die
ursprüngliche Farbe; Jaune phosphorine; Etwas
blässer; Flüssigkeit: blaßgelb; Blässer; Flüssigkeit: hellgelb; Zeigt sehr blaß
die ursprüngliche Farbe; Etwas blässer; Etwas blässer die ursprüngl. Farbe;
Anilingrün; Blaßgelb in's Zeisiggrüne; Flüssigkeit: gelb; Farblos; Flüssigkeit
goldgelb; Die ursprüngliche Farbe; Anilinbraun; Fast ungeändert; Flüssigkeit:
braun; Etwas lichter; Flüssigkeit: dunkelbraun; Abermals lichter; Flüssigkeit:
braun; Die ursprüngliche Farbe, nur etwas lichter; Ungeändert. Flüssigkeit: sehr
blaß bräunlich; Anilinschwarz; Ungeändert; Flüssigkeit: gelblich; Tief
stahlgrün, in's Schwarze; Flüssigkeit: licht olivenbraun; Tief stahlgrün, in's
Schwarze
Wie zu ersehen, sind diese Reactionen so charakteristisch, daß die Anilinfarben nicht
mit anderen Farbstoffen verwechselt werden können.
Nur betreffs des Corallins, Jaune phosphorine und
Anilinbrauns mögen gänzlich Ungeübte noch im Zweifel bleiben. Ich rathe daher in
diesem Falle nebst der Salzsäure noch concentrirtes
Ammoniak als Reagens zu benutzen. In diese Flüssigkeit gebracht,
werden:
mit Corallin gefärbte Fasern
sogleich hell carminroth und die Flüssigkeit ebenso; nach 5 Minuten ist die Farbe
bedeutend und nach 15 Minuten gänzlich abgezogen;
mit Jaune phosphorine
gefärbte Garne etc. sogleich blaßcitronengelb, die Flüssigkeit bleibt jedoch
farblos; nach 5 und 15 Minuten, sowie nach dem Verdünnen mit Wasser zeigt sich das
Gleiche. Hierauf mit Salzsäure übersättiget, erscheint wieder die ursprüngliche
Farbennüance;
mit Anilinbraun gefärbte Waare wird
sogleich zeisiggelb, die Flüssigkeit erscheint gelblich; nach 15 Minuten ist die
Farbe lichter, die Flüssigkeit intensiver gefärbt und nach dem Verdünnen mit Wasser
zeigt sich sogleich keine weitere Aenderung. Erst 1 1/2 Stunden darnach wird die
Faser licht holzbraun.
Nach obiger Zusammenstellung geben einige der in Betracht gezogenen Farben gleiche
oder nahezu gleiche Reactionen, welche Thatsache auf deren Identität hindeutet. Bei
dem Umstande, daß in neuerer Zeit mehrere blaue, violette, rothe etc. Anilinfarben
mit verschiedener Benennung im Handel vorkommen, welche zum Theil nach abgeänderten
Verfahren dargestellt sind, und die selbst der Erzeuger für von bereits bekannten
Anilinfarben verschieden hält, dürfte die Salzsäure-Reaction auch für den
Chemiker insofern besonderen Werth erlangen, als durch selbe verschiedenartig
benannte Anilinfarbstoffe als identisch oder als Stoffe von wesentlich anderen
Eigenschaften erkannt werden können.