Titel: | Regenerationsverfahren für Oelgemälde, von Prof. Dr. Max Pettenkofer in München. |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. LIII., S. 215 |
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LIII.
Regenerationsverfahren für Oelgemälde, von Prof. Dr.
Max Pettenkofer in München.
Aus dem London Journal of
arts, Juli 1864, S. 30.
Pettenkofer's Regenerationsverfahren für Oelgemälde.
Beobachtung und Experiment zeigen, daß das veränderte Aussehen, welches man nach
Verlauf einiger Jahre an gefirnißten Oelbildern bemerkt, in den meisten Fällen durch
physische und nicht durch chemische Einflüsse veranlaßt wird. Die Zeit verursacht
auf diesen Gemälden eine Unterbrechung der Molecularcohäsion. Der Proceß beginnt auf
der Oberfläche mit mikroskopischen Ritzen im Firniß, und dringt nach und nach durch
die verschiedenen Farbenschichten bis auf den Grund hinab. Die Oberfläche und der
Körper eines solchen Bildes wird im Lauf der Zeit innig mit Luft gemischt und
reflectirt dann das Licht wie gepulvertes Glas, oder verliert die Durchsichtigkeit
wie mit Wasser oder Luft innig gemischtes Oel.
Die beste Methode, um die getrennten Molecule ohne alle Gefahr für das Original
wieder zu vereinigen, ist folgende: – Das Gemälde wird einer Atmosphäre
ausgesetzt, welche sich bei gewöhnlicher Temperatur (ohne Anwendung von Wärme) mit
Alkohol gesättigt hat. Die harzigen Theile des Gemäldes absorbiren aus dieser
Atmosphäre so lange Alkohol, bis sie mit demselben gesättigt sind, aber nicht mehr.
Durch diesen Proceß erlangen die verschiedenen getrennten Molecule wieder die
Cohäsion mit einander, und der optische Effect des Originals wird so auf ganz
selbstthätigem Wege hergestellt, indem das Gemälde gar nicht berührt wird. Die sehr
geringe Menge des absorbirten Alkohols verdunstet sehr bald, wenn man das Gemälde
der gewöhnlichen Atmosphäre aussetzt, und die Oberfläche desselben bleibt dann eben
so lang klar wie eine frisch gefirnißte.
Der geeignetste Apparat zu diesem Zweck ist eine hölzerne Kiste von der
erforderlichen Größe, welche etwa 3 Zoll tief und innen mit einem Metall, z.B. Zink,
ausgeschlagen ist, mit Ausnahme des Deckels, an welchem das zu regenerirende Bild
(oder deren mehrere) durch Schrauben wie in gewöhnlichen Packkisten, befestigt wird.
Man gießt dann Alkohol in den mit Metall gefütterten unteren Theil der Kiste und
schließt den Deckel, so daß das Gemälde mit der Bildfläche über dem Alkohol
aufgehängt ist. Von Zeit zu Zeit wird der Deckel geöffnet, um den Fortschritt der Regeneration zu
überwachen und diejenigen Bilder herauszunehmen, welche hinreichend Dampf absorbirt
haben. – Zur Behandlung eines Gemäldes, welches sich nicht gut von seiner
Stelle entfernen läßt, benutzt man eine Kiste ohne Deckel und Metallfütterung,
welche etwas größer als das Gemälde ist; der Boden derselben wird innerhalb mit
einem absorbirenden Stoff, z.B. Flanell, bedeckt, welcher durch schwaches Besprengen
mit Alkohol gerade nur befeuchtet wird, wornach man die Kiste über dem Gemälde
befestigt, so daß sie dasselbe vollständig bedeckt.
Es können natürlich verschiedenartige Vorrichtungen zur Ausführung des Verfahrens
angewendet werden, welche aber hier nicht in Betracht kommen, denn das neu entdeckte
Princip der selbstthätigen Regeneration der Oelgemälde durch Dämpfe ist der einzige
Gegenstand der Erfindung. So können in derselben Weise auch andere Substanzen statt
Alkohol benutzt werden, z.B. Holzgeist, Schwefeläther, Terpenthinöl, Petroleum,
Benzin etc.; und in speciellen Fällen muß eine höhere oder niedrigere Temperatur
angewandt werden, aber alles dieses ist nicht wesentlich und dem Princip der
selbstthätigen Regeneration durch Dampfabsorption untergeordnet. (Patentirt in
England am 20. October 1863.)