Titel: | Ueber den Einfluß des atmosphärischen Sauerstoffs bei der Weinbereitung und über die Krankheiten des Weines, von L. Pasteur. |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. LIV., S. 216 |
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LIV.
Ueber den Einfluß des atmosphärischen Sauerstoffs
bei der Weinbereitung und über die Krankheiten des Weines, von L. Pasteur.
Aus der schweizerischen polytechnischen
Zeitschrift, 1864, Bd. IX S. 61.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Pasteur, über den Einfluß des Luftsauerstoffs bei der Weinbereitung
und über die Krankheiten des Weines.
Es wird als selbstverständlich vorausgesetzt, daß der wesentliche Unterschied in
Qualität und Charakter der Weine zurückgeführt werden muß auf Boden, Klima, Lage,
Weinstock, aber gewiß ist auch, daß viele Verschiedenheiten von der Behandlung
herkommen, da man weiß, daß ein und derselbe Most je nach der Behandlung
verschiedenen Wein liefert. Es muß daher diesen Einflüssen, insofern sie schädlich
seyn sollten, entgegen gearbeitet werden können. Der Verfasser bemerkt, daß er bei
Mittheilung seiner ersten Versuchsreihe über den Einfluß des
atmosphärischen Sauerstoffs bei der Weinbereitung
Dieser Theil von Pasteur's Studien über den Wein
wurde in den Comptes rendus, t. LVII p. 936 (December 1863) veröffentlicht. die Absicht
habe, zu Versuchen anzuregen, die sich von dem Chemiker nicht ausführen lassen, weil
sie größeren Maaßstabes bedürfen.
Die folgewichtige und geistvolle Arbeit von Gay-Lussac, welcher darthat, daß ohne Sauerstoffzutritt die Gährung
im Traubensaft nicht eintrete, ist bekannt. Er preßte Weinbeeren unter Quecksilber
aus und zeigte, daß der Saft nicht gährte bis Luft zugelassen wurde. Pasteur constatirte folgende Thatsachen mit Bezug auf die
genannte Fundamentalerscheinung.
1) Der Most, rother wie weißer Trauben, enthält keinen Sauerstoff, aber Stickstoff
und Kohlensäure in Lösung. Im Liter weißen Mostes fanden sich z.B. 58
Kubikcentimeter Gase und davon waren 78,5 Proc. Kohlensäure, 21,5 Proc.
Stickstoff.
2) Der der Luft dargebotene Most oxydirt sich nicht. Vor der Gährung findet man nur
die beiden genannten Gase darin. Der atmosphärische Sauerstoff verbindet sich mit
den im Most vorhandenen oxydirbaren Körpern im Verhältniß seiner Auflösung in dieser
Flüssigkeit.
3) Diese Verbindung geht jedoch nicht so schnell vor sich, daß man nicht Most haben
könnte, der einige Stunden lang Sauerstoff gelöst enthält, ohne daß dieser gebunden
wird. Diese Erfahrung macht man z.B. wenn man Most mit Luft schüttelt und das
aufgenommene Gas analysirt. 50 Kub. Cent. eines Gasgemenges, das aus Most, der mit
gleichem Volum Luft geschüttelt worden war, nach einer Viertelstunde war
abgeschieden worden, enthielten 13 Kub. Cent., die nicht Kohlensäure waren, und
darin 20 Proc. Sauerstoff. Nach einer Stunde genommenes Gas enthielt nur 6 Proc.
Sauerstoff, nachdem es von Kohlensäure befreit war. Eine bei 40° C. während
48 Stunden verschlossen gestandene Flasche, die gleiche Volume Most und Wein
enthielt, lieferte eine Flüssigkeit, die nur 3 Proc. Kohlensäure, aber 15 Proc.
Sauerstoff zeigte. Nach halbstündigem Schütteln zeigte sich, daß der Liter Most 70
Kub. C. Gas aufgenommen hatte.
Die Verbindung des Mostes mit dem Sauerstoff veranlaßt eine Farbenänderung; der weiße
wird braun, auch beim Rothwein werden die ungefärbten Bestandtheile bräunlich. Auch
der Geruch, anfangs ganz unbedeutend, tritt stärker hervor, wird angenehm,
ätherartig, sobald die Gährung beginnt, und dieser Geruch scheint mit einer
langsamen Oxydation des Mostes in Verbindung zu stehen.
Die Gährung des Mostes verläuft viel rascher, wenn ihm reichlich Luft zugeführt
worden, was durch einen Blasebalg, dessen Oeffnung, mit einer Brause versehen, unter
die Oberfläche der Flüssigkeit getaucht wird, leicht geschehen kann. Eine solche
Lüftung des Mostes kann aber, wenn man sie erst vornimmt, während die Gährung schon
eingetreten ist, und Kohlensäure und Hefe schon vorhanden sind, schaden. Da manche
spät eingeheimsten Weine sehr oft nach kurzer Zeit einer stürmischen Gährung still
und süß bleiben, fragt es sich, ob da nicht Lüftung vortheilhaft wäre. Ob Farbe,
Stärke, Bouquet bei solchem Verfahren vielleicht leiden würden, will der Verfasser
der Praxis zur Entscheidung überlassen.
Der Wein enthält Substanzen, die in hohem Grade oxydirbar sind. Boussingault machte schon im J. 1859 darauf aufmerksam, daß man im Wein
nie freies Sauerstoffgas antrifft. Er hoffte, hierauf ein Mittel gründen zu können,
um Wasserbeimischung zu entdecken. Unglücklicherweise aber war auch in dem
gemischten Wein der Sauerstoff nach 24 Stunden verschwunden.
Es bestehen, wie man aus allen Erfahrungen annehmen darf, im fertigen Weine dieselben
Substanzen, durch die Gährung wahrscheinlich etwas modificirt, die sich mit dem
Sauerstoff begierig verbinden. Darum findet man in dem Weine, der in geschlossenem
Fasse aufbewahrt wird, keinen Sauerstoff. In offenen Gefäßen stehend, kann der Wein
dagegen Sauerstoff enthalten und zwar sogar in einem Verhältniß zum Stickstoff, das
größer ist als in der atmosphärischen Luft. Wein, der eine Decke von Kahmen (mycoderma vini) hat, enthält auch nach längerem Stehen
an der Luft keinen Sauerstoff.
Die Bindung des Sauerstoffes im Wein geht langsamer vor sich als im Most, der nur an
Luft stehend, nicht freien Sauerstoff enthält.
Das Gas in dem gährenden und eben vergährten Most ist nur Kohlensäure. Pasteur fand in einem Falle, daß dieses Gas 1 1/2 Volum
von dem des frischvergährten Mostes ausmache. Anders verhält es sich beim Lagern des
Weines im Fasse; es findet da Verdünstung und Endosmose durch die Faßdauben statt,
der Luftsauerstoff dringt langsam ein, und er ist es, wie Pasteur zu zeigen bemüht ist, der den Wein fertig macht.
Untersucht man die Gase, die in einem mehrere Monate oder Jahre gelagerten Weine
enthalten sind (was an Ort und Stelle und mit besonderer Vorsicht und gänzlichem
Luftausschluß zu geschehen hat), so findet man 1) nie freien Sauerstoff, 2)
wechselnde Mengen von Kohlensäure, 3) Stickgas und zwar fast überall in gleichem
Verhältniß, nämlich 16 Kub. Cent. auf den Liter. Dieses Gas kann nur von
eingedrungener atmosphärischer Luft herrühren, da frisch nach der Gährung der Wein
nur Kohlensäure enthält. Es erfolgt Sättigung mit Luft, der Sauerstoff wird
gebunden, neue wird aufgenommen und so erklärt es sich als Nothwendigkeit, daß
allmählich auch im Fasse ziemlich viel Sauerstoff zum Wein tritt. Wie beträchtlich dessen Menge
ist, wird ersichtlich, wenn man die Schwindung des Weines im Fasse mißt. Sie soll
nach genauen Erfahrungen von Praktikern 4 bis 4 1/2 Volumprocente vom Wein betragen.
Der weinleere Raum im Fasse ist aber nur mit Kohlensäure und Stickgas gefüllt. Der
Sauerstoff von 4 bis 5 Litern Luft ist also von 100 Litern Wein im Jahre absorbirt
worden, bei vierjähriger Lagerung wird daher etwa die vierfache Menge absorbirt und
gebunden werden. Dieses ist jedenfalls nur ein Minimum, denn es muß angenommen
werden, daß die ein- und austretenden Gase sich öfter erneuern.
Pasteur hält es für höchst wahrscheinlich, daß diese
Oxydation es ist, die den Wein zu dem macht, was man unter altem Wein versteht, daß
sie ihm die herben und bitteren Bestandtheile nimmt und den Niederschlag im Fasse
zum Theil verursacht. Derselbe hat dieß durch directe Versuche nachgewiesen.Vor mehreren Jahren lasen wir eine Mittheilung, wenn wir nicht irren in Voigt's Notizen, nach welcher man bald dahin
gelangen soll, dem jungen Weine den Geschmack und das Aussehen des alten zu
geben, wenn man ihn in Flaschen fülle und diese mit Fließpapier verbunden,
einige Wochen lang stehen lasse. Bolley. Immerhin muß der Zutritt der Luft nicht zu stark seyn, da sonst schädliche
Einwirkungen eintreten. Die Annahme Pasteur's wird
bestärkt durch den Umstand, daß Wein in großen Fässern gelagert den Charakter des
jungen länger beibehält als der in kleinen Fässern gelagerte.
Wahrscheinlich hängt damit auch die vortheilhafte Wirkung zusammen, die einige Weine
durch längere Reisen erfahren. Endlich muß es auf die gleiche Ursache zurückgeführt
werden, daß einige Weine sich besser im Fasse, als in der Flasche, andere aber
umgekehrt sich besser in der Flasche conserviren.
Ueber die spontanen Veränderungen welche der Wein erfährt,
oder die Krankheiten des Weines, theilt Pasteur
das Nachfolgende mit:In den Comptes rendus, t. LVIII p. 142 (Januar 1864). Die Weinberge des französischen Jura bringen weiße und rothe Weine hervor,
von ersteren moussirende wie Faßweine, letztere sind trockene, dem Madeira ähnliche
Weine. Dieses Gebiet gibt deßhalb mannichfaltige Gelegenheit zu Beobachtungen über
die genannte Frage. Der Verfasser stellte sich die Frage, ob die Krankheiten des
Weines nicht von organisirten Fermenten, von mikroskopischen Vegetationen herkommen,
deren Keime sich bei gewissen Temperaturen, beim Aussetzen an die Luft u.s.w.
entwickeln und in den Wein eindringen. Er glaubt in der That zeigen zu können, daß solchen
mikroskopischen organisirten Fermenten diese Veränderungen des Weines zuzuschreiben
sind. An Weinen des Jura wurden folgende Wahrnehmungen gemacht, wozu die Abbildungen
auf Tab. III gehören.
1. Saure Weine. Die Ursache des Sauerwerdens weißer und
rother Weine ist die Mycoderma aceti. Der Verfasser fand
sie auf allen Weinen, die ihm als sauergeworden übergeben worden waren, die jedoch
mit den sogenannten umgeschlagenen Weinen nicht verwechselt werden dürfen. Fig. 1 stellt
die Mycoderma aceti (Essigblume) dar. Sie besteht aus
kurzen Gliedern, ungefähr doppelt so lang als breit und gegen die Mitte etwas
zusammengedrückt. Diese Glieder sind in Schnüre vereinigt, die oft 20–40fach
die Länge des einzelnen Gliedes haben. Dieses ist 0,0015 Millimeter lang und
verändert sich etwas je nach der Mischung der Flüssigkeit und dem Alter.
Im Jura werden die Weißweine in unvollkommen gefüllten Fässern gehalten, weil sie so
besser ausgähren; auch gießt man nicht Oel nach, wie es anderwärts wohl geschieht.
Diese Umstände erklären das Auftreten der Essigblume, die Pasteur häufig neben der Weinkahme, Weinblume, auf allen Weinen fand, die
das Faß nicht ganz füllten.
Es läßt sich nur durch Untersuchung auf dem Platze selbst bei ganz ruhig stehen
gelassenem Wein entscheiden, ob er auf dem Wege des Sauerwerdens sey. Findet man die
Essigblume allein darauf, so ist hierüber kein Zweifel. Wenn die Säuerung schon so
weit vorgeschritten ist, daß der Wein sauer schmeckt, so ist er nicht wieder
herstellbar und man thut am besten, ihn nach der gewöhnlichen Methode in Weinessig
umzuwandeln.
Ist die Säuerung noch wenig vorgeschritten, so kann man den Wein wieder herstellen,
indem man die freie Essigsäure durch Kali sättigt. Die Menge desselben bestimmt man
durch Titriren des fraglichen sauren Weines neben einem noch unverdorbenen, von
derselben Lage und Jahrgang, und Abziehen des Alkaliverbrauchs im letzteren vom
ersteren Fall und Zufügen einer diesem Reste entsprechenden Menge Alkalis. Dieses
Verfahren hat immer Erfolg, wenn es sich gezeigt hat, daß die freie Essigsäure
C⁴H⁴O⁴ nicht mehr als 2 Gramme auf den Liter Wein beträgt. Das
Bouquet der Weißweine leidet nicht im mindesten durch dieses Verfahren, wenn die
Menge der Essigsäure nicht mehr betrug, es tritt vollkommen wieder auf nach dem
Zusatze von Alkali. Wenn der Wein noch nicht sauer schmeckt und nur einzelne Fäden
der Mycoderma aceti darauf bemerkbar sind, so zieht man
ihn ab mit der Sorgfalt, daß die Decke im Fasse zurückbleibt.
Wenn aber die mikroskopische Betrachtung zeigte, daß der Wein Vegetationen nach Fig. 2, Fig. 5 und
Fig. 3
enthält, so wäre darauf nur die Weinblume (Mycoderma
vini) entwickelt.
Diese Gebilde bestehen aus Kügelchen oder mehr oder weniger gestreckten Zellen, deren
Durchmesser viel größer als der der Essigblumeglieder, nämlich 0,002–0,006
Millimeter ist, und die sich durch Abzweigung vermehren. Für Wein, der diese Decke
hat, ist nichts zu fürchten. Im Gegentheil scheint sie ähnlich einer Oelschichte
Grund zu seyn, daß der Wein sich gegen den atmosphärischen Sauerstoff ganz anders
verhalte, sie schützt ihn vor dem Luftzutritt, und dieser ist nur durch das Medium
des Faßholzes möglich. Der Verfasser sagt, er könne in seinen Behauptungen noch
weiter gehen und versichern, daß er die Bildung der Varietät von Mycoderma vini
Fig. 3 für
eine vollkommen gute Ausbildung weißer Weine für nöthig halte, denn so oft es ihm
gelungen sey, dieses Pflänzchen auf künstlichen Weinen zu erzeugen, habe er bemerkt,
daß diese ein Bouquet angenommen haben, das sie den natürlichen Weinen viel näher
stellte. Es möchte selbst rathsam seyn, Theilchen einer Weindecke gesunden Weines,
die unzweifelhaft aus Mycoderma vini besteht, auf einen
Wein, den man gut erhalten will, zu bringen, dieses Vegetabil gleichsam zu säen.
Hierdurch wird auch der Vortheil erreicht, daß sich die Mycoderma aceti nicht bilden kann, wenn erstere den Sauerstoff der Luft
für sich in Anspruch nimmt. Er bemerkt jedoch, daß dieß nur unter gewissen Umständen
thunlich ist, wenn der Mycoderma vini nämlich die
rechten und ausreichenden Nahrungsbestandtheile, auf die der Verfasser später
zurückkommen will, zugeführt werden.
In Fig. 4
endlich ist der Fall dargestellt, daß sich beide Mycoderma-Arten, die des
Weines und die des Essigs, gemischt finden. Pasteur
bemerkte dieses Gemisch auf weißen und rothen, jedoch immer nur auf feineren Weinen,
nicht auf ordinären Sorten, oder nur dann, wenn von diesen täglich abgezapft wird,
so daß auf diesem Wege starke Lufterneuerung stattfindet.
Gewöhnliche Rothweine enthalten, so lange sie jung sind, nur die Mycoderma vini, da dieses Vegetabil sich um so leichter
ernährt, je mehr stickstoffhaltige und Extractivmaterie der Wein enthält. Ist
derselbe aber älter geworden, oder von guten Lagen und Jahrgängen, so gedeiht die
Weinblume, weil es in diesem Falle an den benannten fremden Stoffen fehlt, nur
schwierig und mischt sich mit der Essigblume. Auf diese Weise gehen zuweilen
treffliche Rothweine zu Grunde. Bleiben sie mit der Mycoderma
vini bedeckt, ohne Beimischung der Mycoderma
aceti so werden sie vorzüglich und nehmen den milden Charakter des
Geschmacks der Weißweine an.
2. Weine, die nach der Gährung süß bleiben. Fig. 6 stellt
eine charakteristische Varietät von Weinhefe dar. Wo die Weinlese spät, bei schon
kühler, der Gährung ungünstiger Jahreszeit gemacht wird, und namentlich in guten
zuckerreichen Jahrgängen geschieht es sehr oft, daß der Wein im Fasse süß bleibt. Es
geht zuweilen darin eine so langsame Gährung vor sich, daß er Jahre lang süß bleibt.
In diesem Fall bemerkt man immer die Vegetation, Fig. 6, mehr oder weniger
vollständig ausgebildet; sie besteht aus Stielen mit Zweigen, die gegliedert sind
und in eiförmige Zellen endigen, die leicht sich ablösen und sich wie Sporen der
Pflanze verhalten. Weil sich einzelne Theile des Pflänzchens leicht loslösen, wie
auf der rechten Seite der Figur andeutet ist, sieht man wohlausgebildete Individuen
nicht häufig.
3. Bittere Weine. In Fig. 7 ist das Ferment
dargestellt, welches die Krankheit des Bitterwerdens der Weine bestimmt. Es sind
knotige, verästelte, starkgekrümmte Fäden, deren Durchmesser oft 0,004 Millimeter
beträgt, welcher aber bis zu 0,0015 variirt. Diese Fäden sind gewöhnlich vorhanden
in Gesellschaft kleiner brauner kugeliger Körnchen von einem Durchmesser von
ungefähr 0,0018 Millimeter. Man trifft bei bitteren Weinen, sie mögen gewachsen
seyn, wo immer sie wollen, immer diese Vegetation in wechselnder Häufigkeit je nach
der Stärke der Bitterkeit des Weines. Im Weine vom Jura ist sie keineswegs selten,
häufiger aber noch im Burgunder. In weißen Weinen hat sie Pasteur noch nicht angetroffen. Noch, sagt er, weiß ich nicht auf welche
Bestandtheile des Weines dieß Ferment einwirkt, und worin die Substanz besteht,
welche die Bitterkeit hervorbringt. Ist es Gerbsäure, oder die eiweißartigen
Materien? Gas wird durch dieses Ferment in einigermaßen erheblicher Menge nicht
entwickelt. Ein Mittel, diese Krankheit zu verhüten, sagt er, weiß ich nicht
anzugeben; mein Rath ist: von Zeit zu Zeit den Niederschlag im Faß in der Flasche zu
untersuchen. Man wird auf die Gegenwart dieses Fermentes schon durch das Ansehen
geführt, das der Bodensatz hat; dieser ist schwarz und schwebt in der Flüssigkeit.
Die Fig. 7
ist ein sicherer Führer, insofern als sie mit allen anderen von mir beobachteten
Fermenten nicht verwechselt werden kann. Tritt dasselbe auf, so möchte das beste
seyn, den Wein mit Hausenblase oder gelöster Gelatine zu schütteln und ihn dann
wieder auf Flaschen zu bringen. Die Praxis des Schwefelns und Peitschens der Weine
mit Gallerte muß zum Theil auf den Vortheil vollkommener Lüftung, den er dadurch erfährt,
zurückgeführt werden, zum Theil auf die Nothwendigkeit, die Schmarotzerfermente
darin niederzuschlagen.
4. Umgeschlagene Weine (vins
tournés), trübgewordene Weine. Fig. 8 stellt
das Ferment der Weine dieser Art dar. Alle Rothweine und viele Weißweine sind diesem
Uebel unterworfen. Es sind dünne Fäden von oft nur einem Tausendstelmillimeter
Durchmesser. In der Figur 8 sind sie absichtlich gemischt mit einigen Zellen oder Gliedern
der eigentlichen Weinhefe. Sie sind sehr dünn und leicht, und trüben den Wein stark,
daher erregen sie die Meinung des Umschlagens des Weines, bestehend in einem
Wiederaufsteigen der Hefe, was aber falsch ist. Die Trübung kommt von dem Ferment,
Fig. 8,
her, das sich durch die ganze Masse des Weines verbreitet. Vielleicht daß in
einzelnen Fällen (Pasteur hat indeß keinen solchen
beobachtet) in Folge der geringen Gasentwickelung, die das Ferment Fig. 8 veranlaßt, sich
Hefetheilchen erheben. In den Weinen des Jura hat Pasteur, in südlichen französischen Weinen, die umgeschlagen waren, Balard dieses Ferment erkannt. Dasselbe hat mit dem der
Milchgährung einige Aehnlichkeit, namentlich wenn die Fäden durch Schütteln in
Stücke zertheilt sind. Untersucht man aber dieses Ferment bei nicht transportirten
Weinen, so erkennt man leicht den Unterschied. Dasselbe besteht aus cylindrischen
sehr biegsamen Fasern, ohne Einschnürungen, eigentlichen Fäden ohne Verästelung,
deren Glieder schwer zu erkennen sind, während das Milchferment aus kurzen, in der
Mitte etwas zusammengepreßten Gliedern besteht, so daß sie wie eine Reihe von
Punkten aussehen. Indeß darf auf diese Merkmale zur Unterscheidung doch nicht
allzugroßes Gewicht gelegt werden, da in Folge ihrer Fortpflanzungsweise durch
Theilung Stadien eintreten können, in welchen sie sich ähnlicher sehen. Es muß
übrigens als allgemeine Regel ausgesprochen werden, daß eine recht scharfe
Charakteristik solcher Fermente sich nur bei gleichzeitiger Betrachtung der
physiologischen Function derselben geben läßt.Pasteur spricht die Meinung hier aus, die
Brodgährung sey eine Milchgährung, nicht wie wir allgemein annehmen eine
alkoholische. Es läßt sich, wenn man die Gegenwart dieses Fermentes physiologisch erkannt
hat, durch Lüftung des Weines (Schütteln mit Luft) leicht niederschlagen, so daß man
annehmen darf, der Sauerstoff schade seinem Leben. Auch in moussirenden Weinen, die
zuweilen einen „Stich“ bekommen, findet sich dasselbe
Ferment.
5. Weine, die zugleich mit den drei vorerwähnten Krankheiten
behaftet sind. Fig. 9 stellt die Mengung
der drei Fermente 6, 7
und 8 dar. Dieß ist ein sicheres Zeichen, daß der Wein gleichzeitig oder successiv
von den drei Krankheiten befallen wurde. Diese Umstände, von welchen Pasteur häufige Beispiele antraf, traten am leichtesten
bei solchen Weinen ein, die nach der ersten stürmischen Gährung noch viel Zucker
enthielten.
6. Fadenziehende Weine („lange,“
„linde“). In Fig. 10 ist das Ferment
solcher Weißweine dargestellt, die lang geworden sind. Es sind Schnüre von kleinen
Kügelchen, die einen Durchmesser von ungefähr 0,0012 Millimeter haben. Es gehört
dieses Ferment zu jenen der Schleimgährung, und es läßt sich überall entdecken, wo
man Weine fadig geworden findet, und es ist ganz dasselbe Ferment, das man in
künstlich eingeleiteten schleimigen Gährungen trifft.
7. Als Resultat der obigen Forschungen ergibt sich, daß
der Wein, der durch ein als Ferment wirkendes Zellenpflänzchen entsteht, nur dann
sich verändert, wenn darin andere Vegetationen der gleichen Ordnung sich bilden, und
daß er, von solchen Parasiten frei gehalten, ausreift im Fasse, sich gut erhält, und
alle Eigenschaften gesunden alten Weines annimmt, unter dem Einfluß des allmählich
durch die Dauben eindringenden Sauerstoffs.
Unter praktischem Gesichtspunkt ist anzuführen, daß man durch mikroskopische
Untersuchung das Uebel erkennen kann und im rechten Momente in der Regel im Stande
ist, es zu bekämpfen. Pasteur glaubt, die Versicherung
geben zu können, daß andere Krankheiten als die genannten im Weine nicht
vorkommen.
8. Organisirte Fermente von Gährungen, die im Wein nicht
vorkommen. Es sind in Fig. 11, 12, 13, 14 und 15 Fermente abgebildet,
die zwar beim Weine nicht vorkommen, die aber zu kennen doch nützlich ist, weil sie
leicht verwechselt werden könnten. Fig. 11, in Ansehen und
Größe ganz gleich Fig. 10, ist das Harnferment. Oft trifft man ein ganz ähnliches im Biere.
Fig. 12
ist das Ferment der Milchgährung, mit einigen Bierhefekügelchen gemengt. Dasselbe
kann von allen vorangehenden am leichtesten mit der Mycoderma
aceti verwechselt werden. Nur hat das Milchferment etwas längere Glieder,
die auch weniger regelmäßige Einschnürungen haben, als die von Mycoderma aceti. Trotzdem steigt die Idee einem auf, ob
beide nicht das gleiche Thier seyen, das unter verschiedenen Lebensbedingungen auch
verschiedene Erscheinungen hervorbringe.
Fig. 13,
14 u.
15 sind
verschiedene Fermente der Buttergährung. Es wäre deren Abbildung nicht so
ungenügend, wie die vorliegenden, wenn man die Bewegung dieser sonderbaren Vibrionen
darstellen könnte, welche sie machen, wenn sie, in Ketten an einander geschnürt, sich zu
trennen bestreben. Diese Vibrionen können eine Menge Substanzen zur Gährung bringen,
worunter Pasteur namentlich das Glycerin beobachtete, das
unter deren Einfluß äußerst leicht gähren soll. Sonderbar ist noch das, daß diese
Infusorien ganz abgeschlossen von freiem Sauerstoff zu leben vermögen.
Dr. Bolley.