Titel: | Ueber die Menge der im Branntwein und Weinessig enthaltenen Aetherarten; von Berthelot. |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. LV., S. 225 |
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LV.
Ueber die Menge der im Branntwein und Weinessig
enthaltenen Aetherarten; von Berthelot.
Aus den Comptes rendus,
t. LVIII p. 77.
Berthelot, über die Menge der im Branntwein etc. enthaltenen
Aetherarten.
Meine früheren Untersuchungen haben gezeigtPolytechn. Journal Bd. CLXXI S. 220., wie man die genaue Menge der Aether in den weinigen Flüssigkeiten berechnen
kann; derselbe Weg kann auch für die Bestimmung dieses Gehaltes in den aus den
Weinen durch Destillation oder Oxydation erhaltenen Flüssigkeiten, nämlich für
Branntwein und Weinessig dienen.
I. Branntwein. – Der Branntwein wird bekanntlich
durch Destillation des Weines oder jeder anderen gegohrenen Flüssigkeit gewonnen,
und enthält 40–60 Gewichtsprocente Alkohol. Diese Flüssigkeit läßt sich
beliebig lang unverändert aufbewahren und enthält:
1) Wasser;
2) gewöhnlichen Alkohol mit Spuren von Amylalkohol und vielleicht noch anderen
Alkoholen;
3) einen Theil der flüchtigen Säuren des Weines (Essigsäure, Buttersäure,
wahrscheinlich Bernsteinsäure), wovon der größere Theil im Rückstand (der Schlempe)
verbleibt. Dazu kommt noch eine geringe Menge empyreumatischer (brenzlicher)
Säuren;
4) die flüchtigeren Aether des Weines (Essigäther, Ameisenäther (?) etc.). Ihre Menge
im Wein ist eine sehr geringe und die Destillation dauert zu kurze Zeit, um sie
erheblich zu verändern;
5) verschiedene flüchtige Stoffe des Weines oder der gegohrenen Flüssigkeit, wie
ätherische Oele, Aldehyde etc.; andere empyreumatische Producte; endlich gewisse aus
den Fässern ausgezogene Stoffe. Diese letzteren kommen bei vorliegender Untersuchung
nicht in Betracht.
Welche wird nach mehreren Jahren die Zusammensetzung dieser Flüssigkeiten seyn? Es
handelt sich hier um Gemische, die Säuren nur spurweise enthalten, und es zeigt
sich, daß die Menge der zur Aetherbildung dienenden Säure ein beinahe constanter
Bruch der Gesammtmenge derselben ist, und nur abhängt vom Verhältniß zwischen
Alkohol und Wasser, dagegen ist sie ganz und gar unabhängig von der Temperatur.
Die Erfahrung zeigt, daß 2/3 der freien Säure ätherificirt sind, bei 60
Gewichtsprocent Alkohol und 40 Wasser; 56/100 bei einem Verhältniß von Alkohol und
Wasser zu gleichen Theilen; 45/100 bei 60 Wasser und 40 Alkohol. Wenn man daher in
einem seit mehreren Jahren gelagerten Branntwein den Titre der noch freien Säure
kennt, so kann man daraus auf die Aethermenge, oder besser gesagt auf die zur
Aetherbildung verwandte Säure schließen. Dieses Verhältniß wird durch die
Bedingungen des Lagerns nicht wesentlich geändert.
BeiVei frischen Branntweinen wird zuweilen die Menge der gebildeten Aether jene
Ziffer noch nicht erreicht haben, allein unfehlbar kommt sie durch Fortdauer der
Aetherbildung bald dazu, und merkwürdiger Weise, wenn mehr Aether vorhanden ist als
jener Grenze entspricht, so wird er sich wieder zersetzen, um den
Gleichgewichtszustand herzustellen, darum kann eine Beimischung eines Aethers um dem
Branntwein Bouquet zu geben, sehr unerwartete Wirkungen hervorbringen. Es wird der
Aether sich theilweise in Säure und Weingeist zerlegen und den Geschmack und Geruch
des Getränkes wesentlich ändern, und es werden Zersetzungen eintreten zwischen den
Säuren und Alkoholen der hinzugefügten und jenen der ursprünglich vorhandenen
Aether.
II. Weinessig. – Bei der Essigbildung wird der
größte Theil des Alkohols in Essigsäure umgewandelt, ein anderer aber ganz oxydirt.
Wenn zu Ende des Processes aller Alkohol verschwunden wäre, hätten wir uns nicht um
die Aetherbildung zu kümmern, diese könnten sich nicht bilden und ebenso nicht der
ihnen zukommende eigenthümliche Wohlgeruch.
Der Alkohol aber verschwindet nicht gänzlich, und im Weinessig finden sich Aether,
solche die im Weine schon präexistirten, oder solche, die sich aus dem noch
vorhandenen Alkohol erst bei der Lagerung bilden. Meist sind es Aether der
Essigsäure, und sie tragen das meiste zum Bouquet des Weinessigs bei. Um ihre Menge
zu bestimmen, hat man nur gemäß meinen Erfahrungen sich zu merken, daß ihre Menge
proportional ist dem Product des Säure- und Alkoholgewichts. Wenn a das Alkoholgewicht in einem Liter Essig, A das Gewicht der freien Säure ist, so ist (2 Grm. × a × A)/1000 das des
Essigäthers. Es seyen z.B. 60 Grm. Säure und 1 Grm. Alkohol im Liter Essig gegeben,
so ist (2 Grm. × 60 × 1)/1000 = 120/1000 = 0,12 Grm. Essigäther
vorhanden. Diese Erscheinung erklärt den charakteristischen Aethergeruch des
Weinessigs.