Titel: | Neue Brodbereitungsmethode von Dr. Artus. |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. LVII., S. 228 |
Download: | XML |
LVII.
Neue Brodbereitungsmethode von Dr. Artus.
Artus' neue Brodbereitungsmethode.
Hr. Prof. Dr. Artus hat in der
von ihm herausgegebenen Vierteljahresschrift über seine neue Brodbereitungsmethode
das Folgende veröffentlicht:
„Die größere oder geringere Nahrhaftigkeit des Mehles ist abhängig von der
Art und Weise, wie das Getreide beim Mahlen behandelt wird, da das Stärkemehl
von dem Kleber, dem vorzüglich nahrhaften
Bestandtheile des Kornes, getrennt ist.
Der Kleber, der wichtigste und einflußreichste Blutbildungskörper, befindet sich
in der Hülse, und zwar in der äußersten Schicht gegen 3 bis 4 Proc., in der
innersten Schicht dagegen nahe an 12 bis 20 Proc., während in dem ganzen übrigen
Theile des Roggenkornes Stärkemehl vorhanden ist; ähnlich verhalten sich alle
übrigen Getreidearten.
Diese Schichtung der bereits genannten Stoffe ist nun für die technische
Behandlung der Getreidearten in der Mühle maaßgebend; denn während zwischen den
Mühlsteinen die leicht trennbaren Stärkemehlkörperchen leicht aus ihren Zellen
geschieden werden, widersteht die Hülse dieser Zerkleinerung weit mehr, indem
die Zellen fester und dichter sind und, was hier noch besonders in die
Waagschale fällt, etwas fettige Theile enthalten; daher erklärt es sich, daß die
Hülse nicht die feine Zertheilung durch die Mühlsteine erfährt, und so werden
die kleberhaltigen Hülsenzellen, die zugleich auch die ebenfalls für die
Blutbereitung nothwendigen unorganischen Körper enthalten, als sogenannte Kleie von dem eigentlichen Mehl abgesondert. Mit der
Kleie gehen also, und zwar um so vollständiger, je weißer das Mehl ist, die
wichtigsten Nährstoffe für das Mehl und demnach auch für das Brod verloren.
Aus nachstehender Uebersicht der Bestandtheile der Roggenkleie geht dieß deutlich hervor, denn in 100 Pfd. Kleie sind
enthalten:
Stärke, Gummi und Zucker
30
bis
50
Theile,
Kleber
15
bis
25
„
Fett
3
„
6
„
Zellstoff
10
„
15
„
Salze
1 1/2
„
2
„
Wasser
12
„
15
„
Das ungebeutelte Mehl hat die ganze Nährfähigkeit, wie das Getreidekorn selbst;
das Feinmehl hat davon den größten Theil verloren. Die Kleie im ungebeutelten
Mehl erhält ihre die Verdauung fördernde Kraft durch die chemische Eigenschaft,
in der Wärme des Magens und in Verbindung mit Wasser das Stärkemehl in Zucker zu
verwandeln, also einen weit leichter auflöslichen Stoff daraus zu machen, und
deßhalb ist einem Menschen mit schwacher Verdauung das kleiehaltige Brod weit
zuträglicher, während gewöhnlich das Publicum in dem großen Irrthum befangen
ist, daß ganz feines Weißbrod oder gebeuteltes Mehl für einen schwachen Magen geeigneter
sey; ja, es ist eine bekannte Thatsache, daß an ausgebackenem Commisbrod sich
noch Niemand den Magen verdorben hat, wohl aber an Weißbrod. Vernünftige, mit
den Resultaten der Chemie vertraute Aerzte empfehlen daher ihren Patienten statt
des schwer verdaulichen weißen Feinbrodes ein gut ausgebackenes Brod von
kleberhaltigem Mehl oder eine Mehlsuppe von ungebeuteltem Mehl.
Indeß das Vorurtheil, nur gebeuteltes Mehl zu Brod zu verwenden, hat den
Verfasser in der Voraussetzung, daß gerade die Kleie den hauptsächlichsten
Factor eines guten Nahrungsmittels enthält, welcher jedoch bei der bisherigen
Brodbereitung unberücksichtigt blieb, veranlaßt, die Sache in weitere Erwägung
zu ziehen und eine Reihe Versuche anzustellen, durch welche es ihm gelungen ist,
ein Verfahren aufzufinden, aus der Kleie alle nahrhaften Bestandtheile so
auszuziehen, daß sie dem übrigen Mehl zur Brodbereitung einverleibt werden
können. Dieses im Nachstehenden beschriebene Verfahren ist so einfach, daß es in
jeder größten, wie kleinsten Haushaltung ausgeführt werden kann.
Das Verfahren zur Darstellung des Kraftbrodes besteht
darin, aus der Kleie den Kleber und die phosphorsauren Salze zu trennen und
aufzulösen, so daß diese wichtigen Nahrungsbestandtheile, welche in dem
bisherigen Brode nur in einem sehr untergeordneten Verhältnisse enthalten waren,
sämmtlich dem Mehl zur Brodbereitung mit einverleibt werden können.
Erfahrungsmäßig liefert durchschnittlich 1 Ctr. Roggen 70 bis 75 Pfund Mehl und
20 bis 25 Pfund Kleie. Angenommen, es sollen 20 Pfd. Mehl zu Brod verbacken
werden, so werden 6 Pfd. Kleie in einem hölzernen Gefäße mit so viel Wasser
übergossen, daß die ganze Masse einen dünnen Brei bildet; nachdem die Masse 24
Stunden geweicht ist, wird so viel Sauerteig (18 Loth) zugesetzt, wie man
seither auf 20 Pfd. Mehl, welches zu Brod verbacken werden soll, zu nehmen
pflegt. Die Masse wird dann umgerührt, so daß der Sauerteig gehörig in der Masse
vertheilt wird; hierauf wird etwas lauwarmes Wasser zugesetzt, gut umgerührt,
und dann läßt man die Masse verdeckt an einem mäßig warmen Orte noch zweimal 24
Stunden lang stehen. Durch diese Behandlung der Kleie mit Sauerteig wird
zunächst, und zwar durch die in dem Sauerteige enthaltene Essigsäure, der Kleber
vollständig zu einer etwas trüben Flüssigkeit gelöst, während anderntheils die
gleichzeitig vorhandene Milchsäure sämmtliche phosphorsaure Salze löst.
Nachdem man den Sauerteig die angedeutete Zeit hindurch hat einwirken lassen,
wird die Masse durch ein vorher gereinigtes und angenäßtes grobes Tuch geseiht,
und der Rückstand ausgepreßt. Mit der sämmtlichen so erhaltenen Flüssigkeit wird dann das
Mehl angenetzt, und noch eine kleine Quantität Sauerteig, etwa 8 Loth, zugesetzt
mit etwas Kochsalz (4 Loth), und dann im übrigen wie bisher verfahren.
Reicht die Flüssigkeit zur Bereitung eines Teiges, wie er bisher üblich war,
nicht aus, so wird die fehlende Flüssigkeit durch einen Zusatz von lauwarmem
Wasser ersetzt.
Auf diese Weise erhält man ein Brod von kräftigem Geruch und höchst angenehmem
Geschmacke, welches sehr lange frisch und schmackhaft bleibt, und alle
Nahrungsstoffe, die in dem Roggen vorkommen, vollständig enthält. Gewähren schon
die vorzüglichsten Nahrungsbestandtheile, welche das Brod in sich vereinigt
enthält, eine Garantie für die Güte desselben, so dürfte dieses beschriebene
Verfahren um so mehr in die Waagschale fallen, als dadurch zugleich im Vergleich
mit dem bisherigen Verfahren ein Mehrgewicht an Brod aus einem gegebenen Gewicht
Roggen erzielt wird, und demnach das so erzeugte Brod auch wohlfeiler ist.
In der Regel erhält man aus 3 Pfd. Mehl 4 Pfd. Brod; folglich würden 20 Pfd. Mehl
reichlich 26 1/2 Pfd. Brod liefern, wenn wie bisher das Mehl auf die gewöhnliche
Weise zu Brod verbacken wird.
Wird dagegen das vorstehend beschriebene Verfahren befolgt, so erhält man aus
derselben Gewichtsmenge Mehl mit der auf obige Weise zubereiteten Menge Kleie
gegen 29 Pfund Brod. Denn aus 100 Pfd. Kleie erhielt der Verfasser durch die
Fermentation mit Sauerteig nach Abzug der zugesetzten Menge Sauerteig reichlich
36 Gewichtstheile an Kleber, phosphorsauren Salzen u.s.w., die bisher aus dem
Brode ausgeschlossen blieben.
Da nun, wie oben erwähnt wurde, die Kleie in 100 Pfd. 15 bis 20 Pfd. Kleber
enthält, so werden dem Brode von 20 Pfd. Mehl, wenn in dem angegebenen
Verhältnisse die Kleie mit verwendet wird, 3 bis 5 Gewichtstheile Kleber mehr
einverleibt, als es nach der bisher üblichen Methode der Fall ist, und so
erklärt es sich, daß ein solches Brod, gering angeschlagen, um das Dreifache an
Nahrungswerth enthält, als das auf die bisher übliche Weise hergestellte
Brod.“
Bezüglich der Methoden, den Klebergehalt der Kleie durch Gährung nutzbar zu
machen, vergl. man die Aufsätze von Mège-Mouriès im polytechn. Journal Bd. CXLIV
S. 209 und 373, Bd. CXLVIII S. 220; ferner Bd. CLV S. 310, Bd. CLVI S. 231
und Bd. CLXIV S. 305.