Titel: | Beitrag zur volumetrischen Bestimmung der Gerbsäure, Gallussäure, sowie des Eisens, Mangans etc.; von Moritz Mittenzwey in Zwickau. |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. LXXIV., S. 295 |
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LXXIV.
Beitrag zur volumetrischen Bestimmung der
Gerbsäure, Gallussäure, sowie des Eisens, Mangans etc.; von Moritz Mittenzwey in Zwickau.
Aus dem Journal für praktische Chemie, Bd. XCI S.
81.
Mit Abbildungen.
Mittenzwey, über volumetrische Bestimmung der Gerbsäure,
Gallussäure, sowie des Eisens, Mangans etc.
Die bekannte Eigenschaft der Gerbsäure und ihrer Verwandten, in alkalischen Lösungen
den Sauerstoff der Luft zu verschlucken, gibt ein vortreffliches Mittel ihrer
Bestimmung an die Hand.
Die Einfachheit des Apparates und des Verfahrens mögen dasselbe namentlich der
technischen Analyse empfehlen.
Fig. 1., Bd. 173, S. 294
Die Luft in der beiläufig 1 1/2 Liter fassenden Flasche A communicirt mit der Atmosphäre durch die gebogenen Glasröhren b und c, deren letztere
bei d sich bis auf 1 bis 1 1/2 Millim. verengt. Die
Verbindung derselben durch ein mäßig langes Kautschukrohr e mit dem Quetschhahn f dient zum
Verschluß. Mit dem Kork- oder besser Kautschukstopfen g kann man die Röhrenverbindung zur Füllung und Entleerung der Flasche
herausnehmen.
Vor der Ausführung einer Analyse ist es unbedingt erforderlich, daß die Luft in der
Flasche vollständig erneuert und die Temperatur aller in Betracht kommenden
Flüssigkeiten genau die des Arbeitslocales sey. Wenn die absorbirende Lauge (150 bis
250 Kubikcentim.) in der Flasche selbst vorbereitet ist, verschließt man fest,
öffnet den Quetschhahn einige Augenblicke, um die eingeschlossene Luft unter den
Druck der äußeren Atmosphäre zu setzen, und beschleunigt durch heftiges Schütteln
die Verschluckung des Sauerstoffs, wobei man durch Umlegen eines Tuches um die Flasche jede
Temperaturerhöhung durch die Handwärme vermeidet. Aus einem mit Wasser gefüllten und
gewogenen Becherglase b läßt man nach jedesmaligem
Schütteln Wasser zufließen, indem man Sorge trägt, daß beide Flüssigkeiten in
gleichem Niveau stehen, wie es beistehende Zeichnung versinnlicht.
Fig. 2., Bd. 173, S. 295
Steigt nach fortgesetztem Schütteln von b nichts mehr nach A, so
ist der Versuch beendigt, und die Gewichtsdifferenz in Grammen der ersten und
letzten Wägung des Becherglases gibt direct das Volum des verschluckten
Sauerstoffs in Kubikcentimetern, welches nach Bedürfniß auf Gewicht bei
0° und 760 Millimet. Druck reducirt wird. Eine noch für 0,2 Grm.
empfindliche Waage reicht für die Wasserwägungen vollkommen aus.
I. Gerbsäure und Gallussäure. – In die Flasche
kommen beiläufig 200 Kubikcentim. einer Kali- oder Natronlauge von 3 bis 5 Proc.,
man läßt dann 1,000 Grm. Gerb- oder Gallussäure in Papier lose gewickelt
hineinfallen und verfährt wie oben beschrieben. Die Verschluckung findet anfangs
äußerst rapid statt, hört aber bei Gallussäure in kurzer Zeit ganz auf, während
Gerbsäure etwas mehr Zeit verlangt.
1,000 Grm. Gerbsäure absorbiren dieselbe Menge Sauerstoff als 0,700 Grm. Gallussäure,
nämlich 175 Kubikcentim. bei 20° C.
Zu bemerken ist hierbei, daß die größte Abweichung vom Mittel aus zwölf Versuchen für
die Gerbsäure 2 Kubikcentim. und für die Gallussäure 1,2 Kubikcentim. betrug. Man
kann mit Leichtigkeit 6 bis 10 Versuche gleichzeitig ausführen, und beobachtet man
dabei für alle Flaschen ein gleiches Verfahren, so läßt sich die Sicherheit der
Bestimmung noch vergrößern, namentlich schüttle man vor dem jedesmaligen
Zufließenlassen des Wassers alle Flaschen eine bestimmte gleich lange Zeit, etwa 60
oder 120 Secunden ununterbrochen, ferner verwende man immer eine Lauge von nahezu
demselben Gehalte (eine Natronlauge von 2 bis 3 Proc. NaO oder eine Kalilauge von 3
bis 5 Proc. KO). Versuche haben ergeben, daß für sehr starke Laugen die Resultate
absolut unbrauchbar werden. So absorbirten 1,000 Grm. Gerbsäure in 200 Kubikcentim.
einer Kalilauge von 35 Proc. KO, nach dem heftigsten und nachhaltigsten Schütteln nicht
mehr als 22 Kubikcentim. Sauerstoff. Ein so unerwartetes Resultat regt zu weiteren
Versuchen in diesem Sinne an. Es ist kaum nöthig, noch darauf aufmerksam zu machen,
daß die Capacität der Flaschen dem zur Wirkung kommenden Sauerstoff proportional
seyn muß.
Wie schon bemerkt, verschluckt die Gallussäure den Sauerstoff mit bedeutend größerer
Heftigkeit als die Gerbsäure.
1,000 Grm. Gerbsäure absorbirte nach 60 Secunden langem Schütteln im Mittel 23,4
Kubikcentim., während 0,700 Grm. Gallussäure in derselben Zeit im Mittel 71
Kubikcentim. Sauerstoff verschluckten, da doch beide Mengen nach vollständiger
Absorption ein und dasselbe Volum (175) binden.
Es liegt hierin ein Fingerzeig, ein Gemisch beider Säuren auf den ungefähren Gehalt
an beiden zu untersuchen. Man habe z.B. für 2,000 Grm. einer Substanz gefunden, daß
140 Kubikcentim. überhaupt gebunden worden sind, so entsprechen dieselben einem
Gehalte von 140/175 = 0,800 Grm. Gerbsäure oder von 140/175 . 0,7 = 0,560
Gallussäure. Zu einem zweiten entscheidenden Versuche wägt man nun so viel Substanz
ab, daß dieselbe genau 175 Kubikcentim. binden würde, in diesem Falle also 2 .
175/140 = 2,500 Grm., und schüttle 60 Secunden lang heftig. Gesetzt, man fände nach
dieser Zeit 40 Kubikcentim. absorbirt, so liegt hierin ein entschiedener Beweis von
dem Vorhandenseyn beider Säuren, und man kann selbst einen Schluß auf das ungefähre
Verhältniß wagen. Hätte man für verschiedene verschluckungsäquivalente Gemische
beider Säuren genaue Zahlen auf eine gewisse Zeit des Schüttelns, etwa 120 Secunden
(nach einigen Versuchen ist für diese Dauer der Unterschied noch viel eclatanter),
so wären wohl auch positiv brauchbare Resultate zu erwarten. Gleich viel und gleich
starke Laugen, sowie Flaschen von gleicher Capacität und Form sind
selbstverständliche Prämissen.
Die Sache selbst soll damit nur angedeutet seyn, da sie dem Analytiker großen
Spielraum läßt.
Folgende, für 60 Secunden gültige und das Mittel aus drei Versuchen repräsentirende
Zahlen (die Flaschen faßten 1,4 Liter) lassen eine innere Uebereinstimmung nicht
vermissen:
1,000 Grm. 0,000 „
GerbsäureGallussäure
brauchten 23,4 Kubikcentim.
0,900 Grm.0,070 „
GerbsäureGallussäure
= 27,5
Kubikcentim.
0,700 „0,210 „
GerbsäureGallussäure
= 38
„
0,570 „0,300 „
GerbsäureGallussäure
= 44
„
0,300 „0,490 „
GerbsäureGallussäure
= 57
„
0,200 „0,560 „
GerbsäureGallussäure
= 61
„
0,000 „0,700 „
GerbsäureGallussäure
= 71
„
Ein etwas umständlicheres, doch absolut scharfes Verfahren ist das folgende:
Das Gemisch wird in einem gemessenen Volum Wasser gelöst, die Gerbsäure durch eine
hinreichende Menge Thierhaut oder Blase ausgefällt, bis Leimlösung nicht mehr trübt,
und ein bekanntes Volum der nur noch gallussauren Lösung in der Absorptionsflasche
untersucht, wodurch sich die Gallussäure bestimmt. Da man die Gesammtmenge beider
Säuren durch einen zweiten Versuch mit der Substanz selbst leicht ermitteln kann, so
sind nunmehr alle Data zur Berechnung gewonnen. Die Gerbsäure läßt sich noch
controliren durch einen Versuch, den man mit der gegerbten Haut vornimmt, nachdem
sie einige Zeit, zur Entfernung der mechanisch beigemengten Gallussäure, in warmem
Wasser gelegen hat.
Behufs Gehaltsermittelung an Gerbstoff in Leder, Gallusäpfeln, Sumach, Rinden u.s.w.
verfährt man in ähnlicher oder gleicher Weise, wie es für das reine Tannin gezeigt
wurde. Ist der ungefähre Gehalt nicht etwa schon bekannt, so ist es vortheilhaft,
einen Vorversuch mit nicht zu viel Substanz anzustellen, und hieraus diejenige Menge
zu berechnen, welche beiläufig 175 Kubikcentim. Sauerstoff bindet. Macht man nun
noch einen Parallelversuch mit 1 Grm. Tannin, so verräth sich die Gegenwart der
Gallussäure sofort nach 120 Secunden langem Schütteln, auch fallen bei Berechnung
der Analyse die Correctionen für Temperatur und Barometerstand weg. In nur
einigermaßen geübten Händen genügt diese Methode, wie eine große Anzahl
verschiedener und vergleichender Versuche zeigten, allen Ansprüchen an analytische
Schärfe. Ob die Verschluckungscapacität aller sogenannten Gerbsäuren mit derjenigen
der Eichengerbsäure identisch ist, bleibt noch eine offene Frage, deren Beantwortung
auch für die Theorie dieser merkwürdigen Verbindungen von Bedeutung werden kann.
Leder (4 bis 7 Grm.) wird in Form möglichst dünner
Schnitzel vorher mit etwa 200 Kubikcentim. warmen Wassers digerirt, abkühlen lassen
und Schnitzel mit Wasser in die Flasche gebracht, in welche man noch 7 bis 10 Grm.
Kalistängelchen, mit Papier umwickelt, fallen läßt, und nun mit Schütteln
beginnt.
Sumach, Rinden und dergl. behandelt man eben so, oder
bereitet vorher einen heiß filtrirten wässerigen Auszug. Hierbei bemerkt man immer,
daß, je nachdem man Auszug für sich oder mit der Substanz analysirt, die Resultate
differiren und zwar im letzteren Falle höher ausfallen. So berechnete sich für einen
lufttrockenen Sumach ein Gehalt von 16,36 Proc. und 19,2 Proc. Gerbstoff.
Es scheint demnach, wie auch von anderer Seite bemerkt worden ist, daß ein Theil des
Gerbstoffs fester gebunden ist und der lösenden Einwirkung des Wassers
widersteht.
Galläpfel, Catechu u.s.w. werden in gepulvertem Zustande
genau wie reine Gerbsäure behandelt.
II. Eisenverbindungen. – Dieselben werden durch
Reduction mit Zink als Oxydul in Lösung gebracht, die überschüssige Säure durch
caustisches Natron oder Kali (Ammoniak oder kohlensaure Alkalien sind zu vermeiden)
möglichst abgestumpft, die Lösung in die Absorptionsflasche gegossen und einige
umwickelte Stängelchen Kali mit hineingeworfen. Die Verschluckung ist in ganz kurzer
Zeit vollständig erfolgt. An Zuverlässigkeit steht dieses Verfahren keinem anderen
nach, und empfiehlt sich neben den Methoden von Margueritte und Fuchs durch das Wegfallen einer
Menge von Vorsichtsmaßregeln. 50 Kubikcentim. einer Oxydullösung, welche 1,395 Grm.
Fe enthielten, verschluckten in drei Versuchen 148,0 Kubikcentim. – 148,44
Kubikcentim. – 148,40 Kubikcentim. Sauerstoff von 19° C., im Mittel
148,28 Kubikcentim., welche bei dieser Temperatur 0,1987 Grm. wiegen und 1,391 Grm.
Fe entsprechen. Die Bestimmung von Oxyd neben Oxydul wird gleich der von Eisenoxyd
neben Manganoxydul ausgeführt.
III. Manganverbindungen. – Da man dieselben sehr
leicht als Oxydul in Lösung bringen kann, so weicht die Analyse nicht von der des
Eisenoxyduls ab; unbedingt erforderlich ist es jedoch zu wissen, bis zu welchem
Grade das Oxydul den Sauerstoff bindet. Leider wurde der Verf. von der ferneren
Beschäftigung mit diesem Gegenstande überhaupt abgehalten und die folgenden
Verhältnißzahlen sind das Resultat nur eines einzigen Versuchs, demzufolge einem
Gewichtstheil verschluckten Sauerstoffs 4,34 Gewichtstheile Mangan entsprechen,
woraus sich fast genau die Oxydationsstufe Mn⁵O⁹ berechnet. Bis nicht
ganz sicher ermittelte Werthe vorliegen, ist es überflüssig, auf eine rationelle
Formulirung der resultirenden Oxydationsstufe einzugehen; so viel steht jedoch fest,
daß die Oxydation nicht bis zur Stufe des Bioxyds fortschreitet, wie man vielfach
noch glaubt.
Eine Bestimmung des Mangans neben Eisen wird man so ausführen, daß das erstere einmal
mit dem Oxydul und das anderemal mit dem Oxyd des Eisens in Lösung auf die
Absorptionskraft untersucht wird. Die Combinirung beider Resultate führt auf die
gesuchten Werthe.
Wie man auf diesem Wege unter Zuhülfenahme einer Eisenoxydullösung von bekanntem
Gehalt den activen Sauerstoff im Braunstein, Chlorkalk
u.s.w. titriren kann, bleibt in jedem einzelnen Falle dem Ermessen des Analytikers
anheimgestellt.
Indigo möchte folgendermaßen zu untersuchen seyn:
In einer hohen gut verschließbaren Glasflasche wird der fein gepulverte Indigo mit
Kali oder Kalk und einem Eisenoxydulsalz unter Hinzugabe einer passenden Menge
Mineralöls (etwa gereinigtes schweres Braunkohlentheeröl) reducirt. Wenn sich der
Niederschlag möglichst vollständig abgesetzt hat, hebt man mittelst einer Pipette
ein gewisses Volum der klaren Indigweißlösung heraus, und zwar so, daß auch beim
Saugen immer eine Oelschicht oben in der Pipette schwimmt, entleert sie dann
vorsichtig in die Absorptionsflasche gleichfalls unter eine Schicht Oel und bewirkt
nun durch Schütteln die Rückbildung des Indigblau. Der Theorie nach entsprechen 8
Gewichtstheile gebundener Sauerstoff 131 Gewichtstheilen Indigblau, oder für 1 Gramm
Indigblau wären 45,7 Kubikcentim. Sauerstoff von 20° C. erforderlich; aus
diesen Zahlen ersieht man zugleich, welchen Grad von Genauigkeit die Indigoanalyse
auf diesem Wege verspricht.