Titel: | Ueber die Abnutzung der Dampfkessel. |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. LXXIX., S. 339 |
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LXXIX.
Ueber die Abnutzung der Dampfkessel.
Nach dem Mechanics'
Magazine vom 29. Januar 1864; aus dem Breslauer Gewerbeblatt, 1864, Nr.
14.
Ueber die Abnutzung der Dampfkessel.
Wenn ein Dampfkessel sorgfältig und aus gutem Material hergestellt ist und mit
Vorsicht betrieben wird, so sollte eigentlich seine Dauer eine sehr lange seyn. Es
existiren in der That Cylinder-Kessel, welche seit 30 Jahren Dienste thun. Der
Dampfdruck ist mehr oder weniger einem ruhenden Wasserdruck zu vergleichen, und
verändert daher die sehnige Structur des Eisens nicht, wie es bei
Eisenbahnwagen-Achsen z.B. die rasch auf einander folgenden Stöße thun. Natürlich
darf der Druck die Elasticitätsgrenze des Eisens nicht überschreiten. Trotzdem lehrt
die tägliche Erfahrung, wie kurz verhältnißmäßig die Lebensdauer der Dampfkessel ist. Bei
stationären Kesseln ist es vorzugsweise die chemische Wirkung, welche denselben
gefährlich wird; bei Locomotiven und Locomobilen treten auch noch mancherlei
mechanische Einwirkungen, Vibrationen und Zerrungen des Eisens hinzu. Die
Marinekessel sind die kurzlebigsten von allen.
Man kann mit ziemlicher Bestimmtheit behaupten, daß in neun Fällen unter zehn der
Hauptgrund der Kesselexplosionen in der allmählichen Schwächung der Wandungen durch
Oxydation und Corrosion zu suchen ist. Bedenkt man, welchen Schaden und Unglück eine
solche Explosion herbeiführt, so ist leicht einzusehen, wie wichtig es ist, den
Ursachen derselben nachzuforschen.
Vor allem ist beim Einmauern der Kessel die größte Vorsicht zu beobachten. Unzählige
Erfahrungen beweisen, daß die Schwächung der Kesselbleche durch Oxydation von außen,
besonders an den Stellen beginnt, wo sich im Mauerwerk durch irgend eine Ursache
Feuchtigkeit festsetzt. Irgend eine kleine Pore im Eisen, eine nicht genügend
angezogene und verstemmte Niete, vielleicht sogar eine übertriebene Steigerung des
Drucks bei der anfänglichen Prüfung mittelst hydraulischen Drucks, wodurch einige
Nietlöcher sich erweiterten, bringt ein Durchschwitzen des Kesselwassers hervor, das
sich nun, besonders wenn der Kessel nicht continuirlich gefeuert wird, im Mauerwerk
festsetzt, und eine oft ungemein rasche Oxydation des Kesselblechs hervorbringt.
Besonders bei der Construction, wo der Kessel auf eine Zunge von Mauerwerk
aufgesetzt wird, findet man häufig, daß gerade dieser, dem Feuer nicht ausgesetzte
Theil des Kessels einer sehr raschen Abnutzung von außen unterliegt. Der Kessel kann
übrigens ganz dicht seyn und doch die Oxydation durch Feuchtigkeit von außen
erleiden. Ist er mit kaltem Wasser gefüllt, und wird er dann mit feuchtem
Brennmaterial angefeuert, so schlagen sich daran die Wasserdünste aus der Flamme in
Tropfen nieder, rinnen herab und können sich im Mauerwerk oder in unbedeutenden
Rissen und Schiefern des Kesselblechs festsetzen. Dieses Wasser reagirt nebenbei
meistens sauer, sey es bei Holzfeuerung von Essigsäure, sey es bei
Steinkohlenfeuerung von schwefliger und Schwefelsäure. So unbedeutend dieser Vorgang
erscheint, so kann er doch nachtheilig genug wirken, wenn er sich öfter wiederholt.
Wir finden daher auch, daß die Kessel sich am besten
halten, bei denen der Betrieb möglichst selten unterbrochen wird, dieses Anfeuern
des kalten Kessels daher am wenigsten vorkommt.
Vor Allem ist zu vermeiden, daß in das Kesselmauerwerk von unten Grundwasser
hineintritt, und durch Haarröhrchenkraft aufgesogen wird. In einem Falle, wo dieß zu
befürchten, thut man jedenfalls gut, unmittelbar über dem Fundamente eine
Isolirschicht von Asphalt, Bleiblech, Glastafel etc. anzubringen. Ich wiederhole,
daß Mauerwerk, das aus irgend einer Ursache feucht wird und mit dem Kesselblech in
Berührung steht, auf das Allernachtheiligste auf den Kessel einwirken kann.
Noch mehr als von außen wird der Kessel von innen vom Wasser angegriffen. Ich spreche
hier nicht einmal von den sauren Grubenwässern, die durch ihren Gehalt an freier
Schwefelsäure oder an schwefelsaurem Eisenoxyd oft in kürzester Zeit, in 4–6
Wochen einen Kessel zerstören können. Hier kann man sich nöthigenfalls durch Zusatz
von Chemikalien, Kalk, Soda etc. helfen, und liegt auch die Erklärung der Zerstörung
sehr nahe. Viel dunkler sind die Erscheinungen, wenn man beobachtet, daß z.B.
Wasser, das in dem einen Kessel vollkommen unschädlich ist, den daneben liegenden
rasch angreift, daß manchmal ein Kesselblech desselben Kessels und von derselben
Eisensorte tief angegriffen und fast durchlöchert erscheint, während das
danebenliegende noch so unverletzt ist, daß man die Hammerschläge des
Kesselschmiedes daran erkennt. Ob dieß in beigemischten Unreinigkeiten des Eisens,
ob etwa in einer krystallinischen Anordnung der Theile, in einer mehr oder weniger
dichten Oberfläche, in der Ueberhitzung des Blechs beim Walzen seinen Grund hat, wer
vermag das zu bestimmen?
Eben so wenig ist es zu erklären, daß die Kessel, die mit dem reinsten destillirten
Wasser gespeist werden, wie dieß z.B. bei den Marinekesseln der Fall ist, welche
mittelst Oberflächencondensatoren das Vacuum herstellen und das condensirte Wasser
immer wieder zurück erhalten, fast am schnellsten zerstört werden.Man s. Jack's Abhandlung im polytechn. Journal Bd.
CLXXII S. 109. Es bildet sich in ihnen ein schlammiger Absatz, der fast nur aus Eisenoxyd
besteht, und daneben nur Spuren von fettigen Substanzen und Kupferpartikelchen (von
den Kupferröhren des Condensators) enthält. Das Merkwürdigste ist dabei, daß die
Platten hier ebenfalls nicht gleichmäßig angegriffen werden, sondern tiefe Gruben
zeigen, an deren Grunde man gewöhnlich ein glänzendes Kupfer- oder Messingtheilchen
bemerkt haben will. Man schließt daraus auf eine galvanische Action, die indessen
unnöthig ist, wenn man annimmt, daß destillirtes Wasser auf reines metallisches
Eisen unmittelbar oxydirend einwirkt und daß im Eisen selbst, durch die Bildung von
krystallinischen Theilen das ungleichmäßige Angreifen der Platten begründet liegt.
Beim Blei hat man dieselbe Erscheinung beobachtet. Vor Allem destillirtes Wasser bietet die
Gefahr, durch aufgelöstes und aufgeschlämmtes Bleioxydhydrat vergiftet zu
werden.
Hierfür spricht auch der Umstand, daß ganz ähnliche Erscheinungen und zwar mit
derselben capriciösen Unregelmäßigkeit im Dampfraume, besonders der
Schiffsdampfkessel, beobachtet worden sind. Hier ist es ebenfalls die Einwirkung des
reinen Wassers, der die Erscheinungen zuzuschreiben sind, und hier wird man wohl
nicht eine galvanische Action vermuthen, da Kupfer- und Messingtheilchen vollkommen
ausgeschlossen sind. Im Allgemeinen kann man sagen, daß für den Wasserraum der
Kessel ein geringer Ueberzug von Kesselstein das beste Schutzmittel ist. Man soll
den Kesselstein nicht bis zu einer Dicke anwachsen lassen, daß die Leitung der Wärme
zu sehr behindert wird, daß enge Theile ganz mit Kesselstein zuwachsen, indem
dadurch einmal die Bleche dem Verbrennen ausgesetzt sind, andererseits aber auch das
Durchdringen der Wärme zum Wasser so behindert wird, daß eine Masse Brennmaterial
unnütz verschwendet wird. Eine vollständige Entfernung
des Kesselsteins ist indessen jedenfalls eben so nachtheilig, und die üble Wirkung
der im Uebermaaß angewendeten Soda, welche man nach Fresenius dem zuweilen darin vorkommenden Cyannatrium zuzuschreiben
geneigt war, ist wahrscheinlich auf diese vollständige Entfernung des Kesselsteins
zurückzuführen. Eine dünne Schicht Kesselstein wirkt wie ein Emailüberzug auf das
Eisen und schützt dasselbe besser als Anstriche mit Theer, Leinölfirniß,
Mennigefarbe, Anstriche, welche sich doch bald ablösen. Bei den Marinekesseln mit
Oberflächencondensatoren hat man sich jetzt dadurch geholfen, daß man etwa
1/5–1/6 des Wassers durch frisches Seewasser ersetzt. Bei einigen Explosionen
von Locomotivkesseln, die in neuester Zeit vorgekommen sind, hat man beobachtet, daß
der erste Riß im Bleche wahrscheinlich an der Berührungsstelle des Dampfdomes mit
dem Kessel lag, eine Stelle, an welcher das im Dampfdom condensirte destillirte
Wasser gewöhnlich abtropft. Man hat den Grundsatz aufgestellt, daß die Leitung der
Wärme durch die Dicke der Platten nur unbedeutend beeinflußt werde. Dieß ist
indessen durchaus nicht richtig. Schwere Feuerbüchsen mit dicken Kupferplatten
brennen viel leichter durch, als leichte, abgesehen noch davon, daß man dicke
Platten selten ganz homogen im Metall, frei von Schweißfehlern u.s.w. erhält. In
amerikanischen Locomotiven hat man beobachtet, daß die 7/16 Zoll dicken kupfernen
Feuerbüchsen anfangs sehr rasch ausbrannten, bis sie die Dicke von 1/4 Zoll erreicht
hatten, wo sie dann sehr gut aushielten. Sehr nachtheilig wirkt eine übertriebene
Steigerung des Zugs, ein sogenanntes Forciren des Feuers, vor Allem die sogenannte
Stichflamme. Man sorge
daher für eine gehörig große Rostfläche, damit man, um genügend hochgespannten Dampf
zu erhalten, das Feuer nicht zu übertreiben braucht.
Bei Locomotivkesseln tritt noch sehr nachtheilig, wenn auch weniger direct wirkend,
die Erschütterung während der Fahrt auf. Es scheint, als ob die verschiedenartigen
Zerrungen, welche das Kesselblech durch die daran, wenn auch mittelbar befestigten
Theile, Cylinder u.s.w. erleidet, den Grund bilden zu einer eigenthümlichen
molecularen Anordnung der Eisentheilchen, wodurch das sehr eigenthümliche
furchenartige Ausfressen der Bleche bedingt wird. Man findet oft einige Linien tiefe
Furchen, die ganz gerade fortlaufen, und dann plötzlich aufhören, ohne irgend eine
sichtbare Ursache dafür angeben zu können.
Mit Sorgfalt, mäßigem Feuer und gutem Wasser mag man einen Kessel lange gut erhalten.
Oft genügt aber eine kleine Abänderung in der Art des Feuerns, ein Wechsel der
Kohlen, eine andere Einmauerung, um eine rasche Zerstörung herbeizuführen. Nur eine
in kurzen Zeiträumen wiederkehrende, regelmäßige Prüfung des Kessels in allen seinen
Theilen vermag die Garantie dafür zu bieten, daß ein sonst ganz gut erhaltener
Kessel nicht plötzlich zu einer Explosion Veranlassung gibt.