Titel: | Untersuchung der Rubia munjista, des ostindischen Krapps oder des Munjeet des Handels; von Dr. J. Stenhouse. |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. XCI., S. 366 |
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XCI.
Untersuchung der Rubia
munjista, des ostindischen Krapps oder des Munjeet des Handels; von Dr. J. Stenhouse.
Gelesen vor der Royal
Society zu London am 14. Januar 1864. – Im Auszug aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXX S. 325.
Stenhouse, Untersuchung des ostindischen Krapps oder des Munjeet
des Handels.
Es ist etwas auffallend, daß, während wenige vegetabilische Substanzen so häufig und
sorgfältig durch einige der ausgezeichnetsten Chemiker untersucht worden sind, als
die Wurzel von Rubia tinctorum oder der gewöhnliche
Krapp, die Rubia munjista oder das Munjeet, welche
Pflanze in so großem Umfang in Indien gebaut und als Farbstoff benutzt wird, wie es
scheint nur sehr oberflächlicher Untersuchung unterworfen worden ist. Runge veröffentlichte 1835 an dem Ende seiner sehr
ausgearbeiteten Abhandlung über den Krapp einige wenige Versuche, welche er in
Beziehung auf das Färbevermögen des Munjeet ausgeführt hat, dessen Bestandtheile er
als denen des gewöhnlichen Krapps sehr ähnlich betrachtete. Einige von Persoz u.a. über Munjeet gelegentlich gemachte Angaben
und einige vor mehreren Jahren von mir angestellte Versuche ließen mich vermuthen,
daß die Farbstoffe im Munjeet denen des gewöhnlichen Krapps zwar ähnlich aber
keineswegs damit identisch sind und daß wahrscheinlich das Alizarin und das Purpurin
des Krapps in der indischen Pflanze durch einen entsprechenden Bestandtheil ersetzt
seyen. Ich habe diese Vermuthung im Wesentlichen als richtig befunden; denn der
Farbstoff des Munjeet besteht nicht aus einem Gemisch von Alizarin und Purpurin, sondern ist überhaupt
frei von Alizarin und enthält Purpurin und eine schön orange färbende Substanz,
welche in goldfarbenen Schuppen krystallisirt und für welche ich die Bezeichnung Munjistin vorschlage. Das Munjistin ist im Munjeet in
beträchtlicher Menge enthalten und kann daraus leicht dargestellt werden.
Verfahren, den Farbstoff des Munjeet,
das Munjetin darzustellen.
Das zweckmäßigste Verfahren, um den Farbstoff aus dem Munjeet darzustellen, ist das
folgende. Je ein Pfund Munjeet wird fein gepulvert mit zwei Pfund schwefelsaurer
Thonerde und etwa sechszehn Pfund Wasser vier bis fünf Stunden lang gekocht. Durch
einmalige Behandlung mit schwefelsaurer Thonerde wird nicht die ganze Menge des
Farbstoffs ausgezogen; die Operation ist deßhalb fünf- bis sechsmal zu wiederholen.
Die auf diese Art erhaltene rothe Flüssigkeit wird noch sehr heiß durch Tuchfilter
geseiht, und die klare Flüssigkeit stark mit Salzsäure angesäuert. Es scheidet sich
bald ein hellrother Niederschlag aus, dessen Menge beim Stehen noch zunimmt und
welchen man während etwa 12 Stunden sich ruhig ansammeln läßt. Der Niederschlag wird
dann auf einem Tuchfilter gesammelt und mit kaltem Wasser gewaschen, bis der größte
Theil der Säure aus demselben entfernt ist. Er wird dann getrocknet, fein gepulvert
und in einem angemessenen Extractionsapparat mit siedendem Schwefelkohlenstoff
behandelt, welcher die krystallisirbaren Farbstoffe des Munjeet auflöst und eine
beträchtliche Menge einer dunkelgefärbten harzartigen Substanz zurückläßt. Nachdem
der überschüssige Schwefelkohlenstoff durch Destillation entfernt ist, wird das
hellrothe Extract, welches hauptsächlich aus einem Gemisch von Munjistin und
Purpurin besteht, wiederholt mit mäßigen Quantitäten siedenden Wassers, das mit
Essigsäure schwach angesäuert ist, behandelt und die Lösung filtrirt; die
Flüssigkeit wird etwas angesäuert, um das Purpurin in ihr weniger löslich zu machen.
Das Munjistin löst sich zu einer klaren gelben Flüssigkeit, während fast die ganze
Menge des Purpurins auf dem Filter bleibt. Auf Zusatz von Salzsäure oder
Schwefelsäure zu dieser Lösung wird das Munjistin in großen gelben Flocken gefällt.
Diese werden auf einem Filter gesammelt und etwas mit kaltem Wasser gewaschen. Der
Niederschlag wird dann durch Pressen zwischen Fließpapier getrocknet und in
siedendem Weingeist, welcher schwach mit Salzsäure angesäuert ist, gelöst, um jeden
Rückhalt von Thonerde zu beseitigen. Da sich das Munjistin aus kalten alkoholischen
Lösungen selbst bei dem
Verdünnen derselben mit viel Wasser nicht abscheidet, so werden etwa 3/4 des
Weingeists abdestillirt, wodurch sich das Munjistin in großen gelben Schuppen
abscheidet. Durch zwei- oder dreimaliges Umkrystallisiren aus Weingeist in der eben
beschriebenen Weise wird das Munjistin ganz rein erhalten.
Der Farbstoff des Munjeet kann auch mittelst siedender Alaunlösung ausgezogen werden;
aber ich habe es weit vortheilhafter gefunden, schwefelsaure Thonerde anzuwenden, da
die Neigung des Alauns, zu krystallisiren, das Filtriren der Flüssigkeit sehr
erschwert.
Während des Siedens des Munjeet mit schwefelsaurer Thonerde wird eine erhebliche
Menge Furfurol entwickelt. Bei dem gewöhnlichen Verfahren, Garancin durch Kochen von
gemahlenem Krapp mit mäßig verdünnter Schwefelsäure zu fabriciren, läßt sich, wenn
Condensationsapparate an dem angewendeten Apparat angebracht werden, jede beliebige
Quantität Furfurol erhalten.
Ich versuchte auch, E. Kopp's Verfahren mit schwefliger
Säure in Anwendung zu bringen, das für gewöhnlichen Krapp so ausgezeichnete
Resultate gibt, aber ich fand es für Munjeet ganz unanwendbar.
Eigenschaften des
Munjistins.
Munjistin, wenn in der angegebenen Weise dargestellt, bildet aus Alkohol
umkrystallisirt goldgelbe, stark glänzende Plättchen. Es ist nur mäßig löslich in
kaltem, aber leicht löslich in siedendem Wasser, unter Bildung einer hellgelben
Lösung, aus welcher es sich bei dem Erkalten derselben in Flocken abscheidet;
gesättigte Lösungen gelatiniren fast. Es löst sich ziemlich in kaltem, leichter in
siedendem Weingeist, und wird aus dieser Lösung durch Zusatz von Wasser nicht
gefällt. In kohlensaurem Natron löst es sich mit hellrother Färbung. In
Ammoniakflüssigkeit löst es sich zu rother, schwach in's Braune ziehender Lösung;
Aetznatron bringt mit ihm eine reiche carmoisinrothe Färbung hervor. Barytwasser
gibt mit den Lösungen des Munjistins einen gelben Niederschlag. Sowohl die
alkoholische als die wässerige Lösung des Munjistins gibt bei dem Kochen mit
Thonerdehydrat einen schönen Lack von hellorangerother Farbe, wobei fast die ganze
Menge des Farbstoffs der Lösung entzogen wird. Diese Lacke lösen sich in einem
großen Ueberschuß von Aetznatron mit schöner carmoisinrother Färbung.
Das Munjistin löst sich in kalter concentrirter Schwefelsäure zu einer
hell-orangefarbenen Flüssigkeit, welche fast bis zum Kochen erhitzt werden kann,
ohne daß sie sich schwärzt oder schweflige Säure entwickelt; und es wird aus dieser Lösung
durch Wasser anscheinend unverändert in gelben Flocken wieder gefällt.
Das Munjistin entzündet sich bei raschem Erhitzen auf Platinblech leicht und
verbrennt ohne einen Rückstand zu lassen; bei vorsichtigem Erhitzen in einer
Glasröhre schmilzt es und krystallisirt dann wieder bei dem Erkalten. Bei sehr
langsamem Erhitzen in einem Mohr'schen Apparat sublimirt
das Munjistin zu goldgelben Schuppen und breiten flachen Nadeln von großer
Schönheit; diese haben alle die physikalischen Eigenschaften und auch die
Zusammensetzung der ursprünglichen Substanz. Wird die Sublimation lange Zeit bei der
möglichst niedrigen Temperatur, bei welcher noch Verflüchtigung stattfindet,
fortgesetzt, so erhält man das angewendete Munjistin fast seiner ganzen Menge nach
wieder.
Nach meinen mit verschiedenen Präparaten von Munjistin ausgeführten Elementaranalysen
und nach der Analyse der Bleiverbindung, welche sich bei dem Vermischen
alkoholischer oder wässeriger Lösungen von Munjistin und essigsaurem Blei als ein
flockiger tief-orangefarbener Niederschlag ausscheidet, ist die Formel des
Munjistins C¹⁶H⁶O⁶; eine Vergleichung derselben mit den
Formeln des Alizarins (C²⁰H⁶O⁶) und Purpurins
(C¹⁸H⁶O⁶) zeigt die sehr nahe Verwandtschaft zwischen
diesen drei Substanzen, den einzigen wahren Farbstoffen der verschiedenen
Krapparten, mit welchen wir bis jetzt bekannt sind.
Weder das sublimirte Munjistin noch das durch Krystallisation aus alkoholischer
Lösung erhaltene verliert, wenn zuvor im leeren Raum getrocknet, dann bei
110° C. etwas an Gewicht. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, daß der
gallertartige unkrystallinische Niederschlag, welcher sich bei dem Erkalten siedend
gesättigter Lösungen von Munjistin abscheidet, ein Hydrat ist.
Munjistin zeigt in mehreren Eigenschaften beträchtliche Aehnlichkeit mit Runge's Krapporange, dem Rubiacin Schunck's; es unterscheidet sich jedoch wesentlich vom Rubiacin in
mehreren Eigenschaften, wie z.B. der Löslichkeit in Wasser und Alkohol, und in dem
Kohlenstoffgehalt.
Das Purpurin im Munjeet.
Das Purpurin, welches ich aus Munjeet darstellen und in der angegebenen Weise von
Munjistin reinigen konnte, bildete nach wiederholtem Umkrystallisiren aus Weingeist
schöne dunkel-carmoisinrothe Nadeln, welche alle die gewöhnlich für Purpurin
angegebenen Eigenschaften besaßen.
Nach den im Vorhergehenden mitgetheilten Resultaten kann also wohl kein Zweifel darüber seyn,
daß die färbende Substanz im Munjeet, wie bereits angegeben, aus Purpurin und
Munjistin besteht.
Einige Versuche, die in beträchtlich großem Maaßstab ausgeführt wurden, ergaben mir,
daß gewöhnlicher Krapp kein Munjistin enthält.
Ueber das Färbevermögen des Munjistins
und des Munjeets.
Das Munjistin färbt mit Thonerde gebeizte Zeuge hell-orangefarben. Mit Eisenbeize
gibt es eine bräunlich-purpurne Färbung, und mit Türkischroth-Beize ein hübsches
Tief-Orange. Diese Farben sind ziemlich beständig und vertragen die Behandlung mit
Kleie und Seife ganz gut.
Professor Runge gab 1835 an, daß das Munjeet doppelt so
viel verwerthbaren Farbstoff enthalte, als der beste Avignon-Krapp. Dieses Resultat
war ein so unerwartetes, daß der Verein für die Beförderung des Gewerbfleißes in
Preußen, an welchen Runge's Abhandlung ursprünglich
gerichtet war, die Sache zur Begutachtung an drei ausgezeichnete Färber, die Herren
Dannenberger, Böhm und Nobiling gab. Diese gaben als das Resultat zahlreicher und sorgfältig
ausgeführter Versuche an, daß das Munjeet, weit entfernt davon den gewöhnlichen
Krapp an Reichthum an Farbstoffen zu übertreffen, im Gegentheil beträchtlich weniger
von denselben enthält. Diese Schlußfolgerung ist bestätigt worden durch die
Erfahrung des Hrn. John Thom in Birkacre bei Chorley,
einem der geschicktesten Drucker in Lancashire. Durch eine große Reihe von
Versuchen, welche ich so eben beendet habe, finde ich, daß das aus Munjeet
dargestellte Garancin etwa ein halb so großes
Färbevermögen besitzt, wie das aus dem besten Krapp, nämlich neapolitanischen
Wurzeln, dargestellte. Diese geben jedoch nur etwa 30 bis 32 Proc. Garancin, während
Munjeet nach Hrn. Higgin in Manchester 52 bis 55 Proc.
gibt. Bei den jetzigen Preisen des Krapps und des Munjeets gewährt die Anwendung des
letzteren für gewöhnliche Krappfärberei keinen pecuniären Vortheil. Die mit Munjeet
hervorgebrachten Farben sind allerdings lebhafter als die mit Krapp erzeugten, aber
nicht so dauerhaft, was auf der Gegenwart von Purpurin an der Stelle des Alizarins
beruht. Es liegt jedoch viel Grund vor zu glauben, daß einige Türkischroth-Färber
Garancin aus Munjeet in beträchtlicher Menge anwenden. Wenn dieß wirklich der Fall
ist, so opfern sie die Dauerhaftigkeit dem Glanz der Farbe. Behandelt man ein
solches Garancin mit siedendem Wasser und fällt die Flüssigkeit in der bereits
beschriebenen Weise mit einer Säure, so läßt sich die Verfälschung mit Munjeet sehr
leicht entdecken. Der wirkliche Gehalt an Farbstoff in Munjeet und in dem besten Krapp
ist nahezu gleich groß, aber der geringere Werth des Munjeets als Farbmaterial
beruht darauf, daß es nur die verhältnißmäßig schwachen Farbstoffe Purpurin und
Munjistin enthält, von welchem letzteren eine nur kleine Menge nützlich ist, während
die Gegenwart einer großen Menge Munjistin entschieden nachtheilig wirkt. In solchem
Grade ist dieß der Fall, daß das Garancin aus Munjeet viel reichere Schattirungen
mit Thonerdebeizen gibt, wenn ihm der größere Theil des Munjistins mittelst
siedenden Wassers entzogen ist.