Titel: | Die Parfümerie im Jahre 1862; von Barreswil. |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. XCIV., S. 385 |
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XCIV.
Die Parfümerie im Jahre 1862; von Barreswil.
Aus den Annales du
Conservatoire des arts et métiers, t. IV p. 273.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Barreswil, über die Parfümerie und deren jetzigen Standpunkt in
Frankreich.
In der Parfümerie gibt es eine Kunst und eine Technik.
Die Kunst des Parfümeurs besteht darin, den Duft (das Bouquet) einer natürlichen Blume oder eines
Blumenstraußes durch Gemische von Riechstoffen nachzuahmen; die ätherischen Oele,
Balsame, sowie die in Fett, Oel oder Alkohol fixirten Parfüms zur Anfertigung von
Pommaden, kosmetischen Mitteln, Waschwässern, Toilettseifen zu benutzen;
alkoholische Extracte, Duft- und Räucheressige etc. darzustellen; endlich auch, alle
diese Waaren in besondere Verpackungen zu bringen, so daß sie entweder durch die
geschmackvolle Auswahl, oder durch die Nützlichkeit der letzteren größeren Werth
bekommen (sie „aufzumachen“).
Die französischen Fabrikanten zeichnen sich in diesem Industriezweige ganz besonders
aus; Niemand versteht es besser, die Odeurs auszuwählen, die zartesten Düfte in der
verschiedenartigsten Weise mit einander zu verbinden. Niemand versteht es so gut,
der Enveloppe einen eleganten und anmuthigen Schwung zu geben, als der Franzose, und
ganz besonders der Pariser.
Damit soll keineswegs behauptet werden, daß auch nicht in anderen Ländern gute
Parfümerien dargestellt werden. Jedermann kennt das Cölnische Wasser, dessen Bouquet
sehr zum Gemeingut geworden ist; das Eß-Bouquet der Engländer hat einen
wohlverdienten Ruf; die Duftkissen des Orients, die türkischen Rosenöl-Flacons haben
ein Gepräge, welches sich durch die zahllose Menge französischer Modelle nicht hat
in den Hintergrund drängen lassen. Indessen stimmt darin das Urtheil Aller überein,
daß bezüglich der Parfümerie-Artikel im Ganzen, wie hinsichtlich der Vorzüge
einzelner Odeurs und der Verschiedenheit der Formen die Franzosen den ersten Rang
einnehmen und man kann versichert seyn daß dieser Rang denselben weder von Deutschen
und Belgiern, welche Frankreich darin nachahmen, noch von den Engländern, die an
ihren classischen Modellen festhalten, streitig gemacht werden kann. Dieß ist durch
die allgemeine Londoner Industrie-Ausstellung des Jahres 1862 zur Genüge bewiesen
worden und wenn auch vom Standpunkte der exquisiten Parfümerie aus die Abwesenheit
mehrerer Firmen, welche hinsichtlich des feinen Geschmacks und der Eleganz
europäischen Ruf haben, sehr zu bedauern war, so läßt sich doch keineswegs in Abrede stellen, daß
die in London vertreten gewesenen Häuser ihren Rang würdig aufrecht erhalten
haben.
Der frische und zarte Geruch der feinen französischen Seifen, die Eleganz und der
Reichthum der Duftkissen, der Parfüms für Taschentücher in der französischen
Abtheilung fand allgemeine Anerkennung; dem ausgesuchten Wohlgeruche, der
sinnreichen und geschmackvollen Verpackung der Pariser Artikel dieser Art widerfuhr
alle Gerechtigkeit.
Die Technik der Parfümerie basirt auf der Gewinnung der
von der Natur, ganz besonders im Pflanzenreiche dargebotenen Riechstoffe, auf der
Reinigung der Excipientien, d. i. der Substanzen mittelst deren diese Duft- oder
Riechstoffe fixirt oder gebunden werden, wie z.B. Fette, Oele, Alkohole etc., sowie
auf der Sättigung der letzteren mit dem Dufte der Blumen selbst.
Manche Parfümeurs verarbeiten nur die bereits präparirten Parfüms; andere
beschäftigen sich auch mit deren Gewinnung; noch andere endlich verbinden mit der
Parfüm-Industrie auch die Cultur der wohlriechenden Gewächse oder die Darstellung
der durch chemische Processe zu gewinnenden künstlichen Parfüms.
Diese erklärenden Vorbemerkungen waren erforderlich, um die Verdienste der
französischen Ausstellung in London gehörig an's Licht stellen und die große
Bedeutung, sowie den hohen Standpunkt der französischen Parfümerie darzulegen.
Die wirkliche Bedeutung des Parfümeriehandels in Frankreich datirt erst aus der
neuesten Zeit; im J. 1810 erreichte der ganze Umsatz in diesen Artikeln in
Frankreich kaum 2 Millionen Frcs., heutzutage beträgt er über 40 Millionen Frcs.
Ein Haus, welches in jener Zeit zu den besten gezählt wurde, machte jährlich für
35,000 Frcs. Geschäfte, 1862 für beinahe 2 Millionen; 1810 beschäftigte es 5
Personen und besaß einige durch Menschenkraft bewegte maschinelle Vorrichtungen,
jetzt ist sein Arbeiterpersonal 181 Mann stark und seine Maschinenkraft beträgt 25
Dampfpferde; der Umsatz in einem einzigen, von diesem Hause mit Intelligenz und
Energie ausgebeuteten Artikel, einem Toilettessig, hat den Betrag von 1 Mill. Frcs.
im Engrospreise erreicht. Eine einzige Toilettseifenfabrik liefert jährlich für mehr
als 800,000 Frcs. von diesem Artikel.
Wir wollen nun zu einigen technischen Details hinsichtlich der verschiedenen
Operationen dieses Industriezweiges übergehen. Dieselben zerfallen in zwei Classen:
1) die Gewinnung der Duftstoffe selbst; 2) die Verarbeitung derselben für den Bedarf
des Parfümeurs.
Die zweite Branche der Parfümerie-Industrie hat ihren Hauptsitz in Paris; sie
producirt Toilettseifen, Duftextracte (extraits
d'odeurs), deren Darstellung so außerordentlich interessant ist, kosmetische
Präparate aller Art, Toilettwasser u.s.f.
Darstellung der Toilettseifen. – Die Vorrichtungen
und Geräthschaften zu den für diese Fabrication erforderlichen Manipulationen sind
in manchen französischen Fabriken sehr vervollkommnet und verdienen wohl allgemeiner
bekannt zu werden; sowie sie in den schönen Ateliers des Hrn. Piver, welchem die Parfümerie einen bedeutenden Theil ihrer neueren
Fortschritte verdankt, eingeführt worden, sind sie so vollständig und ihrem Zwecke
entsprechend, als dieß nur irgend beansprucht werden kann.
Vor wenigen Jahren war der Parfümeur nicht gleichzeitig Seifensieder (in England ist
es noch heutzutage so); er kaufte seine Seife, ließ sie bei gelinder Wärme zergehen
und vermischte sie mit seinen wohlriechenden Substanzen. Nach einer anderen Methode
wurde die Seife in einem Marmormörser klar gestoßen und mit den wohlriechenden und
den kosmetisch wirkenden Stoffen zusammengerieben, dann mit den Händen tüchtig
durchgeknetet, vorsichtig getrocknet – eine Operation, welche lange Zeit
beanspruchte – und dann mittelst einer hölzernen Keule in eine zweitheilige
Form geschlagen, wodurch sie die für den Handel erforderliche regelmäßige Form mit
den üblichen Verzierungen, Firmamarken etc. erhielt.
Heutzutage führt der Parfümeur alle zur Anfertigung der Seife nöthigen Manipulationen
selbst aus.
In den Details der Seifenfabrication sind übrigens in der neueren Zeit mehrere
Verbesserungen eingeführt worden, deren wichtigste nachstehend erörtert werden
sollen.
Piver hatte den glücklichen Gedanken, bei der Gewinnung
der Fette das bei den Fleischern übliche runde Hackmesser (Wackelmesser) anzuwenden;
mittelst dieses Werkzeugs werden die das Fett enthaltenden Zellen zerschnitten und
das Auslassen desselben erfolgt ohne Schwierigkeit bei so niedriger Temperatur, daß
sich das Zellgewebe ohne Verlust absondern und das Fett ohne Geruch erhalten läßt.
Das letztere wird durch Aetznatronlauge, welche aus krystallisirter Soda mittelst
Aetzkalk dargestellt worden, in mit Dampf geheizten Kufen oder Kesseln verseift.
Diese Gefäße sind von den zum Seifensieden gewöhnlich angewendeten Kesseln darin
verschieden, daß nur ihr unterer Theil, bis zum ersten Drittel ihrer Höhe, conisch,
der obere Theil hingegen cylindrisch geformt ist; bei dieser Einrichtung erfolgt ein
weit regelmäßigeres Sieden der Masse und nach Piver's Meinung
geht auch der Verseifungsproceß rascher und vollständiger vor sich.
Die von der Unterlauge und den mit ihr niedergeschlagenen nicht verseifbaren Stoffen
abgeschöpfte Seife wird wie gewöhnlich in die Form oder
Lade gebracht, in welcher sie erstarrt, dann in
Riegel oder Tafeln geschnitten und schließlich in's Magazin gebracht, um später auf
die zum Toilettgebrauche nothwendige Weise vorgerichtet zu werden.
In vielen Parfümeriefabriken ist das Durcharbeiten der zerriebenen Seife mit den
Händen noch immer üblich, indem nach dem Urtheile tüchtiger Praktiker die
intelligente Arbeit des Menschen die Darstellung eines guten Productes sehr
begünstigt. Piver hingegen hat dieses Mengen und Kneten
mit Menschenhand gänzlich aufgegeben, da dasselbe nicht immer mit der nöthigen
Sauberkeit ausgeführt wird, überdieß aber auch die Gegenwart von 20 bis 25 Proc.
Wasser in der Seife erfordert, so daß dann diese letztere mehrere Wochen im
Trockenzimmer bleiben muß, wo sich die beigemengten wohlriechenden Stoffe
verflüchtigen und in Berührung mit dem feuchten Seifenteige und unter dem Einflusse
der atmosphärischen Luft zersetzen. Piver läßt anstatt
dieses Verfahrens die Seife in ganz dünne leichte Streifen oder Bänder zerschneiden,
welche in einem von einem ununterbrochenen Strome erwärmter Luft durchzogenen
Trockenschranke beinahe vollständig ausgetrocknet,
mittelst des rotirenden Hackmessers mit den kosmetischen Substanzen möglichst innig
gemengt und dann zwischen drei Granitwalzen von verschiedener
Umdrehungsgeschwindigkeit zusammengequetscht werden. Die auf diese Weise homogen und
innig gemengte, bündige Seifenmasse kommt nun in einen langen, hermetisch
verschließbaren Kasten, in welchem sie mittelst eines durch eine kräftige
hydraulische Presse bewegten Kolbens eingepreßt und zusammengedrückt wird, so daß
sie in glatten 1 6/10 Meter langen Riegeln heraustritt,
welche dann durch eine besondere Vorrichtung mittelst eines einzigen Schnittes in
zwanzig regelmäßige Stücke zertheilt werden.
Die auf diese Weise dargestellte Seife behält die ganze Frische ihres Wohlgeruchs.
Die fertige Form und die Fabriksmarke erhält sie durch Pressen in einer gravirten
zweitheiligen Bronzeform erst am Tage der Abgabe an den Consumenten. – Nach
Piver's Behauptung wird bei dem beschriebenen
Verfahren jeder durch Schaben, Glätten etc. verursachte Abgang vermieden und an
Handarbeit gespart.
Alkoholate. – Die Duft-Extracte (extraits d'odeurs) werden, mit Gemischen von Essenzen
oder ätherischen Oelen, von aromatischen Tincturen, besonders aber durch das
Ausziehen oder Waschen mit Alkohol (lavage) der vorher mit den Düften frischer Blumen
beladenen fetten Oele
und Fette dargestellt. Früher wurde dabei in folgender Weise verfahren. Eine
Oelkruke wurde zur Hälfte mit gleichen Theilen von solchem parfümirtem fetten Oel
und Alkohol gefüllt, und täglich zwei- bis dreimal 8 bis 10 Minuten lang
geschüttelt; nach einigen Augenblicken Ruhe trennten sich beide Flüssigkeiten von
einander. Zuweilen aber setzte sich das Oel an die Wände der Kruke fest und wurde im
Verlaufe der Operation, welche unter 15 bis 20 Tagen nicht zu beenden war, ranzig.
Nach dem neuen System findet das Umschütteln oder Umrühren ununterbrochen statt, und
ein Tag ist zum vollständigen Extrahiren (Waschen) hinlänglich; indessen ist die
Zeitersparniß nur der geringste Vortheil dieses Verfahrens, Hauptsache bleibt die
Frische und die Reinheit des auf diese Weise erhaltenen Parfüms.
Die Parfümeurs von Grasse, Cannes und Nizza beschäftigen sich im Allgemeinen nur mit
den Rohproducten, d.h. mit den ätherischen Oelen oder Essenzen, den wohlriechenden
Wässern und den parfümirten Fetten und Oelen; in Paris existirt dieser Zweig der in
Rede stehenden Industrie kaum, denn wenn auch die Menge der verschiedenen Blumen,
welche in Paris verarbeitet werden, groß ist, so ist dagegen das erzeugte Quantum
von jenen Rohproducten nur gering, sie dienen nur zu feiner Parfümerie und bestehen
in Weißdornblüthen, Hyazinthen, Narzissen, Syringen, Maiblumen, Reseda, Nelken und
Heliotrop. Destillirt werden Rosen und Orangenblüthen, Geraniumblätter, bittere
Mandeln, Nelkenblüthen (Gewürznelken), sowie mehrere wohlriechende Hölzer und
Harze.
Destillation. – Die wesentlichen oder ätherischen
Oele werden allgemein durch Destillation gewonnen; diese geschieht in gewöhnlichen
Destillirapparaten, häufig gleich am Productionsorte der Pflanzen; so werden z.B.
Lavendel und Spieke in den Bergen selbst, in denen sie wachsen, destillirt; der
tragbare Destillirapparat wird in der Nähe eines fließenden Wassers aufgestellt und
die Operation ganz so, wie in den Laboratorien üblich, ausgeführt. Manche Anlagen
arbeiten mit vervollkommneten Destillirapparaten. Zu verwundern ist es, daß man
allem Anschein nach noch nicht darauf gekommen ist, als Träger der wohlriechenden
Stoffe bei der Destillation verschiedenartige Flüssigkeiten anzuwenden.
Die auf diese Weise dargestellten ätherischen Oele oder Essenzen sind die folgenden,
denen der Verfasser die Preise beifügt:
Néroly bigarrade
Von den Blüthen der gehörnten oder Warzenpomeranze.
per Kilogr.
350 Fr.
Néroly Portugal
„
„
200 „
Néroly petit-grain
per Kilogr.
100 Fr.
Géranium rosa
„
„
80 „
Gartenmünze-Oel
„
„
90 „
Lavendelöl
„
„
13 „
Spicköl
„
„
5 „
Roththymian-Oel
„
„
8 „
Weißthymian-Oel
„
„
12 „
Rosmarinöl
„
„
7 „
Fenchelöl
„
„
10 „
Rosenessenz von Grasse
„
„
1536 „
orientalische Rosenessenz
„
„
960 „
Wie man sieht, ist die in Frankreich gewonnene orientalische Rosenessenz geschätzter,
als die wirkliche orientalische; dieß rührt zweifelsohne daher, daß die
französischen Parfümeurs sie reinigen.
Die parfümirten Fette werden in Südfrankreich auf zwei
sehr verschiedene Arten bereitet, je nach der Beschaffenheit des Riech- oder
Duftstoffes und nach der größeren oder geringeren Zartheit der zu verwendenden
Blumen, nämlich durch Infusion oder durch kalte Parfümirung des Fettes mittelst
Schichtung desselben mit den Blüthen (enfleurage).
Darstellung der parfümirten Fette durch Infusion.
– Die Infusionsmethode besteht darin, daß die Blumen mit warmem fettem Oel
oder Fett von etwa 65° C. übergossen und nach einigen Stunden wieder
herausgenommen werden, worauf man sie durch frische ersetzt, bis die Fettkörper mit
dem Riechstoffe gesättigt sind; zur Erreichung dieses Resultats sind von manchen
Blüthen bis 6 Kilogrm. auf 1 Kilogrm. Fett erforderlich. Auch für diese Manipulation
hat Piver eine interessante Verbesserung erfunden, welche
sich nur bei ihm allein vorfindet. Denn leider muß der Verfasser sagen, daß die
Infusion in allen übrigen ihm bekannt gewordenen Ateliers heutzutage noch auf
dieselbe Weise ausgeführt wird, wie in den ältesten Zeiten.
Piver's Apparat, welcher an eine Einrichtung zum
Auslaugen der rohen Soda erinnert, besteht aus einem in sieben Fächer getheilten
rechteckigen Kasten von verzinntem Kupfer, welcher durch Dampf erhitzt wird. Das in
einem höher liegenden, gleichfalls mittelst Dampf geheizten Behälter befindliche Oel
oder Fett tritt in dünnflüssigem Zustande durch den Boden des ersten Faches ein,
durchdringt die hier liegenden Blumen oder Blüthen, tritt dann, wenn das Fach voll
ist, durch ein Rohr in den Boden des zweiten Faches, welches gleichfalls gefüllt
wird, und so fort, bis es in das letzte Fach gelangt ist, indem es von links nach
rechts vordringt.
Die Blumen befinden sich in Körben aus Drahtgewebe, welche nacheinander in jedes Fach
eingehängt werden und in einer derjenigen des Oels oder Fettes entgegengesetzten
Richtung vorrücken, so daß sie zuerst in das rechts befindliche Fach Nr. 7 kommen,
aus diesem in Nr. 6 und so allmählich in alle anderen, bis zu dem am linken Ende
befindlichen Fache Nr. 1; wenn sie hier ankommen, sind sie vollständig erschöpft und
das aus dem Fache Nr. 7 heraustretende Oel oder Fett ist, nachdem es sich nach und
nach mit dem Dufte der frischen Blumen imprägnirt hat, mit dem Parfüm vollständig
gesättigt.
Dieses methodische Ausziehen oder Auswaschen geht sehr rasch von statten und entzieht
den Blumen ihr ganzes Parfüm, nimmt aber außer dem Parfüm aus ihnen nichts Anderes
auf; ein einziger Apparat genügt, um täglich 800 Kilogr. Fett zu sättigen. Die Dauer
der Infusion muß möglichst abgekürzt werden, damit nicht, wie dieß bei dem früheren
Systeme stattfindet, ein Erweichen der Blumen und Blüthen eintritt.
Darstellung der parfümirten Fette durch Schichtung des Fettes
mit den Blüthen. – Die Parfümirung des Fettes durch Schichtung
desselben mit den Blüthen (enfleurage) wurde früher
mittelst übereinander gestellter Horden oder Gitter ausgeführt; eine auf einer
Glastafel ausgebreitete kalte Fettschicht wurde mit einer Lage Blumen bedeckt; auf
die hiermit beschickte Horde wurde eine zweite gelegt, die gleichfalls mit einer
Glasplatte, und auf dieser mit einer Fettschicht und darüber mit einer Blumenschicht
beschickt ward; darauf kam in gleicher Weise eine dritte, eine vierte etc. Horde,
und so wurde eine Säule von vierzig Horden hergestellt, aus welcher die erschöpften
Blüthen täglich herausgenommen und durch frische ersetzt wurden, so daß 25 bis 30
Tage erforderlich waren, um das Fett mit dem Dufte zu sättigen.
Nach dem neuen, gleichfalls von Piver erfundenen Verfahren
wird die Fixirung der Blumendüfte vom Fette durch Vermehrung oder Vergrößerung der
absorbirenden Flächen befördert. Der dazu dienende, von Piver ersonnene Apparat ist in Fig. 8–11 abgebildet.
Das Fett wird zu diesem Behufe in dünne nudelähnliche Fäden B, Fig.
9, und auf in Rahmen gespannte Drahtgewebe gebracht, welche mit anderen
verzinnten Metallblechen A, Fig. 8, auf welche die zu
extrahirenden frischen Blumen geschichtet werden, abwechselnd in die Falze zweier
hermetisch verschließbaren Schränke eingeschoben werden, Fig. 10 und 11. Diese
beiden Schränke oder Schrankabtheilungen stehen in ihrem unteren Theile mit einander
in Verbindung, so daß ein schwacher Luftstrom mittelst Blasebalg von dem einen in
den anderen geführt, und fortwährend und abwechselnd sämmtliche Schichten der
Blüthen und des fein zertheilten Fettes durchströmen kann; die parfümirte Luft gibt nach kurzer Zeit
die flüchtigen Duftstoffe an das Fett bis zur vollständigen Sättigung desselben ab.
Diese Operation beansprucht 48 Stunden, während das ältere Verfahren wenigstens drei
Wochen erforderte. Da zwischen dem Fett und den Blüthen keine directe Berührung
stattfindet, so wird jede Färbung, jeder Kräutergeruch vermieden und bei der
Anwendung von Veilchen bleiben diese nach der Extraction ihres Duftstoffs immer noch
zur arzneilichen Verwendung brauchbar.
Extraction des Blumenparfüms nach dem Millon'schen
Verfahren. – Das von E. Millon ersonnene
und eingeführte Verfahren soll unter gewissen Umständen die Methoden der Infusion
und der Parfümirung des Fettes durch Schichtung mit Blüthen ersetzen, indem Fette
und Oele (nicht flüchtige Vehikel) durch flüchtige
Lösungsmittel, vorzüglich Aether und Schwefelkohlenstoff, ersetzt und diese letzteren nachher
durch Destillation von den Riechstoffen getrennt werden.
Indem Piver dieses Verfahren der Fabrication im Großen
entsprechend modificirte und durch eine höchst sinnreiche Verbesserung in sehr
glücklicher Weise vervollständigte, hat derselbe eine ganz neue Classe von condensirten oder concentrirten
Parfüms geschaffen, die sich durch eine merkwürdige Frische und Reinheit
auszeichnen.
Sein Verfahren umfaßt drei verschiedene Processe:
1) die Auflösung des Parfüms durch Infusion;
2) die Destillation bei niederer Temperatur;
3) die Entfernung der letzten Spuren des Lösungsmittels durch
Verdampfen.
Zur Auflösung des Riechstoffs wendet Piver einen Apparat
an, der aus drei Deplacirungs- oder Verdrängungscylindern besteht; das Ende eines
jeden ist vollkommen luftdicht mit einer abnehmbaren, zur Aufnahme der Flüssigkeit
aus dem Cylinder bestimmten Vorlage verbunden; die Flüssigkeit wird aus dem ersten
in den zweiten, gleichfalls mit Blumen gefüllten Deplacirungscylinder gegossen
u.s.f.
Die Blüthen werden auf diese Weise dreimal, zuweilen auch viermal mit den
Lösungsmitteln – Aether, Schwefelkohlenstoff oder Chloroform –
behandelt. Je nach den verschiedenen Arten der zu extrahirenden Blumen wird auch ein
verschiedenes Lösungsmittel angewendet.
Das Product der dritten Infusion kommt neuerdings über zweimal infundirte Blumen,
dann auf solche, die erst einmal infundirt worden sind, zuletzt auf ganz frische
Blumen; die Flüssigkeiten, welche den ganzen Duftgehalt aufgenommen haben, werden
zusammengegossen und bei niedriger Temperatur destillirt. Der Riechstoff bleibt als weißer oder
verschiedenartig gefärbter, starrer und zerreiblicher, oder als wachsartiger, oder
als flüssiger, nach einiger Zeit indessen stets erstarrender Körper zurück.
Die letzten Spuren des Lösungsmittels lassen sich aus den auf diese Weise erhaltenen
Parfüms nur schwierig entfernen; es ist dazu eine dritte Operation erforderlich.
Der Rückstand wird nämlich im Wasserbade in einem halbcylindrischen Abdampfgefäße
erhitzt, welches auf einer horizontalen Achse angebracht ist, so daß man es zur
Bewegung der darin enthaltenen Masse beständig schaukeln kann, während ein
Ventilator oder Exhaustor die letzten Spuren des Lösungsmittels austreibt. Endlich
wird das Extract noch zwei- oder dreimal mit schwach alkalisirtem Wasser gewaschen,
so daß nur das reine, liebliche Parfüm der extrahirten Blume zurückbleibt.
Volle Blüthe und absolute Frische der zu verwendenden Blumen sind zu einem günstigen
Resultate durchaus nothwendig. Manche Blumen geben ihr Parfüm nur nach
mehrstündiger, starker Insolation, d.h. dann ab, nachdem sie einige Stunden lang der
Einwirkung der Sonnenstrahlen ausgesetzt gewesen sind; andere hingegen müssen vor
Sonnenaufgang gesammelt werden. Dieß lernt man durch die Praxis am besten kennen.
Sehr beachtenswerth ist aber die allgemeine, für diesen Zweig der Parfümerie
wichtige Thatsache, daß sich die geringste nachtheilige Veränderung, der leichteste
Grad von Verderbniß der Blumen sofort in dem aus ihnen gewonnenen Duftstoff zu
erkennen gibt.