Titel: | Lichtmesser und Waage; von Dr. Otto Buchner. |
Autor: | Otto Buchner |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. CV., S. 443 |
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CV.
Lichtmesser und Waage; von Dr. Otto Buchner.
Buchner, über das Messen der Lichtstärke von
Gasflammen.
Es ist schon oft und nachdrücklich darauf hingewiesen worden, daß bei dem Messen der
Lichtstärke eine möglichst bestimmte Einheit als Vergleich genommen werden muß.
Früher war es allgemein üblich, in den Verträgen von Gemeinden mit
Leuchtgas-Unternehmern die Lichtstärke zu bestimmen nach einer Anzahl Kerzen, z.B.
„sechs aufs Pfund“ oder „fünf in
Packet.“ Wenn der Vertrag recht schlau abgefaßt war, so wurde nach
ihm eine Anzahl solcher Packete auf dem Rathhaus versiegelt niedergelegt. Es kann
nicht oft genug darauf aufmerksam gemacht werden, daß derartige Bestimmungen ohne
allen Werth sind. Trotzdem tauchen sie in neuen Verträgen immer wieder auf. Die
Gasbeleuchtung findet Eingang in immer kleineren Städten; im Gemeinderath sitzen
Ehren- und Biedermänner, aber ehe die Gasfrage bei ihnen praktisch wurde, kümmerten
sie sich nicht darum, sie haben kein Verständniß von den dabei vorkommenden Fragen
und setzen dann aus den Contracten der Nachbarstädte einen Vertrag zusammen, der
dieselben Fehler hat wie diese und manchmal selbst ganz verkehrte Bestimmungen
enthält. So erscheinen dann auch immer wieder die „sechs Kerzen auf's
Pfund“; es werden auch immer wieder solche Kerzen deponirt, bis sie
nach und nach verbraucht sind.
Ich habe durch ausgedehnte photometrische VersucheHessisches Gewerbeblatt, 1862 S. 97. nachgewiesen, wie eine und dieselbe Kerze in ihren verschiedenen Theilen
verschiedene Lichtstärke
entwickelt und dabei verschiedene Mengen von Leuchtmaterial verbraucht. Noch
verschiedener ist das Verhalten von Kerzen, „sechs auf's
Pfund“, aus verschiedenen Fabriken. Für den Einsichtigen hätte es der
Wiederholung dieser Versuche zum nochmaligen Feststellen unzweifelhafter Thatsachen
nicht bedurft. Doch galt es, für weitere Kreise nochmals zu beweisen, „daß
wir keine Normalkerze besitzen“ und daß Schilling's Bemerkung in seinem ausgezeichneten Werke über Gasbeleuchtung
richtig ist: „das unvollkommenste Verfahren, eine Normalkerzenflamme
genauer zu bezeichnen, besteht darin, daß man die Zahl der Kerzen angibt, die
auf ein Pfund oder Packet gehen, und daß man etwa höchstens noch die Länge
derselben anführt.“
Den einzig richtigen Maaßstab für das Messen der Lichtstärke einer Gasflamme erhält
man also, wenn zugleich der Verbrauch der sogen. Normalkerze an Leuchtmaterial
bestimmt, wenn folglich das Photometer durch die Waage unterstützt wird.A. a. O. und Jahrgang 1863 S. 193.
Soll aber Messung und Wägung sorgfältig ausgeführt werden, so muß eigentlich die
vollkommen brennende Kerze gewogen und dann auf den Lichtmesser übergetragen werden.
Hat sich doch Jeder schon davon überzeugt, daß eine Stearinkerze nach dem Anzünden
eine Zeit lang sehr ungleichmäßig brennt und erst nachdem die Dochtlänge sich mit
der Größe des mit geschmolzener Leuchtmasse gefüllten Napfes ausgeglichen hat, mehr
Stetigkeit in der Lichtentwickelung gewinnt. Gerade deßwegen darf aber auch während
des Brennens keine Veränderung am Dochte mehr vorgenommen werden, er muß sich selbst
reguliren. Bei den seitherigen Mitteln, beim Wägen der Kerzen auf gewöhnlichen, wenn
auch noch so feinen analytischen Waagen ließ sich aber der gerügte Mangel nicht
vermeiden, daß das nicht brennende Licht gewogen, dann
auf das Photometer übergetragen und nun erst entzündet wurde; nach einer bestimmten
Zeit des Brennens wurde es gelöscht, wieder gewogen und der Verbrauch für die Stunde
berechnet.
Hr. T. W. Keates hat diesem Mangel durch Construction
einer Waage abgeholfen, die mit dem Lichtmesser selbst verbunden ist und durch
welche ohne die geringste Aenderung an der Flamme während des ganzen Versuchs die
Kerze brennend gewogen und dann ihr Verbrauch nach einer bestimmten Zeit auf's
Genaueste gemessen wird. Er bringt auf der Meßlatte des Bunsen'schen Photometers an dem Ende, wo die Normalkerze stehen soll,
einen Waagbalken an; die beiden Arme desselben sind nicht gleich lang, der von der Kerze abgewendete Arm
hat die doppelte Länge des anderen. Auf ihm bewegt sich ein Laufgewicht, der andere
Arm endet in eine Gabel mit aufwärts gerichteten Endschneiden, auf welche der
Lichthalter aufgehängt wird. Die Kerze wird durch eine Schraube darin festgestellt.
Am unteren Ende dieses freischwebenden Leuchters ist ein Stäbchen, das durch die
Mitte einer Waagschale geht, angebracht. Leuchter, Kerze und Waagschale werden durch
das Laufgewicht balancirt. Die Zunge ist abwärts gerichtet und bewegt sich über
einer Scale.
Der Versuch ist nun sehr einfach auszuführen. Im Beginn und vor dem Anzünden der
Kerze wird diese nebst Zugehör durch das Laufgewicht ziemlich balancirt, doch bleibt
auf der Kerzenseite ein kleines Uebergewicht. Dann wird angezündet und so lange
brennen gelassen, bis die Zunge volles Gleichgewicht anzeigt und nun die Zeit
notirt. Nach Verlauf einer bestimmten, durch die Uhr gemessenen Zeit, während
welcher die photometrischen Beobachtungen angestellt wurden, wird die Kerze
vorsichtig gelöscht. Sie ist leichter geworden durch Materialverbrauch, die Zunge
steht nicht mehr auf Null, doch kann der Waagbalken durch Auflegen von Gewichten auf
die Waagschale wieder in's Gleichgewicht gebracht werden. Die Gewichte drücken den
Materialverbrauch in bestimmter Zeit aus. Die Reduction der gemessenen Lichtstärke
auf die bei bestimmtem Verbrauch von Kerzenmaterial ist dann leicht auszuführen.
Diese sehr zweckmäßige Waage läßt sich auf jede Bunsen'sche Photometerlatte aufsetzen und wird vom Mechaniker Liebrich in Gießen vortrefflich ausgeführt.
Gießen, im August 1864.