Titel: | Ueber die Gerlach'schen Aräometer zur Bestimmung des Gehaltes von Zuckerlösungen bei verschiedenen Temperaturen; von Dr. C. Stammer. |
Autor: | Karl Stammer [GND] |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. CVI., S. 445 |
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CVI.
Ueber die Gerlach'schen Aräometer zur Bestimmung des Gehaltes von Zuckerlösungen bei
verschiedenen Temperaturen; von Dr. C. Stammer.
Stammer, über die Gerlach'schen Aräometer für
Zuckerlösungen.
Im 1sten Aprilheft dieses Journals (Bd. CLXXII S. 31) hat Hr. Dr. Th. Gerlach ein Instrument in Vorschlag
gebracht, welches dazu dient, das bei anderer als der Normaltemperatur abgelesene
scheinbare specifische Gewicht von Zuckerlösungen, auf das wirkliche zu
reduciren.
Das Instrument, welches ich nach Angabe des Verfassers von Geißler in Berlin bezog, besteht aus 3 Spindeln mit eingeschmolzenen
Thermometern, welche unmittelbar die Anzahl Procente angeben, welche bei der
jedesmaligen Temperatur dem abgelesenen Procentgehalt hinzugezählt oder davon
abgezogen werden müssen.
Hr. Gerlach sagt von seinem Instrumente, daß dasselbe, wie
in dem angewandten Princip auch allerdings begründet ist, keine vollkommene
Genauigkeit biete, daß vielmehr der mögliche Irrthum je nach Umständen 1/5 bis
höchstens 1/2 Procent betragen könne. Der weniger Geübte habe sich daher vor
Ueberschätzung der erlangten Resultate zu hüten, deren Fehler übrigens diejenigen
der mit „gewöhnlichen käuflichen Thermometern“ gemachten
Beobachtungen kaum überschreiten werden.
Ob dieses Kriterium für ein Instrument, welches von Geißler bezogen werden muß und 5 1/2 Thlr. kostet, ein passendes ist, muß
dahingestellt bleiben; jedenfalls fordern uns alle diese Umstände zu einer Prüfung
der Angaben auf, welche mittelst dieser Spindel und der gebotenen Correction erlangt
werden können.
Es sey mir gestattet, einige Bemerkungen über die Anwendbarkeit solcher Aräometer für
die Praxis vorauszuschicken, deren Wichtigkeit oder gar Nothwendigkeit leicht
überschätzt wird, wenn man bedenkt, daß man Weingeist von allen Stärken leicht bei
verschiedenen Temperaturen prüfen kann, für Zuckerlösungen aber noch immer darauf
angewiesen ist, dieselben auf die Normaltemperatur zu bringen.
Wenn reine Zuckerlösungen als solche in den Handel kämen, so würde längst die
Saccharimetrie in ähnlicher Weise abgeschlossen seyn, wie die Alkoholometrie, und
wir würden Correctionstabellen für alle vorkommenden Concentrationen und
Temperaturen besitzen. Allein dieß ist nicht allein nicht der Fall, sondern es
kommen ja auch in der Zuckerfabrication reine Zuckerlösungen nur ausnahmsweise vor
und auf alle anderen Syrupe und Säfte würden, wegen deren sehr verschiedenem Gehalt
an fremden Stoffen, jene Tabellen doch nur mit annähernder Genauigkeit anwendbar
seyn. Ob unter diesen Umständen eine so umständliche und mühsame Arbeit, wie sie die
vollständige Aufstellung dieser Tabellen und die Construction zugehöriger
hinreichend feiner Aräometer voraussetzt, noch lohnend seyn wird, erscheint aber
wohl zu bezweifeln. Für die Fabrikpraxis selbst würde sich die Wichtigkeit derselben
auch noch deßhalb auf ein Geringes reduciren, weil man dem Arbeiter doch nicht wohl
so subtile Instrumente übergeben kann. Selbst die vorliegenden Gerlach'schen eignen sich offenbar nur für den Gebrauch im
Laboratorium.
Vom wissenschaftlichen Standpunkt sind die hier in Rede stehenden Ermittelungen vom
höchsten Interesse, aber freilich nur wenn sie eine größere Genauigkeit zulassen als
die „gewöhnlichen käuflichen“ Thermometer, und in Ermangelung
vollkommener Richtigkeit der Correction empfiehlt sich dem Chemiker doch vielleicht
das Verfahren der Zurückführung der Lösungen auf die dem Instrumente entsprechende
Normaltemperatur, was ja bei einigermaßen passenden Einrichtungen so gar schwierig
nicht seyn dürfte.
Nur ganz specielle Untersuchungen können zeigen, welcher Art die Correctionen sind,
die bei den gewöhnlichen Fabrikproducten je nach der Beobachtungstemperatur
angebracht werden müssen, und in wie weit es gestattet ist, hier die Gesetze für die
reinen Zuckerlösungen gelten zu lassen. So lange dieß nicht geschehen ist, bleibt
entweder die Anwendung der Correctionsaräometer eine sehr beschränkte, oder es
können die erlangten Resultate nur einen relativen Werth beanspruchen.
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen mögen die Versuche folgen, welche die
Zuverlässigkeit der Gerlach'schen Spindeln beurtheilen
lassen sollen. Diese Versuche wurden angestellt mit destillirtem Wasser, zwei
Lösungen von reinem Zucker, einem sehr reinen Syrup (Deckklärsel) und einem sehr
unreinen Syrup. Sie beweisen im Allgemeinen, daß die Andeutungen Gerlach's über den Grad der Genauigkeit zutreffen, und
daß dieser je nach der Concentration und Natur der untersuchten Lösungen –
wie ja auch kaum anders zu erwarten – ein sehr ungleicher ist.
Es dürfte wohl kaum nöthig seyn hervorzuheben, daß bei diesen Versuchen jedesmal
dafür gesorgt wurde, daß die Temperatur in der ganzen Flüssigkeitsmenge eine
gleichmäßige war, daß die Ablesung erst geschah, wenn der Stand des Quecksilbers
hinreichend constant erschien und daß bei der Erwärmung der Lösung ein Verlust durch
Verdampfung nicht statt fand.
1) Destillirtes Wasser.
Dasselbe, zum Sieden erhitzt, konnte erst bei etwa 60° C. gewogen werdenDiese und die folgenden Temperaturangaben, mit Ausnahme der Normaltemperatur,
nur annähernd., da die Spindel bei höherer Temperatur ganz untersank.
Abgelesen wurden bei verschiedenen Temperaturen folgende Zahlen und Correctionen:
(60°)
– 3,6 + 3,8
=
0,2
Procent
(42°)
– 1,6 + 1,8
=
0,2
„
(32°)
– 0,8 + 1,0
=
0,2
„
(27°)
– 0,5 + 0,7
=
0,2
„
Normaltemperat.
(17 1/2°)
0,0 + 0,0
=
0,0
„
(16°)
+ 0,1 – 0,1
=
0,0
„
2) Reine Zuckerlösung.
Dieselbe war durch Auflösen einer gewogenen Menge reinen trockenen Zuckers in einer
gewogenen Menge Wasser dargestellt und enthielt demnach 13,587 Proc. Zucker. Die
Polarisation zeigte 13,57, die Balling'sche Spindel (bei
19° C. statt bei 17,5° gewogen) 13,5 Proc.
Die Gerlach'sche Spindel (I) ergab bei der ersten Wägung,
nahe der Normaltemperatur
13,9 + 0,1
=
14,0 Procent;
ferner beim allmählichen Erwärmen:
12,2 + 2,2
=
14,4
Procent
11,1 + 3,4
=
14,4
„
11,0 + 3,2
=
14,2
„
10,2 + 4,1
=
14,3
„
nach dem Erkalten:
13,6 + 0,2
=
13,8
„
Die Controle durch Polarisation
gab
13,54 Proc., die Balling'sche Spindel
13,4 Proc. (bei 19,5° abgelesen).
3) Reine, concentrirtere
Zuckerlösung.
Obige Lösung wurde durch Zusatz einer weiteren, nicht gewogenen Menge Zucker
concentrirter gemacht; sie wog nun bei der Normaltemperatur 25,5 Procent Balling und ergab an der Gerlach'schen Spindel (II)
26,2 + 0
=
26,2
Procent,
dann beim Erwärmen auf 50° und allmählichen
Erkalten:
23,6 + 3,0
=
26,6
Procent
24,2 + 2,2
=
26,4
„
24,6 + 1,8
=
26,4
„
26,0 + 0,3
=
26,3
„
4) Deckklärsel vom Filter.
Abgelesen bei 50 C.
66,7 + 2,8 = 69,5 Proc.,
dann nach der Normaltemperatur
68,7 + 0,1 = 68,5 „
Specifisches Gewicht 1,340 = 68,7 Proc. Ball.
5) Geklärter geringer Syrup vom
Filter.
Bei 50° C.
43,0 + 2,7 = 45,7
Procent
nach dem Erkalten
45,0 + 0,7 = 45,7
„
––––––––––
Auf die Prüfung der absoluten Richtigkeit der Angaben will ich, mit Ausnahme des ein
sehr genaues Urtheil zulassenden zweiten Versuchs, kein besonderes Gewicht legen, da
hierüber nur bei directen Gewichtsbestimmungen vollkommene Sicherheit obwalten kann.
Bei dem bezeichneten Versuche betrug die Abweichung der an der Gerlach'schen Spindel abgelesenen Zahlen allerdings bis zu 0,8 Procent. Im
Uebrigen soll nur die relative Genauigkeit, d.h. der Grad der Uebereinstimmung
zwischen den verschiedenen Ablesungen mit derselben Spindel hervorgehoben werden.
Wie man sieht, betrugen die beobachteten Abweichungen
bei Spindel I und II für Wasser und reine Zuckerlösung 0,2 bis
0,3 Proc.,
bei Spindel III für Deckklärsel (reinstem Syrup) 0,7 Proc.,
bei Spindel III für sehr unreinen Syrup 0 Proc.
Dieß wird das oben Gesagte bestätigen und ist nur noch zu bemerken, daß es
auffallend, obwohl erklärlich erscheint, daß gerade beim unreinsten Syrup die größte
Uebereinstimmung beobachtet wurde, während die Ablesung bei dem Deckklärsel
erheblich ungenau ist.
Es deuten die erlangten Zahlen, wie mir scheint, darauf hin, daß sich eine allgemein
gültige Bezeichnung der erzielbaren Genauigkeit gar nicht geben läßt, daß jedoch
diese Aräometer da, wo man mit der eben erreichbaren zufrieden ist, gute Dienste
leisten können. Es muß aber wohl Jedem überlassen bleiben, für diejenigen Proben, zu
denen die Spindeln gebraucht werden sollen, vorläufige Versuche anzustellen, um zu
sehen, in wie weit für den speciellen Zweck die Uebereinstimmung der Angaben
befriedigt oder nicht.
Die von Hrn. Gerlach ebenfalls angegebenen Aräometer für
AbsüßwässerIn diesem Journal Bd. CLXXII S. 286. dürften indessen nach dem Vorhergehenden nicht die für diese dünnen Lösungen
erforderliche Genauigkeit bieten, da hier solche Unterschiede, wie die beobachteten,
relativ viel erheblicher werden. Es dürfte sich vielmehr für die Untersuchung der
Absüßwässer, wie überhaupt für alle Bestimmungen, bei welchen es auf große
Genauigkeit ankommt, die bisherige Methode noch immer empfehlen. Für Wägungen von Syrupen u.s.w. in der
Fabrik, wo es überhaupt nur auf relative Richtigkeit ankommt, bedarf das Verfahren,
sie bei einer beliebigen, im praktischen Betriebe wenig wechselnden Temperatur zu
prüfen, wohl kaum einer Verbesserung. Wohl aber gibt es eine große Anzahl von
Fällen, in welchen die rasche, wenn auch weniger genaue
Bestimmung des Gehaltes warmer oder kalter Lösungen von Wichtigkeit ist, und wo man
also gern nach einem dafür geeigneten Instrumente wie das Gerlach'sche greifen wird.