Titel: | Die trockene Destillation bituminöser Fossilien behufs Darstellung fester und flüssiger Kohlenwasserstoffe, welche als Beleuchtungsmaterialien sowohl, wie zu Maschinenschmiere und Darstellung von Farben benutzt werden; von Dr. H. Vohl in Cöln. |
Autor: | Hermann Vohl |
Fundstelle: | Band 173, Jahrgang 1864, Nr. CX., S. 460 |
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CX.
Die trockene Destillation bituminöser Fossilien
behufs Darstellung fester und flüssiger Kohlenwasserstoffe, welche als
Beleuchtungsmaterialien sowohl, wie zu Maschinenschmiere und Darstellung von Farben
benutzt werden; von Dr. H. Vohl in Cöln.
Vohl, über die trockene Destillation bituminöser
Fossilien.
Werden organische Verbindungen complexerer Zusammensetzung einer erhöhten Temperatur
ausgesetzt, so tritt ein Zeitpunkt ein, bei welchem die Constitution derselben
verändert wird und die einzelnen zusammengesetzten Bildungsatome eine Bewegung durch
die Wärme erfahren, derart, daß sie sich von einander entfernen, daß sie gleichsam
gespaltet werden und sich zu neuen, minder zusammengesetzten Verbindungen gruppiren.
Es ist klar, daß, wenn eine solche Spaltung stattfindet, sich die neuen
Bildungskörper als minder complex zusammengesetzt wie die ursprüngliche Substanz
ergeben müssen.
Wir wissen, daß die Wärme die Körper ausdehnt, und können uns demnach die Thätigkeit
der Wärme in der Weise versinnlichen, daß wir sie uns keilartig wirkend vorstellen;
die Wärme, die also keilartig zwischen die Atome eintritt, entfernt dieselben von
einander und somit wird die chemische Anziehung, welche nur bei unmittelbarer
Berührung wirkt, nach dem Grade der Entfernung, den die einzelnen Atome erlitten,
entweder theilweise beeinträchtigt, oder aber oft auch ganz aufgehoben. Es
unterliegt also keinem Zweifel, daß die Producte um so einfacherer Natur seyn
müssen, je energischer die Wärme eingewirkt hat, d.h. die Höhe
der Temperatur bei der Zersetzung bestimmt die Gruppirung der Atome der sich
bildenden Producte, welche natürlich bei fortgesetzter Steigerung der Wärme
fortwährend eine einfachere Constitution haben werden. Ja, es ist offenbar,
daß die complicirtesten Verbindungen bei genügender Erhitzung in ihre
Elementarbestandtheile zerfallen werden. Auch in der anorganischen Welt haben wir
Belege für diese Wirkung der Wärme. Das Silberoxyd z.B. zerfällt bei einer
verhältnißmäßig geringen Temperaturerhöhung in seine Bestandtheile, in Sauerstoff,
welcher gasförmig entweicht, und in Silber, welches metallisch zurückbleibt. Das
Quecksilberoxyd erleidet beim Erwärmen dieselbe Spaltung, und tritt hier das Metall,
da es flüchtig ist, als Dampf auf. Eine große Gruppe zusammengesetzter Körper, die
wir gewiß mit Unrecht organische Verbindungen nennen, bestehen nur aus wenigen
Bildungselementen, und zwar aus Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff,
denen nicht selten Schwefel, Phosphor und andere Metalloide und Metalle beigesellt
sind. Diese Verbindungen, von denen wir viele als Producte der vegetabilischen und
animalischen Lebensthätigkeit auftreten sehen, von denen jedoch auch mehrere aus
ihren Bildungselementen ohne Beihülfe der vitalen Processe dargestellt werden
können, erfahren bei der sehr complicirten Zusammensetzung, die sie haben, durch die
Einwirkung der Wärme eine Zersetzung, resp. Spaltung, die nicht so einfacher Natur
wie die der eben genannten Metalloxyde ist, deren Spaltungsproducte leider bis jetzt
noch einem zu geringen Studium unterworfen worden sind.
Den Proceß des Zerfallens und Spaltens der letzteren zusammengesetzten Körper durch
die Wärme nennen wir im Allgemeinen die trockene
Destillation. Wenn man einen Körper der trockenen Destillation unterwirft,
so werden zwei Gruppen von Körpern gebildet, d.h. es treten flüchtige und fixe, nicht flüchtige Körper auf.
Die flüchtigen Körper werden sich als Gas und Dampf entwickeln und können durch
Wegnahme der Wärme, durch Abkühlung, in fester oder flüssiger Form gewonnen werden,
oder aber sie bleiben gasförmig und entweichen als Gas; die fixen Bestandtheile
bleiben als Destillationsrückstand in dem Destillirgefäße zurück. Man hat also bei einer jeden
trockenen Destillation auf diese zwei (resp. vier) verschiedenen Gruppen von Körpern
sein Augenmerk zu richten.
Unterwerfen wir einen sog. organischen Körper, welcher Kohlenstoff, Wasserstoff,
Sauerstoff und Stickstoff nebst Schwefel etc. enthält, der trockenen Destillation,
so erhalten wir gewöhnlich als Rückstand eine reichliche Ausscheidung von
Kohlenstoff, mit geringen Mengen von Stickstoff und Wasserstoff verbunden, dagegen
als flüchtige Körper ein wässeriges Destillat, worauf
eine braune Oelschicht sich angesammelt hat, die man
schlechtweg mit dem Namen Theer bezeichnet, und außerdem
erhebliche Mengen theils brennbarer, theils nicht brennbarer Gase.
Je höher die Temperatur bei der Zersetzung war, um so größer ist die Gasausbeute und
um so geringer die Theergewinnung.
Betrachtung der verschiedenen
Destillationsproducte.
A. Wässeriges Destillat.
Das wässerige Destillat enthält gewöhnlich nur zwei verschiedene Gruppen von
Körpern, nämlich Säuren, worunter die Essig-, Butter-, Valerian-, Metaceton- und Rosolsäure fast nie fehlen, und Basen, worunter
stets das Ammoniak und daneben häufig Aethylamin, Propylamin, Picolin, Viridin, Anilin etc. und die anderen homologen Basen
vorkommen. Häufig finden sich, wenn die Temperatur sehr hoch gesteigert war,
auch noch Cyanverbindungen der Basen, neben einigen Kohlenwasserstoffen, die den
Charakter der Alkohole tragen, als Propyl etc., in dem Destillate vor. Auch das
Naphtalin kann unter Umständen in der wässerigen Flüssigkeit gelöst enthalten
seyn.
B. Die
ölartigen Producte.
Die bei der trockenen Destillation resultirenden ölartigen Producte werden
schlechtweg Theer genannt; das spec. Gewicht
derselben kann sowohl höher wie niedriger als das des Wassers seyn, und zwar
gilt im Allgemeinen die Regel daß, gleichgültig, welches rohe Material der
Destillation unterworfen wurde, je höher die Temperatur bei der Zersetzung war,
um so schwerer der Theer seyn wird. Bei sehr hoch gesteigerter Zersetzungswärme,
z.B. bei der Leuchtgasbereitung aus Steinkohlen, übersteigt das spec. Gewicht
des Theers dasjenige des Wassers.
Gerade so wie das wässerige Destillat enthält der Theer Säuren und Basen, jedoch
ist als Hauptbestandtheil desselben die Gruppe der neutralen Kohlenwasserstoffe zu betrachten; auch kommen
Kohlenwasserstoffe
zweideutiger Natur häufig in demselben vor, z.B. das Kreosot. Was die Säuren anbetrifft, so sind
dieselben anderer Natur wie die in dem Wasser enthaltenen. In den meisten Fällen
enthält der Theer Pyrosäuren, jedoch als nie fehlenden Bestandtheil Carbolsäure,
gleichgültig aus welcher Substanz der Theer erzeugt wurde. Die Basen des Theers
sind im Allgemeinen dieselben, welche in dem wässerigen Destillate vorkommen,
nur mit dem Unterschiede, daß das Ammoniak in geringerer Menge darin enthalten
ist. Hat der Theer ein höheres spec. Gewicht wie das Wasser, ist er also bei
hoher Temperatur erzeugt, so sind die Anilinbasen vorwaltend (z.B. im
Steinkohlentheer von der Gaserzeugung herrührend); im entgegengesetzten Falle
treffen wir die homologen Basen des Anilins, die Gruppen der Picolinbasen, an
(Steinkohlentheer, bei niederer Temperatur erzeugt, zur Darstellung von
flüssigen Beleuchtungsstoffen). Zum größten Theil besteht jedoch der Theer aus
neutralen Kohlenwasserstoffen, die wir in zwei Gruppen theilen müssen: in
flüssige und feste.
a) Flüssige neutrale Kohlenwasserstoffe.
Zum größten Theil besteht der Theer aus sauerstofffreien Kohlenwasserstoffen
von sehr verschiedenen Siedepunkten und sehr verschiedenem spec. Gewicht.
Die Natur derselben ist noch nicht genau erkannt; nichtsdestoweniger spielen
sie in der Beleuchtungsindustrie eine bedeutende Rolle (Photogen, Solaröl
und Paraffinöl sind solche neutrale Kohlenwasserstoffe, die gewiß eine große
Gruppe verschiedenartigster Verbindungen ausmachen). Bei hoch gesteigerter
Zersetzungstemperatur enthält der Theer eine andere Gruppe von neutralen
Kohlenwasserstoffen; so z.B. enthält der schwere Steinkohlengastheer Benzol, Cumol, Toluol, Cymol, Xylol, Körper die fähig sind, aus ihren
Nitroverbindungen starke Basen zu bilden, aus denen die prächtigsten rothen
und blauen, resp. violetten Farbstoffe darzustellen sind, welche den Indigo
und die Cochenille verdrängen werden und uns in Bezug auf Farbmaterialien
resp. Farbhölzer etc. unabhängig von West- und Ostindien machen werden.
b) Feste Kohlenwasserstoffe.
Dieselben zerfallen in zwei Hauptgruppen, wovon eine Körper umschließt, die
bei gewöhnlicher Temperatur flüchtig sind und leicht sublimiren; als
Repräsentant führe ich das Naphtalin an. Diese
Körper entstehen jedoch lediglich bei Einwirkung hoher Temperatur; ihre
Anwendung ist noch eine sehr beschränkte. Die Körper der zweiten Gruppe sind von ungleich
größerer Wichtigkeit für die Technik und unterscheiden sich von denen der
ersteren durch ihre Unsublimirbarkeit, ihren hohen Siedepunkt und ihre
geringere Flüchtigkeit. Als Repräsentant führe ich das Paraffin an (der bis jetzt als Paraffin zur Lichterfabrication
verwandte Kohlenwasserstoff umschließt nach meinen neuesten Untersuchungen
mindestens sechs verschiedene Körper). Diese Kohlenwasserstoffe der zweiten
Gruppe erzeugen sich bei verhältnißmäßig niedriger
Zersetzungstemperatur.
c) Gasförmige Producte.
Die bei der trockenen Destillation sich entwickelnden Gase zerfallen ihrer
Natur nach ebenfalls in drei verschiedene Gruppen:
1) solche, die wirkliche Säuren
sind oder die Rolle einer Säure spielen, z.B. Kohlensäure, Schwefelwasserstoff und Cyan;
2)basische Körper, das Ammoniak und die Pyrolbasen;
3)Gase neutraler Natur, z.B. Sumpfgas und ölbildendes Gas, Kohlenoxyd und Wasserstoff.
Was das Auftreten dieser verschiedenen Gase anbetrifft, so läßt sich hier
keine genaue Regel feststellen, in welcher Reihenfolge sie sich entbinden.
Nach meinen vielfachen Erfahrungen treten gewöhnlich zuerst die sauren, dann
die basischen und zuletzt bei sehr erhöhter Temperatur die neutralen Gase
auf. Bei den neutralen Körpern ist festgestellt, daß ihr Auftreten nach
folgender Reihenfolge stattfindet, wenn die Wärme nach und nach verstärkt
wird: ölbildendes Gas, Sumpfgas, Kohlenoxydgas und
zuletzt Wasserstoffgas.
Selbstredend sind die bei der trockenen Destillation sich entbindenden Gase
mehr oder minder mit dem Dampfe der anderen flüchtigen Destillationsproducte
geschwängert.
Aus dem oben Angeführten geht klar hervor, daß die trockene Destillation
eigentlich in zwei Hauptmanipulationen zerfällt, in die Erhitzung der
Substanz und in die Condensation der gebildeten flüchtigen Producte.
Specieller Theil der trockenen
Destillation.
I. Die Erhitzung der zu
destillirenden Substanz.
Dasjenige was ich speciell hier von der trockenen Destillation erwähne, bezieht
sich lediglich auf die Verarbeitung bituminöser Fossilien behufs Erzeugung von
Beleuchtungs- und Schmiermaterialien nebst den als Nebenproduct zu erzielenden
Basen zur Farbendarstellung.
Eine wie große Rolle die Wärme bei der Erzeugung der verschiedenen Producte der
trockenen Destillation spielt, haben wir aus dem Vorhergehenden ersehen, und ich
werde deßhalb eine umständlichere Beschreibung der verschiedenen Apparate, die
zu dieser Operation dienen, geben müssen, als wie es bei den nachfolgenden
Reinigungsapparaten geschehen wird. Die Erhitzung der zu destillirenden Körper
nimmt man gewöhnlich in eisernen Gefäßen von verschiedenartiger Form vor, die
man Retorten nennt, und es erhellt aus dem vorhin Bemerkten, daß die Apparate
zwei Eigenschaften haben müssen, wenn die gewünschten Producte erzielt werden
sollen; sie müssen nämlich erstens eine gleichmäßige Erhitzung zulassen und
zweitens den gebildeten Producten einen schnellen Austritt gewähren. Man kann
nie im Voraus die Form und die Dimensionen des Destillirgefäßes bestimmen,
sondern dieß hängt lediglich von dem Ergebniß einer Voruntersuchung ab, welcher
das zu destillirende Material unterworfen worden ist. Es ist wohl selbstredend,
daß die gleichmäßige Erhitzung der Retorte von der zweckmäßigen Einmauerung
derselben und der Construction des Ofens selbst abhängig ist. Es hat sich
herausgestellt, daß die Retorte nie auf das freie Feuer gelegt werden darf,
sondern daß dieselbe in einem Mantelgewölbe, welches seine Erwärmung von unten
durch ein Gittergewölbe erhält, erwärmt werden muß; die dem Gittergewölbe zu
liefernde Wärme wird durch eine Feueranlage beschafft, welche dem Brennmaterial
entsprechend ist, außerdem streichen die abgekühlten Oase aus der Condensation,
welche keine verdichtbaren Producte mehr enthalten, ebenfalls in den Feuerraum
ein (natürlich sind die geeigneten Vorsichtsmaßregeln, welche vor Explosionen
schützen, angewendet). Die Construction der Oefen und Erhitzungsapparate ist
leicht durch tüchtige Techniker zu beschaffen, doch ist die zweite Bedingung
einer günstigen Destillation, das schnelle Abführen der gebildeten Producte, mit
größeren Schwierigkeiten verknüpft und muß eine Summe von Umständen hier in
Betracht gezogen werden, welche, wenn nur bei einem einzigen Factor
vernachlässigt, einen erheblichen Schaden verursacht. Wie schon bemerkt, muß
eine vorläufige Untersuchung des Rohmaterials über die Abzugsvorrichtungen
Aufschluß geben und dann sowohl der Menge wie auch der Qualität der Producte
Rechnung getragen werden.
Wie schon bemerkt, wird bei der trockenen Destillation neben den flüssigen
Producten eine Menge permanenter Gase erzeugt, und es ist klar, daß man
letzteren einen freien Abzug gewähren muß, wenn man nicht eine Verzögerung der
Destillation selbst und dadurch eine Zersetzung der gebildeten Producte
hervorrufen will. Schon in einem früheren Aufsatze in diesem Journal (Bd. CLXII S. 381)
habe ich den Nachweis geliefert, wie auf der Photogenfabrik zu Markersdorf in
Böhmen durch bloße Erweiterung der Abzugsröhren und das Wegfallenlassen der
Sperrflüssigkeiten die Theerausbeute von 0,9 Procent auf 4–5 Proc.
gesteigert wurde. Es hat sich fernerhin herausgestellt, daß die leichten
Kohlenwasserstoffe am wenigsten zerstört werden, wenn den sich entwickelnden
Gasen und Dämpfen ein ungehemmter Abzug gewährt wird. Es war leicht
vorauszusehen, daß, wenn die Erfahrung das eben Gesagte bestätigte, man auf
Mittel bedacht seyn mußte, die gebildeten Producte rasch aus den
Destillationsgefäßen zu entfernen. Die Mittel, welche man dazu anwandte, waren
zweifacher Art:
Das erste bestand darin, daß man Gase in die Destillirgefäße eintrieb, welche
sich den Destillationsproducten gegenüber neutral verhielten. Zu dem Ende blies
man Kohlensäure oder Wasserdämpfe in die Apparate ein, ohne jedoch einen
günstigen Effect zu erzielen, weil man dadurch zwar ein rascheres Ausströmen
bedingte, jedoch den Druck in der Retorte selbst vermehrte. Ich habe vielfache
derartige Versuche angestellt und mich überzeugt, daß das Einblasen dieser Gase
für den Betrieb im Großen nicht vortheilhaft und zulässig ist. Wie schon
mehrfach erwähnt, erhält man sehr günstige Resultate, wenn das zu destillirende
Fossil 22–25 Proc. Wasser enthält. Hier ist es der sich fortwährend
entwickelnde Wasserdampf, welcher die Dämpfe der Destillationsproducte mit sich
fortreißt und auch die Temperatur in dem Destillirgefäße nicht zu hoch steigen
läßt.
Die zweite Art und Weise, die erzeugten Destillationsproducte rasch nach dem
Condensationsapparate hinzubefördern, bestand in der Anwendung von Exhaustoren,
die entweder durch ein directes Pumpwerk hergestellt oder aber durch den Zug
hoher Kamine gegeben wurden. Bei dem Aussaugen der Gase und Dämpfe treten zwei
Uebelstände ein: Erstens sind die Verdichtungen der Destillationsapparate nicht
zu controliren, da durch das Einsaugen der atmosphärischen Luft keine Dämpfe an
den undichten Stellen entweichen, und somit ein Ausbessern unmöglich wird.
Zweitens aber wird durch den eingesaugten Sauerstoff der atmosphärischen Luft an
den undichten Stellen der Wasserstoff der Kohlenwasserstoffe verbrannt und
treten demnach die Producte als wasserstoffärmere Kohlenwasserstoffe auf. Da man
aber sein festes Augenmerk darauf richten muß, die Oele so wasserstoffreich wie
möglich zu erhalten, so ist aus diesem Grunde die Anwendung der Exhaustoren bei
der Theerdestillation im Großen nicht angezeigt.
Bezüglich der Abzugsröhren kann man hier keine allgemeine Regel aufstellen, und ist vor
Allem bei einem jeden Fossil durch Versuche das Verhältniß des
Ausströmungsrohres zu dem Destillationsgefäße festzustellen. Beispielsweise will
ich hier einige Dimensionen angeben. Der Blätterschiefer aus dem Siebengebirge
bei Bonn (Grube Rommerickeberge), welcher 25–27 Proc. Bitumen enthält,
bei einem Wassergehalt von 25 Proc., verlangt bei der Retortendimension von 8
Fuß Länge, 30 Zoll Breite und 12–13 Zoll Höhe, eine lichte Weite des
Abzugsrohrs von 5–6 Zoll; dabei darf ich nicht unerwähnt lassen, daß die
Destillationscapacität der Retorte gleich 250 Pfund Füllung beträgt und die
Destillationszeit 6 Stunden ist, binnen welcher Zeit 1000 Kubikfuß Gas neben den
Theer- und Wasserdämpfen entwickelt werden. Die Braunkohle des fürstlich
Solms-Braunfels'schen Werkes zu Weckerheim ergibt 13–14 Proc. Bitumen und
muß bei gleicher Dimension der Retorte das Ausströmungsrohr einen Durchmesser
von 9 Zoll im Lichten haben, weil binnen derselben Zeit bei derselben Füllmasse
5450 Kubikfuß Gas entweichen. Ein anderes Fossil, welches ich bei Merkelsgrün in
Nordböhmen aufgefunden und dem ich den Namen Photogelith gegeben habe, ergibt
4–6 Proc. Bitumen, dagegen ist die Gasausbeute eine so niedrige, daß bei
sonst gleichen Dimensionen des Destillationsgefäßes, derselben Destillationszeit
und derselben Menge angewandten Rohproductes das Abzugsrohr nur einen
Durchmesser von 4 1/2 Zoll erheischt. Wie man leicht einsieht, kann also von
einer Vorausbestimmung der Dimensionen der Destillationsapparate, resp. der
Abzugsröhren, keine Rede seyn, und es muß ein jedes Fossil einer gründlichen
Untersuchung vorher unterworfen werden.
II. Die Condensation.
Die zweite wichtige Manipulation bei der trockenen Destillation ist die Abkühlung
der sich entwickelnden Gase und Dämpfe. Im Allgemeinen geschieht die Kühlung
derart, daß man die Producte metallene Röhren passiren läßt, die von Außen kalt
gehalten werden. Es ist bekanntlich von großem Vortheil, wenn man den
abzukühlenden Gasen und Dämpfen eine große Reibungsoberfläche bietet; leider
aber ist dieses mit Vermehrung des Druckes verbunden, den man dadurch rückgängig
auf die Destillationsgefäße ausübt, und es ist manchmal von größerem Nutzen,
wenn man einen kleinen Verlust der Producte erleidet, als wenn man Alles zu
condensiren sucht, und dadurch den Druck auf die Destillationsgefäße vermehrt,
in Folge dessen die Destillationszeit verlängert und das Product verschlechtert
wird. Die besten Resultate erhält man, wenn das Condensationsrohr gerade ist und
sanft geneigt, dabei verjüngend den flüssigen und gasförmigen Producten einen Ausweg
gestattet. Leider ist aber dieses bei der Destillation im Großen nicht
ausführbar, weil man alsdann für eine jede Retorte ein mindestens 50–60
Fuß langes Condensationsrohr beschaffen müßte, welches dann mit einem
gemeinschaftlichen Sammelrohr in Verbindung stände. Ein solches System von
Kühlröhren bei einer Batterie von 60 Retorten würde aber nicht allein ein großes
Anlage-Capital, sondern auch zur Beschaffung des nöthigen Kühlwassers und der
Bedienung bedeutende Geldausgaben erheischen.
Die Condensation der Theer- und Wasserdämpfe bewerkstelligt man in 18 Zoll weiten
gußeisernen horizontalen Sammelröhren, welche, oben mit Muffen versehen, die
Retortenmündungsröhren aufnehmen. Diese Sammelröhren sind von Außen mit grobem
Packtuch umgeben, welches durch einen Tropfapparat beständig naß gehalten wird.
Eine Sperrung der Retortenmündungsröhre mit Wasser wirkt nachtheilig auf die
Destillation. Am tiefsten Punkte der Condensationsröhren ist ein S förmig gebogenes Rohr angebracht, dessen
Ausflußmündung der Productionsfähigkeit der Retorten entspricht, und welches
durch Flüssigkeit gesperrt, dem Gase keinen Abzug gewährt. Nahe bei der S förmigen Abzugsröhre wird das Gas nach oben durch
zwei Horizontalröhren geleitet, welche ebenfalls mit nassen Tüchern umgeben
sind, und die letzten Reste der condensirbaren Producte verdichten und in das
Sammelrohr zurück fließen lassen. Ich darf nicht unerwähnt lassen, daß soviel
als möglich kurze Krümmungen und Windungen in den Condensationsapparaten zu
vermeiden sind, weil dadurch sich die Dämpfe und Gase an den Biegungen stoßen
und auf die Retorte rückwirken, so daß die Destillationszeit verlängert und die
Producte verschlechtert werden.
Bei der Destillation von Torf und sogenannter Paraffin-Kohle (eine sehr weiße
bitumenreiche Braunkohle) müssen die Abzugsröhren für das Gas nicht allzukalt
gehalten werden, indem die Gase, mit paraffinhaltigen Dämpfen geschwängert, bei
zu starker Abkühlung paraffinhaltige Massen als blumenkohlartige Wucherungen in
den Röhren absetzen, wodurch leicht ein Verstopfen stattfinden kann und die
Lutirungen undicht werden. Man muß bei der Torfdestillation deßhalb in dem
letzten Stadium häufig die Gasabzugsröhre erwärmen, um das Verstopfen derselben
zu verhüten. Es versteht sich von selbst, daß dieses Verstopfen auch mit dem
größeren oder geringeren Gehalt an Paraffin zusammenhängt, und deßhalb der Torf
älterer Formation (Bagger- und Stichtorf) mehr demselben unterworfen ist, als
der Torf der oberen Schichten, der Faser- und Moostorf. In Friesland gibt es
einen schweren Baggertorf, der bei der Destillation einen Theer liefert, welcher
über 6 Procent Paraffin enthält, und diesen Uebelstand bei der Destillation im höchsten Grade
zeigt. Ich habe deßhalb bei allen Torfdestillationen die Vorkehrung getroffen,
daß man das Gasabzugsrohr mittelst Dämpfen erwärmen und reinigen kann. Es muß
auffallend erscheinen, daß das Paraffin, welches einen so hohen Siede- und
Verflüchtigungspunkt hat, und dessen Dämpfe so wenig latente Wärme haben, so
schwierig aus dem Gase zu condensiren ist, und bis zu den äußersten
Mündungsröhren durch das Gas hingeführt wird.
Auf vielen Photogenhütten, z.B. auf der Beueler Augustenhütte, suchte man die
Condensation der Destillationsproducte durch ein Röhrensystem zu
bewerkstelligen, welches von unten nach oben von den Dämpfen durchstrichen wird
und sich auf einer Länge von circa 200 Fuß bis auf
1/3 der Einströmungsöffnung verjüngt. Das Röhrensystem selbst besteht aus
10-füßigen Stücken, die übereinander liegen und mit Uförmigen Knieröhren verbunden sind. Der Vortheil, den diese
Vorrichtungen gewähren, würde ein bedeutend größerer seyn, wenn die vielen
kurzen Windungen und Krümmungen bei demselben vermieden worden wären.
Die Condensationsvorrichtungen, wie sie in Frankreich und England angewandt
werden, z.B. die von Delahaye und Soulivan, sind Verticalröhren und geben ein minder
günstiges Resultat, wie die Condensation des Horizontalsystems.
III. Ueber den Einfluß der
Temperatur bei der trockenen Destillation.
Im Vorhergehenden habe ich im Allgemeinen die Principien besprochen, nach denen
die trockene Destillation ausgeführt und die dazu nöthigen Apparate construirt
werden. Ich will jetzt den Einfluß der Temperatur auf die Quantität der Producte
einer näheren Betrachtung unterwerfen. Schon im Eingange habe ich darauf
aufmerksam gemacht, daß die Producte, d.h. die Kohlenwasserstoffe, um so
wasserstoffärmer werden, als die Temperatur eine höhere ist. Ein Beispiel führe
ich an, nämlich die Destillation einer sehr bitumenreichen Steinkohle (Glanz-
oder Pechkohle des Zwickauer Kohlenbeckens). Diese Kohle wurde in die Retorte
gegeben und alsdann das Feuer langsam bis zur Rothgluth gesteigert. Ich erhielt
aus 100 Gewichtstheilen derselben:
Kohks
60,063
Wasser
10,787
Theer
12,000
Gas und Verlust
17,15
–––––––
100,000
Dieser Theer, einer weiteren fractionirten Destillation unterworfen, ergab von
100 Gewichtstheilen:
Photogen
19,008
Solaröl
20,908
Schmieröl
17,807
Paraffin
9,083
Kreosot
12,606
Rückstand der Destillation u. Verlust
20,588
–––––––
100,000
Dieselbe Kohle wurde in eine glühende Retorte geladen und destillirt, und ich
erhielt aus 100 Gewichtstheilen derselben:
Kohks
50,063
Wasser
7,781
Theer
10,000
Gas und Verlust
32,156
–––––––
100,000
Man ersieht leicht schon aus dieser Rohdestillation, daß eine andere Zersetzung
stattgefunden hat und es wird dieß durch die fractionirte Destillation des
Theeres evident bewiesen. Die Untersuchung des Theeres ergab in qualitativer
Beziehung ganz andere Bestandtheile. Das Photogen war ersetzt durch Benzol,
Toluol, Cumol, Cymol und Xylol; das Paraffin war fast gänzlich verschwunden und
dafür enthielt der Theer Naphtalin und Paranaphtalin. Das Kreosot hatte sich in
bedeutenderer Menge gebildet; dafür war aber das Schmieröl bedeutend zersetzt
worden. Auch ergibt sich aus der geringen Wasserausbeute, daß das Wasser selbst
einer Zersetzung erlegen ist, und zwar auf Kosten des Kohlenstoffs, der sich
theils mit dem Sauerstoff zu Kohlenoxyd, theils mit dem Wasserstoff zu Sumpfgas
verbunden hat. Es konnte demnach das Wasser nicht mehr als Wasser auftreten,
sondern mußte die Gasausbeute sehr stark vermehren. Auch die Ausbeute an Kohks
war verringert, weil der Kohlenstoff ebenfalls auf Kosten des Wassers gasificirt
worden war. Das specifische Gewicht der beiden Theersorten variirte sehr;
dasjenige der ersteren war 0,955, also leichter wie Wasser, wohingegen die
zweite Sorte Theer 1,0056 spec. Gewicht zeigte.
Wie schon im Eingange bemerkt, werden die Destillationsproducte bei erhöhter
Temperatur immer wasserstoffärmer und ihr Siedepunkt steigt nicht mehr
gleichzeitig mit dem Verflüchtigungspunkte; so haben die leichten Oele der
bituminösen Schiefer, der Braun- und Steinkohle, welche bei allmählich
gesteigerten also niedrigen Destillationstemperaturen erzeugt wurden, bei einem
niedrigen Siedepunkte eine geringe Flüchtigkeit; sie sieden nämlich bei einem
specifischen Gewichte von 0,750 bei einer Temperatur zwischen 50 und 60°
C.; ihre Verflüchtigung dagegen bei gewöhnlicher Temperatur, selbst im
luftleeren Raume, ist nur so groß, daß eine gleiche Quantität Wasser während
dieser Verdunstung bloß einige Grade unter der Umgebungstemperatur abgekühlt
wird. Nehmen wir dagegen die leichten Oele derselben bituminösen Fossilien,
welche bei erhöhter Temperatur gewonnen werden, z.B. das Benzol, so findet man,
daß bei einem specifischen Gewichte von 0,85 und einem Siedepunkte von
85–88° C. die Verflüchtigung eine viel größere ist. Man kann als
allgemeines Gesetz annehmen, daß das geringe specifische Gewicht einen hohen
Wasserstoffgehalt bekundet, und daß die Zunahme des Kohlenstoffgehaltes das
specif. Gewicht erhöht.
Was die festen Kohlenwasserstoffe anbetrifft, so habe ich ermittelt, daß bei
niedriger Temperatur stets Paraffin und keine Spur von Naphtalin gewonnen wird,
daß aber bei rascher Destillation in der Rothgluth stets Naphtalin sich bildet
in Begleitung des Benzols. Mit der Höhe der Temperatur vermindern sich also die
zur Beleuchtung dienenden Kohlenwasserstoffe; es tritt das Leuchtgas in großer
Menge auf, und die homologen Kohlenwasserstoffe der Benzolreihe werden als
Product erhalten. Letztere werden nicht mehr zur Beleuchtung benutzt, sondern
ihre Verwendung ist die zur Farbendarstellung.
Bezüglich der Säuren und des Kreosots hat sich festgestellt, daß bei niedriger
Temperatur das Kreosot auftritt neben nicht unerheblichen Mengen von Essigsäure,
Buttersäure, Metacetonsäure, Valeriansäure, Capronsäure, Caprylsäure und wenig
Kohlensäure. Wird die Temperatur dagegen erhöht, so verschwinden das Kreosot und
die dasselbe begleitenden Säuren, und es tritt fast nur die Carbolsäure auf.
Letztere, auch Phenylsäure genannt, wird in jüngster Zeit zur Darstellung von
prächtig rothen und blauen Farbstoffen benutzt.
In Bezug auf die Producte der trockenen Destillation stickstoffhaltiger Materien
muß ich Nachfolgendes erwähnen: Bei niedriger Temperatur entstehen die Basen der
Pyrolreihe und gleichzeitig mit ihnen das Picolin, Lutidin, Viridin etc.,
wohingegen bei erhöhter Temperatur das Aethylamin, Propylamin, Amylamin und das
Anilin auftreten. In beiden Fällen wird immer eine gewisse Menge Ammoniak
gebildet; jedoch kann man annehmen, daß das massenhafte Auftreten des Ammoniaks
erst bei einer Temperatur stattfindet, welche die helle Rothgluth überschreitet
und daß es überhaupt zu Ende der Operation sich entwickelt. Ueber das Auftreten
des Aethylamins habe ich mich früher schon ausgesprochen und es hat sich die
Ansicht bestätigt, daß dasselbe durch Zusammentreten von ölbildendem Gase mit Ammoniak im
Entstehungsmomente gebildet wird. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß auch
diese Base Farben liefern wird.
Die geringe Ausbeute an leichten Kohlenwasserstoffen des Theeres der Braun- und
Steinkohle hat eine Menge von Versuchen hervorgerufen, welche die Zersetzung der
schweren Oele in der Art bezweckten, daß man durch Spaltung aus denselben
leichte, d.h. wasserstoffreichere Oele erhalten könne. Im Jahre 1850 wurden auf
der Beueler Augustenhütte derartige Versuche im Großen angestellt und es ergab
sich, daß man durch Einströmenlassen der schweren Oele in glühende Retorten oder
Röhrensysteme leichtere, also wasserstoffreichere Oele erhielt, daß aber
dieselben zur Speisung von Photogenlampen nicht geeignet waren, da einestheils
der Siedepunkt dieser Oele zu niedrig lag, und dadurch nach kurzer Brennzeit
auch Dampfbildung in der Dochthülle und ein Rußen und Schwalchen der Flamme
hervorgerufen wurde; auf der anderen Seite waren die so gebildeten leichten Oele
nicht so kohlenstoffreich, daß eine körperhafte, compacte starkleuchtende Flamme
gebildet wurde. Auch war der Kostenpunkt dabei mit in Betracht zu ziehen,
insofern die Ausbeute eine geringe und die Arbeitskosten sehr hoch waren.
Hr. Dr. Breitenlohner,
Chemiker der erzherzogl. Torfproducten-Fabrik zu Chlumetz in Böhmen, hat in
diesem Journal Bd. CLXVII S. 378 eine Abhandlung über die Torföle und ihre
Aufbereitung nach einem patentirten Verfahren veröffentlicht, worin derselbe
angibt, daß die schweren Torföle durch Einströmenlassen in glühende Gefäße sich
in leichte Oele verwandeln, und dieser Proceß sehr praktisch und nutzbringend
sey. Was den Kostenpunkt anbetrifft, so ist, wie schon vorher bemerkt, derselbe
bei dieser Methode zu groß und außerdem die Ausbeute eine geringe und stets
variirende, je nachdem die Oele leichter oder schwerer oder die Temperatur eine
wechselnde war. Die Bildung von Carbolsäure und brennbaren Gasen ist dabei eine
sehr bedeutende und lästige. Alle Methoden, welche auf dem eben angegebenen
Princip basiren, sind daher für die Technik zu verwerfen.
Diese Destillation der Rohöle bei Gegenwart glühender Substanzen ist weiter
nichts, als eine abermalige Spaltung der verschiedenen Kohlenwasserstoffe durch
massenhaft dargebotene glühende Flächenberührung, welche auf der einen Seite
wasserstoffreichere Kohlenwasserstoffe, größtentheils gasförmige und nicht
condensirbare Körper zur Folge hat, wohingegen auf der andern Seite spec.
schwere, kohlenstoffreichere und wasserstoffärmere Kohlenwasserstoffe gebildet
werden. Beide Producte erheischen aber einen großen Chemikalienaufwand bei der
Reinigung und bieten außerdem nicht die vortheilhafte Verwendung wie die direct aus dem Theere
gewonnenen Oele.
(Eine größere Ausbeute an leichtem Photogen liefert die fractionirte Theerdestillation bei constantem Niveau.)
Cöln, im Januar 1864.