Titel: | Ueber die Herstellung geometrisch richtiger Körperformen. |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. XI., S. 16 |
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XI.
Ueber die Herstellung geometrisch richtiger
Körperformen.
Aus der Zeitschrift des Vereines deutscher
Ingenieure, 1864, Bd. VIII S. 535.
Lüders, über Herstellung geometrisch richtiger
Körperformen.
Whitworth hat bekanntlich zuerst gelehrt, eine ebene
Fläche mit jedem beliebigen Grade von Näherung an die mathematische Idee derselben
herzustellen. Sein Verfahren zur Herstellung von Flächen durch wechselndes Vergleichen dreier
Platten ist aber durchaus geeignet, auch die anderen einfachen Körperformen, vor
allen durch parallele oder rechtwinkelige Flächen und Kanten begrenzte Körper,
beliebig genau mit Hülfe des Schadens herzustellen. Wie weit die folgenden sehr
einfachen Methoden bekannt sind, kann ich nicht sagen; allgemeines Gut des
Maschinenbaues sind sie jedenfalls noch nicht, noch weniger, als die längst
bekannten Grundsätze über Herstellung und Erhaltung von Richtplatten.In der von Whitworth im Anfange der Vierziger
geschriebenen Anleitung zur Herstellung ebener Flächen sind die sehr leicht
daraus sich ergebenden Erweiterungen des Verfahrens nicht berücksichtigt; in
einem 1859 veröffentlichten Aufsatze über seine Meßmaschine schlägt er
einen, von dem in dem Folgenden angedeuteten Wege etwas verschiedenen,
weniger directen Weg zur Erlangung eines genauen Prisma's ein. Er hat seine
Aufsätze vor ein Paar Jahren in einem Bande vereinigt erscheinen lassen;
vielleicht findet sich darin mehr über diesen Gegenstand; mir ist dieses
Buch leider nicht zur Hand. Die zuerst erwähnte Abhandlung ist in dem Bande
des Engineer von 1859 wieder abgedruckt;
ebendaselbst findet sich ein Bericht über die Meßmaschine. Die Bemerkung,
mit welcher die Redaction des Engineer den
Wiederabdruck des ersten Aufsatzes rechtfertigt, daß nämlich die in
demselben ausgesprochenen Grundsätze in England noch lange nicht so bekannt
wären, wie zu wünschen sey, gelten in noch weit höherem Grade von
Deutschland. Dieß beweist z.B. das von dem Schlusse dampfdichter Flächen
handelnde Capitel der bekannten Constructionslehre des Professor Reuleaux, welches bei Gelegenheit der Dampfkolben
eingeschoben ist.Selbst in großen Werkstätten werden ferner die Richtplatten nicht selten mit
großer Sorglosigkeit behandelt; man fertigt solche an, welche auf vier Füßen
ruhen; man gestattet unnöthige starke Belastungen u.s.w. J. L.
Die erste Aufgabe, welche nach Erlangung einer ebenen Fläche uns sich darstellt, ist
die Herstellung eines rechten Winkels. Zu diesem Behufe
nehme man drei Winkel, bearbeite eine Seite derselben nach der Richtplatte und
vergleiche dann, indem man sie mit diesen Seiten auf die Richtplatte stellt, die
anderen Seiten mit einander. Sobald alle drei Winkel mit diesen Seiten genau sich
berühren, müssen sie rechtwinkelig seyn. Statt dreier Winkel kommt man auch mit
zweien aus, indem man sie bald mit dieser, bald mit jener Seite auf die Richtplatte
stellt.
Man wird mit Hülfe dieser Winkel dann einen inneren Winkel genau rechtwinkelig
herstellen, welcher dann wieder zur Herstellung äußerer Winkel dienen würde.
Mit Hülfe eines inneren Winkels könnte man genaue Parallelepipeden herstellen, indem
man jede Seite derselben gleichzeitig rechtwinkelig zu zwei anderen bearbeitet. Das
folgende Verfahren liefert aber viel leichter parallele Flächen.
Man nehme zwei der verlangten Körper und richte eine Seitenfläche derselben nach der
Richtplatte ab. Wenn man sie mit dieser Fläche dann auf die Platte legt und die
obere Seitenfläche bearbeitet, bis eine zweite Richtplatte in zwei beliebigen Stellungen der
Körper genau auf beiden anfliegt (trägt), so müssen die Flächen parallel seyn.
Es bleibt nun noch übrig, Körper herzustellen, bei welchen eine Kante einer Fläche
derselben parallel ist. Das dabei einzuschlagende Verfahren ist im Allgemeinen
folgendes: „Das abzurichtende Prisma wird in eine seinen Seitenflächen
entsprechende Leernuthe, welche in einer Platte genau eingearbeitet ist,
eingepaßt, so daß die obere Fläche des Prisma's mit der Oberfläche der Platte in
einer Ebene liegt. Hierauf werden die Prismenflächen so lange beschabt, bis eine
Richtplatte, auf die obere Fläche des Prisma's gelegt, auf dieser und der
Oberfläche der Platte vollkommen aufliegt, wenn auch das Prisma in der Nuthe der
Länge nach verschoben oder so umgelegt wird, daß sein hinteres Ende vorne zu
liegen kommt. Durch passende Combinationen lassen sich sehr viele Formen
herstellen, z.B.:
Textabbildung Bd. 175, S. 18
Die Herstellung genauer rechter Winkel ist für die Praxis nicht unwichtig, wenn auch
nur, um die Winkel der Arbeiter controliren und ohne Mühe berichtigen zu können.
Auch würden Winkelrichtplatten in manchen Fällen dem Schlosser dieselbe
Erleichterung zur Herstellung von winkeligen Körpern geben, welche ihm die
Richtplatte zur Herstellung von Flächen gibt.
Parallele Flächen auf obige Art herzustellen, wird gewöhnlich durch die
Beschaffenheit des Arbeitsstückes, sowie durch den Umstand, daß ein Duplicat
desselben erforderlich ist, ausgeschlossen seyn. Leisten und Lineale der oben
skizzirten Art würden vielleicht in einigen Fällen bei dem Baue von
Arbeitsmaschinen, z.B. für die Anfertigung kleinerer Supporte, Nutzen bringen.
Welche dieser Verwendungen praktisch sind, läßt sich im Voraus nicht wohl sagen; es
wird dem Maschinenbauer aber stets förderlich seyn, die Mittel zur mathematisch
genauen Herstellung der von ihm verwendeten Formen zu kennen.
J. Lüders.