Titel: Louis Walkhoff's patentirtes Verfahren zur Gewinnung des Zuckers aus Rübenpreßlingen.
Fundstelle: Band 175, Jahrgang 1865, Nr. XXI., S. 61
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XXI. Louis Walkhoff's patentirtes Verfahren zur Gewinnung des Zuckers aus Rübenpreßlingen. Mit Abbildungen auf Tab. I. Walkhoff's patentirtes Verfahren zur Gewinnung des Zuckers aus Rübenpreßlingen. Dieses Verfahren bezweckt die mehr oder weniger gepreßten Rübenrückstände zu maceriren, um dadurch den mittelst keiner Presse irgend welcher Construction noch zu gewinnenden Rübensaft doch auf andere Art zu erhalten. Die Vorpressung hat zu diesem Behufe zu einer Höhe von wenigstens 70 Procent Saftgewinn per 100 Rübe zu geschehen. Dadurch werden die Rübentheilchen oder die Rübenfasern nicht nur von jenen Gasen befreit, welche der Maceration frischer Rüben so hinderlich sind, sondern es werden auch bei einem solchen Drucke die einzelnen Zellen der Rübe dermaßen gequetscht, zerrissen, verschoben oder aus dem natürlichen Zusammenhange gebracht, daß die osmotische Wirkung des kalten Wassers eine fast augenblickliche ist und daher überraschende Resultate liefert. Diese Vorbereitung der Rübenfaser durch Pressen und nachheriges Auflockern und Zerkleinern vor der mittelst eines schwachen Wasserdruckes zu bewerkstelligenden Maceration halte ich also für das Wesentliche meines Verfahrens und werde in einer umfassenden Broschüre nachweisen, daß jene Theorie des Austausches der Dichtigkeiten, wie sie in der Broschüre Rapage et Macération de la Pulpe (s. polytechn. Journal 2. Juliheft 1864, Bd. CLXXIII S. 136) als das Wesentliche der Sache hingestellt wird, gar nie zutreffend seyn kann. Der Verfasser jener Broschüre (Hr. Graf A. Bobrinsky) hat eben die Principien meines Verfahrens noch nicht begriffen. Nach jener vorbereitenden Pressung irgend welcher Art (es ist gleichgültig, welcher Pressen man dabei sich bedient) lasse ich die Preßlinge möglichst zerkleinern, zerzupfen. Man kann sich dazu jeder beliebigen grobzähnigen Reibe bedienen, wenn man nur die Zuführvorrichtung dem Material der Preßlinge anpaßt. Vorzugsweise empfehle ich jedoch hierzu den von Pichon und Moyaux im Jahre 1812 erfundenen Cylinder anzuwenden, da er mit Nägeln oder Stiften besetzt „sich niemals verstopft, sehr wenig Kraft erfordert und viel leistet,“ wie Derosne schon damals der Akademie der Wissenschaften in Paris berichtete. Dieser Cylinder ist daher keine neue Erfindung und ich habe ihn nur zuerst zu diesem Zwecke der Zerkleinerung der Preßrückstände mit dem entschiedensten Erfolge angewandt. Die Abbildungen Fig. 2326 versinnlichen meine neuesten Verbesserungen an der Zerkleinerungsvorrichtung und namentlich ist die Zuführung a, Fig. 23, wo sich mehrere Messer gegen den Cylinder drehen, sehr anzuempfehlen. Früher hatte ich ein Segment angewendet, das auf die ganze Breite der Reibe hin- und hergehend drückte, wie es in der erwähnten Abhandlung in diesem Journal Bd. CLXXIII S. 136 beschrieben und abgebildet ist. Dadurch wurde der ganzen Breite des Cylinders beim Hingange des Segmentes Masse zugeführt, derselbe also sehr belastet, während beim Zurückgange des Segmentes gar keine Leistung oder Belastung stattfand. In Folge hiervon arbeitete die Maschine stoßweise, höchst ungleichmäßig und es mußten derselben 1100 bis 1300 Umdrehungen per Minute gegeben werden, um eine genügende Leistung hervorzubringen. Jetzt dreht sich die Welle a, Fig. 23, mit den schneckenförmig gesetzten Messern gegen den Cylinder. Es werden also die Preßlinge nicht nur vorgeschnitten, zerkleinert, sondern es bringt auch immer ein Messer einen kleinen Theil der Masse an den Cylinder, dem wieder ein anderes Messer folgt etc. Auf diese Art wird beständig und gleichmäßig ein kleiner Theil der Masse an den Cylinder gebracht, welcher nun gleichmäßig und continuirlich fortarbeitet. Dadurch habe ich erzielt, daß ich mit weit weniger Kraftaufwand und geringerer Umdrehungsgeschwindigkeit mehr leiste, als früher. Ein anderer wesentlicher Uebelstand der in diesem Journal a. a. O. abgebildeten Maschine ist noch, daß zwischen den Vorsprüngen der Unterreibe stets Preßling liegen bleibt, in welchem bei dem stattfindenden starken Luftzuge Zersetzung veranlaßt, also Essig gebildet wird; diese Zersetzung theilt sich den übrigen Partikelchen bald mit, so daß der Erfolg und die Zuckerkrystallisation von der Reinlichkeit etc. abhängen. Meine neuesten Verbesserungen helfen diesem Uebelstande gänzlich ab. Ferner habe ich bei c, Fig. 24, einige Platten angebracht, welche das Herumwerfen der zerkleinerten Rübentheilchen nach vorn verhindern. Das Gestell ist von Gußeisen construirt und dem hölzernen entschieden vorzuziehen; endlich fällt hierbei die beständige Thätigkeit eines Arbeiters weg, da die Preßlinge von den Messern selbstthätig gefaßt werden, ohne des Hereinstoßens in den Segmenten durch Menschenhände zu benöthigen. Auch sind bei dieser Reibe die unteren Widerstände nicht über die perpendiculäre Linie der Cylinderachse verlängert; das Product derselben ist von ausgezeichneter Beschaffenheit. Wir gehen nun auf die Extraction des Saftes über. Die zerkleinerte Masse wird sehr vorsichtig oder locker in die „Filterpressen,“ deren ich mich zum Auslaugen bediene, gelegt. Wenn dieselbe gedrückt wird, so läuft der Saft aus ihr nicht gut ab. Daher ist die Vorschrift in dem Verfahren der HHrn. Schultz und Löffler (beschrieben in Armengaud's Génie industriel, Juni 1864, S. 301), wornach „die zerkleinerten Rückstände in cylindrischen Gefäßen mit einem Holze oder der Hand festgedrückt (tassés) werden sollen, ein Unsinn und beweist, daß jene Herren noch nicht praktisch nach meiner Methode gearbeitet haben. Aus dem Nachfolgenden ist nämlich zu ersehen, daß das durch französische Journale veröffentlichte Verfahren von Schultz und Löffler mit dem meinigen identisch ist.Das Saftextractionsverfahren von Schultz und Löffler ist in das Génie industriel aus dem Journal des fabric. de sucre vom 10. Juli 1864 übergegangen. Das Wesentliche der Originalbeschreibung ist Folgendes:„Die Preßeinrichtung bleibt unverändert, die Rüben werden jedoch ohne Wasserzulauf zerrieben, so daß also ein um 25 Procent geringeres Volumen zu pressen ist, und mithin die Arbeit in demselben Verhältniß verringert wird. Die Preßlinge der einmaligen Pressung werden von einer ganz einfachen Reibe zerrieben, aus welcher sie mit dem Ansehen grober Sägespäne hervorgehen. In diesem Zustande kommen sie in ein Filter oder cylindrisches Gefäß und werden darin mit einem Holze so weit festgedrückt (tassés), wie dieß mit der Hand geschehen könnte.“„Die erwähnten Cylinder sind aus Zinkblech hergestellt und oben geschlossen, wie Macerationsbehälter. Für eine Verarbeitung von 1000 Centnern täglich, haben sie 2–2 1/2 Fuß im Durchmesser und 5–6 Fuß Höhe; stündlich wird ein Filter beschickt. Wenn das erste Filter voll ist, wird es mit Wasser, welches von unten nach oben eintritt, gefüllt. Da sich unten im Cylinder ein Doppelboden und oben ein Deckel befindet, so geschieht die Vertheilung des Wassers sehr gleichförmig. Man sieht, es ist nichts als eine Maceration.“„Eine Batterie besteht aus 6 oder 8 mit einander in der bekannten Weise von unten nach oben und von oben nach unten verbundenen Filtern.“„Das Wasser tritt aus dem ersten Filter mit 3–4° Baumé, aus dem letzten mit 6–8° aus. Wenn ein Filter erschöpft ist, wird es ausgeleert und wieder gefüllt, die ganze Operation also ähnlich wie die Schnitzelextraction geleitet, nur daß hier kaltes reines Wasser angewendet wird.“„Das macerirte Reibsel ist dann leicht auszupressen, wobei zu bemerken ist, daß die Rückstände trotz der Behandlung mit Wasser nicht über 1/4 oder 1/3 des Volums der gewöhnlichen ausmachen. Dieses Auspressen erfordert nicht so viel Arbeit, wie es scheinen könnte, da der Saft nur noch Spuren von Zucker enthält; derselbe ist in jeder Hinsicht von vorzüglicher Beschaffenheit.“„Unumgänglich nöthig ist es, die Maceration von unten nach oben gehen zu lassen, da sonst die Wirkung dem Zwecke nicht entsprechen würde. Das Spiel des Apparates ist so bekannt, daß eine Beschreibung unnöthig ist. Zu bemerken ist nur, daß das Pressen nicht nachlässig geschehen darf; je stärker die Pressung, desto leichter die Extraction.“„Man läßt den Saft so rasch und so lauge ablaufen, wie es nöthig ist, und richtet sich dabei nach der Saftdichte, welche weder zu hoch noch zu niedrig, nämlich etwa 6° Baumé seyn soll.“„Der obere Boden erfüllt einen wichtigen Zweck; er soll das Reibsel zurückhalten, welches sonst durch den inneren Druck mit fortgerissen würde und die Röhren und Hähne verstopfen könnte.“„Je nach der Größe und Dauer der Fabrication wendet man 4 oder 6 Filter an. Für 1000 Ctr. Rüben nehmen die Erfinder nur 6 derselben. Die Reibe für die Preßlinge ist sehr einfach, bedarf nur wenig Triebkraft und ihre Klingen halten die ganze Campagne aus. Die Handarbeit bei diesem System ist gering.“„Also: Reiben ohne Wasserzulauf, Maceration der Preßlinge in Form von Reibsel mit kaltem Wasser, vollständiges Auspressen des Rückstandes.“ A. d. Red. Bekanntlich wurde dem Hrn. Dr. Carl Löffler im 2. Maiheft 1863 dieses Journals (Bd. CLXVIII S. 320) nachgewiesen: „daß er sich in einer von ihm herausgegebenen Broschüre in schamloser Weise eine im Jahre 1860 erschienene Arbeit des französischen Chemikers Leplay aneignete;“ ich überlasse es dem Leser, nach Prüfung der weiter unten von mir anzuführenden Thatsachen zu entscheiden, ob hier ein gleicher Fall vorliegt. Uebrigens ist Hr. Dr. Löffler vom Hrn. Grafen A. Bobrinsky engagirt, meine Priorität dieses Verfahrens in technischen Zeitschriften anzufechten; bisher habe ich geschwiegen, da aber die Herausforderungen zu groß werden, so übergebe ich die Thatsachen der Oeffentlichkeit, damit das Publicum die Handlungsweise jenes Herrn beurtheilen kann. Zur Maceration der gepreßten und zerkleinerten Rückstände bediene ich mich der Real'schen Filterpresse, nur mit den für diesen Zweck gebotenen Abänderungen und zwar deßhalb, weil dabei ein Verdrängen des Saftes durch directen Wasserdruck, eine Maceration und Filtration zugleich stattfindet, der hier angestrebte Zweck also am besten erzielt werden muß. Nachdem ich schon im J. 1858 runde Gefäße vorgeschlagen hatte und im Januar und Februar 1860 mit solchen praktische Versuche in Kapitaroska angestellt wurden, kam ich auf die Idee, diese runden Gefäße auf Achsen der Art aufzuhängen, daß sie durch Umkippen sich selbst entleeren. Ich beanspruche demnach die Priorität der Anwendung der jetzt zur Maceration der Preßlinge gebräuchlichen Filterpressen. Im December 1860 war jene Idee so weit in mir gereift, daß ich dieselbe bei der Firma Fothergill, Wrigley und Smith zeichnen und mir einen Kosten-Ueberschlag einsenden ließ. Diese Firma erhielt von mir im Februar 1861 die letzten Details und Anleitungen, und ich füge die Zeichnung des Apparates bei, welche mir jene Herren im August 1861 übermittelten.Hr. Walkhoff hat uns die Originalzeichnung der erwähnten englischen Firma mitgetheilt. A. d. Red. Erklärung der Figuren 21 und 22: a, a Achsen, auf denen die Gefäße ruhen, welche zum Umkippen eingerichtet sind. b Wasserrohr, welches von der hohlen Achse bis unten in das Gefäß führt. c unterer durchlöcherter Boden; d oberer durchlöcherter Boden. f Rohr zum Ueberspringen des Saftes auf das nächste Filter oder auch zum Ablaufen desselben. g oberer Deckel, nach Belieben aufzulegen oder abzunehmen. h Hahn, um Wasser von einem höher gelegenen Reservoir einströmen zu lassen. i Abflußhahn für Saft, wenn man ihn dort abzunehmen wünscht. k und l sind zwei Hähne, welche das Ueberspringen des Saftes von einem Filter auf das andere zu bewirken oder aufzuheben gestatten. m Abflußhahn, für Saft bestimmt. n Ablaßhahn für Wasser. o Wagen zur Aufnahme der entzuckerten Masse. p, p Gestell für die Filter. Mittelst dieser Apparate kann der Fabrikant nach seinem Belieben in offenen oder geschlossenen Gefäßen, mit einem oder mehreren Filtern arbeiten. Das Original dieser Zeichnung nebst den Briefen der erwähnten englischen Firma sind noch vorhanden, daher der juristische Beweis meiner Angaben leicht zu liefern ist. Diese Apparate waren für den Fürsten von Thurn und Taxis projectirt, welchem ich im J. 1861 einen solchen auf meine Kosten und Gefahr zu liefern mich anheischig machte; ferner bot ich einen solchen Apparat ebenfalls im J. 1861 dem Fürsten Sopoukhine an, welcher ihn im J. 1862 mit geringen Abänderungen wirklich ausführen ließHr. Walkhoff hat uns die Werkzeichnung des ausgeführten Apparates zur Einsicht mitgetheilt. A. d. Red. und noch heute im Gebrauch hat. Dieses Verfahren oder diese Arbeitsmethode, nämlich: die Rübenfaser durch Pressung und Auflockern zur Maceration mittelst directen Wasserdruckes vorzubereiten, und die Operationen des Auflockerns und Macerirens mittelst der hier beschriebenen Maschinen auszuführen, ist mir in den folgenden Ländern patentirt worden; Data des Patentgesuches: Oesterreich, 14. November 1862 (im Jahre 1864 neue, hier nicht angeführte Verbesserungen); Braunschweig, 23. Januar 1863; Belgien, 5. Januar 1863 (später Verbesserungen dazu); Frankreich, 17. Januar 1863; Polen, 30. December 1863 (später Verbesserungen dazu); Württemberg, 16. November 1863. In Preußen suchte ich im Februar 1862 um ein Patent nach, wurde aber abschlägig beschieden. In allen diesen Patenten hatte ich obige Maschinen mit angeführt, die Zerkleinerungsmaschine in den älteren Patenten noch mit Segmenten. In Rußland kam ich unter dem Namen Wedemeyer am 8. December 1862 um ein Patent ein, worüber hier ein Auszug aus den öffentlichen Blättern folgt. Amtliche Bekanntmachungen der Petersburger Zeitung: „Vom Departement der Manufacturen und des inneren Handels wird auf Grundlage des Art. 145 des Gewerbereglements (Bd. XI der Gesetzsammlung) hiermit bekannt gemacht, daß am 8. December 1862 das Gesuch des Kaufmanns Steding eingegangen ist, um Ertheilung eines fünfjährigen Privilegiums an den Ausländer Wedemeyer auf ein besonderes Verfahren zur Gewinnung von Zuckersaft aus Runkelrüben.“ (Nr. 16 c. P. B.) Die Session des Patentes Wedemeyer an mich wurde in öffentlichen Blättern publicirt. Dagegen suchte Graf Bobrinsky durch Hrn. Prehn erst im Februar 1863 nur um ein Privilegium auf einen ähnlichen Apparat nach, wie aus Folgendem ersichtlich ist: „Vom Departement der Manufacturen und des inneren Handels wird auf Grundlage des Art. 145 des Gewerbereglements (Bd. XI der Gesetzsammlung) hiermit bekannt gemacht, daß am 8. Februar d. J. (1863) das Gesuch des erblichen Ehrenbürgers Robert Prehn eingegangen ist, um Ertheilung eines Privilegiums auf einen Apparat zur Gewinnung von Zuckersaft aus dem Runkelrübensplint.“ (Nr. 565 c. P. B.) Aus diesen Belegen geht unläugbar hervor: 1) daß Hr. Graf Bobrinsky im Jahre 1863 noch gar nicht die Absicht hatte, dieses Verfahren, nach welchem ein halbes Procent Zucker mehr gewonnen wird, sich patentiren zu lassen; 2) daß er zwei Monate später als ich in Rußland um ein Patent einkam und ein ganzes Jahr später als ich in Preußen darum nachgesucht hatte, woraus meine Priorität der Patentrechte wohl unzweifelhaft folgt; 3) daß, da ich in den Patenten die oben besprochenen Zeichnungen mit patentirt erhielt, Hr. Graf A. Bobrinsky aber nur die erwähnten abgeänderten Apparate patentirt erhalten hat, – er auch nur letztere verschenken konnte, ohne mich in meinen Patentrechten zu beeinträchtigen; daß aber auch Niemand das Recht hat, dieses Verfahren einzuführen, ohne sich mit mir verständigt zu haben. Demnach reclamire ich dieses Verfahren zur Erzielung einer größeren Zuckerausbeute als eine deutsche Erfindung, durch deutschen Fleiß und deutsche Beharrlichkeit errungen. Louis Walkhoff.

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