Titel: | Theoretische Untersuchungen über die Sodafabrication nach dem Leblanc'schen Verfahren; von A. Scheurer-Kestner. |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. LXXI., S. 290 |
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LXXI.
Theoretische Untersuchungen über die
Sodafabrication nach dem Leblanc'schen Verfahren; von A. Scheurer-Kestner.
Zusatz zum früheren
Aufsatze.Im polytechn. Journal Bd. CLXXIII S. 130.
Aus den Comptes rendus
t. LIX p. 659 October 1864.
Scheurer, über die Theorie der Sodafabrication nach Leblanc'schen
Verfahren.
In der chemischen Gleichung, durch welche ich die im Sodaofen stattfindenden
Reactionen zu versinnlichen suchte, betrachtete ich den Kohlenstoff als vollständig
in Kohlensäure umgewandelt:
5NaO, SO³ + 10C = 5NaS + 10CO²,
5NaS + 7CaO, CO² = 5NaO, CO² + 5CaS + 2CaO +
2CO².
Während der Darstellung des Natrons, namentlich gegen das Ende der Operation,
entwickelt sich jedoch aus dem geschmolzenen Gemenge ein mit blauer Flamme
brennendes Gas, Kohlenoxyd. Dieses Gas steigt noch aus der Masse auf, nachdem
dieselbe aus dem Ofen gezogen ist. Die vorstehende Gleichung trägt der Bildung von
Kohlenoxyd nicht Rechnung und muß daher in diesem Sinne abgeändert werden.
Allerdings entsteht das Kohlenoxyd nur durch eine secundäre Reaction, an welcher die
Natronverbindung nicht Theil nimmt; indessen ist die Bildung dieses Körpers von
großer Wichtigkeit, denn sie gestattet den Zeitpunkt zu erkennen, in welchem die
Temperatur hoch genug gestiegen und die Hauptreaction beendet ist.
Während der Reduction des schwefelsauren Natrons durch den Kohlenstoff entsteht kein
Kohlenoxyd; der Kohlenstoff entwickelt sich als Kohlensäure, wie dieß durch die
Untersuchungen von Bodo Unger
Polytechn. Journal Bd. CXI S. 334. außer Zweifel gestellt ist.
Dieser Chemiker erhielt, als er ein Gemenge von Kohle und überschüssigem
schwefelsauren Natron bei einer Temperatur von 900° C. calcinirte, von dem
Sauerstoffgehalte des schwefelsauren Natrons 99 Proc. in Form von Kohlensäure und
nur 1 Proc. als Kohlenoxyd. Bei einer zweiten Operation, bei welcher das Gemenge
überschüssige Kohle enthielt, bildete sich gar kein Kohlenoxyd.
Ich wiederholte diesen Versuch, indem ich in einer glasirten Retorte 71 Gramme
schwefelsaures Natron, mit 9 bis 12 Grammen Kohle gemengt, calcinirte; das während des
Glühens entwickelte Gas enthielt nur Kohlensäure.
Demnach kann die Bildung des Kohlenoxyds nicht mehr der Reduction des schwefelsauren
Natrons zugeschrieben werden, man muß die Ursache derselben anderswo suchen. Dieses
Gas entsteht in Folge der Reduction des in Ueberschuß angewendeten Kalksteins durch
die Kohle. Unter diesen Umständen reducirt sich die kohlensaure Kalkerde weit
leichter, als wenn sie ohne Zusatz von Kohle der Einwirkung der erforderlichen Hitze
unterworfen wird, und man erhält Kohlenoxyd, welches mit nur wenig Kohlensäure
gemengt ist.
Als ich ein Gemenge von 50 Grm. kohlensaurem Kalk mit 12 Grm. Kohle zum lebhaften
Rothglühen erhitzte, erhielt ich ein mit der charakteristischen Flamme des
Kohlenoxyds brennendes Gas, welches sich bei der Analyse zusammengesetzt zeigte
aus:
Kohlenoxyd
87,82
Kohlensäure
12,18
–––––
100,00
Die Reduction des kohlensauren Kalks durch Kohle geht bei höherer Temperatur vor
sich, als bei welcher unter gleichen Umständen die Zersetzung des schwefelsauren
Natrons stattfindet; sie erfolgt daher erst nach der letzteren, also nachdem die
Hauptreaction beendet ist; in diesem Zeitpunkt ist das kohlensaure Natron fertig
gebildet.
Die Reaction durchläuft demnach drei Stadien. Im ersten wird das schwefelsaure Natron
unter Entwickelung von Kohlensäure zu Schwefelnatrium reducirt; dann findet eine
doppelte Zersetzung statt zwischen dem gebildeten Schwefelnatrium und der
kohlensauren Kalkerde; im letzten Stadium erfolgt eine theilweise (durch das
Erkalten der Masse unterbrochene) Reduction des überschüssig angewendeten
kohlensauren Kalks. Diese drei Stadien lassen sich durch nachstehende Formeln
versinnlichen:
I. 5 NaO, SO³ + 10 C = 5 NaS + 10
CO²;
II. 5 NaS + 5 CaO, CO² = 5 NaO, CO² + 5
CaS;
III. 2 CaO, CO² + 2 C = 2 CaO + 4 CO,
und die theoretisch erforderliche Menge Kohlenstoff erhöht
sich von 16,8 auf 20,2 für 100 Theile schwefelsaures Natron.
Der Zusatz eines Ueberschusses von Kalkstein hat demnach einen doppelten Nutzen;
einmal dient derselbe zum Ersatze derjenigen Menge, welche im Laufe der Operation in
Folge unvollkommener Mengung zu Oxyd reducirt wird, und dann gestattet dieser
Ueberschuß den Zeitpunkt zu erkennen, wo die Reaction beendigt ist, indem das
Gemenge der Einwirkung der Ofenhitze entzogen werden muß, nachdem die Entwickelung des Kohlenoxyds
begonnen hat und bevor sie beendigt ist.