Titel: | Ueber die Darstellung des Scott'schen Kalk-Cements; von Hervé Mangon. |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. LXXII., S. 292 |
Download: | XML |
LXXII.
Ueber die Darstellung des Scott'schen Kalk-Cements; von Hervé Mangon.
Aus dem Bulletin de la
Société d'Encouragement, October 1864, S. 589.
Mangon, über den Scott'schen Kalk-Cement.
Seit mehreren Jahren fabricirt Hr. Scott, ein englischer
Genie-Officier, einen besonderen Kalk-Cement, von welchem in England ziemlich
bedeutende Mengen zu verschiedenen Zwecken, sogar auch zu Wasserbauten an der
Seeküste, verbraucht werden.
Das Product wird, dem Genannten unter dem 17. April 1856 ertheilten Patente zufolge,
auf die Weise dargestellt, daß über rothglühenden Aetzkalk ein Strom von
Schwefligsäuregas, welches man durch Verbrennen von Schwefel erzeugt, geleitet
wird.Man s. Scott's Abhandlung über seinen Cement im
polytechn. Journal Bd. CXLVI S. 292, und die bezüglichen Bemerkungen in Bd.
CLXX S. 212. A. d. Red.
Ich brachte i. J. 1862 von der allgemeinen Industrie-Ausstellung zu London eine Probe
des Scott'schen Cements nach Frankreich. Diese Substanz
erhärtet sehr bald; sie zeigte bei sämmtlichen von mir seit zwei Jahren im Kleinen
angestellten Proben ein sehr günstiges Verhalten. Deßhalb scheint sie mir einer
gründlicheren Beachtung und sorgfältigen Untersuchung von Seiten der Ingenieure und
der Kalkbrenner wohl werth zu seyn und aus diesem Grunde erlaube ich mir, die
Aufmerksamkeit der Chemiker und Techniker auf diesen merkwürdigen Körper zu richten,
von dessen Existenz bisher in Frankreich so gut wie noch gar nicht die Rede gewesen
ist.
Die von mir mitgebrachte Probe entwickelt, wenn sie mit verdünnter Salzsäure
behandelt wird, Schwefelwasserstoff. Zur Ermittelung ihrer Zusammensetzung wurde sie
in Salpetersäure gelöst, um die genaue Bestimmung ihres gesammten Schwefelgehalts zu
ermöglichen. Die Bestandtheile waren folgende:
Kieselsäure
10,4
Thonerde mit etwas Eisenoxyd
4,9
Kalkerde
73,6
Talkerde
0,6
Schwefelsäure
4,8
Wasser, Kohlensäure und nicht näher
bestimmte Substanzen
5,7
––––
100,0
Beiläufig die Hälfte vom Schwefelgehalte der gefundenen Schwefelsäuremenge entweicht
bei Behandlung des Cements mit Schwefelsäure oder Salzsäure als
Schwefelwasserstoff.
Berechnet man das Verhältniß der hydraulisirenden Bestandtheile – Kieselsäure
und Thonerde – zur Kalkerde, nach Abzug des an Schwefelsäure oder Schwefel
gebundenen Theiles dieser Base, so ergibt sich, daß die untersuchte Substanz ihrer
chemischen Konstitution nach weiter nichts als ein gewöhnlicher hydraulischer Kalk ist. Während jedoch ein Kalk dieser Art im
reinen Zustande sich mit Wasser löscht und erst nach acht bis zehn Tagen erhärtet,
zeigt das Scott'sche Fabricat, in Folge eines geringen
Zusatzes von Schwefel, alle Eigenschaften der Cemente; es
löscht sich nicht mit Wasser, aber, in gepulvertem Zustande mit Wasser angerührt und
durchgearbeitet, erhärtet es in höchstens einigen Stunden.
Selbst fetter Kalk gibt, wenn er nach Scott's Methode
behandelt wird, Producte, welche sich zwar von geringerer Qualität als hydraulischer
Kalk erweisen, immerhin aber noch die Eigenschaften wirklicher Cemente zeigen.
Die Umwandlung von Kalksteinen und gebranntem Kalke in Scott'schen Cement durch die Einwirkung von Schwefeldampf oder reinem
Schwefligsäuregas läßt sich so leicht bewirken, daß man den Proceß in gläsernen
Probirröhren über einer Gaslampe ausführen kann.
Ingenieure, welche wissen, daß ein Gehalt der Cemente und hydraulischen Kalke an
schwefelsaurem Kalk (Gyps) die Qualität dieser Substanzen beeinträchtigt, werden die
Eigenschaften des Scott'schen Cementes gewiß nicht diesem
Salze zuschreiben, wie dieß, nach dem Vorgange des Erfinders selbst, Mehrere gethan
haben. Sehr zahlreiche directe Versuche haben mir auch bewiesen, daß ein Zusatz von
Gyps zu fetten oder hydraulischen Kalken durchaus nicht im Stande ist, diese
letztere in Cemente umzuwandeln. Der Scott'sche Cement
selbst verliert seine hydraulischen Eigenschaften, wenn man ihn einer andauernden
Röstung bei ungehindertem Luftzutritt unterwirft, wodurch sein gesammter
Schwefelgehalt oxydirt wird.
Um übrigens zu beweisen, daß die eigentlich wirksame Verbindung im Scott'schen Cemente das Product der Einwirkung von Wärme
auf Schwefligsäure in Gegenwart von Kalk ist, glühete ich Gemenge von Aetzkalk und
schwefligsaurem Kalk und erhielt dadurch stets wirkliche Cemente. Die Versuche,
welche ich bereits angestellt habe und noch fortsetze, um die wahre Rolle zu
bestimmen, welche der Schwefel in den fraglichen Verbindungen spielt, und um Cemente
durch Einwirkung von Phosphor und von einigen anderen Körpern auf Aetzkalk zu
erhalten, werden mich hoffentlich bald in Stand setzen, die Materialien zur
Aufstellung einer gegründeten Theorie der Bildung dieser neuen Substanzen zu
vervollständigen.
In der Hauptsache ergibt sich aus Vorstehendem, daß durch die Gegenwart einer
verhältnißmäßig geringen Menge von Schwefel in Kalken die Hydraulisirenden
Eigenschaften der letzteren gesteigert und dieselben sogar in wirkliche Cemente
umgewandelt werden können.
Diese Thatsache wird gewiß sehr zahlreiche Anwendungen in der Kalk- und
Cementbrennerei finden und dürfte überdieß den Schlüssel zur Erklärung gewisser
Erscheinungen bei der Anwendung von schwefelkieshaltigen Steinkohlen zum
Kalkbrennen, sowie beim Brennen schwefelkieshaltiger Kalksteine geben.
Andererseits wird in Zukunft bei der Analyse von Kalken und Cementen der
Schwefelgehalt dieser Substanzen als Schwefelmetall (und nicht, wie bisher, als
Schwefelsäuresalz) bestimmt werden müssen, weil der Schwefel den hydraulischen Titre
der Verbindung wesentlich modificiren kann, welcher bisher nur nach dem Gehalte an
Kieselsäure und Thonerde berechnet wurde.