Titel: | Ueber das Phenylbraun (la phénicienne) einen neuen Farbstoff für die Seiden- und Wollenfärberei; von Julius Roth. |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. LXXVI., S. 305 |
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LXXVI.
Ueber das Phenylbraun (la
phénicienne) einen neuen Farbstoff für die Seiden- und Wollenfärberei;
von Julius Roth.
Aus dem Bulletin de la
Société industrielle de Mulhouse, November 1864, S.
499.
Ueber das Phenylbraun.
Dieser neue Farbstoff entsteht durch Einwirkung der Salpeterschwefelsäure (Mischung
von Schwefelsäure und Salpetersäure) auf flüssige oder krystallisirte Phenylsäure; die
Anwendung der letzteren in krystallisirter Form ist vorzuziehen. Das
Fabricationsverfahren ist sehr einfach, man braucht nur die Salpeterschwefelsäure
auf die Phenylsäure zu gießen und einwirken zu lassen. Sobald die zwei Säuren in
Berührung sind, greifen sie einander mit großer Heftigkeit und reichlicher
Entbindung von Salpetergas an. Wenn alle Reaction aufgehört hat, setzt man dem
Gemisch neue Quantitäten von Salpeterschwefelsäure zu, bis ein letzter Zusatz
derselben keine rothen Dämpfe mehr entwickelt. Die Zusätze von Salpeterschwefelsäure
müssen nach und nach und portionenweise geschehen, damit die Masse sich nicht
erhitzt, wobei sich Phenylsäure verflüchtigen würde und entzünden könnte. Es ist
unmöglich, genau die Verhältnisse von Salpeterschwefelsäure anzugeben, welche zur
vollständigen Umwandlung eines bestimmten Gewichtes Phenylsäure anzuwenden sind.
Dieß hängt vom Sättigungszustand der Säure und von der Operationsweise ab. Wenn man
das Gemisch vor dem Zusatz der Säure erkalten läßt und concentrirte
Salpeterschwefelsäure anwendet, sind gewöhnlich 10 bis 12 Kil. Salpeterschwefelsäure
für 1 Kil. Phenylsäure erforderlich.
Nach der Behandlung mit Säure ist die Operation beendigt. Man schüttet dann die
Flüssigkeit in eine große Menge Wasser, wodurch sofort ein reichlicher Niederschlag
entsteht, welcher gesammelt, gewaschen und getrocknet wird, und das neue
Färbematerial darstellt. Die saure Flüssigkeit enthält keinen Farbstoff mehr
aufgelöst, wenn sie sich durch Wasser nicht mehr trübt. Das Waschen des Farbstoffs
mit Wasser ist sehr langwierig; es sind mehrere Tage erforderlich, um ihm die
letzten Säurespuren zu entziehen. Zur Benutzung für die Färberei kann man sich
jedoch mit einem unvollständig ausgewaschenen Product begnügen.
Eigenschaften des Farbstoffs. – Der auf angegebene
Weise bereitete Farbstoff hat eine braune Farbe. Er ist in kaltem Wasser wenig
löslich, in heißem oder kochendem ganz unlöslich; hingegen ist er sehr löslich in
Aether, Alkohol und Essigsäure, deren Lösungsvermögen vergrößert wird, wenn man in
denselben vorher krystallisirte Weinsteinsäure auflöst. In Kali, Natron und Ammoniak
löst sich dieser Farbstoff mit großer Leichtigkeit auf; diese Lösungen haben eine
veilchenblaue Farbe. Aetzkalk löst ihn ebenfalls. Er schmilzt bei niedriger
Temperatur, indem er schwarz wird, und verhält sich in diesem Falle wie ein
wirkliches Harz. Das Phenylbraun, ein amorphes Pulver, ist ein Gemenge von zwei
Farbstoffen, einem gelben und einem schwarzen, welche die gleichen färbenden
Eigenschaften besitzen.
Ueber die Anwendbarkeit des neuen
Farbstoffs in der Seiden- und Wollenfärberei, sowie zum Zeugdruck; von Eugen
Dollfuß.
Die färbenden Eigenschaften des Phenylbrauns wurden von Hrn. Julius Roth, dem Entdecker dieses Productes, sehr sorgfältig
untersucht und meine Versuche haben seine Resultate in jeder Hinsicht bestätigt.
Hr. Roth hat seit 1863, wo er das Phenylbraun entdeckte,
dasselbe in ziemlich großem Maaßstabe fabricirt. Gegenwärtig kostet das Kilogramm 40
Francs und wahrscheinlich wird dieser Preis noch bedeutend vermindert werden, was zu
wünschen wäre, denn das Phenylbraun, obgleich nicht von so glänzender Nüance wie das
Fuchsin und Anilinviolett, ist unter allen Theerfarbstoffen derjenige, welcher die
mannichfaltigsten und echtesten Nuancen liefert. Nach den angewandten Beizmitteln
widersteht er nämlich der oxydirenden Wirkung des Sonnenlichtes und selbst des
unterchlorigsauren Kalks.
Wie die Anilinfarbstoffe färbt das Phenylbraun die Seide und die Wolle ohne Hülfe
irgend eines Beizmittels. Die Nüancen, welche es erzeugt, sind die des sogenannten
Havannabraun; dieselben übertreffen aber an Reinheit und Glanz die analogen Nüancen,
welche Gemische von Farbholzextracten und Orseille liefern. Wir glauben, daß das
Phenylbraun wegen dieser Vortheile in Zukunft eine Rolle in der Seiden- und
Wollenfärberei spielen wird. Ueberdieß ist eine directe Farbe den Gemischen stets
vorzuziehen.
Der uns beschäftigende Farbstoff zeigt gewisse Analogien mit dem Farbstoff des
Catechu, indem die oxydirenden Metallsalze seine Nüancen ebenfalls beträchtlich
erhöhen. Ein mit Phenylbraun gefärbtes Wollen- oder Seidengewebe, welches
gelblichbraun ist, erhält eine schöne granatbraune Farbe durch Eintauchen in eine
Auflösung von chromsaurem Kali, oder besser noch von mit Schwefelsäure angesäuertem
chromsaurem Kupfer.
Das salpetersaure Kupfer bringt eine analoge Wirkung hervor, aber in geringerem
Grade.
Man kann zu demselben Resultate gelangen, indem man das oxydirende Metallsalz direct
dem Färbebad zusetzt, was sogar vorzuziehen ist, weil man dann die beabsichtigten
Nüancen mehr in der Gewalt hat.
Nach der Stärke der Färbebäder und der angewandten Oxydationsmittel variiren die
Nüancen, welche das Phenylbraun auf Seide und Wolle liefert, vom dunklen Granatbraun
bis zum hellen Rostgelb.
Die mit Zinnoxyd-Natron und mit Gerbstoff gebeizten Baumwollgewebe absorbiren das Phenylbraun
ebenfalls mit großer Leichtigkeit, und erhalten durch eine heiße Passage in
chromsaurem Kali eine dunkle Holzfarbe; in diesem Falle wird aber die Nüance durch
die Alkalien in Blau umgeändert und der Farbstoff wird sogar durch Seife leicht
abgezogen, was bei den Seiden- und Wollengeweben nicht geschieht.
Hinsichtlich der Anwendung des Phenylbrauns zum Zeugdruck lieferten meine zahlreichen
Versuche keine Resultate von großem Interesse, auch nicht auf Seide und Wolle. Der
vorher in Essigsäure aufgelöste, mit Gummi verdickte und mit oxydirenden
Metallsalzen (salpetersaurem Kupfer, oder chromsaurem Kali und Weinsteinsäure, oder
rothem Blutlaugensalz und Aetznatron) versetzte Farbstoff wird nämlich durch die
Wirkung des Wasserdampfes reducirt, so daß ein lebhaftes Granat- oder Kastanienbraun
durch das Dämpfen gelblichbraun wird. Durch eine heiße Passage in chromsaurem Kali
erhält das gedämpfte Zeugstück wieder eine schöne granatbraune Farbe, aber der weiße
Grund färbt sich dann braun, was dieses Verfahren unanwendbar macht.
Das durch Färben auf wollenen oder seidenen Geweben befestigte Phenylbraun verliert
durch das Dämpfen ebenfalls alle Lebhaftigkeit.
Auf Baumwolle gedrucktes, gedämpftes und durch chromsaures Kali passirtes Phenylbraun
liefert ein dunkles Granatbraun, aber die so erhaltene Nuance widersteht den
Alkalien nur schwach, welche sie in Blau umändern. Ebenso verhalten sich die auf
Baumwolle mit Zusatz von salpetersaurem Kupfer, oder von chlorsaurem Kali und
Weinsteinsäure gedruckten Farben.
Durch Behandlung mit seinem gleichen Gewicht concentrirter Salpetersäure wird das
Phenylbraun selbst in der Kälte sehr stark angegriffen, mit Entbindung von
Salpetergas, und man erhält einen harzigen Teig, welcher sich mit dunkelbrauner
Farbe in Ammoniak auflöst. Diese Auflösung gibt beim Drucken auf Wolle und Seide
ziemlich lebhafte Holznüancen.
Wie oben bemerkt, glaube ich, daß das Phenylbraun in der Seiden- und Wollenfärberei,
wegen der Echtheit der Nuancen welche es erzeugt, in Zukunft eine Rolle spielen
wird; für den Zeugdruck hat es wegen seiner Eigenschaft, durch das Dämpfen verändert
zu werden, wenig Wichtigkeit, kann jedoch beim Druck wollener Gewebe mit
baumwollener Kette von Nutzen seyn, denn auf solche Gewebe mit Zusatz von
chlorsaurem Kali und Weinsteinsäure gedruckt, liefert es Holznüancen, bei welchen
die Baumwolle und die Wolle die gleiche Nüance besitzen, ein durch die gewöhnlichen
Verfahrungsweisen ziemlich schwierig zu erreichendes Resultat.