Titel: | Ueber das Combinations-Schloß von Wertheim nach dem System Yale's; von Friedrich Kick. |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. LXXXIV., S. 344 |
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LXXXIV.
Ueber das Combinations-Schloß von Wertheim nach dem System Yale's;
von Friedrich Kick.
Aus den Verhandlungen und Mittheilungen des
nieder-österreichischen Gewerbevereins, 1864 S. 571.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Kick, über Wertheim's Combinations-Schloß.
Das Neue im Principe dieses Cassenschlosses besteht darin,
daß die Combinationstheile vom Hinderniß abstehen, wenn man durch den Schlüssel auf
dieselben einwirkt.
Bringt man aber die Combinationstheile mit dem Hinderniß in Berührung, so muß
Schlüssel oder Sperrzeug bereits das Schlüsselloch verlassen haben und ist nun ein
Einwirken des Sperrzeuges auf die Combinationstheile unmöglich.
Bei allen anderen Combinations-Schlössern vermag man durch einen Sperrzeug auf die
Combinationstheile einzuwirken, während sie sich am Hinderniß befinden. Man ist im
Stande, selbe durch Sperrzeuge zu öffnen, wenn keine „falschen
Ausschnitte“ vorhanden sind, oder nicht in entsprechender Zahl und
Größe.
Will man Wertheim's Schloß öffnen, so müssen die
Combinationstheile zuerst durch den Stechschlüssel in die richtige Lage gebracht und nach Entfernung
desselben erst gegen das Hinderniß geführt werden.
Die wahrhaft geniale Idee Yale's verleiht dem hiernach gut
ausgeführten Schlosse eine Sicherheit gegen das unbefugte
Oeffnen, wie selbe bei keinem Combinations-Schlosse in größerem Maaße
besteht.
Das Gesagte wird aus der folgenden Beschreibung jedem Sachverständigen klar
werden.
In Fig. 24 ist
a der Riegel, welcher seine Führung durch die
Klötzchen r und den Schloßstulp erhält; a liegt bei geöffnetem Schlosse rechts am Klötzchen q an.
Die beiden Verstärkungen oder Vorsprünge b, b' lassen
zwischen sich eine Nuth c.
Die in Fig.
25–27Fig.
25 zeigt die Zuhaltung in der Ansicht von oben, Fig. 26 in der
Ansicht von unten und Fig. 27 in der
Seitenansicht. gezeichnete steigende Zuhaltung e greift mit
ihrem Ansatz e', wenn das Schloß zugesperrt ist, in die
Nuth c ein. In Fig. 24 ist e punktirt angegeben und die Klötzchen dienen auch hier
als Leitung.
Will man öffnen, so muß die Zuhaltung e so weit nach
aufwärts gehoben werden können, bis e' außer c kömmt. Nun erst ist es möglich, den Riegel
zurückzuschieben, d.h. das Schloß zu öffnen.
In der steigenden Zuhaltung e sind die Combinationstheile
eingelagert; selbe sind in Fig. 25 bei f von oben, in Fig. 26 bei n von unten und in Fig. 29
l im Detail dargestellt.
Dieselben sind von Stahlblech und durch dünne Blättchen aus Messing k (Fig. 29) von einander
getrennt.
Die Zuhaltung e hat einen Schlitz s (Fig.
27), welchem entsprechend auch in den Messingblättchen k und den Combinationstheilchen l Ausschnitte s' und t von gleicher Breite und Höhe angebracht sind.
Wie aus Fig.
25, 26, 27 und 29 hervorgeht, sind die Blättchen k und l so in e eingelassen, daß
die Ausschnitte von k
immer, jene von l aber nur bei einer bestimmten Stellung mit der Nuth s zusammenfallen.
Der Ausschnitt t befindet sich nämlich bei jedem
Blättchen l, Fig. 29, (es sind deren
mehrere, z.B. sechs, vorhanden) in anderer Höhe, und zwar über s, daher die Blättchen l in
verschiedene bestimmte Tiefen gedrückt werden müssen, soll der Einschnitt sich
ununterbrochen durch die ganze Breite von e
erstrecken.
Nur wenn dieß der Fall ist, kann geöffnet werden. Es befindet sich in derselben Höhe
mit dem Einschnitt s fest am Schloßkasten die Platte m (Fig. 24).
Will man nun die Zuhaltung so weit heben, daß der Riegel frei wird, so muß m in den Einschnitt s
eintreten können, was nur dann der Fall ist, wenn die Combinationstheile l zur richtigen Tiefe mittelst des Schlüssels (Fig. 30)
gedrückt sind.
Will man also das Schloß öffnen, so führt man den Schlüssel durch das Schlüsselloch
u (Fig. 31) ein und durch
das Niederdrücken desselben werden die Combinationstheile l in die richtige Stellung gebracht. Es wird hierdurch auch der Arm h aus seiner etwas gehobenen Stellung in die in Fig. 27
gezeichnete gebracht.
Nachdem man nun den Schlüssel aus dem Schlüsselloche gezogen hat, ergreift man die
Klinke v und indem man selbe dreht, bewirkt man eine
Drehung der Nuß mit ihren Lappen d, d'. (Fig. 24 und 31.)
Es wirkt d' auf den Ansatz g'
(Fig. 26)
und bewirkt ein Heben der Zuhaltung e. Erst wenn e so hoch gehoben wurde, daß der Riegel frei ist,
beginnt d auf denselben zu wirken und schiebt den Riegel
in die Stellung Fig. 24, in welcher Lage er durch d gehalten
wird, während d' die Zuhaltung in der gehobenen Stellung
erhält.
Hieraus wird leicht ersichtlich seyn, daß zum Zusperren des Schlosses bloß die
Klinke, nicht aber der Schlüssel verwendet wird.
Es wirkt hierbei nämlich zuerst der Lappen d und schiebt
den Riegel nach links, dann erst wirkt d' auf den Ansatz
g und schiebt die Zuhaltung wieder nach abwärts.
Es wurde früher erwähnt, daß beim Niederdrücken der Combinationstheile der Arm h in die Fig. 24 gezeichnete
Stellung gelangt.
Die hierbei bedingte kleine Drehung geschieht durch den Druck, welchen die Blättchen
l auf den an h festen
Stift n (Fig. 26) beim
Abwärtsgehen ausüben.
Es kommt dadurch das Zäpfchen n' auf den Boden des
Schloßkastens zu liegen. Wird nun mittelst der Klinke die Zuhaltung gehoben, so geht
das Zäpfchen in den conischen Ausschnitt p (Fig. 28 und
24), hebt
beim weiteren Vorwärtsgehen den federnden Theil o, unter
dem es durchgeht und gelangt somit vor die krumme Fläche von o. Beim Niedergange der Zuhaltung ist n'
gezwungen, über o hinauf zu gleiten, hierdurch wird h und n gleichfalls gehoben,
somit werden die Blättchen l in die normale Lage
zurückgeführt.
Hat die Zuhaltung den tiefsten Stand eingenommen, so befindet sich n im oberen Theile des Ausschnittes p. Wollte man nun, ohne früherem Einstechen, mittelst
des Schlüssels oder dgl. die Klinke drehen, so stößt n'
an die verticale Wand bei p und verhindert somit ein
Weiterdrehen der Klinke.
Dieses Schloß, nach dem Systeme des Amerikaners Yale, ist
in der bedeutend verbesserten Gestalt beschrieben, wie selbes aus der Fabrik des
Hrn. Wertheim (Firma: F. Wertheim und Comp. in Wien) hervorgeht.
Das Schloß Yale's kann in seiner ursprünglichen Gestalt
mit der Klinke allein, also ohne Mitwirkung des Stechschlüssels, nicht zugesperrt
werden. Die Zuhaltung, bis zum Hinderniß gehoben, greift hier mit ihrem Ansatz e' tiefer in die Nuth c;
ein, als dort. Endlich besteht bei Wertheim's Schloß der
Schlüssel aus zwei auf einander genieteten Stahlblechen, wovon bald ein Zähnchen des
einen, bald des anderen auf die Combinationstheile einwirkt, somit beide in Wachs
abgedrückt werden müssen, will man eine richtige Copie des Schlüssels erhalten. Nach
diesen beiden Abdrücken müßten zwei Vieche ausgeschnitten und in der richtigen
Stellung zusammengenietet werden. Eine Verrückung der Theile von 1/3 Millimeter
würde den so erzeugten Nachschlüssel unbrauchbar machen.
Man sieht somit, daß hier auch das Nachmachen eines Schlüssels nach Abdrücken
bedeutend erschwert ist.
Die Arbeit ist eine höchst exacte und solide. Der Schloßdeckel paßt so genau auf die
steigende Zuhaltung und diese so genau auf die Bodenfläche des Schloßkastens, daß
ein Verrücken der Messingblättchen k beim Hinabdrücken
der Combinationstheile durch den Schlüssel, oder beim Heben derselben durch n unmöglich ist.
Können auch andere Combinations-Schlösser mit entsprechenden, falschen Ausschnitten
als sicher gegen das unbefugte Oeffnen betrachtet werden, so kann man doch
behaupten, daß bei diesem Schlosse die Sicherheit den höchsten Grad erreicht, da
selbst jene kleinen Anhaltspunkte fehlen, welche dort ein unbefugtes Oeffnen, wenn
auch fast nicht zulassen, doch eher denkbar machen.
Die genaueste Ausführung ist bei diesem Schlosse Bedingung
des guten Ganges. Es erfordert aber die große Genauigkeit eine gewisse Größe der
Bestandtheile, wie dieselbe auch einen etwas höheren Preis bedingt; daher eignet
sich dieses Schloß weniger als Thür- und Kastenschloß etc., sondern dürfte seine
bleibende Verwendung eben nur als Cassenschloß finden.
An der das Schloß deckenden Cassenwand ist ein Schlüssellochdeckel oder ein
Vorgesperre angebracht, daß kein Staub u. dgl. auf die Combinationstheile
geräth.
Riegel und Zuhaltung sind aus vorzüglichem, getempertem Guße.
Eine im Ansatze b befindliche, mit c parallele Nuth wirkt auf den Lappen einer zweiten Nuth, durch welche
verticale Riegel in Bewegung gesetzt werden, die sich an der Rückwand der
Cassenthüre befinden. Der Deutlichkeit wegen wurde dieß an der Zeichnung
weggelassen. –
Wollte man dieses Schloß ohne Schlüssel öffnen, so müßte man die einzelnen Blättchen l in alle möglichen Stellungen (Combinationen) zu
einander bringen. Da nun eine Verrückung eines Blättchens um 1/3 Millim. schon
maaßgebend ist, die Blättchen aber um beiläufig 7 Millim. niedergedrückt werden
können, so hätte jedes der sechs Blättchen 21 Stellungen einzunehmen. Man müßte,
somit über 8 Millionen (21⁶) Versetzungen systematisch vornehmen, und nur bei
einer derselben würde das Schloß sich öffnen lassen. Die Sicherheit, welche sechs
Combinationstheile gewähren, ist somit vollkommen genügend.