Titel: | Ueber die Cementirung des Eisens durch Kohlenoxyd; von H. Caron. |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. XCI., S. 367 |
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XCI.
Ueber die Cementirung des Eisens durch
Kohlenoxyd; von H. Caron.
Aus den Comptes
rendus, 1864, t. LIX p. 333.
Caron, über die Cementirung des Eisens durch
Kohlenoxyd.
Margueritte stellt in seiner Abhandlung über die Kohlung
des EisensPolytechn. Journal Bd. CLXXIV S. 226. zwei wichtige Sätze als Folgerungen aus seinen Untersuchungen auf;
nämlich:
1) die Cementation oder Stählung des Eisens kann ohne Stickstoff stattfinden;
2) durch reines Kohlenoxyd wird das Eisen cementirt.
Margueritte's Ueberzeugung bezüglich des ersteren dieser
beiden Punkte theile ich völlig und bereits seit langer Zeit. Vor einigen Jahren kam
ich durch die Ergebnisse zahlreicher Versuche zu denselben Schlüssen, namentlich als
ich mittelst eines schwachen Stromes von Einfach-Kohlenwasserstoff Eisen in Stahl
verwandelte, aus welchem letzteren ich Feilen, Grabstichel, Messer anfertigen ließ,
die ich der Akademie vorgelegt habe. Seitdem hat sich meine Ueberzeugung bezüglich
dieses Punktes nicht geändert; meine sämmtlichen späteren Beobachtungen haben mich
in derselben nur bestärkt. Was hingegen die zweite von Margueritte behandelte Frage anbetrifft, so glaube ich, daß die
Thatsachen, auf welche er sich stützt, nicht ohne weitere gründliche Erörterung
anerkannt werden dürfen.
Kann Eisen durch Kohlenoxyd cementirt werden? Schon viele Forscher haben sich mit
dieser Frage beschäftigt; ein Theil von ihnen bejaht dieselbe, der andere stellt sie
in Abrede; Alle aber bringen für ihre Behauptung gleich gute Beweise bei. Die
bezüglich dieses Gegenstandes zuletzt aufgestellte Ansicht ist, wie ich glaube, die
meinige; ich bemerkte nämlich im J. 1861, daß bei der Cementation im Großen das
Kohlenoxyd nur durch Vermittelung gewisser Beimengungen oder Verunreinigungen des
Eisens, u.a. des Siliciums, cementirend wirkt. Nun weist jetzt Margueritte nach, daß das Kohlenoxyd direct cementirend wirkt. Die
Metallurgen und Techniker werden sich über diesen Widerspruch sehr gewundert
haben.
Ich will jetzt Folgendes zu erweisen versuchen:
In der technischen Praxis cementirt das Kohlenoxyd nicht; dagegen ist es möglich,
unter gewissen Umständen reines oder unreines Eisen durch Behandlung mit
Kohlenoxydgas in eine Substanz zu verwandeln, welche so viel Kohlenstoff enthält als
man wünscht.
Die im Nachstehenden mitgetheilten Versuche wurden bereits vor Monaten im
Laboratorium Boussingault's ausgeführt, welcher mich mit
seinem schätzbaren Rathe unterstützte; daß ich dieselben nicht veröffentlichte,
beruht darauf, daß sie damals nicht den Charakter des Neuen oder praktisch
Nützlichen hatten.Stammer erhielt durch Behandlung von Eisen mit
Kohlenoxyd eine Substanz, welche in 100 Theilen 70,23 Theile Kohlenstoff
enthielt; polytechn. Journal Bd. CXX S. 428.
Zu meinen Versuchen verwendete ich Eisenoxyd, welches durch längeres Glühen von
reinem oxalsauren Eisenoxydul bei Luftzutritt und bei möglichst niedriger Temperatur
dargestellt worden (dieses Oxyd gibt, wenn es vor dem Wägen gehörig getrocknet
worden, bei der Reduction mittelst Wasserstoff genau die Menge Eisen, welche man
nach der Berechnung erhalten muß) und behandelte dasselbe mit Kohlenoxyd.
Operirt man bei hoher Temperatur, d.h. bei Rothglühhitze oder darüber, so absorbirt
das zu Metall reducirte Eisen keinen Kohlenstoff. Wird dagegen der Versuch bei einer
Temperatur ausgeführt, welche so niedrig ist, daß in ihr das Glas nicht erweicht, so
wird das Kohlenoxyd durch das bereits reducirte Eisen zersetzt, in Kohlenstoff,
welcher. vom letzteren gebunden wird, und in Kohlensäure, welche entweicht; diese
Zersetzung hat, wie es scheint, keine Grenzen, wie aus den folgenden Versuchen
hervorgeht:
Grm.
Das angewendete Eisenoxyd wog.
1,000
und ward durch Wasserstoff zu metallischem Eisen
reducirt; dessen Gewicht betrug
0,700
nach einstündigem Erhitzen in Kohlenoxyd wog
es
0,928
nach
weiterem
einstündigen
Erhitzen in
Kohlenoxyd
betrug
sein Gewicht
1,520
„
„
„
„
„
„
„
2,030
„
„
„
„
„
„
„
2,530
„
„
„
„
„
„
„
2,736
„
„
„
„
„
„
„
2,845
„
„
„
„
„
„
„
3,170
Demnach wogen 0,700 Grm. reducirtes Eisen nach siebenstündigem Erhitzen in einer
Atmosphäre von Kohlenoxydgas 3,170 Gramme; sein Gewicht hatte demnach um 2,470
Gramme zugenommen. Diese Gewichtsvermehrung rührt nicht allein von Kohlenstoff her;
das Product enthält auch eine geringe Menge Sauerstoff oder vielleicht
Kohlenoxyd.
Dieß ergibt sich aus folgendem Versuche:
Grm.
Eisenoxyd
0,100
wog nach vierstündigem Erhitzen in Kohlenoxyd
0,237
und zeigte einen Eisengehalt von
0,070
demnach betrug der Gehalt an Kohlenstoff und
Sauerstoff
0,167
in Sauerstoff verbrannt gab es an Kohlensäure
0,520
enthielt demnach
KohlenstoffSauerstoff
0,1420,025
nach dem Verbrennen wog das Eisenoxyd
0,100
Der Sauerstoffgehalt des durch das Kohlenoxyd reducirten Eisens ist nicht constant;
ich überzeugte mich überdieß, daß derselbe nicht mit der Menge des ihn begleitenden
Kohlenstoffs zunimmt.
Ein gleiches Resultat erhielt ich bei Anwendung eines Stückes Eisenerz von Bilbao
(zersetzter manganhaltiger Spatheisenstein) und Spatheisenstein von Benndorf; doch
ist die Wirkung weniger rasch, ohne Zweifel in Folge der geringeren Porosität des
Eisensteines, wogegen das aus dem Oxalsäuresalze dargestellte Eisenoxyd
außerordentlich fein zertheilt ist.
Ebenso wie das Eisen verhält sich auch das Nickel.
Ich bemerkte schon, daß das Eisen bei Rothglühhitze aus dem Kohlenoxyde keinen
Kohlenstoff aufnimmt; in der Praxis ist dieß nicht streng richtig, und zwar aus
folgendem Grunde: wenn man das Eisen der Einwirkung des Kohlenoxyds aussetzt, so
füllt man zunächst den Apparat mit dem letzteren Gase und erhitzt dann; unterbricht
man nun die Operation in dem geeignet erachteten Zeitpunkte, so findet das Erkalten
der Substanz in einem Strome desselben Gases statt. Wie man sieht, ist also das Eisen sowohl beim
Beginn, als am Ende des Versuchs, einige Zeit hindurch der Einwirkung des
Kohlenoxydgases bei einer unter der Rothglühhitze liegenden Temperatur ausgesetzt,
bei welcher die Zersetzung dieses Gases stattfinden kann. Daher rühren die Spuren
von Kohlenstoff, welche sich in dem bei Rothglühhitze behandelten Eisen finden;
dieser spurweise Kohlenstoffgehalt nimmt aber bei länger fortgesetzter Behandlung
nicht zu, er läßt sich sogar vermeiden, wenn man das Eisen zuvor erhitzt und dann in
einem Strome eines indifferenten Gases erkalten läßt.
Fassen wir nun die Umstände, unter denen Margueritte
seinen Versuch anstellte, näher in's Auge, so läßt sich der bei demselben
stattfindende Vorgang leicht begreifen. Denn wir dürfen nicht außer Acht lassen, daß
der genannte Chemiker nach zweistündigem Glühen, nach welchem, seiner Angabe
zufolge, die Umwandlung in Stahl vollständig erfolgt war,
fand, daß 10,29 Grm. Eisen nur 0,0048 Grm. Kohlenstoff absorbirt hatten, daß also
das Metall weniger als 5/10000 seines Gewichts an Kohlenstoff enthielt. Kann man ein
solches Product Stahl nennen? Es gibt viele Schmiedeeisensorten, welche mehr
Kohlenstoff enthalten als das von Margueritte
dargestellte Metall; man hat dagegen wenige Cementstahlsorten, deren
Kohlenstoffgehalt unter 1 Proc. beträgt. Das Margueritte'sche Eisen war demnach keineswegs vollständig gestählt oder in
Stahl verwandelt; er hat hochstens eine oberflächliche, äußerst schwache Cementation
desselben bewirkt, welche aus dem vorhin Gesagten sehr gut erklärlich ist. Ueberdieß
kann sich Margueritte in Folge der geringen Größe der
Proben, mit denen er seine Versuche anstellte, bezüglich der wirklichen
Eigenschaften des Metalls getäuscht haben.
Dagegen wird man nun einwerfen, wie sich dann die während der ganzen Dauer des
Versuchs beobachtete Kohlensäurebildung begreifen lasse? Wohl halte ich das von Margueritte zur Darstellung eines ganz kohlensäurefreien
Kohlenoxyds angewendete Verfahren für das beste; ich glaube aber nicht, daß er die
nöthigen Vorsichtsmaßregeln getroffen hat, um dieses Kohlenoxyd ohne beigemischten
freien Sauerstoff zu erhalten. Kohlenoxyd und Sauerstoff geben aber bei
Rothglühhitze Kohlensäure, und es ist, wie ich, Boussingault's Beobachtungen entsprechend, mich überzeugt habe, sehr
schwierig, die Flüssigkeiten und die porösen festen Körper, welche das Kohlenoxydgas
zu durchdringen hat, vollständig von Luft zu befreien. Demnach wäre es durchaus
nothwendig gewesen, die Reihe der zur Reinigung des Gases angewendeten Gefäße durch
eine Röhre zu vervollständigen, welche mit pyrogallussaurem Kali getränkten
Bimsstein enthielt. Verabsäumt man diese Vorsichtsmaßregel, so läuft man Gefahr, ein mit Sauerstoff
verunreinigtes Kohlenoxyd zu erhalten und dadurch während der ganzen Dauer des
Versuchs eine constante Entwickelung von Kohlensäuregas zu veranlassen, welche
übrigens durch die beobachtete so geringe Stahlbildung allein nicht erklärlich seyn
würde.
Meiner Ansicht zufolge läßt sich also für die in der industriellen Praxis übliche
Cementation, welche bei Rothgluth stattfindet, das Kohlenoxyd nicht als ein
nützliches Cementationsmittel betrachten, und die Verschiedenheit der Ansichten
unter den Forschern, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben, ist, wie ich
glaube, durch die Eigenschaft des genannten Gases, sich bei einer verhältnißmäßig
niedrigen Temperatur in Gegenwart von Eisen zu zersetzen, hinreichend zu
erklären.