Titel: | Ueber die Wirkung des Kohlenoxyds auf das Eisen; von H. Caron. |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. XCIII., S. 374 |
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XCIII.
Ueber die Wirkung des Kohlenoxyds auf das Eisen;
von H. Caron.
Aus den Comptes rendus,
t. LIX p. 613, October 1864.
Caron, über die Wirkung des Kohlenoxyds auf das Eisen.
In seiner letzten (vorstehenden) Mittheilung an die Akademie schließt Margueritte in folgender Weise:
„Ich glaube den Beweis geliefert zu haben, daß das Eisen durch reinen
Kohlenstoff (Diamant), sowie durch Kohlenoxydgas in Stahl verwandelt werden
kann, und daß diese Körper sicherlich zu den Cementirungsmitteln (den
cementirenden Agentien) der industriellen Praxis gerechnet werden
müssen.“
Um die Gründe klar darzulegen, welche mich verhinderten und noch verhindern Margueritte's Ansichten bezüglich dieses Punktes zu
theilen, sehe ich mich genöthigt, an die bei dem Cementirungsprocesse stattfindenden
Reactionen zu erinnern. Bei diesem Processe werden bekanntlich Eisenstäbe, in frische Holzkohle verpackt, in festverschlossenen Kästen
erhitzt. Beim Rothglühen liefert der Sauerstoff der in den Kästen eingeschlossenen
Luft in Berührung mit der Kohle Kohlenoxyd; andererseits bildet der Stickstoff
dieser Luft Cyanüre, indem er sich gleichzeitig mit der Kohle und den in diesem
Brennmateriale stets enthaltenen Alkalimetallen verbindet, so daß das Eisen –
abgesehen von den möglicherweise gleichfalls vorhandenen geringen Mengen von
Kohlenwasserstoff und anderen Gasen – mit drei Hauptelementen, deren
Einwirkung die Cementirung zugeschrieben werden kann, sich in Berührung befindet.
Diese Elemente sind: Kohlenstoff, welcher durch Contact
wirken würde; Kohlenoxyd und endlich Cyanalkalimetalle, welche letztere bei der angewandten
Temperatur in Dampfform zugegen sind. Margueritte
behauptet nun, daß nach den Ergebnissen seiner Versuche die beiden ersten Körper die
cementirenden Agentien sind; wogegen ich beweisen will, daß ihre Wirkung unbedeutend
ist und von den Technikern als gleich Null betrachtet wird.
Zu diesem Behufe brauche ich nur an eine alltägliche Erscheinung in den Stahlhütten
zu erinnern. Die Kohle, welche einmal einen Cementationsproceß durchgemacht hat,
kann zu einer neuen Operation nicht wieder verwendet werden, weil sie ihre kohlenden
Eigenschaften fast gänzlich eingebüßt hat. Woher kommt es nun, daß bei Anwendung solcher Kohle keine
Cementirung mehr erfolgt, obgleich der Contact zwischen Eisen und Kohle noch
immerfort stattfindet und die Atmosphäre des Cementirungskastens Kohlenoxyd stets zu
liefern vermag? Der Grund dieser Erscheinung liegt einfach darin, daß weder das eine
noch das andere dieser Elemente von Nützen bei dem Processe ist, daß ferner bei der
ersten Operation die Alkalien bereits verbraucht sind und in Folge davon eine
weitere Bildung von Cyanmetallen nicht stattfinden kann. Den Beweis dafür gibt die
Thatsache, daß eine solche indifferente Kohle, nachdem sie mit einer Alkalilösung
getränkt worden, sofort ihre Kraft und ihre Wirksamkeit als Cementirungsmittel
wieder erlangt.
Da nun aber der Contact des Eisens mit der Kohle und das Kohlenoxyd allein eine für
die Technik verwerthbare Cementirung hervorzubringen nicht vermögen, so ist es nicht
richtig, wie Margueritte es thut, zu behaupten, daß diese
beiden Elemente zu den industriellen Cementirungsmitteln zu zählen sind. Die
Cyanalkalimetalle allein, ich wiederhole es hier,Ich habe dich bereits in meiner Mittheilung vom 8. October 1860 bemerkt
(polytechn. Journal Bd. CLVIII S. 206). wirken kräftig, und ihnen allein kann mit Grund die Kohlung des Eisens fast
gänzlich zugeschrieben werden; die übrigen Elemente sind höchstens beihelfende und
haben bei den technischen Operationen kein Gewicht.
Dieser Beweis ist nicht der einzige, den ich beizubringen im Stande bin; ich lasse
noch einen zweiten folgen. Allgemein bekannt ist das Verfahren des verstorbenen Chenot, schmiedbares Eisen unmittelbar aus Erzen
darzustellen, ohne erst Roheisen aus den letzteren produciren zu müssen; hierzu
behandelt er das zum Rothglühen erhitzte Eisenerz mit Kohlenoxyd. Das Product der
Operation ist ein Eisenschwamm, welcher durchaus keine stahlartige Beschaffenheit
besitzt, obschon er bei seiner Erzeugung längere Zeit der Einwirkung von Kohlenoxyd
ausgesetzt war; wollte Chenot Stahl erhalten, so mußte er
seinen Eisenschwamm mit Oel, Theer oder anderen Substanzen tränken, welche dem
Metall den Kohlenstoff liefern konnten; nur nach einer solchen Behandlung ließ sich
das Product schmelzen. Um größere Gewißheit zu erlangen, stellte ich mit einem nach
Chenot's Verfahren dargestellten Eisenschwamm, den
ich der Güte des Hrn. Bouglinval, Director der Eisenwerke
von la Ramade (bei Foix) verdanke, mehrere Versuche an. Nachdem Proben dieses
Schwammes (zur Verhütung von Oxydation) in heißem Zustande mit gepulvertem Borax
bedeckt waren, wurden sie zur Rothgluth erhitzt und dann zu Stäben
ausgeschmiedet. Nach dem Ablöschen zeigte das Metall keine einzige Eigenschaft des
Stahls, nicht einmal des stahlartigen Eisens. Aus diesem Versuche ergibt sich, daß
unter solchen Umständen das Eisen bei Rothglühhitze durch Kohlenoxyd nicht merklich
gekohlt wird.
Ich will nun noch einen Versuch erwähnen, den ich bereits vor sechs Jahren angestellt
und jetzt wiederholt habe, um der Akademie materielle Beweise für die Richtigkeit
meiner Ansicht vorlegen zu können.
Aus demselben Stücke Eisen, von dessen vollkommener Tauglichkeit zur Cementirung ich
mich vorher überzeugt hatte, wurden zwei Stäbe von gleichen Dimensionen – 1
Quadratcentimeter Querschnitt bei 30 Centimeter Länge – geschmiedet. Der eine
dieser Stäbe wurde mit gewöhnlichem Cementirpulver in ein Rohr verpackt und mit
demselben zwölf Stunden lang zum Rothglühen erhitzt. Der zweite Stab wurde ebenso
lange und unter denselben Verhältnissen, jedoch in einem Porzellanrohre erhitzt,
worin er der Einwirkung von Kohlenoxyd unterworfen war. Nach der Beendigung beider
Operationen wurden beide Stäbe bei schwacher Rothgluth leicht überhämmert, um das
Korn des Stahls mehr hervortreten zu lassen und die Wirkungen der anhaltenden Hitze
zu beseitigen; dann wurden beide auf gleiche Weise gehärtet.
Der erste – mit Holzkohle cementirte – Stab, in einen Schraubstock
gespannt, brach beim ersten Hammerschlage scharf ab; er zeigte sich auf 2 bis 3
Millim. Tiefe sehr schön cementirt und wurde von der Feile nicht angegriffen. Der
zweite – in Kohlenoxydgas erhitzte – Stab ließ sich im Schraubstocke
kalt vollständig krumm biegen, ohne am Buge gänzlich durchzubrechen. Auf der an
dieser Stelle befindlichen Bruchfläche ließ sich selbst mit der Loupe keine Spur von
Cementirung wahrnehmen. Das Metall wurde von der Feile leicht angegriffen, ein
Beweis, daß dasselbe gar nicht, selbst nicht
oberflächlich, cementirt war.Die drei Proben, welche ich der Akademie vorlege, wurden dargestellt: Nr. 1
in gewöhnlichem Cementirpulver; Nr. 2 in Kohlenoxydgas, welches durch
Zersetzung von Oxalsäure dargestellt war; Nr. 3 in Kohlenoxyd, welches durch
Einwirkung der atmosphärischen Luft auf Kohle erhalten war (dieß ist das in
der industriellen Praxis verwendete Kohlenoxyd). Die beiden ersten
Operationen dauerten zwölf, die dritte vierzehn Stunden.
Daß durch den Contact zwischen Eisen und Kohle eine schwache Cementirung bewirkt
werde; daß das Kohlenoxyd unter gewissen Umständen eine schwach kohlende Wirkung
ausübe: dieß stelle ich für jetzt weder in Abrede, noch gebe ich es entschieden zu.
Indessen sind diese Kohlungsmittel, wie wir so eben gesehen, in der Praxis
bedeutungslos, und wenn
sie überhaupt mitgezählt zu werden verdienen, so können sie nur zu den weniger
kräftigen und weniger nützlichen Mitteln der industriellen Cementirung gerechnet
werden.
Ich bin überzeugt, daß auch Margueritte zu denselben
Schlüssen kommen wird, wie ich, wenn er seine Versuche mit Eisenmassen wiederholt,
welche groß genug sind, um geschmiedet und allen den Proben unterworfen werden zu
können, welche in der Technik gebräuchlich sind, um einen Stahl auf seine Natur und
Qualität zu prüfen.