Titel: | Ueber die Cementirung des Eisens durch Kohle und Kohlenoxyd; von Fr. Margueritte. |
Fundstelle: | Band 175, Jahrgang 1865, Nr. XCIV., S. 377 |
Download: | XML |
XCIV.
Ueber die Cementirung des Eisens durch Kohle und
Kohlenoxyd; von Fr. Margueritte.
Aus den Comptes rendus,
t. LIX p. 726.
Margueritte, über die Cementirung des Eisens durch Kohle und
Kohlenoxyd.
Bevor ich zur Prüfung der von Caron in seiner letzten
(vorstehenden) Mittheilung vorgebrachten Beweismittel schreite, halte ich es für
angemessen, den Stand der Frage näher zu kennzeichnen.
Caron ist der Gründer einer neuen Theorie der
Stahlbildung, welche sich in folgendem Satze zusammenfassen läßt:
„Beim Cementiren des Eisens in der technischen Praxis wird dasselbe
beständig mit gasförmigem Cyanammonium oder mit flüchtigen Cyanüren in Contact
gebracht. In der Praxis wirken die Cyanüre allein cementirend.“
Polytechn. Journal Bd. CLX S. 207.
Bei meinen über die Stahlbildung veröffentlichten Untersuchungen glaube ich, durch
Versuche, deren Ungenauigkeit Caron bis jetzt noch nicht
dargethan, nachgewiesen zu haben, daß Eisen in Stahl verwandelt werden kann:
1) durch reine Kohle (Diamant, Zuckerkohle, Graphit);
2) durch reines Kohlenoxydgas;
also durch zwei von Cyanverbindungen
ganz freie Substanzen, welche bei der fabrikmäßigen Cementstahlbereitung
mit dem Eisen in Contact sind.
Diese Resultate ständen demnach mit der exclusiven Theorie
Caron's in unmittelbarem Widerspruch.
In seiner ersten Mittheilung (S. 367) hat Caron keine
einzige Thatsache, keinen einzigen Versuch, welche gegen die Cementirung des Eisens
durch Kohle sprechen, vorgebracht.
Bezüglich des Kohlenoxyds hat er die Behauptung aufgestellt, daß dasselbe bei
Rothglühhitze ohne Wirkung auf reines Eisen bleibe, und daß die bei meinen Versuchen
beobachtete Ausscheidung von Kohlenstoff nur bei einer niederen Temperatur während
der Perioden des Erhitzens und des Erkaltens des Apparates stattgefunden habe.
Was die Bildung von Kohlensäure – Folge der Zersetzung des Kohlenoxyds
– anbetrifft, so war Caron, welcher die
Ausscheidung von Kohlenstoff aus dem Kohlenoxyd nicht zugibt, logischerweise
veranlaßt, sie in Abrede zu stellen. In dieser Hinsicht beschränkte er sich indessen
darauf, die Thatsache in Zweifel zu ziehen und mir verschiedene, bei derartigen
Versuchen zu beobachtende Vorsichtsmaßregeln anzuempfehlen.
Aus meiner Antwort (S. 371) konnte Caron ersehen, daß
seine Einwürfe ungegründet waren, indem ich in der von ihm vorausgesetzten Weise
nicht experimentirt hatte; Perioden von Erhitzen und Erkalten hatten nicht
stattgefunden; die Ausscheidung von Kohlenstoff hatte aber stattgefunden, und das
Eisen war wirklich cementirt worden, nicht bei einer Temperatur, wo das Glas noch
nicht erweicht, sondern bei Rothglühhitze und darüber, also gerade bei der
Temperatur, bei welcher nach Caron's Behauptung das
Kohlenoxyd ohne Wirkung auf Eisen bleibt.
Nachdem die Frage in dieser Weise gestellt war, schien ihre Lösung leicht, und ich
glaubte auch, in Caron's zweiter Mittheilung (S. 374) die
Bestätigung meiner Versuche oder den kategorischen Beweis zu finden, daß ich geirrt,
daß das Kohlenoxyd bei Rothglühhitze auf das Eisen wirklich nicht wirkt, kurz, daß bei dieser Temperatur die Cementirung durch die
Einwirkung jenes Gases unmöglich sey.
Diesen Beweis hat Caron nicht beigebracht, und ich
bedaure, daß er es nicht für nöthig befunden, das Studium der Cementirungs-Theorie
auf dem streng experimentellen Wege, auf welchem dasselbe begonnen ward, weiter zu
verfolgen. Da ich der Ansicht bin, daß die Frage, ob das Eisen durch reine Kohle und
durch Kohlenoxyd cementirt werden kann, sich, von allen praktischen Betrachtungen
abgesehen, durch das Experiment lösen läßt, so will ich den von mir bereits
vorgebrachten Thatsachen noch die Resultate meiner letzten Untersuchungen
anreihen.
Reines, fein zertheiltes, aus Oxalsäuresalz dargestelltes Eisen, dann dasselbe Eisen,
nachdem es vorher in einem Wasserstoffstrome durch sehr starke Hitze zum
Zusammensintern gebracht war, und drittens Stücke käuflichen Eisendrahts von
verschiedenem Ursprunge wurden gleichzeitig in einem Kohlenoxydstrome drei Stunden lang, bei
zunehmenden Temperaturen, erhitzt.Bei sämmtlichen Versuchen wurde das Eisen in einem Wasserstoffstrome zum
Glühen erhitzt und auch auf gleiche Weise erkaltet.
Ich erhielt dabei die nachstehenden Resultate:
1) Auf dem Gasroste; Temperatur, bei
welcher Glas erweichte und schmolz; beginnende Kirschrothgluth
Reines, fein zertheiltes Eisen: 1,239 Grm.
nahmenum 0,083 Grm. zu, entsprechend 6,6 Proc. Kohlenstoff.
Reines, zusammengesintertes Eisen: 0,664
Grm. nahmenum 0,010 Grm. zu, 1,5 Proc. Kohlenstoff entsprechend.
Sämmtliche Drahtstücke waren vollständig
cementirt.
2) In einem Ofen ohne Kuppel;
Aschenfallthür halb geschlossen; Holzkohlenfeuerung;
Hellkirschrothgluth.
Reines, fein zertheiltes Eisen: 2,439 Grm.
nahmen um0,160 Grm. zu, entsprechend 6,55 Proc. Kohlenstoff.
Reines, zusammengesintertes Eisen: 1,424
Grm. nahmenum 0,014 Grm. zu, entsprechend 0,98 Proc. Kohlenstoff.
Alle Drahtstücke zeigten sich vollständig
cementirt.
3) In demselben Ofen ohne Kuppel,
mitgeöffneter Aschenfallthür; Holzkohlenfeuerung;
Dunkelorangegluth (Silberschmelzhitze).
Reines, fein zertheiltes Eisen: 2,482 Grm.
nahmen um0,030 Grm. zu, entsprechend 1,21 Proc. Kohlenstoff.
Reines, zusammengesintertes Eisen: 0,938
Grm. nahmenum 0,0065 Grm. zu, entsprechend 6,9/1000 Proc.
Kohlenstoff. Sämmtliche Drahtstücke
waren vollständig cementirt. Grober
Draht von 3,5 Millim. Durchmesser.
4) In demselben Ofen mit
aufgesetzterKuppel; Kohksfeuerung;
Hellorangegluth(Kupferschmelzhitze).
Reines, zusammengesintertes Eisen: 0,982
Grm. zeigteneine Gewichtsvermehrung von 0,005 Grm.,
entsprechend5,1/1000 Proc. Kohlenstoff.
Sämmtliche Drahtstücke waren vollständig
cementirt. Grober Draht von 3,5 Millim.
Durchmesser
Bei diesen Versuchen kann man die Wirkung des Kohlenoxyds auf das Eisen Schritt für
Schritt verfolgen; es wird durch dieselben bewiesen, daß sich sowohl reines Eisen
bei Temperaturgraden, welche in den Cementirkästen nothwendigerweise entstehen müssen,
kohlt, ferner daß eben so gut das im Handel vorkommende weniger reine Eisen auf
diese Weise cementirt wird. Diese Erscheinungen liefern demnach den Beweis, daß die
Verwandtschaft zwischen Eisen und Kohlenoxyd eine unmittelbare und von der Gegenwart
von Silicium oder irgend einer anderen fremdartigen Substanz unabhängige ist.
Die Gewichtsvermehrung des reinen Eisens ist, in Folge seines fein zertheilten
Zustandes, beträchtlich; die vom zusammengesinterten Eisen, welches sich dem
geschmiedeten mehr nähert, aufgenommene Kohlenstoffmenge ist geringer, beträgt
indessen bei beginnender Kirschrothgluth doch 1,5 Proc., bei Hellkirschrothgluth
0,98 Proc., bei Dunkelorangegluth 6,9/1000 Proc., bei Hellorangegluth 5,1/1000
Proc., – Kohlenstoffmengen, welche zur Stahlbildung mehr als hinreichend
sind.
Diese Proben gekohlten Eisens wurden von Brom angegriffen wogegen reines Eisen von
diesem Körper vollständig aufgelöst wurde; alle hinterließen dabei einen mehr oder
weniger beträchtlichen Rückstand von Kohlenstoff.
Ich kann demnach die Ansicht Caron's nicht theilen, wenn
er behauptet, daß bei Rothglühhitze das Kohlenoxyd ohne Wirkung auf das reine Eisen
sey. Die Cementirung des Eisens durch dieses Gas scheint mir im Gegentheil
unbestreitbar zu seyn.
Ich muß daher durchaus bei meinen ersten Schlußfolgerungen beharren, daß nämlich das
Eisen durch reine Kohle und durch Kohlenoxyd cementirt wird, und daß in der Praxis
die Cyanverbindungen allein es nicht cementiren.
Ohne die dieser Mittheilung gesteckten Grenzen zu überschreiten, kann ich jetzt den
Werth der praktischen Betrachtungen, welche Caron meinen
experimentellen Untersuchungen entgegenstellt, nicht erörtern; ich werde dieß jedoch
demnächst thun und hoffe nachzuweisen, daß sie die von mir aufgestellten Sätze zu
entkräften nicht vermögen.