Titel: | Horizontale Dampfmaschine mit zwei Cylindern und Centrifugal-Condensation; von F. Guérin, Mechaniker in Gravelle-Havre. |
Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. XXIV., S. 81 |
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XXIV.
Horizontale Dampfmaschine mit zwei Cylindern und
Centrifugal-Condensation; von F. Guérin, Mechaniker in Gravelle-Havre.
Aus Armengaud's Génie industriel, Februar 1865, S.
77.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Guérin's horizontale Dampfmaschine mit
Centrifugal-Condensation.
Wir geben im Folgenden die Beschreibung einer zweicylindrigen horizontalen
Dampfmaschine, welche ihr Erfinder in allen Theilen mit Sorgfalt construirt hat und
die sich dadurch auszeichnet, daß wesentliche Theile in origineller Weise angeordnet
sind, so daß sie neue Combinationen enthält, wodurch ein vorzüglicher Gang und eine
bessere Ausnutzung der Kraft erzielt wird.
Die Eigenthümlichkeiten dieser Maschine sind hauptsächlich:
1) das System der Centrifugal-Condensation; der
ausgenutzte Dampf geht nämlich in das Innere eines Schwungrades und kommt darin mit
dem Einspritzwasser in Berührung. Die Luftleere wird aber durch die Drehung des
Schwungrades hervorgebracht, welches zum Zweck der erforderlichen
Umfangsgeschwindigkeit einen größeren Durchmesser erhält;
2) die Anordnung entlasteter Schieber, welche von Zahnrädern geführt werden, deren
Gang regulirbar ist;
3) die Wirkungsweise des Regulators, welcher durch einen Mechanismus den Gang der
Zahnräder verändert;
4) endlich die Gesammtaufstellung aller Theile, welche eine vervollkommnete
Dampfmaschine darstellen.
Die Figuren
1–6 stellen die Maschine dar, und zwar Fig. 1 einen Grundriß und
theilweisen Durchschnitt, Fig. 2 einen Durchschnitt
nach der Längsachse des kleinen Cylinders, und Fig. 3 einen Querschnitt
nach der Linie 1–2.
Die beiden Cylinder sind mit dem Mantel aus einem Stück gegossen; der kleine trägt
einen Röhrenansatz Y (Fig. 3), durch welchen der
Dampf in den Mantel eintritt.
Ueber den Cylindern befindet sich der Schieberkasten B
mit dem Steuerschieber D. Letzterer besteht aus einem
Cylindersegment, dessen Reibungsfläche drei Höhlungen oder Schalen 1, 2 und 3 (Fig. 2)
enthält, durch welche die Dampfwege der Cylinder in Verbindung gesetzt werden.
Vertheilungsmechanismus. – Fig. 1 zeigt die centrale
Oeffnung a, welche den Dampf aus dem Mantel zuführt,
sowie b und c, welche ihn in
den kleinen Cylinder A leiten; durch d und e geht er aus diesem
in den großen; endlich führen ihn die Oeffnungen f und
g durch die Leitungen C
und C¹, welche sich zu einem Rohr C² vereinigen, nach dem Condensator; letzteres
Rohr nämlich mündet durch die Stopfbüchse C³ in
das Schwungrad X. Die Stopfbüchse C³ ist auf dem Unterlager C⁴
festgeschraubt und daher von der Drehung des Schwungrades unabhängig. In ähnlicher
Weise ist das Wasserzuleitungsrohr T angebracht.
In Fig. 2 ist
der Kolben des kleinen Cylinders bei halbem Hube dargestellt, der Dampf tritt noch
ein, die Oeffnung b läßt den Dampf herein, welcher den
Kolben in der Richtung des Pfeils treibt; auf der anderen Seite ist der Dampf durch
die Oeffnung c ausgetreten und mittelst der Schale 3 des
Vertheilungsschiebers in den Canal e des großen
Cylinders geleitet worden, um dessen Kolben in der entgegengesetzten Richtung des
kleinen fortzubewegen; unterdessen tritt der Dampf an der entgegengesetzten Seite
durch den Canal d aus und mittelst der Schale l des Vertheilers nach dem Condensator, d.h. in das
Schwungrad X.
Der Vertheiler ist auf beiläufig zwei Dritteln seiner Fläche entlastet, wie man aus
Folgendem ersieht: der vom Mittelcanal a kommende Dampf
sucht natürlich den Schieber zu heben, was auch im selben Augenblick durch den
rechts oder links aus dem kleinen Cylinder in den großen gehenden Dampf geschieht;
um nun diese Wirkung aufzuheben, also den Schieber zu entlasten, ist ein Loch o durchgebohrt, welches den Dampf aus dem Mantel auf den
Vertheiler leitet; ferner ist (Fig. 3) eine Oeffnung o' in der Zwischenwand angebracht; das
Condensationswasser fließt mit demjenigen des Mantels ab.
Der Schieber arbeitet demnach in dem Dampfe, und erleidet einen, der Differenz der
seiner Wirkung ausgesetzten Flächen entsprechenden Druck; diese Differenz wird durch
folgende Anordnung compensirt: der Deckel E der
Schieberbüchse B ist mit einem Cylinder zusammen
gegossen, in welchem ein Compensirkolben g arbeitet;
dieser besteht bloß aus einer nach Art der Indicatorkolben ausgehöhlten Kapsel,
welche durch eine Stange mit einer kleinen Achse (Fig. 2 und 3) verbunden ist, deren
beide Enden
schneidenförmig auf Lagern gehen, die mit der Hülse, welche die horizontale
Schieberachse h aufnimmt, in einem Stück gegossen
sind.
Der Dampf für die Schieberbüchse geht durch den leeren Raum hindurch, welcher im
Boden des Cylinders E für den Durchgang der Bleuelstange
gelassen ist, wirkt auf den Kolben und folglich auch hebend auf den Schieber. Auf
dem Deckel desselben Cylinders ist ein Rohr k
angebracht, welches in das Abzugsrohr C² mündet,
so daß, wenn Wasser durch Condensation des Dampfes oberhalb des Kolbens gebildet
wird, dieses durch den Condensator aufgesaugt wird und in keiner Weise schaden
kann.
Der Dampfhahn R, welcher durch den Mittelcanal a geht, ist hohl und enthält eine Expansionsklappe mit
Nasen, in welche auf der Achse m angebrachte Stifte
eingreifen (Fig.
2 und 3), daher diese Klappe der Achse bei deren oscillirenden Bewegung folgt.
Die Dichtung des Hahnes R, welcher mittelst des Hebels
q gestellt wird, bewirkt eine Stopfbüchse p und diejenige der Klappe eine andere p'; das Ohr des mit dem Hebel q verbundenen Griffes ruht auf dem Unterlager q', damit das Gewicht der äußeren Theile den Hahn nicht belastet. Die
bewegliche Klappe im Innern des Hahnes R wird von dem
Hebel S und der Stange S' an
dem Excentric v mit dessen Stange S² (Fig. 1) regiert.
Die Steuerwelle A¹, welche von der Treibwelle aus
durch die gleich großen Räder l und l' bewegt wird, ruht auf zwei auf der Fundamentplatte
befestigten Lagern A² und A³; auf das eine Ende dieser Welle ist das Excentric B¹ aufgekeilt, welches mittelst der mit dem
Schieber D durch ihre Stange verbundenen Rolle B² diesem die hin- und hergehende
kreisförmige Bewegung mittheilt, die nothwendig ist, um die Dampfwege abwechselnd zu
öffnen und zu schließen. Eine besondere in der Zeichnung nicht dargestellte
Anordnung bringt die Rolle immer auf das Excentric zurück; diese Anordnung besteht
darin, daß die den Vertheilungsschieber führende Stange durch einen kleinen Cylinder
geht, in welchen Dampf eintritt, der als Feder wirkt.
Der Regulator dreht sich in einer auf die Achse A¹
senkrechten Ebene. Auf diese Achse ist nämlich ein Wulst aufgezogen und mit zwei
Flügeln m versehen, welche die Schrauben aufnehmen,
durch die die Federn N, N' gehalten werden, deren Enden
mit den Kugeln verbunden sind. Ein Doppelarm P' ist
beweglich auf der Achse befestigt und gibt die Stützpunkte für die rechtwinkeligen
Hebel Q' (s. Fig. 1, 2 und 6) ab. Ein Arm jedes
dieser Hebel ist durch eine Stange b¹ und b² mit einem Knopfe an jeder Regulatorkugel
verbunden, so daß die Veränderungen in deren Stellung durch die Stangen t' auf den Muff s übertragen
werden können. Dieser
Muff macht die Expansion zu einer durch den Regulator veränderlichen.
Innerer Mechanismus des ExpansionsradesFig. 4und5. –
Dieses Heberad besteht aus der Trommel v, welche mit der
Nabe a² auf die Achse A' aufgezogen ist; zwei cylindrische Segmente x und x' sind auf die Oberfläche dieser
Trommel festgeschraubt und bilden feste Daumen, welche für die geringste
Dampfzulassung zu beiden Seiten des Kolbens, etwa 2/10 des Hubes, eingestellt sind
und deren Weg auf der Rolle G den Gang der beweglichen
Klappe in dem Vertheilungshahn R bestimmt.
Die übrigen Expansionsgrade werden durch die beweglichen Daumen z, z' erzielt, welche parallel Mischenden festen x, x' angebracht sind; diese Daumen z, z' gehen durch die Trommel hindurch und sind
innerhalb mit den gezahnten Sectoren y, y' verbunden,
von denen jeder in ein Zahnrädchen greift, an dessen Achse sich das Winkelrad h oder h' befindet.
Letzteres Rad greift in ein Getriebe, dessen Achse das Rad i trägt, welches in die Zahnstange i'
eingreift, die mit Schwalbenschwanzverbindung an der Nabe a² befestigt und von dem Muffe s
abhängig ist, welcher durch die Veränderungen in der Stellung der Regulatorkugeln in
Bewegung kommt.
Das Spiel dieser Theile ist von selbst klar: Wenn der Muff s auf der Achse A' gleitet, so setzt er die
Zahnstangen i' in Bewegung, die sofort mittelst der
bezeichneten Räder diese Bewegung auf die gezahnten Sectoren y und y' übertragen, welche die beweglichen
Daumen z und z' mitnehmen.
Diese letzteren verlängern oder verkürzen den auf die Rolle G wirkenden Theil, wodurch der Expansionsgrad geändert wird. Man kann so
die Zulassung des Dampfes von 2/10 bis zu 7/10 des Hubes verändern.
Um während des Ganges den normalen Expansionsgrad zu verändern, muß der eben
beschriebene Mechanismus nach Anleitung der Fig. 6, d.h. an dem Muff
s, modificirt werden. Man braucht nur die beiden
Stangen t', welche die Hebel Q¹ und den Muff s verbinden, so
einzurichten, daß man sie nach Belieben verlängern oder verkürzen kann, so daß die
Zahnstangen i' und mithin die Sectoren y der beweglichen Daumen z,
z' unabhängig vom Regulator verstellbar werden.
Zu diesem Zweck besteht der Muff s aus zwei Theilen: der
eine ist mit den Stangen f', der andere mit den
Zahnstangen i' verbunden; letzterer Theil ist mit
Schraubengewinden versehen und in seiner Stellung veränderlich, je nachdem man das
Rad v' von links nach rechts oder umgekehrt dreht. Der
kreisförmige Zeiger w, welcher der Zahnstange folgt,
zeigt auf einer Scala w' den Expansionsgrad an.
Centrifugal-Condensation. – Das zur
Condensation dienende Schwungrad ist äußerlich nicht von anderen verschieden; seine
Nabe und Speichen sind hohl und dienen dem Einspritzwasser zum Durchgang. Die Brause
des Einspritzrohres T wird durch die alsdann mit einem
Pfropf zu verschließende Oeffnung O, Fig. 1, eingeführt.
In der Nähe des Mittelpunktes des Schwungrades sind die freien Räume weit; sie
verengern sich dann nach dem Umfange hin, so daß im Kranz, wo die freien Räume
ausmünden, die Summe der Querschnitte dem Volumen der auszuschleudernden Flüssigkeit
so viel als möglich entspricht. Die conische Form der in den Speichen angebrachten
Canäle ist für den Zweck der Evacuirung der Flüssigkeit und mithin der Erzeugung der
Leere eine günstige. Letztere wird um so größer, je rascher sich das Schwungrad
dreht, weßhalb dasselbe seine Bewegung durch Zahnrad R'
und Getrieb R² (Fig. 1) empfängt. Das
Schwungrad umgibt der auf dem Boden des Maschinenraumes befestigte Blechmantel H; in demselben sammelt sich das Wasser, um durch
natürlichen Abfluß oder mittelst einer Pumpe abgeleitet zu werden. Der innere Rand
H' ist für das gegen den Mantel geschleuderte Wasser
bestimmt.
Die Anwendung dieses noch mancher Veränderungen und Vereinfachungen fähigen Systems
macht den complicirten und schwerfälligen Mechanismus der gewöhnlichen Condensation
entbehrlich.
Das Manometer für die Luftleere kann man auf der Krümmung des Injectionsrohres
anbringen und das Instrument mit dem Innern des Schwungrades durch ein inwendig
umgebogenes Rohr in Verbindung setzen.
Bei Maschinen ohne Condensation kann man dennoch das hohle Schwungrad anwenden und
den Rückdampf in dasselbe leiten; es würde dadurch der Druck auf den Kolben
vermindert werden; den abgeschleuderten Dampf könnte man unter die Feuerung leiten,
um die Heizluft hinreichend feucht zu machen.
Auch für Schiffsmaschinen ist das System anwendbar; man müßte sehr leichte und wenig
voluminöse Apparate anwenden und denselben große Geschwindigkeit ertheilen;
dieselben, statt der jetzigen großen Condensatoren benutzt, deren Gewicht etwa 43000
Kilogr. für eine Maschine von 1000 Pferdekräften beträgt, würden wesentliche
Vortheile darbieten.