Titel: | Ueber die chemische Zusammensetzung des Guignet'schen Grüns; von A. Scheurer-Kestner. |
Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. CXV., S. 386 |
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CXV.
Ueber die chemische Zusammensetzung des Guignet'schen Grüns; von A. Scheurer-Kestner.
Aus dem Bulletin de la Société industrielle de
Mulhouse, t. XXXIV p. 546, December 1864.
Scheurer, Analyse des Guignet'schen Grüns.
Eine vollständige Analyse des Guignet'schen Grüns
Ueber die Darstellung des Guignet'schen Grüns (Chromoxyd-Hydrats) s. man polytechn.
Journal Bd. CLII S. 191. –
Salvetat's Analyse
desselben ist in Bd. CLI S. 392 und Shipton's Analyse in Bd. CLXXII S. 315
mitgetheilt.A. d. Red. existirt noch nicht. Die Chemiker, welche sich bis jetzt mit diesem
Gegenstande beschäftigten, Guignet, Salvetat und Shipton, haben nur den Gehalt dieses Farbstoffs an
Chromoxyd und Wasser direct bestimmt; die Menge der Borsäure dagegen, von welcher
das käufliche Product niemals ganz frei sich zeigt, ist nur durch Differenz bestimmt
worden. Bezüglich dieser letzteren Substanz sprach Shipton die Ansicht aus,Sitzung der Pariser Société
chimique vom 25. Januar 1859. daß sie aller Wahrscheinlichkeit nach einen zur Constitution des Guignet'schen Grüns wesentlichen, durchaus nothwendigen
Bestandtheil bilde. Auch bemerkt Prof. Hofmann in seinem trefflichen Berichte über die Londoner
Industrieausstellung von 1862, daß man über die wahre chemische Constitution dieser
Farbe, namentlich bezüglich der Frage, ob dieselbe Borsäure enthält, oder nicht,
noch keineswegs im Reinen ist.
Aus drei verschiedenen Analysen berechnet Guignet den
Wasserverlust, den sein Grün beim Glühen erleidet, zu 18,5 Proc., entsprechend einem
Hydrate von der Formel
Cr²O³ + 2 HO
Er betrachtet dieses Präparat als ein Chromoxydhydrat von einem geringeren
Wassergehalte, als das gewöhnliche Hydrat, welches jedoch nebenbei noch schwankende
Spuren von Borsäure enthalten kann; er nimmt an, daß die bei Rothglühhitze auf
zweifach-chromsaures Kali einwirkende Borsäure gleichzeitig borsaures Chromoxyd und
borsaures Kali, vielleicht sogar ein Doppelsalz beider Verbindungen zu erzeugen
vermag. Kommt dieses Borsäuresalz mit Wasser in Berührung, so wird es nach Guignet's Ansicht, gleich anderen
Boraten, wie z.B. das borsaure Silberoxyd, zersetzt, indem nur Chromoxydhydrat
zurückbleibe, welches aber durch Auswaschen nur sehr schwierig von Borsäure
vollständig zu befreien sey. Wir werden sehen, daß diese theoretischen Ansichten
Guignet's durch das
Experiment wirklich bestätigt werden.
SalvetatSitzung der Société d'Encouragement
zu Paris im Juni 1859. machte die Beobachtung, daß das durch Rothglühen von zweifach-chromsaurem
Kali mit Borsäure erhaltene Product beim Behandeln mit Wasser unter bedeutender
Temperaturerhöhung aufquillt, und zog aus dieser Erscheinung den Schluß, daß sich
auf trockenem Wege ein Doppelsalz von borsaurem Kali und borsaurem Chromoxyd bilde,
welches in Berührung mit Wasser zu borsaurem Kali und Chromoxydhydrat zersetzt
werde.
Dieß war Alles, was über die Natur des Guignet'schen Grüns
und über seine Bildungsweise bekannt geworden, als Hofmann Hrn. Shipton, der in seinem Laboratorium arbeitete, veranlaßteveraulaßte, diese Substanz einer genauen Analyse zu unterwerfen. Die im Hofmann'schen BerichteBerichte der Jury der internationalen Industrie-Ausstellung von 1862; Bericht
von A. W. Hofmann über Classe II, Station A. angeführten Untersuchungen Shipton's gaben nachstehende Resultate:
Chromoxyd
76,4
76,5
Wasser
11,7
11,2
Borsäure (durch Differenz
bestimmt)
11,9
12,3
–––––––––––––
100,0
100,0
Das Chromoxyd wurde dadurch bestimmt, daß das Grün in ein chromsaures Salz verwandelt
und als chromsaures Bleioxyd gewogen wurde; der Wassergehalt wurde durch Glühen der
Farbe ermittelt. Die Borsäure wurde, wie schon angedeutet, nicht direct, sondern aus der Differenz
bestimmt. Shipton gibt die Formel
3 Cr²O³ + BoO³ + 4 HO
ist aber, seiner ausdrücklichen Erklärung zufolge, weit davon
entfernt, dieselbe als definitiv richtig zu betrachten, insofern zur Aufstellung
einer solchen die directe Bestimmung der Borsäure durchaus erforderlich sey.
Auch Guignet betrachtete, wie bereits erwähnt worden, die
von ihm dargestellte Farbe als ein Chromoxydhydrat mit 2 Aequivalenten Wasser,
welches möglicherweise, in Folge ungenügenden Auswaschens noch schwankende Mengen
von Borsäure enthält. Salvetat theilt diese
Anschauungsweise und behauptet, daß zunächst ein Doppelborat entsteht, welches
nachher durch die Berührung mit Wasser zersetzt wird; Shipton hingegen neigt sich der Ansicht zu, daß die Borsäure in Guignet's Grün an Chromoxyd gebunden
sey. Es kommt also darauf an, zu entscheiden, ob dieses Product ein bloßes Hydrat
oder ein wasserhaltiges borsaures Chromoxyd ist.
Zu diesem Zwecke analysirte ich mehrere Proben von Guignet's Grün, sowohl vor als nach der
Behandlung desselben mit Reagentien, durch welche die freie oder gebundene Borsäure
vollständig entfernt werden mußte. Ich wendete dabei folgende Methode an. Die bei +
105° bis 110° C. getrocknete Substanz wurde bis zur Hellrothgluth
erhitzt, um das zunächst entstehende Oxyduloxyd in Oxyd zu verwandeln. Das Wasser
wurde sowohl aus dem Gewichtsverluste als auch nach dem von Shipton angewendeten Verfahren dadurch bestimmt, daß ich die Probe in
einem Strome trockener Luft glühte und das in einem Chlorcalciumrohr gesammelte
Wasser wog. Die geglühte Probe wurde mit einem Gemisch von Schwefelsäure und
Fluorwasserstoffsäure behandelt, um das Bor durch Verwandlung in Fluorbor und
Verflüchtigung des letzteren zu bestimmen, wobei jedoch die in die zurückbleibenden
Verbindungen eingetretene Schwefelsäure berücksichtigt wurde; dieser Rückstand wurde
in Wasser gelöst und darauf die Schwefelsäure durch Chlorbarium gefällt. Der
unlösliche Antheil wurde auf einem Filter gesammelt, geglüht und als Chromoxyd
gewogen, falls dieses nicht höher oxydirt und als chromsaures Bleioxyd bestimmt
ward.
I. In 1,108 Grm. gewöhnlichem, mit kochendem Wasser ausgewaschenen Guignet'schen Grün erhielt ich:
Wasser
0,1530 Grm.
Verlust durch Fluorwasserstoffsäure
0,0585 Grm.
schwefelsauren Baryt
0,0420 Grm.
Die erhaltene Menge des schwefelsauren Baryts entspricht 0,0144 Grm. Schwefelsäure,
welche dem Verlust von 0,0585 hinzuzuaddiren ist, so daß derselbe = 0,0729 Grm.
ist.
0,718 Grm. der Probe gaben 2,417 chromsaures Bleioxyd.
II. 0,999 Grm. Guignet'sches Grün gaben:
Wasser
0,1390
Verlust durch Fluorwasserstoffsäure
0,0460
schwefelsauren Baryt
0,0405
Chromoxyd
0,7890
Der erhaltene schwefelsaure Baryt entspricht 0,0138 Schwefelsäure, so daß der Verlust
0,0598 beträgt.
In Procente verwandelt geben diese Zahlen:
I.
II.
Chromoxyd
78,0
78,9
Wasser
13,8
13,9
Borsäure
6,7
6,0
Kali
1,2
1,1
–––––––––––
99,7
99,9
Zu diesen Analysen wurden zwei Präparate von verschiedenem Ursprunge verwendet; sie
beweisen, daß eine gewisse Menge von Borsäure und borsaurem Kali selbst durch
kochendes Wasser dem Producte nicht entzogen wird.
Kocht man das Guignet'sche Grün mehrere Stunden lang mit
Aetznatronlauge, so löst sich die freie Borsäure und läßt sich dadurch aus dem
Präparate vollständig entfernen, ohne daß dessen Farbe verändert wird; die an Kali
gebundene Borsäure hingegen widersteht der Einwirkung der alkalischen Flüssigkeit
und bleibt im Product zurück.
1,605 Grm. mit Aetznatron gekochtes Guignet'sches Grün
gaben bei der Analyse:
Wasser
0,2340
Verlust durch Fluorwasserstoffsäure
0,0011
schwefelsauren Baryt
0,0500
Chromoxyd
1,3300
Der erhaltene schwefelsaure Baryt entspricht 0,017 Schwefelsäure, so daß der Verlust
0,018 beträgt. Auf Procente berechnet, ergibt sich die folgende Zusammensetzung:
Chromoxyd
82,9
Wasser
14,6
Borsäure
1,1
Kali
1,2
–––––
99,8
Ich versuchte, das Guignet'sche Grün durch Behandlung mit
FluorwasserstoffsäureGuignet hat die Beobachtung gemacht, daß man sein
Grün durch Behandlung mit Aetzkali vollkommen borsäurefrei erhält; beim
Glühen mit Fluorwasserstoffsäure erleidet es dann keinen Verlust mehr, auch
hält es kein Kali zurück. Nach dem genannten Chemiker läßt sich die Borsäure
auch durch Behandlung des Grüns mit einer Lösung von Weinsäure oder
zweifach-weinsaurem Kali vollständig entfernen. von seinem Borsäuregehalt vollständig zu befreien, was mir auch gelang.
Seine ursprüngliche Färbung bleibt dabei ganz unverändert; indessen hält es
hartnäckig Spuren von Fluor zurück, so lange man auch das Auswaschen fortsetzen mag;
ich gab daher einem anderen Verfahren den Vorzug, indem ich zunächst das borsaure
Kali durch Schwefelsäure zersetzte und dann die freie und die von der Zersetzung des
Borats herrührende Borsäure durch Kochen mit Aetznatron entfernte.
Für die nachstehende Analyse stellte ich mir reines Guignet'sches Grün dar, indem ich das gewöhnliche käufliche Präparat mit
dem zehnten Theile seines Gewichtes verdünnter Schwefelsäure behandelte und den
ausgewaschenen Rückstand mit seiner doppelten Gewichtsmenge Aetznatronlauge von 1,10
spec. Gewichte kochte.
1,506 Grm. des so behandelten Präparates gaben:
Wasser
0,232
angewendete Substanz
1,123
chromsaures Bleioxyd
4,066
also in 100 Theilen:
Chromoxyd
85,0
Wasser
15,4
–––––
100,4
Als das Product geglüht und dann mit Fluorwasserstoffsäure behandelt wurde, zeigte
sich kein Gewichtsverlust. Die gefundenen Mengen von Wasser und Chromoxyd führen zu
der Formel
2 Cr²O³ + 3 HO,
welche erfordert:
Chromoxyd
84,94
Wasser
15,06
–––––
100,00
Demnach ist das Guignet'sche Grün, ganz übereinstimmend
mit seines Erfinders Annahme, wirklich Chromoxydhydrat, welches noch Borsäure und
eine gewisse Menge borsaures Kali, beide von seiner Bereitung herrührend, doch nur
als zufällige Beimengungen, enthält.
Die Analysen von Shipton führen, sofern nur Chromoxyd und
Wasser berücksichtigt werden, die durch Differenz erhaltene Zahl aber vernachlässigt wird, zu einem
geringeren Wassergehalte, indem sich aus ihren Resultaten der Ausdruck
3 Cr²O³ + 4 HO
ergibt; dieser erfordert:
gefunden
berechnet
Chromoxyd
86,7
86,4
Wasser
13,3
13,6
–––––––––––––––––––
100,0
100,0
Nach Guignet und Salvetat
hingegen ist der Wassergehalt größer, insofern er der Formel
Cr²O³ + 2 HO
entsprechen würde.
Diese abweichenden Resultate erklären sich aus der Natur des Präparates selbst und
werden vielleicht durch die Temperatur, bei welcher dasselbe dargestellt worden,
bedingt; indessen war der Wassergehalt der verschiedenen von mir untersuchten Proben
nicht so groß.
Die Hartnäckigkeit, mit welcher dieses Chromoxydhydrat Borsäure zurückhält, deutet
allem Anschein nach darauf hin, daß zunächst borsaures Chromoxyd sich bildet,
welches dann durch die Einwirkung des Wassers zersetzt wird. Zur Entscheidung dieser
Frage stellte ich die folgenden Versuche an.
Wird ein Gemenge von 1 Th. zweifach-chromsaurem Kali und 3 Th. krystallisirter
Borsäure bei einer genügend hohen Temperatur calcinirt, so entweicht alles Wasser
der Borsäure und man erhält eine wasserfreie, aufgeblähte Masse von grüner Farbe;
wird dieses Rohproduct mit Wasser behandelt, so quillt es auf und erhitzt sich unter
Entwicklung von Wasserdämpfen; die Ursache dieser deutlich wahrnehmbaren chemischen
Reaction schrieb bereits Salvetat der Hydratisirung des
Chromoxyds zu.
15,788 Grm. eines Gemenges von 1 Th. Kalibichromat und 3 Th. krystallisirter Borsäure
verloren bei ihrer Umwandlung in die grüne Masse 5,930 Grm = 37,6 Proc. Der Theorie
nach müßte dieser Verlust = 36,6 Proc. seyn, wenn man, außer dem aus dem Bichromat
entwickelten Sauerstoff den gesammten ursprünglichen Wassergehalt der Borsäure in
Rechnung zieht. Der bei dem Versuche erhaltene Verlust ist also etwas zu groß, und
zwar in Folge der Verflüchtigung einer geringen Menge Borsäure. Die Abwesenheit des
Wassers in der Schmelze oder dem geschmolzenen Salz- und Säuregemenge wird übrigens
durch den nachstehenden Versuch außer Zweifel gesetzt.
Das durch Calciniren des Gemenges von zweifach-chromsaurem Kali und krystallisirter
Borsäure erhaltene Rohproduct besitzt schon die charakteristische Farbe des Guignet'schen Grüns; schmilzt man dasselbe bei starker Rothglühhitze, so
verändert sich diese Farbe, indem die Masse den dem ordinären Chromoxyd
eigenthümlichen olivengrünen Ton annimmt. Der bei diesem Schmelzen stattfindende
Gewichtsverlust ist ganz unbedeutend und wird, wovon ich mich selbst überzeugt habe,
dadurch bedingt, daß eine kleine Menge Chromsäure der Reduction zu Oxyd entgeht.
1,5095 Grm. Substanz verloren beim Schmelzen 0,006 Grm. = 0,4 Proc. Jedenfalls würde
dieser Verlust viel zu gering seyn, um die Menge des mit dem Chromoxyd zu
Chromoxydhydrat verbundenen Wassers repräsentiren zu können; hätte dieses Oxyd vom
Momente seiner Entstehung an die zur Bildung von Guignet's Grün erforderliche Wassermenge bereits
enthalten, so hätte jener Verlust 4,05 Proc., also das Zehnfache von dem durch den
Versuch gefundenen, betragen müssen; die geschmolzene Masse läßt nach dem Auswaschen
mit Wasser gewöhnliches wasserfreies Chromoxyd zurück.
Die bei der Bildung des Borsäuredoppelsalzes stattfindende Reaction läßt sich durch
folgende, von Salvetat aufgestellte und auf die
Entweichung des gesammten Wassergehaltes während des Processes basirte Gleichung
ausdrücken:
8 (BoO³, 3 HO) + (KO, 2 CrO³) = Cr²O³
+ 6 BoO³ + (KO, 2 BoO³) + 24 HO + 3 O
Es läßt sich kaum entscheiden, ob sich in diesem Falle ein durch Wasser zersetzbares
Borsäuredoppelsalz von Kali und Chromoxyd bildet, oder ob man es mit einem bloßen
Gemenge zweier Borsäuresalze zu thun hat. Zu Gunsten der ersteren Hypothese ließe
sich der Gehalt des Guignet'schen Grüns an Kali anführen,
welches stets vorhanden ist, so sorgfältig auch das Präparat mit kochendem Wasser
ausgewaschen worden seyn mag.