Titel: | Neues Verfahren zur quantitativen Bestimmung der adstringirenden Pflanzenstoffe; von Commaille. |
Fundstelle: | Band 176, Jahrgang 1865, Nr. CXVII., S. 396 |
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CXVII.
Neues Verfahren zur quantitativen Bestimmung der
adstringirenden Pflanzenstoffe; von Commaille.
Aus den Comptes rendus 1864, t. LIX p.
399.
Commaille, Verfahren zur Bestimmung der adstringirenden
Pflanzenstoffe.
Unter adstringirenden Pflanzenstoffen verstehe ich
diejenigen verschiedenen Bestandtheile der Pflanzen, welche in Wasser löslich sind,
einen herben, nicht bitteren Geschmack haben und mit essigsaurem Eisenoxyd einen
amorphen, schwarz, grün oder grau gefärbten Niederschlag oder nur eine entsprechende
Färbung geben, mögen sie nun Gelatine fällen oder nicht, und was immer für eine
Zusammensetzung haben. Mehrere Industriezweige consumiren täglich große Mengen
solcher adstringirenden Pflanzenstoffe und verausgaben bedeutende Summen für
dieselben; bis jetzt besitzt man aber kein rasch zum Ziele führendes Verfahren,
mittelst dessen sich der Gehalt der Pflanzenproducte an jenen wirksamen Stoffen im
Verhältniß zu den indifferenten, mit jenen verbundenen Bestandtheilen bestimmen
ließe. Denn die zur Werthbestimmung der Gerbstoffe empfohlenen wenig zahlreichen
Methoden können als wirklich praktisch nicht gelten; nur bezüglich der Galläpfel findet eine Ausnahme statt, insofern bei
Anwendung des modificirten Pelouze'schen Verfahrens sich
aus denselben bis 80 Proc. und mehr Tannin gewinnen läßt. Dieß gilt aber nicht für
die zahlreichen anderen adstringirenden Producte, wie Catechu, Sumach, Campecheholz
Eichenrinde u.s.w., mit Einschluß des adstringirenden Bestandtheiles des Weines.
Bei Anwendung der neuen Methode, welche ich hiermit in Vorschlag bringe, läßt sich
jede wägbare Menge der in Pflanzen oder Pflanzenproducten enthaltenen
adstringirenden Stoffe schnell bestimmen. Dieses Verfahren beruht auf der von Millon (Annales de Chimie et de
Physique) 3. sér. t. XII) beobachteten
Thatsache, daß sich die organischen Substanzen beim Erhitzen ihrer Auflösungen mit
Jodsäure in dreierlei verschiedener Weise verhalten.
Zur ersten Classe gehören diejenigen Körper, deren Oxydation mittelst Jodsäure durch die Gegenwart einer sehr geringen Menge
Cyanwasserstoffsäure (Blausäure) gänzlich verhindert wird. Es sind dieß Oxalsäure,
Ameisensäure, Weinsäure, Meconsäure, Citronsäure, Milchsäure, Amylum, Dextrin, die
Zuckerarten, Salicin, Gummi, ätherisches Kartoffelöl, ätherisches Bittermandelöl;
nach meinen Bestimmungen ferner Cellulose, Strychnin, Brucin, Veratrin und
Amygdalin. Die zweite Classe begreift diejenigen Substanzen, welche in Gegenwart von
Cyanwasserstoffsäure durch Jodsäure oxydirt werden; dahin gehören die
Proteinsubstanzen, Aceton, Gallussäure, Tannin, Kreosot und Morphin. Die Zersetzung
der Proteinsubstanzen findet sehr langsam statt und erfolgt hauptsächlich bei
Einwirkung von intensivem Lichte. Zu der dritten Classe endlich gehören die
Substanzen, welche von Jodsäure gar nicht angegriffen werden, wie Essigsäure,
Buttersäure, Kamphersäure, Harnstoff, Gelatine und meinen Untersuchungen zufolge
auch die Fettsäuren, Valeriansäure, Chinin, Cinchonin, Caffein, Codein, Narcotin und
Asparagin.
Bringt man Jodsäure mit einer Substanz zusammen, durch welche sie selbst in Gegenwart
von Cyanwasserstoffsäure reducirt wird – und zu diesen Substanzen gehören die
pflanzlichen Adstringentien – so kommt wenig darauf an, ob jener reducirenden
Substanz Körper, welche an und für sich inactiv sind, oder es beim Contact mit
Cyanwasserstoffsäure werden, beigemengt sind oder nicht.Die Cyanwasserstoffsäure muß verdünnt seyn. Die von mir angewendete Lösung
enthielt 2,3 Grm. wasserfreie Säure in 100 Kubikcentimeter Flüssigkeit; ich
nahm von derselben zu jedem Versuch etwa 10 Tropfen. Bei stärkerer
Concentration geht die Zersetzung der adstringirenden Substanzen nur langsam
von Statten. Die Untersuchung wird auf folgende Weise angestellt: Zu einem bestimmten
Volum der die adstringirende Substanz in Lösung enthaltenden Flüssigkeit setzt man
einige Tropfen verdünnter Cyanwasserstoffsäure; dann fügt man ein gleichfalls
bekanntes Volum einer titrirten Jodsäurelösung hinzu, so daß diese letztere im
Ueberschuß vorhanden ist; in der Regel genügen 0,5 Grm. Darauf kocht man eine
Viertelstunde lang, wobei das frei gewordene Jod vollständig verschwindet. Dann
entfärbt man die nach dem Erkalten gemessene Flüssigkeit durch Schütteln mit gut
ausgewaschener Thierkohle und bestimmt hernach die noch vorhandene Jodsäure.
Diese Bestimmung der Jodsäure habe ich auf vierfach verschiedene Weise ausgeführt;
nämlich 1) als Jodsilber, durch Zersetzung der Jodsäure mit Schwefligsäure; 2) als
jodsaures Silberoxyd; 3) mit titrirter Auflösung von Indigo in Schwefelsäure; 4) mit
einer titrirten Jodkaliumlösung. Uebrigens geben diese vier Mittel ganz
übereinstimmende Resultate, wie wir sogleich sehen werden. Man braucht nur zu
bestimmen, wie viel Jodsäure einer Einheit Tannin und Gallussäure entspricht, um den
Gehalt der zu untersuchenden Substanzen an diesen Körpern zu erfahren.
Mittelst des Jodsilbers und des jodsauren Silberoxyds bestimmte ich, daß 1 Grm.
Gallussäure durchschnittlich 3,366 Grm. Jodsäure zersetzt Bei Anwendung von 0,10 Grm. Gallussäure fand ich in vier Versuchen:
JO⁵
= 1)
0,2336 Grm.
= 2)
0,2371 „
= 3)
0,2349 „
= 4)
0,2409 „
Im Durchschnitt
=
0,2366 „
Bei Anwendung von 0,10 Grm. Tannin fand ich in gleichfalls
vier Versuchen:
JO⁵
= 1)
0,2410 Grm.
= 2)
0,2261 „
= 3)
0,2304 „
= 4)
0,2305 „
für 1 Grm. Tannin demnach im Mittel 2,320 Grm.
Bei Anwendung der Indigolösung fand ich für 1 Grm. Tannin 2,357 Grm. Jeder Tropfen
des Reagens entsprach 0,00002777 Grm. (oder 0,02777 Milligram.) Jodsäure.
Die Normal-Jodkaliumlösung gab mir für 1 Grm. Tannin 2,296 Grm. Jodsäure, für 1 Grm.
Gallussäure 2,380 Grm. Jodsäure.
Jeder Kubikcentimeter dieser aus 10 Grm. Jodkalium auf 1000 Kub. C. Flüssigkeit
hergestellten titrirten Lösung entsprach 0,00208 Grm. Jodsäure.
Bei Vergleichung dieser Zahlen findet man für das Aequivalent von 1 Grm. Gallussäure an Jodsäure:
1) mittelst der Silbersalze
2,366 Grm.
2) mittelst der Jodkaliumlösung
2,380 Grm.
im Durchschnitt also 2,373 Grm.;
und für
den Werth von 1 Gramm Tannin:
1) mittelst der Silbersalze
2,320 Grm.
2) mittelst der Indigolösung
2,357 Grm.
3) mittelst der Jodkaliumlösung
2,296 Grm.
demnach im Mittel: 2,324 Grm.
Mittelst dieser Methode kann man leicht das durch Gelatine fällbare Tannin und die
dasselbe begleitenden Substanzen gesondert bestimmen. Es genügen dazu zwei Versuche,
wenn man die Vorsichtsmaßregel beobachtet, bei der zweiten Probe die Flüssigkeit,
welche einen Ueberschuß an Fällungsmittel enthalten muß, durch Zusatz einer geringen
Menge von Alkohol zu klären.
Die folgende Tabelle gibt eine gedrängte Uebersicht der von mir ausgeführten
quantitativen Bestimmungen von Pflanzenadstringentien.
Adstringirende Substanzin 100 Gram.
1.
Grüne Galläpfel (Bestimmung durch jodsaures
Silberoxyd)
76,14 Grm.
2.
Andere Sorte grüner
Galläpfel (deßgl.)
81,88 „
3.
Dieselbe
Sorte
(deßgl.)
80,56 „
4.
Andere Sorte grüner Galläpfel, durchlöchert (deßgl.)
79,28 „
5.
Vierte Sorte grüner Galläpfel (Bestimmung mittelst
Jodkalium)
83,48 „
6.
Bestimmung der Gallussäure in einer Sorte grüner
Galläpfel
2,30 „
7.
Reifes, trockenes Johannisbrod (Siliqua dulcis), Schote von Ceratonia siliqua (Bestimmung
durch jodsaures Silberoxyd)
2,93
„
8.
Andere Sorte von reifem, trockenem Johannisbrod
(deßgl.)
4,65 „
9.
Grünes trockenes
Johannisbrod (deßgl.)
21,20 „
10.
Trockene Blätter des Johannisbrodbaumes (deßgl.)
17,82 „
11.
Trockene Blätter von Pistacia
Lentiscus (deßgl.)
16,74 „
12.
Trockene Bärentraubenblätter (von Arbutus Uva Ursi,
Bestimmung durch Jodkalium)
10,54 „
13.
Deßgleichen, andere Sorte (Bestimmung durch jodsaures
Silberoxyd)
8,66 „
14.
Deßgleichen, dieselbe Sorte (Bestim. durch
Indigschwefelsäure)
8,50 „
15.
Trockener Schmack (Blätter von Rhus
coriaria und Rh.
typhina; Bestimmung durch jodsaures
Silberoxyd)
61,12 „
16.
Rinde von Rhus pentaphyllum
(deßgl.)
34,24 „
17.
Deßgleichen (Bestimmung durch Indigschwefelsäure)
33,00 „
18.
Gelbe Chinarinde (Cortex Chinae
fuscae, Bestimmung durch
jodsaures Silberoxyd)
14,20 „
19.
Zweige des Linsenbaumes (Pistacia
Lenticus) ohne Blätter (deßgl.)
11,06 „
20.
Judendornholz (von Zizyphus
vulgaris) ohne Rinde (deßgl.)
24,62 „
21.
Holz von Eucalyptus globulus
(Bestimmung durch Jodkalium)
2,54 „
22.
Holz von Rhus pentaphyllum
(Bestimmung durch jodsaures Silberoxyd)
0,88 „
23.
Campecheholz (deßgl.)
25,58 „
24.
Trockener grüner Kaffee (Bestimmung mittelst
Jodkalium)
5,17 „
25.
Rohes Catechu (Bestimmung durch schwefelsaure
Indiglösung)
55,04 „
26.
Deßgleichen (Bestimmung durch Jodkalium)
54,40 „
27.
Ordinärer südfranzösischer Wein (Bestimmung durch Jodkalium)
im Liter
1,69
„