Titel: | Ueber das Verhältniß, welches beim Schießen und Werfen mit gezogenem Geschütze, wenn dieselbe Schuß- oder Wurfdistanz mit verschiedenen Ladungen erreicht werden soll, zwischen den Pulverladungsgewichten und den zugehörigen Geschoßderivationsbeträgen besteht. |
Fundstelle: | Band 177, Jahrgang 1865, Nr. XXII., S. 120 |
Download: | XML |
XXII.
Ueber das Verhältniß, welches beim Schießen und
Werfen mit gezogenem Geschütze, wenn dieselbe Schuß- oder Wurfdistanz mit
verschiedenen Ladungen erreicht werden soll, zwischen den Pulverladungsgewichten und den
zugehörigen Geschoßderivationsbeträgen besteht.
Ueber die Derivationen der Spitzgeschosse, welche mit verschiedenen
Pulverladungen dieselbe Schutzweite erreichen sollen.
Die Ueberlegungen, welche in der, Anfangs dieses Jahres erschienenen zweiten Ausgabe
der Schrift des Referenten: „Die Derivation der Spitzgeschosse als Wirkung
der Schwere“ veröffentlicht worden sind, führten S. 142 zu dem
Ergebnisse: „daß die Derivationen von um ihre
Längenachse rotirenden Spitzgeschossen gleicher Art,
welche mit verschiedenen Pulverladungen dieselbe
Schußweite erreichen sollen, annähernd den 1,7 ten Potenzen der Ladungsgewichte umgekehrt proportional seyn
müssen,“ wenn man, nach Prehn's
Ballistik S. 49 die Anfangsgeschwindigkeiten der Geschosse eines gezogenen
Geschützes den 1,8ten Wurzeln aus den Ladungsgewichten, die durch Erreichung
derselben Schuß- oder Wurfweite mittelst verschiedener Ladungen entstehenden
Seitenabweichungen der um ihre Längenachse rotirenden Spitzgeschosse aber, der
obengenannten Theorie entsprechend, den dritten Potenzen der Geschoßflugzeiten
annähernd proportional setzt, welche letzteren wieder, nach Prehn's Ballistik der gezogenen Geschütze S. 36, mit den
Anfangsgeschwindigkeiten der fortschreitenden Geschoßbewegung annähernd in
umgekehrter Proportionalität stehen.
Zur Vergleichung dieses Resultates der Theorie mit den Ergebnissen der Praxis wurde
ferner S. 143 der oben genannten Schrift des Referenten die Berechnung ausgeführt,
wievielmal in dem Falle daß ein z.B. auf 2000 Schritt Entfernung aufgestelltes Ziel
sowohl mit 1,2 Pfd. als auch mit 0,5 Pfd. Pulverladung erreicht werden solle, die
Geschoßderivation, der aufgestellten Theorie entsprechend, bei Anwendung von 0,5
Pfd. Ladung größer, als bei Anwendung von 1,2 Pfd. Ladung seyn müsse und es ergab
sich hieraus der Factor 4,4, während die 1864 in der Vossischen Buchhandlung zu
Berlin herausgegebene Schußtafel für den Feld-Sechspfünder in genanntem Falle
den Factor 4,6, nämlich bei 1,2 Pfd. Ladung die Seitenverschiebung 2,5 und bei 0,5
Pfd. Ladung die Seitenverschiebung 11,5 = 4,6 . 2,5 Sechzehntel-Zoll
vorschreibt; – ein Ergebniß, welches, die Erfahrung als Prüfstein der Theorie
betrachtet, für letztere in diesem Falle wohl günstig genannt werden dürfte, und so
zu weiteren
Prüfungen derselben an der Hand der Praxis aufforderte, über deren bisherigen
Verlauf hier, mit der Bitte um eine möglichst allgemeine artilleristische
Betheiligung an zu demselben Zwecke anzustellenden Versuchen, jetzt Bericht
erstattet werden soll.
Nach hier bekannt gewordenen Schießergebnissen nämlich, haben die in oben erwähnter
Schußtafel für den gezogenen Feld-Sechspfünder für Würfe mit 0,5 Pfund
Pulverladung angegebenen Seitenverschiebungsbeträge von: 5 1/2, 7, 8 1/2, 10
Sechzehntel-Zoll für Zielentfernungen von 1200, 1400, 1600, 1800 Schritt
unter günstigen Witterungsverhältnissen ganz besonders gute Treffresultate ergeben,
und man hielt es daher für angemessen, diese Derivations-Ausgleichungen
zunächst nach den Principien der Theorie: „Die Derivation der
Spitzgeschosse als Wirkung der Schwere“ auf die Feldladung von 1,2
Pfd. zu übertragen, wozu nach Obigem die Proportionen:
1,21,7 : 0,51,7
= 10 : x = 2,2
= 8,5 : x = 1,9
= 7 : x =
1,5
= 5,5 : x = 1,2
dienen und es ergab sich dadurch die Zusammenstellung, daß für
1,2 Pfd. Pulverladung und Zielentfernungen von
1800, 1600, 1400,
1200 Schritt
die Seitenverschiebungen des Visiraufsatzes zu betragen
haben:
nach der neuesten Schußtafel von 1864
2
1,5
1
1
Sechzehntel-Zoll
nach der Theorie
2,2
1,9
1,5
1,2
„
nach der älteren Schußtafel von 1861
3
2,5
2
1,5
„
Die durch Rechnung festgestellten Resultate der Theorie liegen in diesem Falle also
zwischen den älteren und neueren Resultaten der Schießpraxis, und zwar bilden
dieselben bei der Seitenverschiebung für 1400 Schritt Zielabstand genau die Mitte
zwischen beiden, während alle anderen nach der Theorie berechneten Resultate den
neueren Feststellungen näher als den früheren stehen, welche letztere auch schon
nach speciell hier vorliegenden Versuchsresultaten als zu groß erkannt worden waren.
Es dürfte also auch dieses Ergebniß für die Anwendbarkeit der in Rede stehenden
Theorie sprechen.
Weiter wurde dann auch nach den Proportionen:
0,31,7 : 0,51,7
= 5,5 : x = 13,1
= 5 : x =
11,9
= 4,5 : x = 10,7
berechnet, wieviel Seitenverschiebung der Theorie gemäß bei
0,3 Pfund Ladung auf:
1200
1100 1000 Schritt
Zielentfernung zu nehmen ist, wenn auf diese Entfernungen, bei
0,5 Pfd. Pulverladung, die Seitenverschiebungen von
5,5 5 4,5 Sechzehntel-Zoll
gerade genügen, und es ergab sich dadurch die
Zusammenstellung, daß, während in diesem Falle
nach der Schußtafel von 1864
19,5
16
13,5
Sechzehntel-Zoll
Seitenverschiebung genommen werden sollen,
der Theorie nach nur
13,1
11,9
10,7
Sechzehntel-Zoll
zu nehmen seyn dürften, eine Differenz zwischen den
Ergebnissen von Theorie und Praxis, welche zur Nachforschung nach noch weiteren
Schießresultaten derselben Art Veranlassung gab, wobei sich dann auch fand, daß bei
Anwendung der durch genannte Schußtafel vorgeschriebenen Seitenverschiebungen
von
19,5
und
13,5
Sechzehntel-Zoll
auf
1200
und
1000
Schritt Zielentfernung im Mittel von freilich nur
je zehn Würfen
7,3 und 2,4 Schritt zu weit links
geworfen worden war, was auf genannte Distanzen
beziehungsweise
7,4 und 3 Sechzehntel-Zoll
Seitenverschiebung beträgt und wornach sich für diese beiden
Distanzen die Vergleichung ergibt, daß man auf denselben mit 0,3 Pfd. Ladung an
Seitenverschiebung zu nehmen hätte:
nach der neuesten Schußtafel von 1864
19,5 und 13,5 Sechzehntel-Zoll
nach der Theorie
13,1 und
10,7
„
nach speciell hier vorliegenden Schießresultaten
12,1 und
10 „
Die Theorie neigt sich in diesem Falle also entschieden den speciell hier
vorliegenden Wurfresultaten zu, welche letztere vielleicht sogar gänzlich mit
derselben übereinstimmen würden, wenn bei dem in Rede stehenden Schießversuche nicht
ein schwacher von rechts her kommender Luftzug geherrscht
hätte. – Es kann von so wenigen Schüssen aber allerdings nichts
Entscheidendes erwartet werden und es mögen diese Zeilen also auch nur zur
Unterstützung der Bitte dienen, Versuchs-Prüfungen der genannten Art nach
Thunlichkeit eintreten lassen zu wollen, was die nach Obigem nunmehr in Aussicht
stehende Möglichkeit Geschoßderivationsbeträge auch a
priori, durch Rechnung, bestimmen zu können, wohl verdienen dürfte.
Cassel, im Juni 1865.
Dy., Artillerie-Hauptmann.