Titel: | Untersuchungen über die pflanzliche Natur der Hefe; von Hoffmann in Gießen. |
Fundstelle: | Band 177, Jahrgang 1865, Nr. LII., S. 241 |
Download: | XML |
LII.
Untersuchungen über die pflanzliche Natur der
Hefe; von Hoffmann in Gießen.
Aus den Comptes rendus,
t. LX p. 633, März 1865.
Hoffmann, über die pflanzliche Natur der Hefe.
In einem im Februar 1860 in der „Botanischen Zeitung“
veröffentlichten und aus dieser in die „Annales des
sciences naturelles“ von demselben Jahre aufgenommenen
Aufsatze wies ich nach, daß Traubenmost nach genügend
langem Kochen nicht in Gährung übergeht, und daß sich in ihm nicht die geringste
Spur von irgend welchen niederen Organismen entwickelt, selbst nicht in Berührung
mit gewöhnlicher atmosphärischer Luft, vorausgesetzt, daß der in der letzteren
enthaltene Staub zur Flüssigkeit keinen Zutritt hat. Ich beschrieb damals einen sehr
einfachen Apparat, mittelst dessen sich dieser Versuch mit vollkommenem Erfolge
ausführen läßt. In demselben Aufsatze zeigte ich auch, daß die Weinhefe in gewissen kleinen Pilzen, einem Schimmel, welcher an der
äußeren Oberfläche der Trauben sitzt, ihren Ursprung hat.
Im Nachfolgenden werde ich den Ursprung und die wahre botanische Natur der Bierhefe und der Bäckerhefe
– meiner Ansicht nach, bis zum heutigen Tage noch ungelöste Räthsel –
nachweisen. Jedenfalls war es ziemlich wahrscheinlich, daß diese elementaren Gebilde
von gewissen gewöhnlichen Schimmelbildungen herrühren müssen, obschon überzeugende
Beweise dafür bis jetzt noch nicht gegeben waren. Die nachstehenden Erläuterungen
werden zeigen, daß aus der Bierhefe, wenn sie,
vollständig gegen den Zutritt fremdartiger Keime geschützt, cultivirt wird, das Penicillium glaucum entsteht, wogegen aus der von den
Branntweinbrennern erzeugten und in fast trocknem Zustande aufbewahrten Bäckerhefe (Preßhefe) entweder dieselbe Pflanze, oder der
Mucor racemosus, und zwar bald in Verbindung mit dem
Penicillium glaucom, bald – und dieß ist der
häufigere, gewöhnliche Fall – für sich allein sich bildet; ferner daß sich
beim Aussäen einer genügenden Anzahl von Sporen dieser Pflanzen in eine
zuckerhaltige Flüssigkeit, z.B. Honigwasser, nicht allein eine große Menge reiner
Kohlensäure so lange entwickelt, bis der vorhandene Zucker vollständig zersetzt ist,
sondern daß sich auch gleichzeitig Hefe bildet, welche, wenn sie weiter cultivirt
wird, dieselben Producte gibt, von denen sie herstammt. Zur Feststellung dieser
Thatsachen dienten mir die im Nachstehenden beschriebenen Apparate.
1) Vorrichtung zur Cultur der Hefe. – Eine unten
zugeschmolzene weite
Glasröhre wird zur Hälfte mit kochendem Wasser gefüllt; in dieses wird ein Stück
rohe Kartoffel, aus dem Innern der Knolle geschnitten, oder auch ein Stück Brodrinde
gebracht; dann verschließt man den Glascylinder leicht mit einem Pfropfen und kocht
den Inhalt desselben eine Viertelstunde lang, worauf man das Wasser abschüttet,
indem man den Pfropfen etwas lüftet und den Cylinder horizontal hält; endlich bringt
man nach genügendem Erkalten mittelst einer Nadel einige Spuren von Hefe auf die
Kartoffel und verstopft die Glasröhre wieder ganz leicht. Nach acht Tagen sieht man
die oben erwähnten Schimmelbildungen in voller Fructification und zwar genau an
derselben Stelle, wo die Hefe eingepflanzt worden ist.
2) Apparat zur Fermentation. – Ein unten
zugeschmolzener Glascylinder wird mit Honigwasser gefüllt und dieses einige Zeit im
Kochen erhalten. Die Mündung des Glascylinders wird mit einem durchbohrten Korke
verschlossen, durch welchen ein enges, 3 Zoll langes Glasrohr geht. Nachdem die
Flüssigkeit hinreichend erkaltet ist, nimmt man den Pfropfen ab, bringt eine Portion
reiner Sporen der oben genannten Pilze in die Flüssigkeit und verschließt dann die
Oeffnung des Rohres sorgfältig, doch so, daß zwischen der Oberfläche der Flüssigkeit
und dem Pfropfen noch etwas Luft zurückbleibt. Darauf kehrt man den Apparat um und
stellt ihn in einen anderen etwas weiteren Glascylinder, welcher am Boden ein wenig
reinen Wassers enthält, durch welches verhütet werden soll, daß in Folge der durch
Schwankungen der äußeren Temperatur verursachten Volumveränderungen des im
verpfropften Rohr enthaltenen Gases von außen Luft angesogen wird, durch welche die
Zusammensetzung des gasförmigen Gährungsproductes verändert werden würde. Dieser
Apparat wird nun einer Temperatur von 15° bis 30° C. ausgesetzt; im
Verlaufe von vierzehn Tagen tritt dann die Gährung ein, welche allerdings stark,
aber vollkommen normal ist. Um einen Anhaltspunkt zur Vergleichung zu haben,
empfehle ich gleichzeitig mehrere derartige Apparate vorzurichten, die man entweder
mit gewöhnlicher Hefe, oder mit Staub aus einem Zimmer (durch welchen ganz
vollständige Gährung eingeleitet wird), oder endlich mit gar Nichts versetzt.