Titel: | Die Expansions-Steuerung von A. Olivier, Mechaniker in Bordeaux. |
Fundstelle: | Band 177, Jahrgang 1865, Nr. LXXVI., S. 336 |
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LXXVI.
Die Expansions-Steuerung von A. Olivier, Mechaniker in Bordeaux.
Aus
Armengaud's Génie industriel, Juni 1865, S. 326.
Mit Abbildungen auf Tab.
VI.
Olivier's Expansions-Steuerung.
Hr. Olivier ließ sich kürzlich (in Frankreich) einen neuen
Steuerungs-Mechanismus für Dampfmaschinen patentiren, dessen
Hauptbestandtheil eine sich drehende kreisförmige Scheibe ist, die mit Oeffnungen
versehen und in eine Dampfkammer von derselben Form eingeschlossen ist, welche
letztere den Schieberspiegel bedeckt, an dem die Dampfcanäle ausmünden. Dieser
Mechanismus ist durch eine Platte vervollständigt, welche in verschiedener Stellung
auf die Rückseite der beweglichen Scheibe befestigt werden kann, wodurch man in den
Stand gesetzt ist, die Expansion an jedem beliebigen Punkte des Kolbenweges
eintreten zu lassen.
Fig. 18
stellt den Querschnitt eines mit dieser Steuerung versehenen Dampfcylinders dar;
Fig.
19–21 sind die einzelnen Steuerungstheile.
Die erwähnte Scheibe A ist eine kreisförmige gußeiserne
Platte, welche auf dem Spiegel B des Cylinders aufliegt
und vermöge der Befestigung der Dampfkammer C durch
Bolzen an den Flantsch des Spiegels B in der Mitte
erhalten wird. Diese Scheibe, welche Fig. 20 einzeln und zwar
von oben gesehen zeigt, ist mit den zwei durchgehenden Oeffnungen, den Dampfcanälen
a und b versehen, die zu
dem Mittelpunkte der Figur so angebracht sind, daß sie mit zwei kreisförmigen
Dampfeinströmungsöffnungen a' und b' in dem Spiegel B correspondiren, welche
Figur 19
in der Vorderansicht darstellt.
Unabhängig von den beiden Dampfcanälen a und b ist die Scheibe A auf
ihrer Berührungsfläche mit dem Spiegel mit einer Höhlung d versehen, deren Mündung groß genug ist, um mit den
Dampfeinströmungsöffnungen a' und b' (aber nicht gleichzeitig) in Communication treten zu können; die
Mündung der Höhlung d ist am Mittelpunkte der Scheibe
abgerundet und correspondirt daselbst mit dem Canale d',
durch welchen der gebrauchte Dampf ausströmen muß.
Wenn man annimmt, daß die Scheibe A in eine
ununterbrochen rotirende Bewegung versetzt wird, so findet Folgendes statt:
Bei jeder Umdrehung passiren die Dampfcanäle a und b nach einander jede von den Dampfeinströmungsöffnungen
a' und b' des Spiegels
und während die eine
der beiden passirt und mit der zugehörigen Dampfeinströmungsöffnung in Communication
tritt, geht die andere offenbar über eine volle Stelle hin, das heißt die beiden
Dampfeinströmungsöffnungen a' und b' werden abwechselnd von der sich drehenden Scheibe geöffnet und bedeckt,
und folglich gelangt der die Dampfkammer C anfüllende
und fortwährend durch das Rohr e in diese einströmende
Dampf der Reihe nach durch diese beiden Dampfeinströmungsöffnungen in den Cylinder
und die Dampfvertheilung wird also in Bezug auf die Bewegung des Kolbens ganz in der
gewöhnlichen Weise bewerkstelligt.
Hinsichtlich des Ausströmens des gebrauchten Dampfes haben wir noch zu bemerken, daß
die Höhlung d, da sie auf der entgegengesetzten Seite
der Dampfcanäle liegt, offenbar immer mit derjenigen von den
Dampfeinströmungsöffnungen a' und b' in Verbindung tritt, welche von ihrem zugehörigen Dampfcanale
abgeschlossen ist.
Ehe wir zu der Beschreibung des Expansions-Mechanismus übergehen, wollen wir
erst noch die Vorrichtung erklären, welche der Erfinder zur Ingangsetzung der
Scheibe A anwendet. Letztere ist in ihrer Mitte mit
einer schmiedeeisernen Büchse f versehen, deren Oeffnung
nach außen quadratisch gestaltet ist; in diese Oeffnung wird das Ende einer Achse
D eingezapft, die durch eine gewöhnliche Stopfbüchse
im Deckel der Dampfkammer hindurchgeht und außerhalb zwei in einem rechten Winkel zu
einander stehende Kurbeln bildet. Die Zapfen g dieser
beiden Kurbeln werden von Lagern umfaßt, die in zwei Gleitrahmen E befestigt sind; letztere sind mit Leitstangen armirt,
von denen die eine quadratisch ist und in einer an den Flantsch der Dampfkammer
befestigten Führung von derselben Form festgehalten wird, während die andere rund
ist und in einem Supporte ihre Führung erhält.
Jeder von den beiden Supporten ist also doppelt, weil zwei gleiche Systeme vorhanden
sind, die nebeneinander arbeiten. Da diese beiden Gleitrahmen mit ihren Leitstangen
von zwei Excentrics, deren Stangen verbunden sind, eine geradlinige hin- und
hergehende Bewegung empfangen, so ergibt sich hieraus für die beiden Kurbeln der
Welle D dieselbe ununterbrochene kreisförmige Bewegung,
als wenn sie durch Kurbelstangen oder direct durch die Excentricstangen umgedreht
würden.
Es ist übrigens leicht einzusehen, daß die Verdoppelung der treibenden
Maschinentheile hier nur den Zweck hat, die ununterbrochene Fortdauer der
kreisförmigen Bewegung zu sichern, was sich eben durch verschiedene mechanische
Vorrichtungen erreichen läßt.
Es erübrigt nun noch eine specielle Beschreibung der Einrichtung, vermöge deren die veränderliche Expansion jeder Zeit stattfinden
kann.
Auf die Rückseite der Scheibe A (die hier der Vertheilungsschieber ist) legt der Erfinder eine
Metallplatte G, welche so angefertigt ist (wie Fig. 21 im
Detail zeigt), daß sie zwei volle Stellen a² und
b² und zwei ausgeschlagene a³ und b³
enthält, welche letztere mit den beiden Dampfeinströmungsöffnungen a' und b' in dem Spiegel
zusammenfallen; ferner ist die Platte G in ihrem
Mittelpunkte mit einer runden Oeffnung k versehen,
mittelst welcher sie auf die schmiedeeiserne Hülse f
aufgesteckt wird, mit der die Scheibe A armirt ist.
Nimmt man nun an, daß diese Platte in eine Stellung gebracht wird, bei der ihre
beiden durchbrochenen Stellen a³ und b³ genau den Dampfeinströmungsöffnungen a' und b' des Spiegels
gegenüber stehen, so ist es klar, daß der Dampf durch die zwischen beiden
befindliche Scheibe A hindurch so in den Cylinder
eingeführt wird, als ob die Platte G nicht vorhanden
wäre, das heißt es findet gar keine Expansion statt. Befinden sich dagegen die
vollen Stellen a² und b² den Dampfeinströmungsöffnungen a'
und b' gegenüber, so kann der Dampf trotz der Bewegung
des Schiebers an keinem Punkte des Kolbenhubes eingeführt werden, das heißt es
findet gar keine Admission des Dampfes statt.
Zwischen diesen beiden extremen Stellungen, nämlich für die volle Admission und für
die gänzliche Verhinderung derselben, kann die Platte G
alle möglichen Zwischenstellungen annehmen, bei welchen die Admission des Dampfes
auf eine beliebige Dauer während der halben Umdrehung der Scheibe A und folglich auch während des Kolbenhubes beschränkt
wird.
Die Expansionsplatte wird zu diesem Zwecke nach Belieben mit Hülfe von Zahnrädern
veränderlich gestellt, welche außerhalb der Dampfkammer für die Hand zugänglich
angebracht sind. Auf diese Platte ist ein gezahnter Sector H befestigt, in welchen ein Getriebe l
eingreift, dessen Welle J durch eine Stopfbüchse der
Dampfkammer hindurchgeht und außerhalb ein Handschwungrad K trägt, mittelst dessen man diese Welle und folglich auch das Getriebe
nebst der Expansionsplatte umdreht.
Um die verschiedenen Stellungen der Expansionsplatte dem gewünschten Expansionsgrade
entsprechend geben zu können, sind mehrere Mittel anwendbar.
Wenn nach dem Verhältnisse des Getriebes zu dem Sector mehrere Umdrehungen der Welle
J zur vollständigen Aenderung in der Stellung
(nämlich von einem Extreme zum anderen) der Expansionsplatte erforderlich sind, so kann man
sich der in Fig.
18 dargestellten Einrichtung bedienen. Bei dieser ist die Welle J mit einem Gewinde versehen, und trägt eine
Schraubenmutter mit Index l, welche, je nachdem man die
Welle dreht, eine höhere oder tiefere Stellung einnimmt, die auf einer graduirten
Platte m abgelesen werden kann.
Genügt dagegen ein mehr oder weniger großer Bruchtheil von einer Umdrehung der Welle
J, um der Expansionsplatte alle Stellungen zu geben,
so kann man das Schwungrad K mit einem entsprechend
eingetheilten Zifferblatte in Verbindung bringen.