Titel: | Beiträge zur Kenntniß der Anilinfarbstoffe; von Professor G. Städeler in Zürich. |
Fundstelle: | Band 177, Jahrgang 1865, Nr. XCVI., S. 395 |
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XCVI.
Beiträge zur Kenntniß der Anilinfarbstoffe; von
Professor G. Städeler in Zürich.Mitgetheilt aus Bd. X der Vierteljahresschrift der naturforschenden Gesellschaft
in Zürich.
Städeler, Beiträge zur Kenntniß der Anilinfarbstoffe.
Die Anilinfarbstoffe entstehen aus Anilin oder Gemengen von Anilin und Toluidin im
Allgemeinen durch Einwirkung solcher Stoffe, welche diesen Körpern Wasserstoff zu
entziehen vermögen, und es war deßhalb nicht unwahrscheinlich, daß auch durch
Einwirkung von Anilin oder Toluidin auf verwandte wasserstoffärmere Stoffe sich die
Farbstoffe direct würden erzeugen lassen. Solche wasserstoffärmere Stoffe sind
hauptsächlich das Azobenzol:
C²⁴H¹ºN², Hydrazobenzol und Benzidin:
C²⁴H¹²N², und ebenfalls könnte man das Nitrobenzol: C¹²H⁵NO⁴ dahin zählen. Ich habe
diese Körper theils für sich, theils gemengt mit Anilin oder Toluidin und deren
Salzen in Glasröhren eingeschlossen und dieselben bei allmählich steigender Hitze
einer etwa zweistündigen Temperatur von 180–230° C. ausgesetzt. Das
Resultat dieser Versuche hat meine Voraussetzung vollkommen bestätigt, und wenn die
erhaltenen Farbstoffe auch nicht, wie ich gehofft hatte, mit den bis jetzt bekannten
identisch zu seyn scheinen, so zeichnen sie sich doch durch ihre lebhaft violetten
und blauen Farben aus, und sie scheinen um so mehr Beachtung zu verdienen, da ihre
Darstellung sehr einfach und das dazu erforderliche Material zum Theil billiger ist,
zum Theil kaum höher zu stehen kommt wie das Anilin selbst.
Das zu meinen Versuchen dienende Anilin und Nitrobenzol wurden aus reiner
Harnbenzoesäure dargestellt. Die käufliche Säure war frei von Hippursäure, sie war
aber etwas gefärbt und hatte einen höchst widerwärtigen urinösen Geruch, der durch
Behandlung mit Kohle nicht zu entfernen war. Um sie zu reinigen, wurde sie mit 2
Proc. Natron vermischt, in der 5fachen Menge heißen Wassers gelöst und zur
Krystallisation hingestellt. Die angeschossene Säure hatte nur noch einen schwachen
Nebengeruch, den sie vollständig verlor, als sie einige Zeit einer Ozonatmosphäre
ausgesetzt wurde. – Das daraus dargestellte Benzol hatte einen Siedepunkt von
78° bei 728 Millim. Barometerstand. – Die fast vollständige Umwandlung
in Nitrobenzol gelingt, wenn man unter mäßiger Abkühlung gleiche Volume Benzol und
Salpetersäurehydrat allmählich mengt und dann so lange schüttelt als noch
freiwillige Erwärmung stattfindet. Das zuerst mit Wasser, dann mit etwas
kohlensaurem Natron gewaschene Product wurde über Chlorcalcium getrocknet und aus
einem Kolben rectificirt, dessen Hals durch ein Destillationsrohr verlängert war, so
daß die Thermometerscale ganz von Dampf umgeben war, während das Quecksilber 1
Centimeter über der siedenden Flüssigkeit stand. Um Abkühlung zu vermeiden, wurde
das Destillationsrohr mit Baumwolle umwickelt und nur der zur Beobachtung nöthige
Raum freigelassen. Bei 730 Millim. Druck siedet unter diesen Umständen das reine
Nitrobenzol bei 205°, während man in verschiedenen Werken 213° und
auch 219–220° als den Siedepunkt des Nitrobenzols angegeben
findet.
Der Siedepunkt des Benzols war in demselben Apparat bestimmt worden. Das angewandte
Thermometer stimmte mit einem sehr guten Thermometer von Fastré genügend überein.
Um das Nitrobenzol in Anilin umzuwandeln, wurde 1 Theil desselben in 1 1/2 Thln.
Essigsäurehydrat gelöst, 1 1/2 Theile frisch bereitete Eisenfeile eingetragen und
geschüttelt, während durch mäßige Abkühlung zu starke Erhitzung vermieden wurde.
Nachdem die Masse gelatinös geworden, wurde etwas Wasser zugesetzt und mit dem
Schütteln fortgefahren, bis keine freiwillige Erwärmung mehr wahrzunehmen war.
Darauf wurde mit viel Wasser verdünnt, mit Natron übersättigt und eine Destillation
vorgenommen. Um das Anilin von unzersetztem Nitrobenzol, das übrigens nur spurweise
vorhanden war, zu befreien, wurde das Destillat mit Schwefelsäure übersättigt, das
Nitrobenzol abdestillirt und dann das Anilin mit Natron in Freiheit gesetzt und
ebenfalls überdestillirt.
Das so gewonnene Anilin löst sich bei 22° C. in 31,15 Theilen Wasser und
siedet in demselben Apparate, der beim Nitrobenzol angewandt wurde, unter 730
Millim. Druck bei 188°. – Es wird durch Chlorkalklösung prachtvoll
violett gefärbt; in concentrirter Schwefelsäure gelöst, wird es durch chromsaures
Kali tief indigblau; beim Erhitzen mit Sublimat färbt es sich violett,Erhitzt man eine dünnbreiförmige Mischung von Sublimat und reinem Anilin, so
wird sie zunächst gelb. Beim Schütteln zieht sich die geschmolzene Masse in
die Höhe und bekleidet die Glaswand mit einer weißen Kruste. Erhitzt man
diese wiederholt etwas über den Schmelzpunkt, so tritt, wahrscheinlich durch
gleichzeitige Einwirkung des atmosphärischen Sauerstoffs, schön violette
Färbung ein. – Diese Farbe kann nicht verwechselt werden mit der,
welche toluidinhaltiges Anilin hervorbringt. Setzt man zu der breiförmigen
Mischung von reinem Anilin und Sublimat eine äußerst geringe Menge Toluidin,
so erhält man beim Erhitzen über den Schmelzpunkt sogleich ein prachtvolles
Roth. mit Zinnchlorid im zugeschmolzenen Glasrohr über 160° braun. Beim
Erhitzen mit 2 Aeq. Arsensäure wird es zwischen 150–160° fast
vollständig in Pigmente verwandelt, worüber weiter unten das Nähere.
Das zu den Versuchen dienende Toluidin war nach der früher von Dr. Arndt und mir angegebenen MethodeVierteljahresschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich, Bd. IX. S.
188. – Chemisches Centralblatt, 1864 S. 707. aus Acettoluidin dargestellt worden. Es war rein weiß, färbte sich nicht an
der Luft, schmolz bei 45° und siedete bei 730 Millim. Barometerstand zwischen
205 und 206° ohne Zersetzung. Das überdestillirte Toluidin hatte denselben
Schmelzpunkt wie vor der Destillation. Die Siedepunktsdifferenz zwischen Anilin und
Toluidin beträgt also genau 18°. – Bekanntlich nahm man bisher für das
Toluidin den Schmelzpunkt 40° und den Siedepunkt 198° an.
Was endlich das Azobenzol anbetrifft, so wurde dasselbe aus dem Antheile des
käuflichen Nitrobenzols dargestellt, welcher bei 105° siedet. Eine Mischung
von 1 Theil Nitrobenzol, 1 Thl. Kalihydrat und 8 Volmen Weingeist wurde etwa eine Stunde lang in der
Weise gekocht, daß der verdampfende Weingeist zurückfloß (wobei sich auch dann
huminartige Stoffe bilden, wenn man reines, aus Benzoesäure dargestelltes
Nitrobenzol anwendet), darauf wurde der Weingeist abdestillirt und bei gewechselter
Vorlage die Hitze so lange verstärkt, als noch Anilin und Azobenzol
überdestillirten. Im Rückstande findet sich viel oxalsaures Kali. Das Destillat
wurde durch Ausziehen mit verdünnter Salzsäure von Anilin befreit, und der Rückstand
aus einer Mischung von Weingeist und Aether umkrystallisirt. Das Azobenzol schoß in
großen sehr regelmäßig ausgebildeten Krystallen an, die die Farbe des frisch
krystallisirten zwiefach-chromsauren Kalis besaßen und etwa die Hälfte vom
Gewicht des angewandten Nitrobenzols betrugen.
Nachdem ich die Darstellung und Eigenschaften der genannten Körper hinreichend genau
mitgetheilt habe, um daraus einen Schluß auf die Reinheit derselben ziehen zu
lassen, gehe ich zu dem Verhalten dieser Körper beim Erhitzen über.
1. Azobenzol und Anilin.
Azobenzol verändert sich nicht, wenn es im zugeschmolzenen Glasrohr auf 230°
erhitzt wird, ebensowenig eine Mischung von Azobenzol und reinem Anilin. Auch
salzsaures Anilin für, sich oder mit der äquivalenten Menge Anilin gemengt, erleidet
beim Erhitzen keine wesentliche Zersetzung. Im letzten Falle bildet sich zwischen
150–160° eine violette, bei 200–230° eine blaue
harzähnliche Substanz, aber nur in sehr geringer Menge, deren Entstehung ohne
Zweifel der oxydirenden Einwirkung der im Glasrohr eingeschlossenen Luft
zugeschrieben werden muß.
Erhitzt man salzsaures Anilin und Azobenzol in dem Aequivalentverhältniß 2 : 1, im
zugeschmolzenen Rohr, so wird die Mischung bei etwa 170° schön violett und
bei weiterem langsamem Erhitzen auf 230° tief dunkelblau. Durch wiederholtes
Auskochen mit Wasser gieng ein an Salzsäure gebundener violetter Körper in Lösung.
Die Hauptmenge blieb unangegriffen, löste sich aber mit Hinterlassung von etwas
huminartiger Substanz in Weingeist mit rein blauer Farbe und lieferte beim
Verdunsten eine glänzend kupferrothe Masse, ganz ähnlich dem im Handel vorkommenden
Anilinblau.
Um das Violett zu reinigen, wurde die wässerige Lösung durch Abdampfen mäßig
concentrirt, darauf kalt mit Natron gefällt, der bräunlich violette Niederschlag
vollständig ausgewaschen und mit Weingeist übergossen, worin er sich bis aus einen kleinen dunkeln
Rückstand löste. Die violette Lösung wurde mit Salzsäure vermischt, wodurch sie
einen mehr bläulich violetten Ton annahm, der bei größerer Concentration während des
Abdampfens in ein reines Blau übergieng. Nach Austreibung der freien Salzsäure war
der trockene Rückstand glänzend kupferroth und bei Behandlung mit wenig kaltem
Wasser gieng ein prachtvolles Violett in Lösung, während etwas Blau zurückblieb.
Erhitzt man eine Mischung von gleichen Aequivalenten Azobenzol und salzsaurem Anilin
auf die angegebene Temperatur, so erhält man dieselben Farbstoffe, daneben aber
unzersetztes Azobenzol, das man der erkalteten Masse neben einer braunen Materie mit
etwas verdünntem kaltem Weingeist entziehen kann.
2. Azobenzol und Toluidin.
Das Toluidin wurde als salzsaures Salz angewendet und 2 Aeq. dieses Salzes mit 1 Aeq.
Azobenzol allmählich auf 230° erhitzt. Die nur in sehr dünner Schicht
dunkelblau, sonst schwarz erscheinende Masse wurde anhaltend mit Wasser gekocht,
wobei unzersetztes Toluidin neben einem schön rubinrothen Farbstoff ausgezogen
wurde, dessen Farbe auf Zusatz von etwas Salzsäure noch lebhafter wurde. Dieser
Farbstoff ist in Wasser leichter löslich wie das salzsaure Toluidin; er wird durch
Natron aus seiner Lösung gefällt und durch salzsäurehaltiges Wasser mit rubinrother
Farbe wieder gelöst.
Kocht man die Masse wiederholt mit Wasser aus, so geht bei den späteren Kochungen
eine kleine Menge eines violetten Farbstoffes in Lösung, der große Aehnlichkeit mit
dem aus Anilin und Azobenzol erhaltenen hat. Läßt man aber die Lösung offen an der
Luft stehen, so scheidet sich allmählich ein bläulich violetter Körper ab und die
davon Mitritte Flüssigkeit erscheint dann rein fuchsinroth, enthält aber nur äußerst
wenig Farbstoff. – Die abgeschiedene Substanz löst sich mit Zurücklassung
einiger blauer Flocken mit violetter Farbe in salzsäurehaltigem Wasser.
Der durch wiederholtes Auskochen mit Wasser nicht gelöste Rückstand wird von
Weingeist mit blauer Farbe gelöst, wobei übrigens ziemlich viel Huminsubstanz
zurückbleibt. Die blaue Farbe der Lösung ist nicht sehr rein und bekommt auf Zusatz
einer gewissen Menge Wasser einen Stich in's Violette, der durch Salzsäure wieder
verschwindet. Durch Verdunsten der weingeistigen Lösung erhält man einen
dunkelbronzefarbenen Rückstand, der nicht den Kupferglanz hat, wie der aus Anilin
und Azobenzol dargestellte blaue Farbstoff.
3. Anilin und Nitrobenzol.
Man kann diese Körper über 200° im zugeschmolzenen Glasrohr erhitzen, ohne daß
man eine Einwirkung wahrnimmt, während salzsaures Anilin sehr energisch auf das
Nitrobenzol einwirkt.
Erhitzt man eine Mischung von 2 Aeq. salzsaurem Anilin und 1 Aeq. Nitrobenzol, so
tritt schon bei 150° violette Färbung ein und bei zunehmender Temperatur wird
die Farbe immer tiefer, zuletzt blau. Hat man nur auf 180° wenn auch mehrere
Stunden erhitzt, so enthält die blaue Masse noch viel unzersetztes Nitrobenzol,
während wenn die Mischung einige Stunden auf 230° erhitzt wurde, die fast
schwarze zusammenhängende Masse kein Nitrobenzol, dagegen freies Anilin enthält.
Kocht man mit Wasser, so erhält man eine tief blaue Lösung mit einer geringen
Beimengung von Violett, die durch Alkalien fast rosenroth wird. Trotz der Intensität
der blauen Farbe enthält diese Lösung doch nur äußerst geringe Mengen von
Farbstoff.
Bei wiederholtem Auskochen mit Wasser wurden die Lösungen reiner blau, enthielten
aber noch weniger Farbstoff als vorher, wurden ebenfalls durch Alkalien geröthet und
durch Salzsäure wieder blau.
Um diesen Farbstoff vollständig auszuziehen, wurde eine Kochung mit mäßig verdünnter
Salzsäure vorgenommen, und so ein Filtrat erhalten, das bei durchfallendem Licht
rein blau, bei auffallendem aber undurchsichtig und fast blutroth erschien. Auch
diese Lösung enthielt nur wenig Farbstoff, der sich beim Uebersättigen mit Natron in
violetten Flocken absetzte. Die Flocken lösten sich bis auf einen geringen
Rückstand, der von verdünnter Salzsäure mit der blauen Farbe der ursprünglichen
Lösung aufgenommen wurde, in Weingeist. Die weingeistige Lösung war, wenn sie nur
eine geringe Spur des Farbstoffs enthielt, rosenroth bis schwach violett, und bei
auffallendem Lichte undurchsichtig und rein roth wie Quecksilberjodid. Enthält sie
mehr als eine Spur des Farbstoffs, so erscheint sie bei durchfallendem Licht blau
und bei auffallendem bläulichroth. Auf Zusatz von Salzsäure werden diese Lösungen
rein und intensiv blau ohne Dichroismus.
Die größte Menge des gebildeten Farbstoffes war bei der Kochung mit Salzsäure
zurückgeblieben und stellte eine dunkle pulverförmige Masse dar, die sich zum
größten Theile in Weingeist löste, während etwas Humin zurückblieb. Die weingeistige
Lösung war rein blau, wurde durch Alkalien nicht geröthet und hinterließ beim
Verdampfen eine kupferglänzende Masse, die mit dem aus Anilin und Azobenzol
erzeugten Blau identisch zu seyn schien.
Die Bildung der Farbstoffe hängt wesentlich ab von dem Verhältnis in welchem man das
salzsaure Anilin mit Nitrobenzol vor der Erhitzung mischt. Werden diese Körper zu
gleichen Aequivalenten angewandt, so ist die Einwirkung bei 150° noch sehr
unvollständig, man erkennt dann eine schwere violettblaue und darüber eine
bräunlichrothe Schicht, die sich nicht mischen. Bei 180° werden die
Flüssigkeiten dunkler und erhitzt man einige Stunden auf 230°, so erhält man
eine theerähnliche, fast schwarze Masse, die nur in sehr dünner Schicht blau
erscheint. Bei der Destillation dieser theerähnlichen Masse mit Wasser geht viel
unzersetztes Nitrobenzol über und man erhält eine violette Lösung, während ein
verhältnißmäßig geringer Rückstand bleibt, der sich in Weingeist mit Zurücklassung
einiger schwarzer Flocken mit schön blauer Farbe löst und beim Verdunsten einen
bronzefarbenen Rückstand hinterläßt.
Die größte Menge des Farbstoffes findet sich in der wässerigen Lösung und wird durch
Natron in Form eines braunen Niederschlags gefällt, während die Flüssigkeit
rosenroth bleibt. Der Niederschlag löst sich mit dunkel kirschrother Farbe in
Weingeist und hinterläßt beim Verdunsten einen grünlich bronzefarbenen Rückstand,
der in Weingeist mit der früheren Farbe löslich ist und auf Zusatz von Salzsäure
einen Stich in's Bläuliche bekommt. Wird diese prachtvoll violette Lösung verdampft
und alle freie Salzsäure ausgetrieben, so bleibt eine violett bronzefarbene Masse
zurück, die sich in Wasser vollständig mit violetter Farbe auflöst und durch einige
Tropfen Salzsäure bedeutend an Schönheit zunimmt.
Setzt man der Mischung von salzsaurem Anilin und Nitrobenzol so viel Weingeist zu,
daß Lösung erfolgt, so findet gegen 200° noch keine Einwirkung statt.
4. Toluidin und Nitrobenzol.
Erhitzt man salzsaures Toluidin und Nitrobenzol in dem Aequivalentverhältniß 2 : 1,
so entsteht bei 180° eine halb geschmolzene bräunliche Masse, die bei
230° schmutzig grünlichbraun und theerähnlich wird. Bei der Destillation mit
Wasser geht eine nicht ganz unbedeutende Menge von Anilin über, das aus dem
Nitrobenzol entstanden seyn muß. Die wässerige Lösung hat eine hell grünlichbraune
Farbe, der bedeutende unlösliche Rückstand ist schwarz, harzähnlich und brüchig, und
gibt mit Weingeist eine braune Lösung, wobei ein dunkler huminähnlicher Körper
zurückbleibt. – Farbstoffe werden bei dieser Einwirkung nicht gebildet.
5. Hydrazobenzol und
Benzidin.
Zur Darstellung des Hydrazobenzols wurde trockenes Ammoniak so lange in Weingeist
geleitet, bis er sich mäßig erhitzt hatte, und dann so viel Azobenzol eingetragen, als
sich bei dieser Temperatur lösen konnte. Darauf wurde ein rascher Strom von
Schwefelwasserstoff eingeleitet, wodurch die Lösung erst dunkler, dann tief braun
wurde, und von da ab wurde die Farbe wieder Heller und zuletzt bräunlich gelb,
während sich die größte Menge des Hydrazobenzols in farblosen Krystallen abschied.
Dieses wurde gesammelt, mit verdünntem Weingeist gewaschen und aus den weingeistigen
Flüssigkeiten der geringe Rest von Hydrazobenzol mit Wasser gefällt. Durch
Umkrystallisiren aus Weingeist wurde es gereinigt.
Erhitzt man das Hydrazobenzol auf 180° im zugeschmolzenen Glasrohr, so
verwandelt es sich in eine rothe ölförmige Flüssigkeit, die bei 230°
schmutzig olivenfarben wird und nach dem Erkalten nicht erstarrt. Bei der Behandlung
mit Salzsäure geht viel Anilin in Lösung und es scheidet sich Azobenzol ab, das
durch eine fremde Substanz dunkel gefärbt ist. Das Hydrazobenzol verhält sich also
beim Erhitzen im Glasrohr ebenso, wie bei der trocknen Destillation, es zerfällt in
Azobenzol und Anilin, und wie die rothe Färbung bei 180° andeutet, findet
diese Spaltung, wenigstens partiell, schon bei nicht sehr hoher Temperatur
statt.
Uebergießt man Hydrazobenzol, um es in das isomere Benzidin zu verwandeln, mit wenig
concentrirter Salzsäure, so findet unter heftigem Zischen und Erhitzung fast
vollständige Zersetzung statt, und man erhält eine grünliche und violette Masse, die
sich in kochendem Wasser theilweise mit violetter Farbe löst. Wie es scheint,
entsteht bei dieser Zersetzung Azobenzol und salzsaures Anilin, die bei der erhöhten
Temperatur weiter auf einander einwirken und etwas Anilinviolett bilden.
Zur Darstellung des Benzidins wurde nun das Hydrazobenzol mit verdünnter Salzsäure
übergossen, im Wasserbade zur Trockne verdampft und der Rückstand aus siedendem
Wasser krystallisirt. Neben dem schwerlöslichen salzsauren Benzidin war auch ein
leichtlösliches salzsaures Salz in geringerer Menge gebildet worden, das ich nicht
näher untersucht habe.
Erhitzt man salzsaures Benzidin im zugeschmolzenen Glasrohr, so färbt es sich
allmählich dunkel ohne zu schmelzen, und bildet bei 230° eine etwas
zusammengesinterte mißfarbige Masse, die sich größtentheils in siedendem Wasser
löst. Beim Erkalten setzt sich unverändertes salzsaures Benzidin in farblosen
Krystallen ab.
Eine Mischung von salzsaurem Benzidin und Azobenzol zu gleichen Aequivalenten, gibt
beim Erhitzen eben so wenig zum Entstehen von Farbstoffen Veranlassung. Bei
230° erhält man eine bräunliche, etwas zusammengeklebte Masse, aus der
siedendes Wasser salzsaures Benzidin auszieht. Der Rückstand löst sich mit
Hinterlassung von etwas dunkler Substanz mit gelber Farbe in Weingeist und beim Verdunsten
der Lösung wird unverändertes Azobenzol erhalten.
Werden gleiche Aequivalente Anilin und salzsaures Benzidin auf 230° erhitzt,
so wird das Benzidin kaum angegriffen. Man findet die Krystalle von Anilin
durchtränkt, das mit einer geringen Menge einer harzähnlichen Substanz gemengt ist,
die sich in Weingeist mit blauer Farbe löst.
Aus den mitgetheilten Versuchen geht hervor, daß sich aus dem Anilin ohne Mitwirkung
von Toluidin prachtvolle violette und blaue Farbstoffe darstellen lassen, und wie es
scheint liefern Azobenzol und Nitrobenzol, wenn sie sich mit 2 Aeq. Anilinsalz
zersetzen, als Hauptproduct denselben blauen Farbstoff. Die nähere Untersuchung und
Analyse der Pigmente wird bald veröffentlicht werden. – Käufliches Anilin
liefert mit käuflichem Nitrobenzol und mit Azobenzol zwar ebenfalls die Farbstoffe,
sie sind aber, wenn das Anilin viel Toluidin enthält, weniger schön.
Eine andere Untersuchungsreihe habe ich in Verbindung mit Herrn Dr. Merz vorgenommen, die zum
Theil eine vergleichende Untersuchung der Anilin- und Toluidinsalze,
hauptsächlich aber das Studium der aus Anilin durch Einwirkung von Arsensäure
entstehenden Pigmente zum Zweck hat. Da der zweite Theil dieser Arbeit mit der
vorhergehenden Untersuchung nahe zusammenhängt, so erlaube ich mir einige der
erhaltenen Resultate hier kurz mitzutheilen.
Das zu den Versuchen verwendete Anilin war theils aus Harnbenzoesäure, theils aus
Acetanilin dargestellt worden. Auch das letztere siedete in dem früher beschriebenen
Apparate bei 730 Millim. Druck gegen 188° und wurde beim Erhitzen mit
Sublimat nur mäßig geröthet. – Die angewandte Arsenlösung wurde durch
Behandeln von arseniger Säure mit Salpetersäure, schwaches Erhitzen des Rückstandes
und Auflösen dieser Masse in dem gleichen Gewicht Wasser dargestellt. Sie enthielt
43,5 Proc. wasserfreie Arsensäure.
Erhitzt man 1 Theil Anilin aus Benzoesäure und 3 Theile Arsenlösung (nahezu gleiche
Aequivalente) bei allmählich steigender Hitze auf 160°, so geht schon zu
Anfang mit den Wasserdämpfen viel Anilin über und man erhält eine fast schwarze
Masse, aus der siedendes Wasser um so mehr aufnimmt, je weniger andauernd die hohe
Temperatur war. Die wässerige Lösung ist röthlich violett, und um so schöner, je
weniger hoch die Masse erhitzt wurde; die Farbe ist aber durchaus verschieden von
dem lebhaften Fuchsinroth, das man durch Erhitzen von käuflichem Anilin mit
Arsenlösung erhält. – Der in Wasser unlösliche Theil der Masse löst sich mit rein violetter
Farbe in Weingeist, wobei eine huminartige Substanz zurückbleibt, die sich zum Theil
in Salzsäure mit violetter Farbe auflöst. Ein blauer Farbstoff wurde bei diesen
Versuchen nicht gebildet.
Erhitzt man 1 Theil Anilin aus Benzoesäure mit 6 Theilen Arsenlösung (also nahezu das
Aequivalentverhältniß 1:3), so destillirt kein Anilin über, erst gegen Ende der
Operation, wenn sich bei 160° die Masse stark aufbläht, erscheinen einige
Tropfen, die aber nur zum Theil aus Anilin bestehen. Das erhaltene Product verhielt
sich gegen Wasser und Weingeist zwar ähnlich wie bei den früheren Versuchen, nur war
die entstandene Huminmenge bedeutend größer.
Anilin aus Acetanilin verhält sich beim Erhitzen mit der äquivalenten Menge
Arsensäure ähnlich wie Anilin aus Benzoesäure. Es geht viel unzersetztes Anilin über
und man erhält eine dunkle Masse, die sich zum Theil in Wasser, zum Theil in
Weingeist mit Hinterlassung von Humin auflöst. Die weingeistige Lösung war rein
violett, die wässerige Lösung Violettroth und sehr lebhaft, wie ein Gemenge von
Fuchsin und Anilinviolett.
Um zu entscheiden ob dieser Farbstoff seine Bildung einer besonderen Modification des
Anilins oder einer Beimengung von Toluidin zu verdanken habe, wurden weitere
Versuche mit Anilin aus Benzoesäure, dem wir 1/2 bis 1 Proc. Toluidin zusetzten,
angestellt, und es ergab sich, daß diese geringe Beimengung genügt, um dem
wässerigen Auszuge dieselbe Farbe zu ertheilen, die wir bei dem vorhergehenden
Versuche beschrieben haben. Auch beim Erhitzen dieses verunreinigten Anilins mit der
äquivalenten Menge Arsensäure gieng viel unzersetztes Anilin in die Vorlage
über.
Als wir dagegen eine Mischung von 2 Aeq. Toluidin und 1 Aeq. Anilin mit dem
dreifachen Gewicht unserer Arsenlösung (nahezu 1 Aeq. Base auf 1 Aeq. Arsensäure)
erhitzten, destillirte weder Anilin noch Toluidin über, das übergegangene Wasser war
vollkommen klar, und nur dann, wenn die Temperatur sehr anhaltend auf 160°
gehalten wird, zeigt sich zuletzt im Retortenhalse ein Anflug, der von frei
werdenden Basen herzurühren scheint. Unterbricht man die Erhitzung, sobald dieser
Punkt eingetreten ist, so löst sich die Masse bis auf einen geringen Rückstand in
Wasser und man erhält eine reichliche Menge Fuchsin von ausgezeichneter Schönheit.
Da wir außerdem bei diesem und auch bei den vorhergehenden Versuchen die Arsensäure
zum großen Theil zu arseniger Säure reducirt fanden, so dürften unsere Beobachtungen
als weiterer Beweis für
die Richtigkeit der von Hofmann für das Rosanilin
aufgestellten Formel anzusehen seyn:
Textabbildung Bd. 177, S. 405
Es hat sich somit durch die vorliegenden Untersuchungen herausgestellt, daß die
Ansicht, das Anilin allein liefere keine Farbstoffe, nicht richtig ist, die davon
abstammenden Körper zeichnen sich durch prachtvoll blaue und violette Farben aus;
lebhaft rothe Pigmente werden aber nur dann aus dem Anilin oder dem nahe stehenden
Azobenzol erhalten, wenn diese Körper mit Toluidin gemengt sind.