Titel: | Verwendungs-Versuche des gezogenen Vierpfünders zum Breschiren von Mauerwerk. |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. XIII., S. 32 |
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XIII.
Verwendungs-Versuche des gezogenen
Vierpfünders zum Breschiren von Mauerwerk.
Verwendungs-Versuche des gezogenen Vierpfünders.
In den „Militärischen Blättern“ vom 4. August 1865 werden die
Resultate von schweizerischen und preußischen Schießversuchen über die Wirkung der beiderseitigen gezogenen
vierpfündigen Feldgeschütze gegen Mauerwerk mitgetheilt, welche vom größten
Interesse seyn dürften, da sie die Möglichkeit, mit solchen Geschützen, auch auf
weitere Distanzen hin, Mauern, wie sie beim Angriffe von Ortschaften etc. gewöhnlich
vorkommen, ohne zu großen Munitionsaufwand dem Angreifenden öffnen und dem
Vertheidiger unhaltbar machen zu können, außer Frage stellen.
Die schweizerischen Versuche wurden nach der in den
„Militärischen Blättern“ angezogenen Quelle:
„Zeitschrift für die schweizerische Artillerie“ im Herbste
1864 gegen eine crenelirte Mauer der Paßbefestigungen am Luziensteig vorgenommen,
welche Mauer im Jahre 1859 aufgebaut, in ihrem unteren Theile bis zur Höhe der
Scharten vorherrschend aus Bruchsteinen von sehr hartem Kalksteine bestand, deren
einige die ganze Mauerdicke bildeten; während der obere Theil dieser Mauer aus
kleinerem, durch schlechten, wegen mangelnder Bedeckung nicht gehörig
ausgetrockneten Mörtel mit einander verbundenem Materiale zusammengesetzt, also
weniger gut war.
Diese 10 Fuß hohe crenelirte Mauer erhob sich 7', 7 über
das den äußeren Mauerfuß um 2',3 überragende Banket; die
äußere und innere Höhe der 4' über dem Banket liegenden
Scharten betrug 2,4 und 2', die Entfernung ihrer
Mittellinien von einander 3'; die Stärke der Mauer war
oben gleich 2',2, aber in einem Drittel ihrer Höhe 2',5 unter den äußeren Schartenöffnungen und 3',8 über dem äußeren Mauerfuße, wo die Horizontalfurche
des 30' langen Breschfeldes vorgezeichnet war, wegen der
Maueranlage gleich 2',85.
Die Entfernung des mit seiner Schußrichtung nahezu senkrecht gegen die Mauer
stehenden Geschützes von derselben betrug 470 Schritt, die Pulverladung 40 Loth, das
Gewicht der mit Zeitzünder und 15 Loth Sprengladung versehenen Granaten 7 Pfund 27
Loth; der Aufsatz 5''', die Tempirung der Zünder anfangs
1 3/4 und später, als 2 Granaten vor der Mauer crepirt waren, 2 Zeitsecunden.
Nachdem von 100 Schüssen 90 die Mauer getroffen hatten, – acht Schüsse waren
durch Voraufschläge und zwei durch vorzeitiges Crepiren der Granaten unwirksam gegen die
Mauer geblieben – zeigte sich auf der ganzen vorgezeichneten Länge von 30' in dem Mauerwerk eine gangbare Bresche mit
regelmäßiger äußerer Böschung gebildet, deren Kamm ziemlich genau im Niveau der
vorgezeichneten Horizontalfurche lag. Nur ein kleiner Theil des Schuttes war
einwärts auf das Banket gestürzt, und man hat es durch diesen Versuch also zur
Evidenz gebracht, daß der gezogene Vierpfünder, von
Entfernungen aus, wo er noch seine volle Treff-Fähigkeit besitzt,
freistehende Bruchstein-Mauern von 2,5 bis 3'
Stärke mit einem Aufwande von 3 Schüssen per laufenden Fuß in Bresche legen kann.
Besonders interessant ist auch die während dieses Schießversuches gemachte Erfahrung,
daß bei Beschießung von Mauerwerk der Anstoß des Geschosses an
die Mauer allein genügt, die Sprengladung desselben zu entzünden, so daß
selbst die mit untempirten und verkappten Zündern abgefeuerten Granaten ihre
Sprengladung zur vollen Wirkung brachten. Man ist in dieser Beziehung also vom
Zünden vollkommen unabhängig, was, namentlich bei nicht ganz zuverlässigen
Zeitzündern, um so wichtiger erscheinen muß, als der Sprengladung der Granate ein
wesentlicher Antheil an der Wirkung des Schusses auf das Mauerwerk zukommt. Dieser
Antheil besteht einmal in einer erheblichen Vergrößerung des von der Granate
gebildeten Trichters, dann aber namentlich noch in einer jedesmaligen Ausräumung
desselben, wodurch einer Beeinträchtigung des folgenden Schusses durch
Schutt-Trümmer vorgebeugt wird. – Das Crepiren der Granaten erfolgte
mit starkem oder schwachem Knalle, je nachdem die Granate den Anprall an die Mauer
aushielt und dann erst durch die Explosion der Sprengladung zertrümmert wurde, oder
aber diese Zertrümmerung schon beim Anschlage des Geschosses an das Mauerwerk
erfolgte, in welchem letzteren Falle die dadurch erzeugten Trichter, besonders in
dem besseren Theile des Mauerwerks, aber dennoch den übrigen an Durchmesser und
Tiefe – im Mittel etwa je 1 Fuß – ganz gleich kamen.
Die preußischen im J. 1864 mit dem gezogenen Vierpfünder
angestellten Breschir-Versuche fanden in Magdeburg auf 256 Schritt Entfernung
gegen festes und altes, aus Grauwacke bestehendes Mauerwerk statt und es ergaben
sich dabei mit ungeladenen Granaten mittlere
Eindringungstiefen von 12,2 Zoll, während vier Schüsse mit geladenen Granaten einen Trichter von 17 1/4''
Tiefe, 26'' Breite und 16''
Höhe bildeten, welcher durch drei weitere Schüsse auf 22 1/4'' vertieft und um 6'' verbreitert wurde.
Der Vollständigkeit wegen möge hier noch die Notiz Raum finden, daß der schweizerische gezogene Vierpfünder, nach Construction des dortigen Herrn
Obersten Müller, ein Vorderladungs-Geschütz ist,
dessen eisernes cylindro-ogivales Langgeschoß beim Schusse durch die
Expansion einer an seinem Boden befindlichen Bleischeibe in die Rohrzüge eingreift
und in seinen Wandungen Canäle hat, welche die Entzündung des an der Geschoßspitze
befindlichen Zeitzünders durch das Ladungsfeuer ermöglichen; – der preußische gezogene Vierpfünder aber zu den
Hinterladungs-Geschützen mit Bleimantel-Compressiv-Geschoß und
Percussionszünder oder je nach Umständen auch mit Concussions-Zeitzünder
gehört.
Dy.,
Hauptmann im Generalstabe in Cassel.