Titel: | Ueber die Einwirkung der Diastase auf das Stärkmehl unter verschiedenen Umständen; von Prof. A. Payen. |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. XXIV., S. 69 |
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XXIV.
Ueber die Einwirkung der Diastase auf das
Stärkmehl unter verschiedenen Umständen; von Prof. A. Payen.
Aus den Anales de Chimie et de Physique, März 1865, S.
286.
Payen, über die Einwirkung der Diastase auf das
Stärkmehl.
Eine Abhandlung von F. Musculus, welche im Jahre 1860 in
den Annales de Chimie et de Physique, 3e série, t. LX p. 203
(daraus im polytechn. Journal Bd. CLVIII S.
424) erschien, enthält folgende drei Schlußresultate:
1) die Diastase wirkt nicht auf das Dextrin;
2) die Diastase erzeugt bei ihrer Einwirkung auf die Stärke
stets Krümelzucker und Dextrin in demselben Verhältniß, nämlich 1 Thl. Krümelzucker und 2 Thl.
Dextrin;
3) bei der Branntweinfabrication aus Getreide, wobei die
Zuckerbildung mittelst gekeimter Gerste bewirkt wird, findet ein unvermeidlicher
Verlust von zwei Dritteln der letzteren statt.
Diese drei Schlüsse sind nicht zulässig. Sie stehen mit den älteren Resultaten
mehrerer Forscher über die Stärke in Widerspruch und namentlich mit den Ergebnissen
meiner eigenen Experimentaluntersuchungen.
Ich habe diese Versuche wieder aufgenommen, wobei es mir gelungen ist, die Ursachen
der verschiedenen Resultate zu ermitteln und auf's Bestimmteste nachzuweisen:
1) daß die Diastase auf das Dextrin wirkt und dasselbe
theilweise in Krümelzucker überzuführen vermag;
2) daß die Diastase, indem sie auf Stärke einwirkt,
Dextrin und Krümelzucker in je nach den Umständen wechselndem Verhältniß
erzeugen kann, in den Grenzen zwischen 17 bis 50
und selbst mehr Krümelzucker auf 100 des Gesammtproductes;
3) daß bei der Branntweinfabrication aus Getreide die ganze
Stärkemenge bis auf wenige Procente nach und nach in Krümelzucker und Alkohol
übergeführt werden kann.
Nachdem ich letzteren Punkt experimentell festgestellt hatte, habe ich seit mehreren
Jahren ähnliche im Großen von den tüchtigsten Getreidebrennern erhaltene Resultate
constatirt.
In Bezug auf den ersten Punkt habe ich die Einwirkung der Diastase auf Dextrin
nachgewiesen, indem ich von zwei verschiedenen Darstellungen herrührendes Dextrin
anwandte.
Das eine Dextrin war pulverförmig, wie man es als Gommeline in den Fabriken durch Einwirkung einer sehr geringen Menge
(0,005) Salzsäure auf Stärke bei 120° C. erhält. Die Lösung dieses Dextrins
wurde mit kohlensaurem Ammoniak neutralisirt, und dann mit einer Diastaselösung bei
70° C. vier und eine halbe Stunde lang behandelt, wornach die 250 Kub. Cent.
Flüssigkeit, das Product von 20 Grammen Gommeline, 5,065 Gramme Krümelzucker
enthielten, entsprechend
auf 100 Grm. Dextrin an Krümelzucker
25,235
davon ab die ursprüngliche Menge
5,23
–––––
das Product der Zuckerbildung aus Dextrin
mittelst Diastase betrug also
20,005
Die zweite Methode der Dextrindarstellung bestand darin, daß aus dem Producte der
Zuckerbildung mittelst Stärke und Diastase aller Zucker durch geistige Gährung
entfernt wurde.
Die Lösung dieses Dextrins wurde zur Trockne eingedampft, der Rückstand gewogen,
wieder in Wasser gelöst und der Wirkung der Diastase bei 75° ausgesetzt.
Erhalten wurden aus 4,3 Grm. angewandten Dextrins 1,154 Grm. Krümelzucker oder 26,8
Krümelzucker auf 100 Dextrin.
Hierdurch war also erwiesen, daß das Dextrin durch Diastase theilweise in Zucker
übergeführt wird.
Ferner konnte man aus dieser Thatsache den Schluß ziehen, daß die weitere
Zuckerbildung durch die Gegenwart des Krümelzuckers aufgehalten wird, da nach der
Entfernung des letzteren die Diastase wieder ihre frühere Kraft der Zuckerbildung
geäußert hat.
Ferner konnte man folgern, daß bei der geistigen Gährung des Gemisches von Diastase
mit verschiedenen Mengen Stärke, Dextrin und Krümelzucker, in dem Maaße als
letzterer sich in Alkohol und andere Producte verwandelt, das wirkliche Hinderniß
für die Zuckerbildung verschwindet und die Diastase in Folge davon ihre Wirksamkeit
wieder erlangt.
Zunächst erwiesen zwei Versuche, daß die weingeistige Gährung allein (nach dem
Aufheben der Wirkung der Diastase durch Kochen) nicht im Stande ist, Dextrin im
Krümelzucker zu verwandeln.
Ein dritter Versuch wurde in der Absicht angestellt, die Gährung der durch die
Diastase in Zucker übergeführten Substanz zu bewirken, und dabei der Diastase ihre
ganze Kraft zu erhalten.
100 Grm. Stärke wurden mit 1 Liter Wasser zu Kleister gekocht, die Temperatur auf
25° C. erniedrigt und dann durch Malz in zwei Stunden eine Flüssigkeit
erhalten, welche nach dem Filtriren 6,72 Procent Trockensubstanz enthielt, worin 41
Proc. Krümelzucker und 59 Proc. Dextrin.
Die übrig gebliebene nicht filtrirte Flüssigkeit wurde mit Hefe 11 Tage lang gähren
gelassen, wobei sich ein Theil des Kleisters verflüssigte.
100 Grm. der filtrirten Lösung enthielten 2,5644 Grm. Alkohol; die vor der Gährung
vorhanden gewesenen 2,76 Grm. Krümelzucker entsprechen aber nur 1,41 Grm. Alkohol;
der gefundene Ueberschuß, nämlich 1,156 Alkohol, entspricht mindestens 2,261 Grm.
Krümelzucker, welche durch die Einwirkung der Diastase auf das Dextrin erzeugt
wurden, in dem Maaße als das Hinderniß gegen diese Reaction verschwand. Die
Zuckerbildung hatte also in Folge ihrer Fortdauer während der geistigen Gährung die
ursprüngliche Menge des Krümelzuckers durch die Wirkung auf das Dextrin ziemlich
verdoppelt, und man würde sogar noch etwa 6 Proc. mehr finden, wenn man die
Nebenproducte der geistigen Gährung (nach Pasteur) in
Rechnung zöge.
Es ist daher leicht einzusehen, daß die Getreidebrenner, anstatt unvermeidlich zwei
Drittel der in Zucker und Alkohol überführbaren Substanz zu verlieren, vielmehr bei
guter Arbeit bis auf wenige Procente die theoretisch mögliche Production
erreichen.
Es blieb nun noch zu untersuchen, ob die Diastase bei ihrer Einwirkung auf Stärke
stets Krümelzucker und Dextrin im Verhältniß von 1 : 2 erzeugt. Wir werden sehen,
daß dieses Verhältniß je nach den Umständen ein sehr verschiedenes seyn kann.
Eine erste Versuchsreihe, wobei ein Gemisch von 100 Grm. Stärke mit 15 Grm. gepulvertem Malz und
1000 Grm. Wasser auf 70° C. im Wasserbade erhitzt wurde, lieferte folgende
Verhältnisse:
Textabbildung Bd. 178, S. 72
Nach 20 Minut.; Krümelzucker;
Dextrin
Als nun die Umstände so modificirt wurden, daß die Einwirkung der Diastase auf die
vorher hydratisirte und theilweise gelöste Stärke sich beschleunigte, lieferte die
Umwandlung der letzteren ein größeres Verhältniß von Krümelzucker und ein geringeres
von Dextrin.
In Kleister aus 20 Grm. Stärke und 200 Grm. Wasser, welcher auf 75° C.
abgekühlt und bei dieser Temperatur erhalten war, wurden schnell 20 Grm. Malz
eingerührt und nun in der Trockensubstanz der verdampften Flüssigkeit gefunden:
Textabbildung Bd. 178, S. 72
Nach 2 Stunden; 22 St. bei
50° C.; Dextrin; Krümelzucker
Ich übergehe der Kürze wegen drei Versuche, welche je 43,17, 43,16 und 43,36
Krümelzucker lieferten und will hier noch die Bedingungen angeben, unter denen es
gelang, die Zuckerbildung nach weiter zu treiben:
50 Grm. Stärke wurden in 400 Kub. Cent. Wasser bei 30° C. verrührt, dann unter
lebhaftem Umrühren 600 K. C. Wasser von 100° zugesetzt und so eine Temperatur
von etwa 72° erzielt. Diese ließ man bis auf 25° sinken, rührte nun
7,5 Grm. Malz zu und erhielt die Temperatur unter zeitweiligem Umrühren des
Gemisches auf 25°.
Die Trockensubstanz der Lösung enthielt nach
4 Stunden
6 Stunden
Dextrin
55,17
52,14
Krümelzucker
44,88
47,86
––––––––––––––––––
100
100
Ein anderer Versuch, bei welchem die Temperatur während 2 Stunden 45 Minuten auf
40° erhalten wurde, lieferte auf 100 Theile Trockensubstanz 49,33
Krümelzucker und 50,67 Dextrin.
Dennoch war das direct durch Einwirkung der Diastase zu erzielende Maximum an Zucker
noch nicht erreicht: zwei weitere Versuche, der eine bei einer constanten Temperatur
von 50°, der andere bei einer solchen von 40° und mit einer Theilung
eines jeden in zwei Perioden, zeigten, daß die Zuckerbildung stets noch einige Zeit nach
der vollständigen Verflüssigung fortdauert und daß das Maximum an Krümelzucker über
50 Proc. des Gesammtproductes betragen kann.
Erster Versuch, bei 50°.
Nach 4 Stunden
Nach 6 Stunden
Dextrin
53,4
50,099
Krümelzucker
46,6
49,901
Zweiter Versuch, bei 40°.
Nach 2 1/2 Stunden
Nach 4 1/2 Stunden
Dextrin
52,876
48,05
Krümelzucker
47,124
51,95
Es kann sonach das direct zu erzielende Zuckermaximum sehr bedeutend die von Musculus für unübersteigbar gehaltene Grenze von 33 Proc.
überschreiten.
Schlußresultate.
1) Die Diastase wirkt zuckerbildend auf das Dextrin.
2) Diese Wirkung erleidet eine Störung durch die Gegenwart des Krümelzuckers, aber
sie stellt sich wieder ein, wenn dieser entfernt ist.
3) Wenn der Krümelzucker durch Gährung in Alkohol umgesetzt und folglich der
Zuckerbildung aus dem Dextrin nicht mehr hinderlich ist, so dauert die Wirkung der
Diastase fort; man kann so, statt nach Musculus 66 Proc.
der stärkmehlhaltigen Stoffe bei der Kornbranntwein-Fabrication zu verlieren,
dahin gelangen, daß die ganze Menge des Stärkmehls nach und nach bis auf wenige
Procente in Zucker, Alkohol und deren Nebenproducte verwandelt wird.
4) Wenn man die Diastase unter günstigen Umständen auf die Stärke einwirken läßt, so
kann man nicht allein mehr als 33 Procent, sondern sogar über 50 Proc. Krümelzucker
erhalten.