Titel: | Ueber die Wirkung des Alauns in feuerfesten eisernen Geld- und Documentenschränken; von C. Karmarsch. |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. XLIII., S. 143 |
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XLIII.
Ueber die Wirkung des Alauns in feuerfesten
eisernen Geld- und Documentenschränken; von C. Karmarsch.
Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins,
1865 S. 131.
Karmarsch, über die Wirkung des Alauns in feuerfesten eisernen
Geldschränken.
Der Fabrikant feuerfester Schränke, Friedr. Wiese in Wien,
bringt in seinen Schränken ein Behältniß an, das mit zerstoßenen Krystallen von
Kali-Alaun gefüllt ist, die bei gewissen Hitzegraden nach und nach eine nicht
unbeträchtliche Menge Wasserdampf entwickeln.
Wenn in einen solchen von starkem Feuer umgebenen Schrank die Hitze nach und nach
eindringt, wird ein Zeitpunkt kommen, wo der Alaun seinen beträchtlichen
Krystallwassergehalt allmählich verdunsten läßt. Indem dieses Wasser sich zu Dampf
umwandelt, bindet es eine erhebliche Menge Wärme, und so lange die Verdampfung
dauert, d.h. so lange noch unverdampftes Wasser vorhanden ist, wird alle von außen
zugeführte Wärme eben im Dampfe gebunden, mithin eine Steigerung der Temperatur im Schranke nicht
eintreten. Der beabsichtigte Nutzen des Alauns besteht also darin, nach Eintritt
eines gewissen Wärmegrads diesen für einige Zeit im Innern stabil zu erhalten,
trotzdem daß die äußerliche Erhitzung fortdauert oder vielleicht selbst noch steigt.
Kein Mensch kann bestreiten, daß dieser Gedanke völlig rationell und mit anerkannten
physikalischen Gesetzen im Einklange ist. Ob jedoch die Sache wirklich so verlaufen
kann, hängt von Vorbedingungen ab. Der Alaun befindet sich an einer bestimmten
Stelle des inneren Schrankraums; er ist in einer mit fein durchlöcherter
Holz- oder Blechplatte überdeckten Schicht auf dem Boden des Schrankes
ausgebreitet und kann demnach unmittelbar nur hier die vorgeschriebene Wirkung
äußern. Die von außen eindringende Hitze theilt sich aber den inneren Schrankwänden
von allen Seiten mit, und es wäre denkbar, daß die Seitenwand oder der obere Boden
recht sehr heiß würde, gleichwie in einem ungenügend gefüllten Dampfkessel die über
Wasser befindliche Heizfläche in's Glühen gerathen kann, während allerdings die
zwischen Wasser und Feuer befindliche Portion der Kesselwand davor geschützt ist.
Berücksichtigt man jedoch, wie in einen mit Doppelwänden und Aschenfüllung
versehenen eisernen Schrank die äußerlich angebrachte Hitze nur höchst langsam
eindringt, inwendig also das Steigen der Wärme ebenso äußerst langsam stattfindet,
so darf mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß die
Wärmeleitungsfähigkeit des Eisens genügend sey, alle Seiten der Innenwand auf
gleicher Temperatur zu erhalten, obschon das dampfgebende und hierdurch abkühlende
Mittel (der Alaun) nur auf dem Boden liegt.
Ueber die Größe der in Frage stehenden Nutzwirkung des Alauns ist folgende Berechnung
aufzustellen, welche selbstverständlich nur annähernd seyn kann, aber doch
einigermaßen zur Festigung der Begriffe dienen wird.
Man setze einen Schrank, dessen Lichtenmaaß 4 Fuß in der Höhe, 2 Fuß in der Breite
und 15 Zoll in der Tiefe betrage, wornach der Rauminhalt = 10 Kubikfuß seyn würde.
Die InnenwandungenMehr als diese wird man füglich nicht in Rechnung zu bringen haben, da sie
mit einer dicken Schicht eines äußerst schlechten Wärmeleiters nach außen
hin umgeben sind. nebst drei eisernen Zwischenböden machen 38 1/2 Quadratfuß aus, und wenn man
ihre Dicke zu 1/8 Zoll voraussetzt, bilden sie eine Eisenmasse von 0,4 Kubikfuß im
Gewichte von etwa 156 Pfund. Der Schrank enthalte eine Masse Papiere von 1/2 Ries,
dessen Gewicht zu 8 Pfd. angenommen werden mag. Der Luftraum nach Abrechnung der
Zwischenböden und der erwähnten Papiermasse dürfte 9,85 Kubikfuß betragen; mit Luft
von 0°
gefüllt würde er von dieser 0,64 Pfd. fassen; setzt man aber die Luft anf
100° C. erwärmt voraus, so wird ihr Gewicht im Schranke nur noch 0,47 Pfd.
betragen.
Im Schranke mögen sich 3 Pfd. Alaun befinden. Die Wasserdampfentwickelung aus diesem
fängt nach den Untersuchungen des Hrn. Dr. Kraut zwar schon bei 55° C. oder noch etwas
geringerer Temperatur an, ist aber erst bei 185° C. beendigt. Der Einfachheit
wegen müssen wir annehmen, sie finde sammt und sonders bei einer zwischen diesen
Grenzen liegenden Temperatur statt, als welche der Siedepunkt, 100° C.,
gesetzt werden mag.
Wäre nun dieser Schrank durch äußeres Feuer so stark erhitzt, daß sein Inneres die
Temperatur 100° C. erreicht hätte, und singe alsdann der Alaun seine Wirkung
durch Dampfentwickelung an, so tritt die Frage auf: Wie groß ist die durch weitere
Wärmezuführung entstehende Temperaturerhöhung, welche durch Verdampfung des
Krystallwassers im Alaun mittelst Wärmebindung vernichtet wird?
Um hierauf die Antwort zu finden, bedarf man der Zahlen, welche die specifische Wärme
des Eisens, des Papiers und der Luft ausdrücken. Die specifische Wärme des Papiers
ist nicht erforscht, man wird sie aber ohne großen Fehler jener des Holzes gleich
setzen dürfen. Demnach ist (für gleiches Gewicht der Substanzen) die specifische
Wärme
des Wassers (zwischen 0 und 100° C.)
= 1,0000
des Eisens
= 0,1124
des Papiers
= 0,4938
der Luft
= 0,2637
Zur Erwärmung um 1° C. erfordern also
Wärmeeinheiten
156
Pfd. Eisen:
156 × 0,1124
= 17,53
8
„ Papier:
8 × 0,4938
= 3,95
0,47
„ Luft:
0,47 × 0,2637
= 0,12
–––––––––
Summe
21,60
Die im Schranke vorausgesetzten 3 Pfd. krystallisirten Kali-Alauns enthalten
1,3641 Pfd. Wasser. Dieses Wasser bindet, um – vom Siedepunkt ausgehend
– in Dampf von 100° C. verwandelt zu werden,
536 × 1,3641 = 731 Wärmeeinheiten;
und mit einer solchen Wärmemenge könnte das ganze Innere des
Schranks um 731/21,6 = 33,84 oder sehr nahe 34° C. erwärmt werden, oder das
Vorhandenseyn des Alauns erhält die Temperatur im Schranke stabil auf 100° C.
so lange, als die Zuführung derjenigen Wärmemenge dauert, welche die Temperatur des
Schrank-Innern von 100°. aus 134° C hätte steigern können. Wäre
die Menge des Alauns größer als angenommen, so würde die Wirkung sich entsprechend
vergrößern.Wenn in der Wirklichkeit die Verdampfung des Wassers aus dem Alaun nach und
nach bei steigender Temperatur erfolgt, so ändert sich das Resultat nur
insofern, als entweder mehrere kleinere Stillstände in der Erwärmung des
Schrank-Innern stattfinden, oder eine stetige Verzögerung der
Wärmezunahme eintritt. Die Summe der Wirkungen, das Endergebniß, muß sich
gleich bleibenAnm. des Verfassers.