Titel: | Ueber den von der Kohlensäure des Bieres in gespundeten Fässern ausgeübten Druck und die Wirkung desselben auf den Verlauf der Gährung; von Carl Prandtl. |
Autor: | Carl Prandtl |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. XLVI., S. 149 |
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XLVI.
Ueber den von der Kohlensäure des Bieres in
gespundeten Fässern ausgeübten Druck und die Wirkung desselben auf den Verlauf der
Gährung; von Carl
Prandtl.
Mit einer Abbildung.
Prandtl, über den Druck der Kohlensäure in gespündeten
Bierfässern.
Ein wesentlicher Bestandtheil im Biere ist die Kohlensäure, deren volle Würdigung als
solcher erst der neueren Zeit angehört. Sie ist in dieser glücklichen Mischung eines
täglich sich ein größeres Gebiet erwerbenden Genuß- und Nahrungsmittels eine
Corrigentie, wie sie der Arzt manchen Heilmitteln zufügen läßt, um dieselben dem
Patienten genießbar zu machen und ihm den Widerwillen dagegen zu benehmen. Mit noch
mehr Recht als den Hopfen könnte man die Kohlensäure im Biere dem Salz und Gewürz
vergleichen, die unsere küchenverständigen Hausfrauen den Speisen zufügen, und ohne
welche wir an denselben keinen Geschmack finden würden.
Die gastronomischen Eigenschaften eines Bieres aus welchem die Kohlensäure
abgedunstet ist, sind Jedem bekannt, und wer die physiologischen Wirkungen eines
schal gewordenen Bieres einigemal erfahren hat, wird mir gewiß in meinem Panegyricus
auf die Kohlensäure beipflichten. Wenn dieselbe sich auch noch so wenig direct am
Ernährungsprocesse betheiligt, so ist sie doch immer das, durch eine sorgfältig
geleitete Nachgährung, als Abschluß des Brauprocesses, eigens für diesen Zweck im
Bier aufgehäufte letzte Glied unter den Bestandtheilen desselben, welches ihm erst
den Stempel der eigentlichen Vollendung aufdrückt.
Während die Hauptgährung wesentlich der Beschaffung des Alkoholgehaltes im Biere
gewidmet ist, fällt der Nachgährung das Geschäft zu: dasselbe mit dem gehörigen
Maaße dieses flüchtigen Gewürzes belastet zu erhalten. Ohne seinen geringen
Kohlensäuregehalt würde das Bier eben so wenig trinkbar seyn, wie ausgelaugter Tabak
rauchbar wäre.
Diese wenigen Streiflichter, die nur Bekanntes berühren, werden genügen die hohe
Bedeutung des Kohlensäuregehaltes für das Bier zu vergegenwärtigen, und erklärt sich
daraus die große Sorgfalt, welche die Bierfabrication in der neuesten Zeit auf
diesen Factor verwendet.
Gleichwohl dürften die Acten über denselben noch lange nicht als abgeschlossen zu
betrachten seyn, und ist es namentlich auffallend, daß man der Bestimmung dieses
charakteristischen Bestandtheiles des Bieres dem Gehalte nach, und damit
Zusammenhängendem, wie Druckverhältnissen u.s.w. – zumal von
wissenschaftlicher Seite – nur noch eine sehr geringe Aufmerksamkeit,
wenigstens nicht in demselben Grade wie den übrigen Bierbestandtheilen, widmete.
Während man bei den mussirenden Weinen eine directe Aufforderung zur Beachtung dieser
angedeuteten Verhältnisse hatte, indem sie sowohl gänzlich den Charakter des
Productes bedingen, als auch durch das eventuelle Zerspringen der Flaschen zum
Träger der Rentabilität dieser Fabrication werden, so blieb hingegen das Interesse
für die Mengen- und noch mehr für die Druckverhältnisse der Kohlensäure im
Biere vollkommen lau. Wir finden für die Fabrication der Schaumweine sogar mehrfach
eigens für diesen speciellen Zweck, die Spannung der Kohlensäure in den Flaschen zu
messen, sinnreich construirte Manometer. Ich erinnere nur an das, mit dem besonderen
Namen eines Aphrometers (Schaummesser) belegte Instrument, welches von Maumené dem Pariser Mechaniker Bourdon zugeschrieben, von Dr. F. Mohr in seinem vortrefflichen Buche
„der Weinstock und der Wein“
Coblenz, bei J. Hölscher, 1864, S. 228. Auf Mohr's Veranlassung verfertigt Hr. Uhrmacher Rahskopf zu Coblenz Manometer für
Champagnerflaschen bis zu 10 Atmosphären; Preis 10 Rthlr. aber für den deutschen Ingenieur Schinz reclamirt
wurde.
Dem gegenüber erinnere ich mich hingegen nicht, jemals eine Angabe über die Spannung,
welche die Kohlensäure des Bieres auf die gespündeten Fässer ausübt, gefunden zu
haben. Für Flaschenbier dieselbe zu bestimmen, war natürlich keine ähnliche
Aufforderung wie bei den mussirenden Weinen vorhanden, da der geringere Druck
derselben die Flaschen nicht derartig gefährdet.
Abgesehen von der gegenwärtig noch ungelösten Frage: ob die dem Biere durch die
Gährung einverleibte Kohlensäure fester gebunden, oder überhaupt in einer anderen
Weise im Biere enthalten sey, als wenn man dasselbe auf künstlichem Wege, nach Art
der Fabrication kohlensaurer Wässer, damit imprägnirt, – worüber wohl, trotz
der nach dieser Richtung
in neuerer Zeit angestellten Versuche, noch nicht so bald abgesprochen seyn dürfte,
– schien es mir von Interesse, wenigstens zunächst den Druck zu ermitteln,
welchen die Kohlensäure in tadelfreiem Biere ausübt. Ich konnte für diesen Zweck nur
die kurze Muße benutzen, die mir beim Uebertritt in ein anderes Etablissement
vergönnt war, daher der Leser der gegenwärtigen Mittheilung meiner Resultate keine
durchgeführtere Bearbeitung dieses Gegenstandes zu erwarten hat. Ich begann die
Versuche nur zu meiner eigenen Belehrung, und erst das Interesse, welches
Fachverwandte diesen Fragmenten zollten, bestimmte mich zur Veröffentlichung
derselben, obgleich ich mir nicht verhehle, wie sehr wünschenswerth – auch
für die Praxis – ein genaueres Studium der Absorptionsverhältnisse der
Kohlensäure im Biere, namentlich der Abhängigkeit der Absorptionscoefficienten von
dem Zucker-, Dextrin- und Alkoholgehalte desselben seyn würde, wofür
uns in den Musterarbeiten Bunsen's
Gasometrische Methoden. Braunschweig, bei Vieweg
und Sohn, 1857. die theoretischen und experimental-technischen Hülfsmittel den
zeitgemäßen Vorschub leisten würden.
Um mich zuvörderst im Allgemeinen über den Druck der Kohlensäure in den gespündeten
Fässern zu unterrichten, wendete ich mich sofort zu einem directen Versuche.
Druck in den gespundeten
Fässern.
Ich ließ in eine starke Messingfassung, die unten mit einem kräftigen
Schraubengewinde versehen war, um in den eingetriebenen Spund, nach dem Durchbohren
desselben der Länge nach, eingeschraubt werden zu können, ein gewöhnliches
kalibrirtes Quecksilber-Luft-Manometer dicht einkitten. Der obere
Theil dieser Fassung, über einer breiten, mit einer Lederscheibe unterlegten
Flantsche, war sechseckig zugefeilt und ermöglichte so leicht, durch Anziehen mit
einem Schraubenschlüssel, ein luftdichtes Einfügen in den Faßspund.
Erster Versuch. Am 27. Februar Nachmittags drei Uhr
spündete ich in solcher Weise ein Faß gekräusten Schenkbieres von vier Eimern. Das
Bier zeigte bei der Fassung 7,18 Proc. Balling bei + 4° R. Das Luftvolumen im
Manometer betrug 3,77 Kubikcentimeter. Das Faß wurde am 3. März Morgens neun Uhr für
den Consum angezapft und zeigte jetzt der Inhalt desselben 6,76 Proc. Balling bei
4,2° R. Das Luftvolumen im Manometer betrug 3,37 K. C. Der Ueberdruck,
welchem das Faß in Folge der während eines drei- und dreivierteltägigen
Spündens angesammelten
Kohlensäure ausgesetzt war, belief sich also nur auf 0,12 Atmosphären, und
resultirte dieselbe von einer scheinbaren Vergährung um 0,42 Proc. B. Der Druck der
Kohlensäure in diesem gut qualificirten Biere war also nur ein geringer zu nennen,
und hätte man sich denselben Wohl trotz der freilich zu berücksichtigenden oben
angegebenen niederen Temperatur von 4,2° R. eher beträchtlicher
vorgestellt.
Zweiter Versuch. Ein Bruchfaß Schenkbier von 36 Eimern
wurde am dritten März Mittags gespundet. Das Bier zeigte bei der Fassung 6,7 Proc.
B. bei 4,2° R. Das Luftvolumen im Manometer betrug 3,25 K. C. bei 4,0°
R. Das Faß wurde am neunten März Nachmittags zwei Uhr angezapft, wobei nun das
Manometer, bei 3° R. Kellertemperatur, ein Luftvolumen von 2,95 K. C.
auswies. Hier fand also in Folge eines sechs Tage und zwei Stunden währenden
Spündens eine Kohlensäureansammlung statt, welche bei der erwähnten Temperatur nur
den geringen Druck von 1,10 Atmosphären, oder einen Ueberdruck von nur 0,1 auszuüben
vermochte. Das angezapfte Bier zeigte bei 3,2° R. 6,45 Proc. B. und hatte
demnach eine Vergährung von 0,25 Proc. B. sich vollendet. Auch dieses Beispiel
liefert wieder einen Beleg, wie unbedeutend der Druck der Kohlensäure im Biere ist,
wenn die Nachgährung auf ihren normalen Umfang beschränkt blieb.
In ein Paar weiteren Versuchen bediente ich mich eines oben offenen
Quecksilbermanometers, welches eine bequemere Ablesung des für die Dimensionen des
zuerst verwandten Instrumentes ein wenig geringen Druckes gestattete und in die
Montur des vorigen eingefügt wurde.
Dritter Versuch. Ein Faß gekräustes Schenkbier von drei
Eimern wurde am 26. März Mittags gespundet. Die Füllung zeigte am Balling'schen
Saccharometer 7,04 Proc. bei 3,4° R. Der Druck im Manometer betrug kurz nach
dem Einfügen in den Spund bei 3,2° R. bereits 32 Millimeter Unterschied der
beiden Quecksilbersäulen. Das Faß kam am 1. April Morgens acht Uhr zum Anzapfen mit
einem Stande des Manometers von 129 Millimetern bei 3° R. Das ausgelassene
Bier wies ein specifisches Gewicht von 6,76 Proc. B. aus bei 3,2° R. Die
scheinbare Vergährung betrug in diesem Falle also 0,28 Proc. B., und wurde dadurch
der Druck während einer Nachgährung von fünf Tagen und zwanzig Stunden um 165
Millimeter Quecksilbersäule erhöht oder 0,22 Atmosphären Ueberdruck gewonnen. Auch
in diesem Versuche war der Gesammtdruck, den das Faß zu erleiden hatte, nämlich 0,26
Atmosphären Ueberdruck entsprechend, nur ein geringer zu nennen.
Vierter Versuch. Ein Faß Lauterbier von 45 Eimern wurde
am ersten April Abends sieben Uhr gespundet und das Manometer zeigte unmittelbar nach der Füllung 12
Millimeter Quecksilberdruck bei 0° R. und 718,8 Millimeter Barometerstand. Am
11. April Morgens acht Uhr wurde angezapft und das Manometer wies jetzt einen Stand
von 315 Millimetern bei 5° R. und 721,6 Millimeter Barometerstand auf. Hier
unterlag also das Faß einem Ueberdruck von 0,414 Atmosphären. Dieser Werth
übersteigt die früheren drei Beobachtungen in auffallender Weise. Damit
zusammenhängend erwies sich aber auch dieses Faß, in Folge eingetretener warmer
Witterung und bei augenblicklicher Stockung des Absatzes, als überspündet. Das Bier
schäumte allerdings beim Einschenken stark, wurde indeß sehr schnell schal, wie
dieses ein allgemeiner Charakter überspündeten Bieres ist, während das Bier von
normalen Fässern desselben Braugutes sich bis zum letzten Tropfen untadelhaft
erhielt. Das Bier unterlag übrigens während der neun Tage und dreizehn Stunden
dauernden Nachgährung einer scheinbaren Vergährung von 0,55 Proc. B., indem es bei
der Füllung des Fasses 7,04 Proc. B. bei 0,2° R., beim Anzapfen hingegen 6,49
Proc. zeigte. Diese wenigen Daten werden hinreichen, ein beiläufiges Bild über den
Druck der Kohlensäure in normalem Biere zu geben, welcher, wenigstens was Münchener
Biere anlangt, mit denen diese Versuche ausgeführt wurden, sich nicht weit von 0,2
Atmosphären Ueberdruck entfernen wird.
Die Antwort auf die Frage, ob es für die Praxis zweckmäßig seyn würde, mit Hülfe
eines Manometers – das vielleicht eigens für diese Aufgabe, ähnlich wie das
Schinz'sche, zu entwerfen wäre – die Spannung
der Kohlensäure im Voranschreiten der Nachgährung zu überwachen, dürfte nur von der
gehörigen Würdigung dieses Gegenstandes abhängen, und ein Vorschlag dahin ist
wenigstens nicht ohne weiteres abzuweisen, wenngleich man sich nicht verhehlen will,
daß mit der Einführung eines derartigen controlirenden Instrumentes auch noch manche
Erfahrungen über den Zusammenhang seiner Angaben mit der Temperatur während der
Nachgährung u.s.w. zu sammeln sind, um dieselben richtig beurtheilen und
entsprechend verwerthen zu können.
An diese Versuche reihten sich noch einige verwandte, welche die Frage aufzuhellen
bezweckten: welchen Einfluß ein starker Druck, zunächst der sich von selbst bei der
Gährung in geschlossenen Gefäßen durch Anhäufung der entstandenen Kohlensäure
einstellende, auf den Verlauf der Gährung auszuüben vermag, resp. welchen Grad der
Vollständigkeit diese letztere unter solchen Umständen erlangen kann.
Hauptgährung unter dem eigenen Druck und
Luftabschluß.
Es wurde für diesen Zweck die mit Hefe versetzte Würze in Glasröhren von etwa einem
Meter Länge, 15 Millimeter Weite und 2 Millimeter Wandstärke nach dem Zuschmelzen am
unteren Ende gebracht. Das nicht völlig gefüllte Glasrohr wurde alsdann auch am
oberen Ende in der Flamme des Glasblasetisches zu einer sehr dickwandigen Haarröhre
ausgezogen, und nach dem Abschneiden an dieser Verengerung nach Art der Libellen
völlig zugeschmolzen.
Textabbildung Bd. 178, S. 154
Die Röhren waren auf diese Weise luftdicht geschlossen, und mußte sich aus einer
nachfolgenden Alkoholbestimmung ihres Inhaltes leicht der Grad der Vergährung
unter diesen Umständen und der Einfluß des Druckes der sich in dem hermetisch
geschlossenen Raume ansammelnden Kohlensäure ableiten lassen. Um einen Vergleich
zu ermöglichen mit der unter übrigens gleichen Verhältnissen verlaufenden
normalen Gährung wurde immer eine Parallelprobe derselben Mischung von Hefe und
Würze in einem gleichen, indeß oben offenen Glasrohre vergähren gelassen.
Erster Versuch. Die geschlossene Röhre wurde am 10. April
Abends sieben Uhr mit Tropfbier von 1,0539 spec. Gewicht beschickt. Am 15. April
Nachmittags vier Uhr, nachdem sichtlich die Hauptgährung sich vollendet hatte,
schritt ich zur Alkoholbestimmung. Dieselbe wurde nach der Destillationsmethode
ausgeführt, und gaben 82,613 Grm. der eingeschmolzenen Probe 70,532 Grm. Destillat
von 0,9957 spec. Gew. bei 15,6° C. (12,44° R.). Dieses entspricht nach
den Tabellen von Fownes
Pharmaceutical Journal and Transactions, edited by
Bell, London, vol. VII p. 375. einem Alkoholgehalte von 2,44 Gewichtsprocenten. Dieser Alkoholgehalt,
bezogen auf hundert Gewichtstheile des zum Versuche verwandten Bieres, gibt dann
2,18 Proc. Analog lieferten 61,167 Grm. des, vom 11. April Morgens zehn Uhr bis zum
15. April Morgens 10 Uhr vergohrenen Inhaltes der offenen Röhre 50,418 Grm. eines
Destillates von 0,9934 spec. Gew. oder 3,765 Gewichtsprocenten absoluten Alkohols.
Hiernach berechnet sich der Alkoholgehalt im Viere zu 3,10 Procenten. In diesem
Versuche erwies sich also das im offenen Rohre vergohrene Bier um 0,92 Proc. alkoholreicher
als das hermetisch eingeschlossene, obgleich letzterem 21 Stunden länger Zeit
gelassen war als der Parallelprobe.
Wir werden im Verlauf unserer Betrachtung sehen, wie viel von dieser Beschränkung der
Gährung um ein Drittel des Alkoholgehaltes im normalen Biere, auf Rechnung des
Selbstdruckes der erzeugten Kohlensäure kommt.
Es schien mir indeß noch von Interesse, die Größe des Druckes, welcher in solcher
Weise von der bei der Gährung unter hermetischem Verschluß gebildeten Kohlensäure
ausgeübt wird, durch den unmittelbaren Versuch zu ermitteln. Hierfür richtete ich
eine ähnliche Röhre wie die zu den vorigen Versuchen benutzte her, jedoch mit dem
Unterschiede, daß statt des zugeschmolzenen Bodens ein engeres Rohr angesetzt wurde,
welches alsdann wieder nach oben parallel mit der Hauptröhre umgebogen war und nach
der Einfüllung von Quecksilber auf den Boden der Vorrichtung als Manometer diente,
wie vorstehende Abbildung zeigt.
Selbstdruck bei der Gährung unter
hermetischem Verschlusse.
Die Vorrichtung wurde am 11. April Morgens zehn Uhr mit der Mischung von Würze und
Hefe beschickt, und sofort über der Oberfläche des Inhaltes zugeschmolzen. Das
Luftvolumen im Manometer betrug 235 Längenmillimeter. Am 12. April Morgens zehn Uhr
war dasselbe bereits auf 45 Millimeter zusammengepreßt, am 13. April Morgens sieben
Uhr auf 30 Millim., am 15. April Mittags sogar auf 20 Millim. Es fand nun keine
weitere Vermehrung des Druckes statt, und als am 20. April Morgens 10 Uhr der Stand
des Manometers sich nicht mehr verändert zeigte, öffnete ich die Röhre durch
Abbrechen der ausgezogenen Spitze für den Zweck der Alkoholbestimmung des so
vergohrenen Bieres. Der Inhalt fuhr mit einer außerordentlichen Gewalt, entsprechend
nach der Ablesung am Manometer einem Drucke von 11,7 Atmosphären, aus der geöffneten
Röhre hervor, sich vollständig in einen stehenden Schaum verwandelnd. Den
herausgetriebenen Schaum sammelte ich in einer geräumigen Flasche, in deren Hals ich
das Rohr vor dem Abbrechen der Spitze eingeführt hatte. Durch das
Zusammensinkenlassen des Schaumes gewann ich das Material für die Alkoholbestimmung.
Es lieferten 93,622 Grm. davon, welche der Destillation unterworfen wurden, 84,261
Grm. eines Destillates von 0,9956 specifischem Gewichte oder 2,50 Proc. an absolutem
Alkohol. Demnach hatte das unter diesen Umständen vergohrene Bier einen
Alkoholgehalt von 2,25 Procenten.
Die außerordentlich starke mussirende Eigenschaft des Röhreninhaltes bei diesen Versuchen kann übrigens nicht in Erstaunen
versetzen, wenn man bedenkt daß ein gewöhnlicher mussirender Wein eine Spannung der Kohlensäure von vier bis fünf Atmosphären
aufweist, bei sechs Atmosphären schon sehr stark treibt, und die meisten Champagnerflaschen einen Druck von merklich über
acht Atmosphären nicht mehr auszuhalten vermögen.
In einem dritten Versuche suchte ich das über dem Inhalte beim Zuschmelzen der Röhre gelassene Luftvolumen auf das noch zulässige
Minimum herabzustimmen, indem ich das Rohr zu einer thermometer‐rohrähnlichen Verengerung auszog und dasselbe dann an dieser
Stelle möglichst nahe über dem Flüssigkeitsfaden zuschmolz. Die am 20. April Morgens zehn Uhr geschlossene Vorrichtung widerstand
der inneren Pressung jetzt nicht mehr, und ich fand schon am Abend desselben Tages das Rohr seiner ganzen Länge nach in spiralförmigen
Sprüngen zerplatzt.
Man kann jedoch offenbar noch im Zweifel seyn, ob die Verlangsamung der Gährung in den verschlossenen Röhren wirklich unmittelbar
von dem Druck der am Entweichen verhinderten Kohlensäure bedingt war, oder ob nicht etwa die geringere Bewegung in der gährenden Flüssigkeit beim dichten Verschluß die nächste Ursache der Verzögerung der Gährung abgibt. Auch zur Aufklärung
dieser Frage stellte ich einen directen Versuch an.
Vierter Versuch. Ich richtete dafür vier Proben derselben zuvor mit der Hefe innig gemischten Würze‐Tropfbier von 1,0592 spec. Gewicht –
her, und ließ je zwei eingeschmolzen und offen vergähren. Eine Probe eines jeden Paares erhielt ich indeß durch häufiges Aufschütteln
in einer verstärkten Bewegung, so daß die Hefe beständig in der Flüssigkeit suspendirt blieb und also häufiger mit derselben
in Berührung war.
Alle vier Proben wurden gleichzeitig am 22. April Nachmittags vier Uhr exponirt.
Gährung in offenen Gefäßen bei künstlich verstärkter Bewegung.
Die in Bewegung erhaltene offene Röhre lieferte nach beendigter Hauptgährung am 26. April folgendes Resultat der Alkoholbestimmung.
Es wurden 57,992 Grm. des Braugutes der Destillation unterworfen und davon 44,191 Grm. Destillat von 0,9903 spec. Gewicht
erhalten, entsprechend 5,69 Procenten absoluten Alkohols oder einem Alkoholgehalte in der vergohrenen Flüssigkeit von 4,33
Procenten.
Vergleichen wir hiermit den Grad der Vergährung, welchen wir in der zugehörigen Parallelprobe, in der offenen, nicht künstlich
bewegten Röhre erhielten. Der am 26. April gleichfalls der Bestimmung des Alkoholgehaltes unterzogene Inhalt derselben ergab
von 80,400 Grm. ein 65,980 Grm. betragendes Destillat von 0,9925 spec. Gewicht oder 4,33 Procenten absoluten Alkohols. Hieraus
ergibt sich der Alkoholgehalt des so vergohrenen Bieres zu 3,55 Procenten. Derselbe blieb also um ein Namhaftes hinter demjenigen
der Parallelprobe zurück, daher die künstliche Bewegung augenfällig eine beschleunigte und vollkommene Vergährung zur Folge
hatte.
Nachdem wir diesen Schlußsatz festgestellt haben, kehren wir zu der vorhin aufgestellten Frage zurück: ob die Verlangsamung
der Gährung unter hermetischem Verschlüsse nicht gleichfalls durch die Beeinträchtigung der Bewegung in derselben bedingt
ist.
Gährung unter hermetischem Verschluß und künstlicher Bewegung.
Das zugeschmolzene Rohr in welchem die Gährung unter Bewegung sich vollendet hatte, wurde am 28. April Vormittags geöffnet
und die Alkoholbestimmung des darin eingeschlossenen Bieres ausgeführt. 14,690 Grm. desselben lieferten ein Destillat, welches
auf 32,436 Grm. mit Wasser verdünnt (um das Pyknometer bis zur Marke zu füllen) ein specifisches Gewicht von 0,9954 aufwies.
Dieses entspricht einem Gehalte an absolutem Alkohol im Destillat nach der Verdünnung von 2,61 Procenten und leitet sich der
Alkoholgehalt, bezogen auf hundert Theile des der Bestimmung unterworfenen Bieres, zu 4,53 Procenten ab.
Vergleichen wir hiermit das Resultat der Vergährung in der Parallelprobe, die sich ganz unter denselben Verhältnissen, jedoch
ohne künstlich verstärkte Bewegung vollendete, so finden wir, daß 63,126 Grm. des so erhaltenen Bieres 49,225 Grm. Destillat
von 0,9941 specif. Gewichte lieferten, entsprechend 3,35 Procenten Alkohol darin oder einem Alkoholgehalte im Biere von 2,61
Procenten.
Hält man die Ergebnisse dieser letzten vier Proben zusammen, so ergibt sich, daß die Gährung durch die Bewegung und Suspension
der Hefe in der Flüssigkeit wesentlich gefördert, dagegen durch den Druck unmittelbar nicht beeinträchtigt wird. Die in der
geschlossenen ruhigen Röhre enthaltene Würze blieb in ihrem Vergährungsgrade, obgleich sie am längsten exponirt blieb, um
einen auffallend beträchtlichen Abstand gegen die übrigen Proben zurück, wie folgende übersichtliche Zusammenstellung zeigt:
Procente Alkohol
geschlossen, ruhig
2,61
offen, ruhig
3,55
geschlossen, bewegt
4,53
offen, bewegt
4,33
Bei gleicher Bewegung hat hingegen der Selbstdruck durch die entstandene Kohlensäure
oder ihre Anhäufung in der Flüssigkeit überhaupt, keinen gährunghemmenden Einfluß.
Scheinbar hat aber allerdings das hermetische Einschließen mit Hefe versetzter Würze
eine Beeinträchtigung der Gährung zur Folge, denn da die Kohlensäure verhindert ist
in Form von Gasblasen durch die Flüssigkeit emporzusteigen und, diese bewegend, der
Hefe gleichsam als Schwimmblase zu dienen, so ist ein ruhiges Ablagern der Hefe
ermöglicht, wodurch eine weniger häufige Berührung zwischen ihr und neuen Partien
der gährungsfähigen Flüssigkeit bedingt wird.
Noch habe ich der angenehmen Pflicht nachzukommen, Herrn Dr. Reischauer, der mir für die Ausführung der
mitgetheilten experimentellen Belege mit zuvorkommender Bereitwilligkeit sein
Laboratorium zur Verfügung stellte, hier meinen Dank auszusprechen.
München, im September 1865.