Titel: | Versuche zur Herstellung eines zuverlässigen Brandgeschosses für gezogenes Geschütz. |
Autor: | D.....y |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. LXXVI., S. 279 |
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LXXVI.
Versuche zur Herstellung eines zuverlässigen
Brandgeschosses für gezogenes Geschütz.
Mit Abbildungen.
Ueber Herstellung eines zuverlässigen Brandgeschosses für gezogenes
Geschütz.
Bekanntlich fehlt es dem gezogenen Geschütze bis daher noch an einem vollständigen
Ersatz für die glühende Kugel und für die mit geschmolzenem Eisen gefüllte Bombe
(Martin's
shell) des glatten Rohres. Die hier zur Mittheilung
kommenden Versuche, ein diese Lücke ausfüllendes Geschoß herzustellen, wurden im
Jahre 1861 durch den Umstand angeregt, daß die Militär-Literatur des
genannten Jahres zwar wiederholt die Nachricht brachte, es werde in England von den
HHrn. Capitän Norton und Mac
Intosh versucht, eine von Hrn. Allison mit dem
Namen liquid fire belegte Auflösung des Phosphors in
Schwefelkohlenstoff für die Kriegsfeuerwerkerei nutzbar zu machen, von einem
befriedigenden Resultate dieser Bestrebungen aber niemals die Rede war.
Zur Lösung des Problems, diese Phosphorlösung zur Herstellung eines Brandgeschosses
für gezogenes Geschütz verwerthen zu können, mußte aber offenbar folgenden
Forderungen entsprochen werden:
1) Feststellung desjenigen Sättigungsgrades der Lösung, welche zu vollkommener
Sicherheit der Feuererzeugung bei freiem Hinzutritt der atmosphärischen Luft
führt;
2) Schutz der inneren Geschoßwand vor etwaigen chemischen Einwirkungen der
Phosphorlösung auf dieselbe;
3) Gefahrlosigkeit der Zusammenstellung dieser zündenden Composition mit der
Sprengladung etc. im Inneren des Geschosses;
4) Sicherung einer wirksamen Fortpflanzung des von genanntem Pyrophor bei Hinzutritt
der atmosphärischen Luft erzeugten Feuers auf andere, mit diesem in Berührung
kommende brennbare Gegenstände.
Der Forderung ad 1 wird nach gemachten Versuchen
vollkommen entsprochen, wenn man die Anordnung trifft, daß stets m Gramme Phosphor auf m/3
Kubikcentimeter Schwefelkohlenstoff genommen werden, und die Lösung dann drei bis
vier Tage an einem dunklen und nicht zu kalten Orte, wohlverschlossen stehen bleibt.
– Eine in dieser Art zusammengesetzte und behandelte Composition soll in der
Folge hier stets mit dem Namen „Grundmischung“ bezeichnet
werden. – Der fein zertheilt in ihr enthaltene Phosphor entzündet sich
sofort, wenn die ihn umgebende Schwefelkohlenstoff-Hülle verdampft ist, und
sauerstoffreiche atmosphärische Luft an deren Stelle tritt.
Der ad 2 verlangte Schutz der inneren Geschoßwand vor
chemischen Einwirkungen der Grundmischung auf dieselbe wird bei Geschossen, welche
aus Gußeisen bestehen, schon von selbst durch die Eigenschaft dieses Materials
gewährt, von besagter Lösung nicht angegriffen zu werden.
Fig. 1., Bd. 178, S. 280
Der ad 3 aufgeführten Forderung einer gefahrlosen
Zusammenstellung von Grundmischung, Sprengladung und Zündung im Inneren des
Geschosses ließ sich durch eine in letzteres einzugießende Querscheidewand
entsprechen, wie das durch nebenstehende Fig. 1
angedeutet wird, und es ist dann die Erzeugung der Grundmischung selbst in dem
für sie bestimmten Geschoßraume ganz ungefährlich, da, wenn zuerst der
Schwefelkohlenstoff eingegossen wird, sich hierdurch im Geschoßinneren eine
Atmosphäre von Schwefelkohlenstoffdämpfen bildet, innerhalb deren der
hinzuzusetzende Phosphor sich nicht entzünden kann.
Größere Schwierigkeiten aber machte es, der ad 4
gestellten Forderung, einer sicheren Fortpflanzung des durch die Grundmischung bei
dem Hinzutritte des Sauerstoffes der atmosphärischen Luft erzeugten Feuers auf
andere, in seinem Bereiche liegende, brennbare Gegenstände zu entsprechen, und es
ließ sich bei den nach dieser Richtung hin angestellten Versuchen gar bald erkennen,
aus welchem Grunde die Militär-Literatur diese Brandgeschoßfrage nun schon
seit längerer Zeit wieder hatte fallen lassen, denn so brillant auch die
Feuererscheinung war, welche sich beim Zersprengen von mit Grundmischung versehenen
Glasgefäßen in der atmosphärischen Luft zeigte, so pflanzte sich dieses Feuer, trotz seines Glanzes,
selbst auf sehr leicht verbrennliche Substanzen, wie z.B. fein gehobelte Kienspäne
etc. gar nicht fort. Es beschlugen sich diese Gegenstände vielmehr in der Nähe des
brennenden Phosphors sehr bald mit Phosphorsäure und wurden hierdurch mehr oder
minder unverbrennlich, indem sie gar bald in eine feuchte klumpige Masse
übergiengen, welche selbst durch angezündete Schwefelhölzer und Stücke brennenden
Papiers nicht mehr in Brand zu bringen war.
Eine Reihe von Versuchen, diesen Uebelstand durch Hinzufügen der bisherigen
Brandsätze etc. zu heben, scheiterte an der hohen Entzündungstemperatur der
letzteren, bis nach langem Hin- und Herprobiren endlich in der Camphine, dem flüchtigen Bestandtheile des Terpenthinöls,
– die Naphta des amerikanischen Stein- oder Erdöls leistet nach
späteren Versuchen denselben Dienst – das Mittel gefunden wurde, dem durch
die Grundmischung erzeugten Feuer eine sichere Uebertragung auf andere, in seinem
Bereiche liegende, brennbare Gegenstände geben zu können. Gießt man nämlich, kurz vor dem Gebrauche der richtig zubereiteten
Grundmischung, in das dieselbe enthaltende Gefäß Camphine, oder auch, setzt man
der Grundmischung mit Camphine getränkte Baumwolle zu, so überträgt sich
hierdurch das Feuer, welches beim Zersprengen des die Grundmischung enthaltenden
Gefäßes erzeugt wird, mit Leichtigkeit auf Holzstöße von Buchenholz und
dergleichen Gegenstände.
Noch sicherer wurde dieser Zweck erreicht, wenn man die
mit Camphine zu tränkende Baumwolle vorher mit gepulvertem Kalisalpeter
überstreute, wobei zu größtmöglichem Effecte 9 Gewichtstheile Salpeter auf 1
Gewichtstheil Baumwolle zu nehmen sind, und weiter ließ sich die Sicherheit der
Brandübertragung noch dadurch steigern, daß man den genannten Brandmitteln einen aus
1 Gewichtstheil Schwefel, 10 Gewichtstheilen Schwefelantimon und 40 Gewichtstheilen
Salpeter bestehenden Brandsatz hinzufügte, welcher letztere in beliebigen
Quantitäten beigegeben werden kann, da er die Bedingungen zu seinem kräftigen
Abbrennen in sich selbst enthält.
Als Resultat der im Jahre 1862 gemachten Versuche zur Herstellung eines wirksamen
Brandgeschosses für gezogenes Geschütz durch Verwendung des in Schwefelkohlenstoff
eingehüllten diffusen Phosphors als Pyrophor traten hiernach also etwa die folgenden
technischen Vorschriften hervor:
Fig. 2., Bd. 178, S. 282
I. Ist es gestattet, den mit Grundmischung versehenen Geschossen erst kurz vor
ihrem Gebrauche die weiteren Zusätze zu geben, so kann dadurch allen oben
angegebenen Forderungen entsprochen werden. Läßt man diese Zusätze aber vor dem
Gebrauche des Geschosses längere Zeit auf die in dem Brandmassenraume desselben
enthaltene Grundmischung einwirken, so verliert letztere dadurch ihre
Eigenschaft der Selbstentzündlichkeit beim Hinzutritte atmosphärischer Luft,
indem dann der Phosphor nicht nur chemische Verbindungen mit den
Brandsatzbestandtheilen eingeht, sondern durch die Camphine auch aus seiner
Lösung im Schwefelkohlenstoff ausgeschieden wird, wornach er sich als eine
indifferente käsige Masse zu Boden setzt.
Fig. 3, Bd. 178, S. 282
II. Für solche Geschosse, welche, bereits fertig laborirt, noch längere Zeit
lagern, oder auch transportirt werden sollen, müssen den vorhergehenden
Einrichtungen also noch neue hinzugefügt werden, welche, je nach Umständen, etwa
Folgendem zu bestehen haben würden:
1) Trennung von Grundmischung und Camphine, Brandsatz etc. durch eine Membrane,
indem man die der Grundmischung zu gebenden Zusätze in eine fest zugebundene
Thierblase einschließt, und so in den Brandmassenraum des Geschosses einsetzt,
siehe Figur 2, oder
2) Bewirkung dieser Trennung durch eine zweite in das Geschoß einzugießende
innere Querscheidewand, siehe Fig. 3, in welchem
Falle dann zunächst des Sprengladungsraumes a der
Grundmischungsraum b liegen und nach diesem erst der
Camphine- und Brandsatz etc. -Raum c
kommen würde.
III. Soll hernach, um auf einen concreten Fall überzugehen, z.B. ein Brandgeschoß für
den gezogenen Sechspfünder von 3,5 Zoll Kaliberdurchmesser laborirt werden, dessen
Brandmassenraum, bei einfach geschiedenem Geschoßinneren, also etwa 12 Kubikzoll
rheinländisch betragen würde, so würde man etwa für 1/6 dieses Volums Grundmischung
zu bilden haben, wozu, da das Schwefelkohlenstoff-Volum durch Aufnahme des
Phosphors nur wenig geändert wird, circa 2 Kubikzoll
oder 36 Kubikcentimeter Schwefelkohlenstoff, und, dem entsprechend 3 . 36 = 108
Gramme Phosphor gehören. Die übrigen 10 Kubikzoll des Brandmassenraumes aber würden
mit Camphine, salpetrisirter Baumwolle und Brandsatz auszufüllen seyn, und es hängen
die weiteren Specialitäten im Laboriren des herzustellenden Brandgeschosses dann nur
noch von der Bestimmung desselben ab.
Soll das Geschoß nämlich erst kurz vor seinem definitiven Gebrauche zum Schusse
fertig gemacht werden, so gießt man in den mit Schwefelkohlenstoff getränkten
Brandmassenraum zunächst die oben bezeichnete Quantität von 36 Kubikcentimetern
Schwefelkohlenstoff durch die Bodenöffnung des Geschosses ein, setzt dann die
hinzugehörigen 108 Gramme Phosphor in Stangenform bei, und verschließt hierauf den
Brandmassenraum mit seiner Bodenschraube, wornach dem Geschosse bis zu seiner
Verwendung mindestens drei Tage Zeit gelassen und ein mäßig warmer Aufstellungsort
gegönnt werden muß, damit die Grundmischung sich gehörig bilden kann. Soll das
Geschoß hiernach zum Schusse fertig gemacht werden, so wird die Bodenschraube
desselben wieder geöffnet, wobei das Geschoß natürlich auf seinen Kopf zu stellen
ist, dann füllt man den noch übrigen Brandmassenraum mit salpetrisirter, in Camphine
getränkter Baumwolle, sowie mit Brandsatz aus, schraubt die Bodenschraube wieder ein
und versieht das Geschoß endlich mit seiner Sprengladung und seiner Zündung.
Sollen die zu laborirenden Geschosse aber in einem zum sofortigen Gebrauche fertigen
Zustande aufbewahrt oder transportirt werden, so gießt man
1) bei Geschossen mit nur einer Scheidewand des inneren
Raumes zuerst in den mit Schwefelkohlenstoff getränkten Brandmassenraum nur die
Hälfte des zur Grundmischung gehörenden Schwefelkohlenstoffes, im vorliegenden Falle
also 18 Kubikcentimeter desselben ein, und setzt hierauf den ganzen Phosphor, in
diesem Falle also 108 Gramme in Stangenform zu. Dann füllt man in einem
Cylindermaaße, welches dem Reste des Brandmassenraumes, hier 10 Kubikzoll,
entspricht, eine feste und wohlerhaltene Thierblase mit salpetrisirter, in Camphine
getränkter Baumwolle und beziehungsweise auch mit Brandsatz an, bindet die Blase
hierauf, deren Füllung in ihrem Inneren beweglich lassend, mit Windfaden fest zu,
und setzt sie weiter durch die Bodenöffnung des Geschosses in den Brandmassenraum
desselben ein; worauf auch noch die zweite Hälfte des Schwefelkohlenstoffes der Grundmischung
hinzugegossen und der Brandmassenraum durch die Bodenschraube und eine unter deren
Kopf gelegte Bleiplatte hermetisch geschlossen, das Geschoß überhaupt aber mit
seiner Sprengladung und demjenigen Theile seines Zünderapparates versehen wird,
welchen die bestehende Dienstvorschrift für zu transportirende Geschosse
anordnet;
2) bei Geschossen aber, welche für eine längere Lagerung oder heftige
Transportbewegungen bestimmt und deßhalb mit zwei gußeisernen inneren Scheidewänden
versehen sind, gießt man in den der Sprengladung zunächst liegenden und mit
Schwefelkohlenstoff getränkten Brandmassenraum b,
Figur 3, sogleich den ganzen Schwefelkohlenstoff der
Grundmischung ein, setzt dann den Phosphor hinzu und verschließt diesen Raum mit der
zugehörigen Schraube und einer unter deren Kopf gelegten Bleiplatte. Dann tränkt man
den zweiten, zunächst des Geschoßbodens liegenden Brandmassenraum c,
Fig. 3, mit Camphine, füllt ihn hierauf mit
salpeterisirter, in Camphine getränkter Baumwolle und mit einer angemessen
erachteten Quantität Brandsatz, verschließt hiernach auch diesen Raum mit seiner
Schraube und einer unter deren Kopf gelegten Bleiplatte und verfährt endlich weiter
gerade so, wie es bei 1) angegeben worden ist.
Da es, nach hierauf angestellten technischen Ermittelungen, jedoch sehr schwierig
ist, das Geschoß-Innere der Quere nach in drei von einander abgeschiedene
Kammern zu theilen, Längenscheidungen des inneren Geschoßraumes durch eingegossene
cylindrisch oder ebenflächig geführte Wände dem zum Erfolge nothwendigen
Zusammentreffen von Grundmischung und Brandmasse nach der Geschoßzertrümmerung aber
hinderlich seyn könnten, während möglichste Einfachheit der Construction und volle
Sicherheit der Wirkung des Geschosses als das zur Lösung des Problems zu erreichende
Ziel fest im Auge gehalten werden müssen, so wurden später noch weitere Versuche
nach der Richtung hin angestellt, ob es nicht möglich sey, in allen obengenannten
Fällen mit nur einer einzigen Querscheidewand im Geschoß-Inneren
auszureichen, indem die Substanz der thierischen Blase so präparirt wird, daß sie
Endosmose und Exosmose von Schwefelkohlenstoff außerhalb und von Camphine innerhalb
derselben dauernd zu hindern vermag.
Der endliche Erfolg dieser Bemühungen war ein durchaus günstiger, als man Collodium,
oder in Schwefeläther aufgelöste Schießbaumwolle und concentrirte Lösungen des
arabischen Gummis in Wasser zur Präparation von Kalbsblasen anwendete, indem man
letztere innen und außen mit genügend dicken Schichten der einen oder der anderen
Flüssigkeit überzog und
hierauf ein Trocknen derselben in freier Luft eintreten ließ, wobei die Blase sich
immer in einem etwas aufgeblasenen Zustande befinden mußte, damit ein
Aufeinanderkleben ihrer inneren Wandungen nicht stattfinden konnte.
Auf solche Weise behandelte Thierblasen standen, mit Camphine etc. gefüllt und von
Grundmischung umgeben, drei bis vier Wochen lang in luftdicht verschlossenen
Glasgefäßen, – sogenannten Einmachgläsern mit weiter Oeffnung, – deren
Verkorkung mit Gyps luftdicht gemacht worden war, ohne daß dadurch die zündende
Kraft des in Rede stehenden Pyrophors auch nur im mindesten beeinträchtigt worden
wäre, indem die in dem Gefäße enthaltenen Brandkörper vielmehr sofort die
verbrennlichen Stoffe, Holzhaufen etc. entzündeten, in deren Nähe man das zum
Versuche dienende, mit der Brandmasse gefüllte Glasgefäß zersprengte.
Die Präparation der thierischen Blase mit Collodium hatte, bei gleicher Wirkung in
Bezug auf Undurchdringlichmachung der Membrane, vor derjenigen mit Gummi den Vorzug,
daß die Thierblase bei ihr geschmeidiger blieb; jedoch möchten zur endlichen
Feststellung des praktisch Geeignetsten Parallelversuche im Großen nach beiden
Richtungen hin anzustellen seyn.
Die Geschmeidigkeit der Membrane dürfte sich auch noch durch eine vorherige
Behandlung derselben mit Glycerin erlangen und beziehungsweise erhöhen lassen.
Weiter trat in Folge der inmittelst gemachten Versuchserfahrungen auch noch die Frage
auf, ob der oben angegebene, sehr rasch auflodernde
Brandsatz von 1 Gewichtstheil Schwefel auf 10 Gewichtstheile Schwefelantimon und 40
Gewichtstheile Salpeter, welcher den zu seiner Verbrennung nöthigen Sauerstoff in
sich selbst enthält, unter Umständen, z.B. zum Anzünden nasser Hölzer etc., nicht
zweckmäßiger durch einen nachhaltiger brennenden Satz zu
ersetzen sey, in welcher Beziehung nach gemachten Versuchen der aus 6 Theilen
Mehlpulver, 6 Theilen Schwefelantimon, 16 Theilen Schwefel und 72 Theilen Salpeter
bestehende Brandsatz der in großherzoglich badischer Artillerie verwendeten
Brandröhren eine besondere Aufmerksamkeit verdient. Auch nach dieser Richtung hin
dürften also in einem größeren Maaßstabe anzustellende Parallelversuche angemessen
erscheinen.
Die Bodenöffnung des nach Figur
1 mit nur einer inneren Querscheidewand
versehenen Geschosses wird man zum bequemeren Einsetzen der mit Camphine und
Brandsatz etc. gefüllten und vorher mit Collodium oder mit Gummi präparirten
Thierblase, möglichst weit
zu machen haben, und
das Verfahren beim Laboriren des Geschosses wird nach diesen neueren Erfahrungen
dann folgendes seyn:
1) Das Collodiiren oder Gummiiren der Thierblasen geschieht in größeren Gefäßen und
so lange, bis man durch wiederholtes Eintauchen der Membrane in die betreffende
Auflösung von Gummi oder Schießwolle sich die Ueberzeugung verschafft hat, daß die
Blase innen und außen mit dem beabsichtigten Ueberzuge versehen ist, wornach
dieselbe, mit Beobachtung der oben angegebenen Vorsichtsmaßregel des vorherigen
Aufblasens, in freier Luft getrocknet wird.
2) Nachdem der Brandmassenraum des Geschosses mit Schwefelkohlenstoff getränkt worden
ist, setzt man in demselben zunächst die Grundmischung an, und verschließt diesen
Raum dann wieder bis zum späteren Einsetzen der mit Camphine etc. gefüllten Blase
mittelst seiner Schraube.
3) Die gummiirte oder collodiirte Thierblase wird, nachdem sie vollkommen
ausgetrocknet worden ist, in der früher angegebenen Weise mit salpetrisirter
Baumwolle, Camphine und einem der vorgeschlagenen Brandsätze versehen, hierauf mit
Bindfaden etc. fest zugebunden, und nachdem auch dieser Bund mit Collodium oder
Gummi überzogen worden ist, mit einem Beutel von starkem und recht weichem
Baumwollenzeug überzogen.
4) Das Einsetzen der so vorbereiteten Blase in's Geschoß
geschieht dann ganz gefahrlos, da die im Brandmassenraume
desselben herrschende Atmosphäre von
Schwefelkohlenstoff-Dämpfen ein Entzünden der frisch bereiteten Lösung
von Phosphor im Schwefelkohlenstoff um so weniger zulassen kann, als, wie
schon oben bemerkt wurde, diese Lösung zur Erlangung ihrer pyrophorischen
Eigenschaft einer Zeit von etwa drei Tagen bedarf.
5) Der Verschluß des Brandmassenraumes wird durch eine unter den
Verschlußschraubenkopf gelegte Bleiplatte hermetisch gemacht.
6) Das Einfüllen der Sprengladung in die obere Geschoßkammer, sowie das Versehen des
Geschosses mit seinem Zünderapparate geschieht nach den bestehenden
Dienstvorschriften.
Das Ueberziehen der präparirten und mit Brandsatz etc. gefüllten Thierblase mittelst
eines derben und doch weichen Baumwollenstoffes hat den doppelten Zweck:
Scheuerungen der Blase an den Geschoßwänden zu verhüten, und den Pyrophor durch die
Capillarität dieses Ueberzuges auf alle Oberflächenpunkte der mit Camphine etc.
gefüllten Blase zu vertheilen, damit nach dem Crepiren des Geschosses eine möglichst
sichere Brandwirkung
eintrete. Hinsichtlich der, wie schon oben bemerkt wurde, bei
richtiger Verfahrungsweise völlig gefahrlosen Darstellung der in
vorstehendem Projecte als „Grundmischung“ bezeichneten Lösung von Phosphor in
Schwefelkohlenstoff mag schließlich noch bemerkt werden, daß beim Bilden derselben
das Abmessen und Einfüllen des flüssigen Schwefelkohlenstoffes am einfachsten
vermittelst einer nach Kubikcentimetern graduirten Pipette geschieht; der hiernach
zuzusetzende Phosphor wird aus dem Behälter, in welchem er in Stangenform und unter
Wasser aufbewahrt wurde, mit einer Pincette herausgenommen, durch entsprechende
Handbewegungen vorsichtig zwischen Schießpapier-Lagen getrocknet und darauf
vermittelst der Pincette zur Waagschale und beziehungsweise in das zum Ansetzen der
Grundmischung bestimmte Gefäß gebracht.
Da eine geänderte dienstliche Stellung mir die Fortsetzung der hier mitgetheilten, an
sich gewiß interessanten Versuche unmöglich macht, die neuesten auf den in Rede
stehenden Gegenstand bezüglichen Berichte des zu New-York erscheinenden Scientific American aber beweisen, daß der dortigen
Verwendung des in Schwefelkohlenstoff eingehüllten diffusen Phosphors zu wirksamen
Brandgeschossen bisher noch immer die Unmöglichkeit entgegengestanden hat, das durch
Hinzutritt der atmosphärischen Luft zu diesem Pyrophor entstehende Feuer auf andere
verbrennliche Gegenstände, wie Holzstöße etc. zu übertragen, während andererseits
hier die Erfahrung gemacht wurde, daß selbst mit dem oben angegebenen Brandgemische
aus Versehen übergossene wollene Bekleidungsstücke noch
nach mehrtägigem Auswaschen mit Wasser und Hängenlassen im Freien wieder Feuer
fiengen, sobald sie zur Reparatur in die Schneiderwerkstätte kamen, und dann nur
nach Behandlung mit einem aufgefundenen chemischen Mittel als dauernd gelöscht zu
betrachten waren, so glaube ich durch Vorlegung dieses Referates jetzt um so weniger
einen uninteressanten Beitrag zur Frage des Ersatzes der den glatten Rohren
dienenden glühenden Kugeln und Martin's
shells für gezogenes Geschütz zu geben, als nach dem
Urtheile eines hochstehenden Seemannes, welcher die oben angeführten Versuche seiner
Aufmerksamkeit zu würdigen die Güte hatte, eine Realisirung des hier vorliegenden
Projectes auch für den Seekrieg von der größten Wichtigkeit seyn würde, indem ein
Schiff, auf dessen Deck der Inhalt eines einzigen der hier vorgeschlagenen
Brandgeschosse sich ergießt, ohne Anwendung des geeigneten chemischen Löschmittels,
von welchem eben die Rede war, selbst nach dem momentanen Löschen der Brandmasse mit
Wasser, bei entsprechender Anwesenheit von verbrennlichen Stoffen, noch sechs bis sieben
Tage lang der ernstesten Feuersgefahr unterworfen bleibt.
Cassel, im October 1865.
D.....y,
Major im Generalstabe.Der Verfasser ist der durch seine wissenschaftlichen Leistungen
rühmlichst bekannte Artillerie-Officier, welcher seine Beiträge
in unserem Journal bisher mit der Namens-Chiffre Dy. unterzeichnet hat.Die Redaction.