Titel: | Ueber das gegenseitige Verhalten von Orcin und Ammoniak; von Victor de Luynes. |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. LXXXVII., S. 310 |
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LXXXVII.
Ueber das gegenseitige Verhalten von Orcin und
Ammoniak; von Victor de
Luynes.
Aus den Comptes rendus, t. LX p. 1033; Mai
1865.
De Luynes, über das Verhalten des Orcins zum Ammoniak.
Eine der merkwürdigsten Eigenschaften des Orcins ist die, daß es sich durch die
gleichzeitige Einwirkung von atmosphärischer Luft, Ammoniak und Wasser in einen
Farbstoff verwandelt. Robiquet hat einige von den
Bedingungen, unter denen diese Umwandlung stattfindet, näher untersucht und
gefunden, daß die während des Umwandlungsprocesses absorbirte Ammoniakmenge im
Verhältniß zu der gleichzeitig mitwirkenden Quantität atmosphärischer Luft bedeutend
ist; er fügt aber bei, es sey noch zu ermitteln, ob das Ammoniak sich als solches
mit dem Orcin verbindet,
oder ob es nur durch seine Elementarbestandtheile wirkt. Er hatte gefunden, daß
gepulvertes Orcin bei gewöhnlicher Temperatur nach Art der porösen Körper das
Ammoniak nur absorbirt, und dasselbe außerordentlich leicht, schon bei den
schwächsten Einwirkungen, die ihm dasselbe zu entziehen streben, wieder abgibt.
Um die Rolle, welche das Ammoniak bei der Entstehung des Farbstoffs spielt, näher
kennen zu lernen, untersuchte ich, welche Wirkung diese Base für sich allein auf das
Orcin ausübt.
Erhitzt man im oberen Theile einer mit trockenem Ammoniakgase gefüllten gekrümmten
Glocke ein Stückchen entwässertes Orcin, so schmilzt dasselbe zunächst und geräth
dann in's Sieden; man bemerkt dann, daß das Ammoniakgas in reichlicher Menge und
sehr rasch absorbirt wird. Dieselbe Erscheinung zeigt sich, wenn man durch Orcin,
welches in einer Glasretorte geschmolzen erhalten wird, einen Strom Ammoniakgas
leitet. Nachdem ich mich in dieser Weise von der großen Verwandtschaft des Orcins
zum Ammoniak überzeugt hatte, untersuchte ich, ob beide Körper sich in bestimmten
Verhältnissen mit einander zu verbinden vermögen.
Zu diesem Zwecke löste ich wasserhaltiges Orcin bei gewöhnlicher Temperatur in
gewöhnlichem Aether, leitete einen Strom Ammoniakgas durch die Flüssigkeit und
überließ dieselbe dann in einer verschlossenen Flasche sich selbst; am folgenden
Tage waren die Wandungen dieser Flasche mit ziemlich voluminösen oktaedrischen
Krystallen überzogen. Auch bei Anwendung von wasserfreiem Orcin und wasserfreiem
Aether erhält man diese Krystalle. Dieselben sind eine Verbindung von Orcin und
Ammoniak nach bestimmten Verhältnissen und enthalten, wie immer sie dargestellt
wurden, stets dieselbe Menge Ammoniak.
Diese Verbindung ist in Aether weniger löslich als das Orcin; man kann die Krystalle
wiederholt mit Aether waschen, da sie sich nur schwierig in demselben lösen.
Dieselben sind farblos, werden aber, der Luft ausgesetzt, sofort violett, ohne erst
durch die gelben und röthlichen Farbentöne hindurchzugehen, welche in Ammoniak
gelöstes oder mit Ammoniakgas in Berührung befindliches Orcin bei Luftzutritt
zeigt.
Diese krystallisirte Verbindung scheint bei der Entstehung des Orcins eine wichtige
Rolle zu spielen. Ich bin jetzt mit einer umfassenden Untersuchung derselben
beschäftigt, welche ich unter der Leitung des Hrn. Dumas
in dessen Laboratorium ausführe.