Titel: | Braune Farbstoffe aus Anilin; nach Dr. E. Jacobsen. |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. LXXXVIII., S. 312 |
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LXXXVIII.
Braune Farbstoffe aus Anilin; nach Dr. E. Jacobsen.
Jacobsen, über braune Farbstoffe aus Anilin.
Wenn man in einem geräumigen Kolben 1 Th. Pikrinsäure mit 2 Th. käuflichem Anilin
zusammenbringt, sagt Dr. Jacobsen in seinem chemisch-technischen Repertorium 1865 Bd. I, so
erwärmt sich die Mischung und die Pikrinsäure löst sich beim Schütteln des Kolbens
und Erwärmen im Wasserbad bald zu einer dickflüssigen orangegelben Flüssigkeit auf.
Erhitzt man diese im Glycerinbad bis auf etwa 110–120°C., so bräunt
sie sich mehr und mehr, und es entweichen Wasserdämpfe. Bringt man die Temperatur
dann auf 140–160°, so beginnt unter Schwärzung und Verdickung der
Masse eine Entwickelung von Ammoniak, die bei einer Steigerung der Temperatur auf
170–175° plötzlich so stürmisch wird, daß ein Uebersteigen aus dem
Kolben nicht zu vermeiden ist. Die Temperatur steigert sich dabei von selbst bis um
circa 20°. Um dieß zu vermeiden, hält man die
Temperatur auf 140 bis höchstens 160° so lange ein (einige Stunden hindurch),
als noch merkliche Ammoniakentwickelung stattfindet, oder bis eine herausgenommene
Probe in Wasser gebracht, dieses möglichst schwach gelb färbt und dieselbe beim
Erstarren sich leicht zu Pulver zerreiben läßt. Die fertige schwarze Schmelze gießt
man unter Umrühren in stark salzsäurehaltiges Wasser und kocht sie darin wiederholt
aus, um sie vom anhängenden unzersetzten Anilin zu befreien. Besser ist es, die
Schmelze vor dem Auskochen und nach dem Erkalten zu mahlen, da ihr ein rother
Farbstoff anhängt, der selbst durch wiederholtes Auskochen mit salzsäurehaltigem
Wasser nicht fortzuschaffen ist. Der mit saurem Wasser ausgekochte Rückstand wird
auf einem Spitzbeutel gesammelt, zuerst mit verdünnter Sodalösung und dann mit
reinem Wasser ausgesüßt. Er stellt ein schwarzes amorphes Pulver dar, welches je
nach der Temperatur, bei welcher man die Pikrinsäure auf das Anilin einwirken ließ,
ganz oder theilweise in Alkohol löslich ist. Hat man die Temperatur möglichst
niedrig gehalten, natürlich ohne die zur Bildung des Farbstoffes nöthige
Entwickelung von Ammoniak zu unterbrechen, so wird der fertige Farbstoff sich leicht
und völlig in Alkohol lösen lassen, aber schwer und nur theilweise, wenn die
Temperatur zu hoch stieg.
Der gereinigte Farbstoff löst sich mit kirschbrauner Farbe in Alkohol, besser in mit
Schwefelsäure angesäuertem oder mit Glycerin versetztem Alkohol. Er färbt Seide und
Wolle direct, Seide tief corinthfarben, Wolle schwarzbraun mit einem Stich in's
Violette. Da er gewöhnlich noch kleine Mengen jenes oben erwähnten rothen
Farbstoffes, sowie von unzersetzter Pikrinsäure enthält, kann man ihn durch
nochmaliges Erhitzen mit Anilin (er löst sich in Anilin auf) auf
140–150°, bei welcher Temperatur man die Lösung einige Zeit erhält,
und nachheriges Behandeln der Schmelze mit Salzsäure etc. reinigen. Trägt man die
Schmelze in concentrirte Schwefelsäure ein, so löst sie sich darin auf; wird sie
nach einiger Zeit in Wasser gegossen und mit Kochsalz ausgesalzen, so erhält man
denselben Farbstoff in einer leichter in Alkohol löslichen Form.
Der rothe Farbstoff, welcher sich in dem sauren Auszug der Schmelze befindet, besteht
aus pikrinsaurem Rosanilin. Die Quantität, in der er neben dem braunen Farbstoffe
auftritt, wechselt, je nachdem die ganze Operation geleitet wurde, ebenso die des
braunen Farbstoffes. So z.B. erhielt Dr. J. einmal aus
1/2 Pfd. Pikrinsäure und 1 Pfd. Anilin 1 Pfd. 3 Loth braunen Farbstoff und 1 1/2
Loth pikrinsaures Rosanilin (die saure Waschflüssigkeit enthält noch beträchtliche
Quantitäten von salzsaurem Anilin).
Neuerdings ist es Dr. J. gelungen, den braunen Farbstoff
auf eine noch einfachere Weise und völlig in Wasser, verdünntem Alkohol, Alkalien
und Säuren löslich, darzustellen. – Noch auf eine dritte Art erhält man einen
Farbstoff, der ungemein viel Aehnlichkeit mit dem beschriebenen braunen Farbstoff
hat. Fügt man nämlich zu einer concentrirten Lösung von chromsaurem Ammoniak eine
der angewendeten Chromsäure äquivalente Menge von käuflichem Anilin, so geschieht
selbst beim Kochen keine Einwirkung, setzt man dann aber Ameisensäure bis zur
schwach sauren Reaction hinzu, so färbt sich die Mischung sehr bald tief
dunkelbraun, und es scheidet sich nach längerem Kochen (fortgesetzt unter Ersatz des
verdampften Wassers, bis alle Chromsäure reducirt ist) ein brauner Kuchen ab. Diesen
behandelt man mit verdünnter Salzsäure und wäscht mit Wasser. Er löst sich völlig in
Alkohol mit kirschrother Farbe auf und färbt Seide genau so, wie der obige aus
Pikrinsäure und Anilin erhaltene Farbstoff. (Deutsche Industriezeitung, 1865, Nr.
44.)