Titel: | Ueber die Verwerthung der Dungstoffe in größeren Städten; von Dr. Rob. Schmidt, Civilingenieur in Berlin. |
Autor: | Robert Schmidt |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. LXXXIX., S. 314 |
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LXXXIX.
Ueber die Verwerthung der Dungstoffe in größeren
Städten; von Dr. Rob. Schmidt,
Civilingenieur in Berlin.
Schmidt, über Verwerthung der Dungstoffe in größeren
Städten.
Unter dem Titel: „Die Abfuhr und Verwerthung der Dungstoffe in
verschiedenen deutschen und außerdeutschen Städten und darauf bezügliche Vorschläge für
Berlin“ ist unlängst (im Verlag von Wiegandt und Hempel in Berlin) ein mit 4
lithographirten Tafeln versehenes Werk von 114 Octavseiten erschienen, welches
Bericht erstattet über eine, von einer Commission in Deutschland, Belgien und
Frankreich gemachte Reise, die auf Veranlassung des königl. preußischen Ministeriums
für Landwirthschaft zur Untersuchung der betreffenden Verhältnisse gemacht
wurde.
Bei der großen Wichtigkeit dieses Gegenstandes in Bezug auf den Gesundheitszustand
der Städtebewohner, auf Nationalökonomie und Landescultur, wollen wir hier, mit
theilweiser Benutzung des citirten Werkes, jene Momente hervorheben, welche
einerseits dem Leser die jetzt bestehenden Einrichtungen vor Augen führen,
andererseits zeigen, wie der Mensch durch weise Anwendung seiner Kräfte auch auf
diesem Felde noch reichlichen Lohn finden kann, und endlich erkennen lassen, wie
viel nach dieser Richtung hin noch zu thun übrig geblieben ist.
Die Stoffe, um welche es sich hier hauptsächlich handelt, sind einerseits die
Auswurfstoffe, die Excremente des Menschen, andererseits die verschiedenen
Küchen- und Hausabgänge, sowie auch der Straßenkehricht. Die bei weitem
größere Beachtung verdienen jedoch die erstgenannten menschlichen Excremente, theils
weil ihre Aufbewahrung und Fortschaffung aus sanitätlichen Gründen nicht ohne
Schwierigkeit ist, theils weil sie einen nicht unbedeutenden Düngerwerth haben. Im
Nachfolgenden werden wir uns deßhalb auch vorzugsweise mit diesen Stoffen
beschäftigen und die weniger werthvollen nur in solchen Fällen ebenfalls
berücksichtigen, wenn sie in irgend welcher Weise in Combination mit den
menschlichen Auswurfstoffen treten.
Die Art und Weise, wie man sich der erwähnten Stoffe theils zu entledigen, theils
solche zu verwerthen sucht, ist verschieden, je nach den gestellten Anforderungen
und gegebenen Umständen.
In einer Anzahl von englischen Städten hat man z.B., die Verwerthung dieser Stoffe
unberücksichtigt lassend, das Canalsystem eingeführt. Es laufen durch die Straßen
Canäle, mit denen die Abfallröhren der Closets in Verbindung stehen, welche letztere
bei jedesmaligem Gebrauche durch Wasser gereinigt und dadurch zugleich die
Auswurfstoffe verdünnt werden. Diese Auswurfstoffe laufen also durch die Fallröhren
nach den Canälen und aus diesen nach Flüssen. Ein solches System hat sich
bekanntlich keineswegs empfehlenswerth dargestellt, da es theils die Flüsse und
somit auch die Städte verpestet, theils eine Verwerthung der Excremente fast
unmöglich macht.
In den Städten des Festlandes, in welchen dieser Gegenstand von Seiten der Behörden ebenfalls
besondere Beachtung gefunden, hat man sich bemüht, solche Anordnungen zur Ausführung
zu bringen, welche nach jeder Richtung hin befriedigende Resultate zu gewähren
versprechen und zum Theil auch geliefert haben. Diese Anordnungen bestehen im
Allgemeinen darin, daß man die Excremente in geeigneten Behältern, wie gemauerte
Gruben u.s.w., welche mit den Hausclosets in Verbindung stehen, sonst aber dicht
verschlossen sind, ansammelt, diese Behälter zeitweise durch geeignete Vorrichtungen
leert, die Latrinenstoffe in eigens dazu construirten Wägen fortschafft, und sie
dann entweder im rohen oder combinirten Zustande zur Düngung der Ländereien
benutzt.
Im Nachfolgenden wollen wir nun einige Einrichtungen, wie sie in Städten des
Festlandes bestehen, dem Leser specieller vor Augen führen und die financiellen
Verhältnisse derartiger Organisationen mit berücksichtigen.
Wir beginnen mit einigen in Deutschland gelegenen, zum Theil auch von uns besuchten
Städten, woselbst die beregten Verhältnisse noch keineswegs im günstigsten Stadium
sich befinden, berühren dann einige französische Städte und geben schließlich eine
Uebersicht der Einrichtungen einer belgischen Stadt (Antwerpen), wo dieselben wohl
am vollkommensten seyn möchten.
Leipzig mit 80,000 Einwohnern. – Die Aufsammlung
der Excremente geschieht in Leipzig in zweierlei Weise, nämlich in gemauerten Gruben
und in Tonnen (Kübeln). Der Grubeninhalt wird durch eiserne Kesselwagen
fortgeschafft. Ein solcher Wagen trägt einen cylindrischen Kessel von 8 3/4 Fuß
Länge und 3 Fuß Durchmesser, welcher mit den nöthigen Apparaten zum Ein- und
Ausbringen der Excremente versehen ist. Zum Füllen des Kessels wird derselbe durch
Dampf möglichst luftleer gemacht, indem man ihn von einem kleinen Dampfkessel aus
mit Dampf füllt und dann sich abkühlen läßt. Durch Rohr- oder
Schlauch-Verbindung der Kessel mit den Gruben wird nun der ziemlich flüssige
Grubeninhalt in den Kessel getrieben. Die in den Gruben zurückbleibenden festeren
Theile werden unter Desinfection in Kübeln ausgehoben und in vierräderigen
Kastenwagen von 75 Kubikfuß Inhalt besonders fortgeschafft. Die ersterwähnte
Operation kann, da sie geruchlos vor sich geht, zu jeder Tageszeit vorgenommen
werden, die letztere dagegen nur zur Nachtzeit. – Die bereits erwähnten, zur
Aufnahme und Fortschaffung der Excremente bestimmten Kübel haben die Form eines
abgekürzten Kegels von 2 3/4 Fuß Höhe mit 18 und 20 Zoll Durchmesser; sie stehen
beim Gebrauch mit den Fallröhren in Verbindung und sind für den Transport sicher
verschließbar. Letzterer erfolgt auf einem zweipferdigen Plattform-Wagen,
welcher 21 solche Kübel aufnehmen kann.
Die Abfuhr der Auswurfstoffe wird in Leipzig von einem Unternehmer besorgt, der dazu
auf Widerruf von der Stadt die Concession erhalten hat, und einen besonderen Pacht
dafür nicht zahlt. Dagegen erhält er für das Fortschaffen
der Excremente von den Hauswirthen festgesetzte Summen, nämlich für die Abfuhr eines
gefüllten Kessels 20 Silbergroschen und für diejenige eines Kübels 2 1/2
Silbergroschen. Die Excremente werden von diesem Unternehmer größtentheils zu
Poudrette verarbeitet, welche bei Leipzig sehr gesucht ist und wovon der Centner
daselbst mit 1 1/4 Thlrn. verkauft wird.
Das Fortschaffen und die Verwerthung des Straßenkehrichts steht in Leipzig in keiner
directen Verbindung mit den bisher erwähnten Einrichtungen. Das Fegen geschieht nach
gewissen Vorschriften von den Hauseigenthümern, die Fortschaffung aber von dem
Magistrate, an welchen die Bauern für eine zweispännige Fuhre 1 Rthlr. bezahlen.
Durch diesen Erlös werden nicht nur die Kosten für die Abfuhr gedeckt, sondern es
wird sogar oft noch ein kleiner Ueberschuß erzielt.
Dresden mit circa 130,000
Einwohnern. – Die Aufsammlung der Excremente geschieht hier, wie in Leipzig,
in Gruben und in Tonnen (Kübeln). Zum Fortschaffen des flüssigen Grubeninhalts
dienen ebenfalls Kesselwagen, jedoch geschieht das Füllen derselben nicht durch
selbstthätiges Einsaugen, sondern durch Pumpen. Diese sind entweder sogenannte
Priesterpumpen, welche nach dem Princip der Blasebälge construirt, oder Saug-
und Druckpumpen, die nach Art der Feuerspritzen eingerichtet sind. Die festeren
Theile werden unter Desinfection vermittelst Kübeln herausgeschafft, und in eigens
construirten Tonnen auf Wagen, nach Art der Brauerwagen, fortgeschafft. Die Abfuhr
der schon oben erwähnten Latrinenkübel geschieht in geschlossenen Wagen.
Die Excremente werden zum Theil im rohen Zustande an Bauern per Kubikelle (5,88 preuß. Kubikfuß) mit 2–3 Silbergroschen
verkauft, oder zu Poudrette verarbeitet, von welchen der Centner am Platze mit
1–1 1/4 Thlr. abgegeben wird.
Es bestehen in Dresden zwei Gesellschaften, welche das ausschließliche Recht zur
Abfuhr der Auswurfstoffe haben: nämlich der sogenannte
„Hausbesitzerverein“ und der „Actienverein für
Düngerexport,“ dessen Utensilien jetzt dem Magistrate gehören, der
sie an einen Unternehmer verpachtet hat. Letzterer zahlt dem Magistrat einen
jährlichen Pacht von 930 Rthlr. Wie in Leipzig, so müssen auch in Dresden die
Hauseigenthümer für das Räumen der Gruben u.s.w. den Unternehmern bezahlen. Bei Räumung von Gruben
ist nämlich zu zahlen: für jede Kubikelle (5,88 preuß. Kubikfuß) entleerten Stoffes
3–7 Sgr., je nach Lage der Grube und Beschaffenheit ihres Inhalts; bei
Abholung von Latrinenfässern, je nach der Zahl, per
Stück 7 1/2 bis 10 Sgr.
München mit 175,000 Einwohnern. – Die Aufsammlung
der Excremente findet hier ausschließlich in Gruben statt, nach welchen Abfallröhren
gehen und die eine Größe von circa 112 Kubikfuß haben.
Die auf Wagen ruhenden Gefäße, in welchen die Latrinenstoffe abgefahren werden, sind
tonnenförmig gestaltet und aus Holz hergestellt; sie haben einen Inhalt von circa 66 Kubikfuß. Die zwei Abfuhrunternehmer Münchens
arbeiten mit zwei verschieden construirten Pumpen; der eine nämlich mit Saug-
und Druckpumpen, welche nach Art der Feuerspritzen construirt sind, der andere mit
Schiettinger'schen SchieberpumpenBeschrieben im polytechn. Journal Bd.
CLXXIV S. 256., welche ähnlich wie liegende Dampfmaschinen gebaut sind. Um beim Füllen der
Tonnenwagen die sonst entweichenden und übelriechenden Gase für die Umgebung
unwirksam zu machen, werden dieselben mittelst eines Apparates verbrannt, welcher
aus einem tonnenförmigen Behälter besteht, der zum Theil mit Wasser gefüllt ist und
dessen oberer Boden ein Rohr trägt, worin ein kleiner Rost angeordnet ist, auf
welchem während des Betriebes ein Holzkohlenfeuer unterhalten wird; nach dem unteren
Theile dieses Apparates führt ein, von der Tonne herkommendes Luftrohr, und beim
Durchgehen der Luft durch das Feuer wird dieselbe verbrannt.
Was die financielle Seite des Abfuhrwesens in München betrifft, so bezahlen die
Hauseigenthümer den Unternehmern, welche an die Stadt keine Abgabe entrichten, für
das Abholen von so viel Excrementen als einen Tonnenwagen (66 Kubikfuß) füllen, 2
fl., während die Bauern den Unternehmern für den Inhalt eines Tonnenwagens nur 1 fl.
bezahlen. Der größte Theil der Excremente wird in der Umgegend von München von den
Bauern und zwar im rohen Zustande verbraucht.
Carlsruhe mit 25,762 Einwohnern. – Für die
Bürgerhäuser befindet sich Carlsruhe in Bezug auf die Abfuhr der Dungstoffe in einem
noch sehr primitiven Zustande, und bieten hier die städtischen Einrichtungen nichts
Bemerkenswerthes dar. Die Aufsammlung der Abtrittsstoffe findet nämlich in Gruben
statt, in welche zugleich auch der Straßenkehricht gethan wird, da das Kehren der
Straßen den Bürgern obliegt und besondere Fuhrwerke zum Abholen für dieselben nicht
existiren. Das Gemenge von Excrementen und Straßenkehricht, eine dicke Masse, wird
dort von Bauern
abgeholt, welche aber dafür von den Hauswirthen nichts
erhalten, sondern die Abholung entweder frei besorgen oder bei günstiger Lage der
Grube für eine etwa 3 Wagen haltende den Wirthen noch 3–5 fl. bezahlen.
Wie sehr indeß die Excremente als Dungstoffe in der Umgegend von Carlsruhe gesucht
und geschätzt sind, beweist der Umstand, daß die großherzoglich badische
Garnisons-Verwaltung aus den in ihren Gebäuden sich sammelnden
Abtrittsstoffen sehr bedeutende Summen löst.
Die Ansammlung der Excremente in den großherzoglichen Gebäuden, deren Anzahl zehn
beträgt, geschieht, je nach Anzahl der Bewohner, entweder in Gruben oder in
sogenannten Bohlenkästen. Die Gruben werden unter Desinfection mit den einfachsten
Hülfsmitteln geräumt. Ein Bohlenkasten der erwähnten Art hat einen Inhalt von circa 116 preuß. Kubikfuß und ist im Erdgeschoß des
Gebäudes so aufgestellt, daß sein Boden circa 5 1/2 Fuß
vom Fußboden entfernt ist. Zur Entleerung eines solchen Kastens und Fortschaffung
seines Inhalts dient ein Kastenwagen von 65 Kubikfuß Inhalt, welcher unter den
Bohlenkasten geschoben in einfachster Weise gefüllt und später fortgefahren wird.
Die Abfuhr geschieht durch Landwirthe, welche in Licitations-Terminen das
Recht der Abholung des Düngers für ein oder das andere Gebäude, und zwar immer für
ein Jahr, erstehen. Im Jahre 1864 wurde für die zehn großherzoglichen Gebäude die
Summe von 2040 Thlrn. 25 Sgr. Pacht an die Garnisonsverwaltung bezahlt! Hierbei
bleibt noch erwähnenswerth, daß den Landwirthen der Dünger durch sehr bedeutende
Nebenausgaben, wie das Abfahren der Stoffe u.s.w., noch viel höher zu stehen kommt,
als die angeführte Summe angibt, während auch die Garnisons-Verwaltung einige
Unkosten für Instandhaltung der Gruben und Wagen hat.
Die französischen Städte, welche von der Commission
besucht wurden, bieten in Bezug auf die Einrichtungen und Apparate gegen das bisher
Vorgeführte nicht viel Eigenthümliches dar, wenn auch die Administration in den
verschiedenen Städten zum Theil abweichend von derjenigen in den bereits erwähnten
deutschen Städten ist. – Man sammelt die Excremente fast ausschließlich in
gemauerten Gruben, welche durch Schlote mit den verschiedenen Etagen in Verbindung
stehen, entleert dieselben durch Pumpen, wie sie bereits erwähnt sind, und führt sie
durch luftdicht schließende Tonnen ab. Was die Administration anbetrifft, so
bestehen z.B. in Lyon drei Unternehmer, welche zusammen
für das Recht die Auswurfstoffe abzuholen und weiter in ihrem Nutzen zu verwenden,
an die Stadt eine jährliche Abgabe von 120,000 Frcs. oder
per Kubikmeter Excremente 1 Fr. 25 Cent. zahlen, wogegen
die Hauswirthe für das Abholen von 1 Kubikmeter Excremente an die Unternehmer
durchschnittlich 1 Fr. 50 Cent. entrichten. Die Ausräumung der Gruben vollzieht sich
also für die Hauswirthe zu einem sehr niedrigen Preise, und die Unternehmer arbeiten
dabei mit ziemlich hohem Gewinne, da sie von den Bauern für jeden Kubikmeter
Latrinenstoff 1 Fr. 50 Cent. erhalten. In ähnlicher Weise vollziehen sich die
pecuniären Verhältnisse in anderen französischen Städten: die Abfuhr der Dungstoffe
geschieht für die Stadt entweder kostenlos oder doch zu einem sehr niedrigen
Preise.
Am vollkommensten findet man das Abfuhrwesen der Dungstoffe in belgischen Städten organisirt, wo meist die betreffenden Städte noch eine,
oft nicht unbedeutende Rente daraus beziehen. Als Musterstadt betrachten wir in
Bezug hierauf specieller die Stadt:
Antwerpen mit 170,000 Einwohnern. – Hinsichtlich
der Einrichtungen und Apparate, welche zur Sammlung und Fortschaffung der Excremente
dienen, bietet Antwerpen gegen andere Städte wenig Neues dar. Man sammelt die
Excremente ausschließlich in gemauerten Gruben, bedient sich zur Entleerung
derselben der bereits unter Dresden erwähnten Priesterpumpen, und zur Fortschaffung
der ebendaselbst beschriebenen Wagen mit eisernen Cylindern, die hier alle einen
Inhalt von 48,5 Kubikfuß haben. Abweichend von anderen Städten wird hier der
Latrinendünger in drei verschiedenen Qualitäten verkauft, welche wohl nur von dem Kenner
unterschieden werden können, und hauptsächlich durch den Ursprung des Stoffes
bedingt sind. Eine Vermischung der Auswurfstoffe mit anderen Körpern für die
Verwendung in der Landwirthschaft findet nirgends statt. Obgleich eine große
Nachfrage nach diesen Dungstoffen ist, so hat man doch zwei Lagerorte zur
Aufbewahrung des nicht sogleich verkäuflichen Düngers angelegt, welche indessen
nicht viel zur Benutzung kommen. Da nicht aller Latrinendünger in der nächsten
Umgebung von Antwerpen verwendet werden kann, so findet eine nicht unbedeutende
Ausfuhr desselben sowohl zu Lande als besonders zu Schiffe statt; letztere erstreckt
sich bis auf 10 Meilen von Antwerpen.
Was Antwerpen besonders beachtenswerth macht ist, daß seit dem Jahre 1862 das
Geschäft alle Unreinigkeiten aus der Stadt fortzuschaffen
nicht in mehreren Händen, sondern in einer einzigen Hand liegt, welche die städtische Verwaltung selbst ist. Hierdurch ist es
möglich geworden, alle Dienstzweige in einander greifen zu lassen, und eine Anstalt
in's Leben zu rufen, wie solche bisher noch in keiner Stadt besteht. Der gesammte
Dienst theilt sich in Antwerpen in drei bestimmt unterschiedene Zweige, nämlich: die eigentliche Straßenreinigung, die Entfernung der Abfälle
der Haushaltungen nebst Schutt und Abraum, und endlich die Gewinnung
des Latrinen-Inhalts.
An der Spitze des ganzen Instituts steht ein Director, welchem die nöthigen
Controleure und Bureau-Arbeiter zur Seite gestellt sind. Außer den
erforderlichen fest angestellten Stallknechten, welche die Pferde zu überwachen
haben, hält das Institut auch einen Thierarzt, mehrere Schmiede, Stellmacher und
Sattler zum Instandhalten der Utensilien. – Das Inventarium besteht aus 28
Tonnenwagen, 45 Kehrichtwagen, 13 Tonnenwagen zur Besprengung der Straßen, 13
Priesterpumpen, etwa 40 Pferden und 8 Transportschiffen. Mit diesem Inventarium und
dem nöthigen Personal stellt sich der Dienst in den verschiedenen Zweigen
folgendermaßen:
Das Reinigen der Straßen geschieht in Antwerpen in
zweierlei Weise. In einem Theile der Stadt müssen nämlich die Straßen von den
Bürgern gekehrt und der Kehricht zu Haufen gebildet werden; die umherfahrenden Wagen
(tours), haben hier nur die Aufgabe den Kehricht
aufzunehmen und fortzuschaffen. In den anderen Stadttheilen werden aber die Straßen
auch von dem einen Kehrichtwagen (troup) begleitenden
Personal gefegt (2 Männer und 9 Weiber) und dann fortgeschafft. – In jedem
Falle werden von diesen Wagen auch die Hausabfälle mitgenommen, welche die
Hausbewohner rechtzeitig in Körben, Molten auf die Straßen setzen. Ein Kehrichtwagen
hat einen Inhalt von circa 1 Kubikmeter und man zahlt
für den Inhalt eines solchen circa 2 Fr. –
Uebrigens dienen diese Wagen gleichzeitig zum Fortschaffen von Schutt u.s.w. und der
Eigenthümer hat für das Fortschaffen jeder Fuhre circa
75 Cent. zu zahlen.
Das Reinigen der Gruben und das Abführen der in denselben
befindlichen Dungstoffe geschieht, wie schon erwähnt, mittelst der Priesterpumpen
und Kesselwagen, der weitere Transport mittelst Schiffen. Um der städtischen
Verwaltung den sämmtlichen Latrinen-Inhalt der Stadt (bis jetzt erstreckt
sich die geregelte Organisation nur auf die innere Stadt mit 92,000 Einwohnern)
zugänglich zu machen, ist von derselben eine Verordnung erlassen, wornach jeder
Eigenthümer, wenn er über die Latrinenstoffe seines Hauses frei verfügen will, eine
Abgabe von 1 Fr. 50 Cent. per Hektoliter zu zahlen hat.
Da diese Summe einerseits den Handelswerth der Dungstoffe übertrifft, andererseits
der Eigenthümer auch nur mit den vorgeschriebenen Apparaten reinigen kann, so wird
diese Abgabe factisch nie gezahlt, und die Dungstoffe bleiben der Stadt überlassen. Für die
Reinigung der Gruben hat indeß jeder Eigenthümer der städtischen Verwaltung 18 Cent.
per Hektoliter zu entrichten. Die Verwaltung
verkauft die Latrinenstoffe im Durchschnitt zu folgenden Preisen: 1 Hektoliter
erster Qualität mit 1 Fr. 8 Cent., 1 Hektoliter zweiter Qualität mit 75 Cent., und 1
Hektoliter dritter Qualität mit 35 bis 45 Cent. Die Qualitäts-Classen werden
bestimmt theils nach der größeren oder geringeren Dichtheit der Masse, theils nach
dem bekannten Ursprungsorte der Stoffe, da die Lebensweise der verschiedenen
Bevölkerungsclassen Einfluß auf die Güte der Dungstoffe hat.
Die Abfuhr und Verwerthung der Latrinenstoffe bilden den eigentlichen einträglichen
Theil des Unternehmens, denn die Straßenreinigung erforderte in früheren Jahren, als
die Vereinigung derselben mit der Abfuhr der Latrinenstoffe noch nicht stattfand,
einen bedeutenden Zuschuß von Seiten der Stadt. Die günstige financielle Lage der
jetzt bestehenden Organisation, welche, wie bereits erwähnt, sich auf die innere
Stadt beschränkt, ergibt sich aus den uns vorliegenden Daten für das Jahr 1864. Die
Einnahmen für die sämmtlichen Dungstoffe betrugen 190,000 Fr.; die Ausgaben dagegen
für Gehalte, Löhne und Instandhaltung der verschiedenen Utensilien 118,000 Fr.; dieß
ergibt einen Reingewinn von 72,000 Fr. = 19,440 Thalern, und man hofft, daß dieser
sich von Jahr zu Jahr noch steigern wird.
Was die Abfuhr und Verwerthung des übrigen thierischen Düngers, wie Pferde-
und Kuhmist, anbetrifft, so hat die städtische Verwaltung diese nicht in den Kreis
ihres Instituts gezogen, sondern den Eigenthümern selbst überlassen. Es werden
jedoch auch diese Stoffe zu hohen Preisen abgegeben; so zahlt man z.B. für einen
zweiräderigen Karren Pferdemist, wie ihn ein gutes Pferd fortziehen kann, 7 1/2 Fr.,
und für einen eben solchen Karren Kuhmist 10–12 Fr.
Indem wir den Leser, welcher sich für den besprochenen Gegenstand speciell
interessirt, auf das oben citirte Werk verweisen müssen, bemerken wir schließlich,
daß die in den verschiedenen Städten gesammelten menschlichen Excremente in der
Landwirthschaft in verschiedener Form verwendet werden. Am meisten verbreitet finden
wir das Verfahren, diese Stoffe im natürlichen Zustande anzuwenden, was darauf
schließen läßt, daß es zugleich das vortheilhafteste ist. Viel weniger finden wir
dagegen das Verfahren angewandt, die Excremente mit anderen Stoffen zu mischen und
als Poudrette oder Compost in den Handel zu bringen. Der Grund davon möchte der
seyn, daß einerseits der Landwirth beim Kauf solcher Compositionen nicht sicher auf
die Zusammensetzung derselben schließen kann, andererseits aber auch in Wirklichkeit der
Handelswerth solcher Producte durch die erforderliche Umarbeitung des Rohmaterials
zu hoch wird. – In dieser Beziehung möchte es auch fraglich erscheinen, ob
die zwei neuerdings angeregten Verfahrungsarten zur Sammlung der Dungstoffe,
dasjenige von Mosselmann in Paris und das Müller-Schür'sche Verfahren (in Stettin), –
welche beide sich dadurch charakterisiren, daß die Excremente einen bedeutenden
Zusatz von Kalk erhalten, – im landwirthschaftlichen Publicum die Aufnahme
finden werden, welche sie in anderen Beziehungen wohl verdienen möchten.