Titel: | Untersuchungen über die organischen Stoffe im Wasser, von Eugen Peligot. |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. CXII., S. 400 |
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CXII.
Untersuchungen über die organischen Stoffe im
Wasser, von Eugen
Peligot.
Peligot, über die organischen Stoffe im Wasser.
Die Redaction der Annales du Conservatoire des arts et
métieis(t. V. p. 60), welcher Zeitschrift diese Arbeit entnommen ist, bemerkt
dazu (t. V. p. 60):
Eine wichtige Frage der öffentlichen Gesundheitspflege, die der Zusammensetzung der
Trinkwasser, hat seit einigen Jahren lebhaft die Aufmerksamkeit der Regierungen
erregt; in England, Belgien und Frankreich hat sie den Scharfsinn der
ausgezeichnetsten Chemiker geübt. Die Administration von Paris, genöthigt für das
Bedürfniß der rasch anwachsenden Bevölkerung zu sorgen, hat zahlreiche
Untersuchungen über das Wasser der Seine und der benachbarten Flüsse und Quellen
veranlaßt. Die Untersuchung der Wasser hat dadurch einen großen und heilsamen Anstoß
erhalten. Die Zusammensetzung des Seinewassers oberhalb und unterhalb Paris, die
Veränderungen, welche es in der Stadt und den Vorstädten erleidet und die
Einwirkung, welche dadurch auf die Heilsamkeit des Trinkwassers hervorgebracht wird,
welches die an verschiedenen Punkten des Flusses angelegten Maschinen der
Bevölkerung liefern, sind untersucht worden. Diese bedeutende Arbeit ist von Hrn.
Boudet
Diese Arbeit findet sich ebenfalls in den Annales du
Conservatoire t. V p. 77. Sie hat aber ein zu locales Interesse.
Die Arbeit von Peligot ist dagegen den Chemikern,
die sich mit der Untersuchung von Trinkwassern beschäftigen wollen, sehr zu
empfehlen. Str. ausgeführt worden. Gleichzeitig hat Hr. Peligot
eine Arbeit über die organischen Stoffe im Wasser geliefert und ihre Natur zu
erforschen gesucht. Dumas äußert über diese beiden
Arbeiten, daß es ihn freue, dadurch die vier Grundsätze bestätigt zu sehen, welche ihn als Präsident
der Municipal-Commission der Seine geleitet hätten:
1) Ausschließen wo möglich des unterhalb Paris geschöpften Wassers;
2) Vorziehen des Wassers oberhalb;
3) Ueberzeugung, daß die organischen in's Wasser gelangenden Materien sehr langsam
zerstört werden;
4) Trennung, sobald nur möglich, des Trinkwassers von dem zum Spülen der Gossen und
Canäle bestimmten.
––––––––––
Den Ausgangspunkt meiner Untersuchungen, sagt Peligot,
bildete die Beobachtung, daß das Wasser der Seine und des Canals de l'Ourcq mit
neutralem salpetersaurem Silberoxyd einen viel reichlicheren Niederschlag geben, als
wenn man vorher etwas Salpetersäure zusetzt. Im letzteren Falle erfolgt nur ein sehr
geringer von Chlorsilber, mit neutraler Silberlösung betrug er 0,3 Gramme per Liter, und enthielt noch viel kohlensaures
Silberoxyd, gebildet durch den Gehalt des Wassers an kohlensaurem Kalk. Der
Niederschlag, in einer Glasröhre erhitzt, schwärzte sich, gab am Geruch und Wirkung
auf geröthetes Lackmuspapier erkennbares Ammoniak und enthielt darnach eine kleine
Menge einer organischen stickstoffhaltigen Materie.
Noch deutlichere Anzeigen gab salpetersaures Bleioxyd statt des Silbersalzes,
obgleich der Niederschlag, welchen es hervorbringt, eine complicirtere
Zusammensetzung hat. Erhitzt schwärzt er sich und gibt empyreumatische Producte, die
wie verbrannte Wolle riechen, und ammoniakalische Dämpfe.
Die meisten Metallsalze verhalten sich ebenso. Das schwefelsaure Kupferoxyd,
schwefelsaure Eisenoxydul, Eisenchlorür und besonders das Eisenchlorid, dem Wasser
in passender Menge zugesetzt, bringen darin wolkige Niederschläge hervor, welche
sich mehr oder weniger rasch zu Boden setzen. Der Niederschlag mit Eisenchlorid
setzt sich in wenigen Minuten als ockerfarbige Flocken ab, der mit schwefelsaurem
Kupferoxyd erfordert 12–15 Stunden Ruhe.
Diese Niederschläge sind Mischungen von kohlensauren und verschiedenen anderen
Salzen, und Verbindungen von Oxyden mit organischen Materien. Der kohlensaure Kalk,
welcher durch Hülfe von Kohlensäure im Wasser gelöst ist, wirkt wie ein kohlensaures
Alkali. Die Beschaffenheit des Niederschlages wechselt mit der verhältnißmäßigen
Menge des zugesetzten Salzes. Mit dem schwefelsauren Kupferoxyd z.B. erhält man
basisch-schwefelsaures Kupferoxyd, wenn der kohlensaure Kalk im Wasser nicht
im Ueberschuß gegen das zugesetzte Reagens geblieben ist. Im entgegengesetzten Falle
besteht der Niederschlag hauptsächlich aus basisch-kohlensaurem Kupferoxyd.
Mit den Eisensalzen besteht er wesentlich aus Eisenoxydhydrat und mit organischen
Stoffen verbundenem Eisenoxyd. Das Eisenchlorid wirkt schnell und energisch auf
mehrere der organischen in den Wassern gelösten Materien. Es ist ein sehr wirksames
Desinfectionsmittel, welches sumpfige und faulige Wasser augenblicklich ihres
charakteristischen Geruches beraubt.
Es ist wesentlich, dem Wasser das Metallsalz in gerade für den Kalkgehalt passender
Menge zuzusetzen. Setzt man zu viel zu, so findet keine Wirkung statt, und das
Wasser bleibt ganz klar. Es ist daher rathsam, die Zusammensetzung des Wassers
vorher durch einen einfachen hydrotimetrischenHydrotimeter. d.h. Wasserkalkmesser. Es ist das die von Professor Clark in Aberdeen angegebene Probe mit einer
weingeistigen Seifenlösung, welche dem Wasser so lange zugesetzt
wird, bis ein bleibender Schaum entsteht. Die Seifenlösung wird titrirt
durch bestimmte Mengen von kohlensaurem Kalk, welchen man in Salzsäure löst
und durch Abdampfen von überflüssiger Säure befreit. Peligot's Grade entsprechen 1 Centigramm kohlensaurem Kalk in 1
Liter Wasser oder 1/100,000 Talkerde und Gyps etc. wirken dabei wie
kohlensaurer Kalk und werden als solcher gerechnet. (Das Clark'sche Verfahren ist beschrieben im
polytechn. Journal Bd. CXXV S. 32,
und Wilson's Modification desselben in Bd. CLXIII
S. 370.Str. Versuch zu bestimmen.
Meine Versuche über das Wasser der Seine und des Ourcq oder das Gemenge beider,
welches die Stadt ihren Abonnenten liefert, sind vom Februar 1863 bis zum März
desselben Jahres angestellt. Ihr hydrotimetrischer Titer schwankt zwischen 20 und 30
Graden, und sie enthalten folglich 0,2–0,3 Grm. Mineralsubstanzen. Der
kohlensaure Kalk macht, wie man weiß, den größten Theil, ungefähr drei Viertel des
Rückstandes aus, welchen sie beim Abdampfen hinterlassen.
Ich wende mich zuerst zu den Versuchen mit Eisenchlorid. Um eine beträchtliche Menge
des ockerigen Niederschlags zu erhalten, gebrauchte ich eine große Flasche von 25
Liter Inhalt, welche einige Centimeter über dem Boden mit einem Hahn versehen war.
Eine titrirte Lösung von sublimirtem Eisenchlorid, z.B. von 20 Grammen per Liter, oder einem halben, ward dann in hinreichender
Menge zugesetzt. Der Niederschlag setzt sich bald unterhalb des Hahnes zu Boden,
worauf man das klare Wasser ablaufen läßt und durch frisches mit abermaligem Zusatz
von Eisenchlorid ersetzt. Indem man diese Operation 4 mal ausführt, sammelt man bald
im unteren Theile des Gefäßes den Absatz von 100 Liter Wasser.
Die Menge des zuzusetzenden Reagens muß der der Mineralbestandtheile im Wasser etwa
gleich seyn. Wendet man weniger an, so enthält der Niederschlag kohlensauren Kalk,
welchen man übrigens durch sehr verdünnte Salzsäure aus dem getrockneten und
gepulverten Absatz ausziehen kann. – Man setzt so viel Eisenchlorid dem
Wasser zu, daß Blutlaugensalz einen geringen Ueberschuß in der klaren Flüssigkeit
anzeigt.
Wenn das Eisenchlorid schwach mit Salzsäure angesäuert wird, enthält der ockerige
Niederschlag kein Kalksalz.
Um den Absatz reicher an organischer Materie zu erhalten, kann man, wenn er sich am
Boden gesammelt hat, so viel Salzsäure zusetzen, daß sich nicht Alles löst; das
Eisenoxydhydrat löst sich leichter auf, als die Verbindung des Oxyds mit der
organischen Materie. Man bildet so die Auflösung des Eisens auf's Neue, die zur
Fällung einer neuen Wassermenge dient. Indem ich diese Operation sehr oft
wiederholte, erhielt ich ockerige Absätze, welche bis zu 1,5 Proc. Stickstoff
enthielten, was ungefähr 40 Proc. organischer Materie entspricht.
Das Gewicht des trockenen ockerigen Niederschlages, direct erhalten, schwankt
zwischen 0,094 bis 0,131 Gramme per Liter Wasser.
Die Analyse desselben ward nach den gewöhnlichen Methoden angestellt, das Eisenoxyd
durch Glühen, Kohlenstoff und Wasserstoff durch Kupferoxyd, der Stickstoff durch
Natronkalk und sehr verdünnte Schwefelsäure bestimmt. Eine dieser Analysen gab
folgende Resultate:
0,500 Grm. ockerigen, von Kalk befreiten Absatzes, bei 120° C. getrocknet,
liefern 0,419 Eisenoxyd durch Glühen – 83,8 Proc.;
2,0 Grm. durch Verbrennung mit Kupferoxyd 0,253 Wasser und 0,216 Kohlensäure;
2,0 mit Natronkalk erhitzt zur Stickstoffbestimmung
10
Kub. Cent,
titrirter
Schwefelsäure
vorher
= 24,5
10
„ „
„
„
nachher
= 22,5
–––––––
2,0
(10 Kub. Cent, dieser titrirten Säure waren gleich 0,0875
Stickstoff).
Da die größte Menge des Eisenoxyds sich in diesem Absatz als Hydrat
Fe²O³, 3HO befand, ist es nicht möglich, aus diesen Zahlen die
Zusammensetzung der darin enthaltenen organischen Materie zu berechnen, da es kein
Mittel gibt, das Hydratwasser des Eisenoxyds von dem zu unterscheiden, welches durch
die Verbrennung der organischen Materie mit Kupferoxyd erzeugt ist. Wenn man
indessen annimmt, was sehr wahrscheinlich ist, daß diese Materie dieselbe ist,
welche ich, wie in der Folge angeführt werden wird, in Verbindung mit Bleioxyd
analysirt habe, so kann man die Zusammensetzung des ockerigen Absatzes annähernd
berechnen. Das Verhältniß zwischen Kohlenstoff und Wasserstoff in der Bleiverbindung
macht es möglich, die Menge des Wasserstoffs zu berechnen, welche in der organischen
mit dem Eisenoxyd verbundenen Materie enthalten ist. Indem man diese Menge, als
Wasser berechnet, von der ganzen Quantität Wasser, welche die Verbrennung mit
Kupferoxyd geliefert hat, abzieht, gibt der Rest das dem Eisenoxydhydrat zugehörige
und dadurch die Menge des letzteren. Das überschüssige Eisenoxyd ist dann mit der
organischen Materie verbunden. Die anderen Zahlen ergeben sich direct aus der
Analyse. Auf diese Weise ist die folgende Zusammensetzung des ockerigen Absatzes
ausgemittelt worden:
Eisenoxydhydrat
77,5
stickstoffhaltige organische Materie
4,8
Eisenoxyd damit verbunden
17,7
–––––
100,0.
Diese Zahlen sind nur approximativ, aber sie reichen hin, da es sich nur um Gemenge
handelt, die nach Beschaffenheit des Wassers verschieden sind.
Die organische Materie, wovon ich hernach die elementare Zusammensetzung angeben
werde, gehört zu der Classe der zahlreichen, noch schlecht definirten Stoffe,
welchen man den Namen der Humuskörper gegeben hat. Es ist also eine Materie von
brauner Farbe. Behandelt man den ockerigen Absatz, welcher davon gegen 5 Procent
enthält, mit caustischem Kali, so erhält man eine braune, eisenfreie Lösung, eine
Verbindung des organischen Stoffes mit Kali. Im isolirten Zustande enthält er 3 bis
3,5 Proc. Stickstoff.
Die Wasser der Seine und des Canals von Ourcq innerhalb Paris enthalten also einen
braunen organischen Stoff in Lösung, aber in so geringer Menge, daß er sie nicht
färbt. Ein Liter Wasser enthält nur einige Milligramme desselben.
Diese Materie ist gewiß nicht die einzige organischen Ursprungs in diesen Wassern; es
sind sehr wahrscheinlich noch andere darin, welche abzuscheiden später gelingen
wird.
So gering nun auch die Menge derselben ist, scheint mir doch die Gegenwart einer
braunen Stickstoff haltenden Materie in den öffentlichen Trinkwassern, die man im
Allgemeinen für von guter Beschaffenheit erachtet, ein wirkliches Interesse zu
besitzen. Für das Wasser wie für die Luft gibt es keine Kleinigkeiten. Weit
entfernt, die Stoffe nicht zu berücksichtigen, welche sich nur in geringer Menge
darin finden, muß man sich gerade mit ihrer Aufsuchung und Untersuchung in der Folge
beschäftigen.
Diese braune organische Materie scheint in den Wassern, zum Theil wenigstens, in
Verbindung mit Eisenoxyd zu seyn, wovon sie eine sehr kleine Menge enthalten. Ihre
Verwandtschaft zu diesem Oxyde ist sehr groß und ihre Trennung davon sehr schwierig. Löst man z.B.
den ockerigen Niederschlag in einer Säure auf und versucht durch ein Alkali
Eisenoxydhydrat zu fällen, so ist die Trennung in der Kälte sehr unvollständig, das
Eisenoxydhydrat reißt den größten Theil der organischen Materie mit zu Boden. Bei
Anwendung von Wärme läuft man Gefahr, sie zu zersetzen, da sich ein Theil des
Stickstoffes als Ammoniak verflüchtigt. Mit Schwefelammonium gelingt es nicht viel
besser, der schwarze Niederschlag hält die größte Menge der organischen Materie
zurück. Diese Verwandtschaft für das Eisenoxyd ist so groß, daß selbst dann, wenn
man sie durch ein anderes Metallsalz, z.B. salpetersaures Bleioxyd oder
schwefelsaures Kupferoxyd, abscheidet, der Niederschlag eisenhaltig ist. Ich bin
geneigt zu glauben, daß die kleine Menge Eisen im Wasser der Seine und des Ourcq
sich darin in Verbindung mit dieser organischen Materie befindet. Setzt man in der
That diesen Wassern caustisches Natron oder Kalkhydrat in genau abgepaßter Menge zu,
um die Kohlensäure zu sättigen, welche den kohlensauren Kalk aufgelöst enthält, so
fällt dieser nieder und nimmt Eisenoxyd und organische Materie mit sich. Wird der
Niederschlag mit unzureichender Menge Salzsäure behandelt, um Eisenoxyd in dem nicht
aufgelösten Theile des kohlensauren Kalks zu concentriren, so enthält er 10 bis 20
Proc. Eisenoxyd, verbunden mit organischer Materie, welche bei der Calcination
merkliche Mengen von Ammoniak und empyreumatischen Producten gibt. – Auf
diese Weise kann man also aus dem Seinewasser die größte Menge der organischen
Materie abscheiden, da der in Kohlensäure gelöste kohlensaure Kalk drei Viertel des
Abdampfungsrückstandes dieses Wassers ausmacht. Folgender Versuch zeigt, wie wirksam
dieses Reinigungsmittel ist. Zu 75 Litern Wasser wurde so viel caustische
NatronlaugeClark reinigt das Wasser bekanntlich vom
aufgelösten kohlensauren Kalk durch Kalkwasser oder Kalkmilch. Dadurch würde
also nach Peligot auch die organische Materie
entfernt. Siehe Bolley's technische Chemie, 1.
Theil.Str. gesetzt, um die Kohlensäure zu neutralisiren. Der Kalkabsatz, welcher sich
am folgenden Tage abgesetzt hatte, wog 13,225 Grm., betrug also 0,176 Grm. per Liter. Während das Wasser vor dem Versuch 20 Grade
am Hydrotimeter zeigte, waren nach demselben nur noch 3 vorhanden. Der Niederschlag
enthält 2 Proc. Eisenoxyd.
Setzt man dem so gereinigten Wasser Eisenchlorid mit ein wenig Salzsäure zu, so
besteht der Niederschlag aus basischem Eisenchlorid, gibt aber, mit caustischem Kali
erhitzt, kaum alkalisch reagirende Dämpfe; es befindet sich fast alle organische
Materie in dem durch Natronlauge hervorgebrachten Kalkniederschlag. Ich habe
gefunden, daß sich diese organische Materie auch in den Absätzen dieser Wasser in
Dampfkesseln wiederfindet.
Das salpetersaure Bleioxyd, anstatt des Eisenchlorids angewendet, erlaubt, die
organische Materie in einem Zustande zu fällen, welcher ihre Untersuchung leicht
macht. Durch Hülfe ihrer Verbindung mit Bleioxyd habe ich die elementare
Zusammensetzung bestimmen können. Der Niederschlag ist von einer complicirten
Beschaffenheit. Setzt man dem Seinewasser 0,2 bis 0,4 Grm. salpetersaures Bleioxyd
per Liter zu, so wiegt der Absatz 0,4 bis 0,5. Ich
verschaffte mir eine größere Menge davon, indem ich, wie oben beim Eisenchlorid
angegeben, verfuhr. Ich wandte 10 Flaschen von 10 bis 12 Liter Inhalt an, ließ den
Niederschlag absetzen, zog das klare Wasser mit einem Heber ab, füllte von Neuem
u.s.w.
Außer kohlensaurem Bleioxyd in großer Menge war darin schwefelsaures und
basisch-schwefelsaures Bleioxyd, und eine Verbindung von Bleioxyd mit
organischer Materie. Er
schwärzt sich beim Erhitzen und gibt sehr deutliche ammoniakalische Dämpfe, obgleich
er kaum ein Zehntausendtel Stickstoff enthält. Ich fand ihn zusammengesetzt aus:
kohlensaurem Bleioxyd
79,6
schwefelsaurem Bleioxyd
13,2
basich-salpetersaurem Bleioxyd
0,6
stickstoffhaltiger organischer Materie
2,1
damit verbundenem Bleioxyd
4,5
–––––
100,0.
Die Analyse geschah, indem ein bestimmtes Gewicht mit kochendem Wasser behandelt
ward, wodurch das basisch-salpetersaure Bleioxyd gelöst wurde. Dann ward
Salpetersäure angewendet, wo nur das schwefelsaure Bleioxyd ungelöst blieb. Aus der
Auflösung ward das Blei als schwefelsaures Bleioxyd gefällt und daraus ergab sich
das an Kohlensäure und an organische Materie gebundene Bleioxyd.
Endlich bestimmt man in einer neuen Portion die Menge der Kohlensäure durch einen der
dazu gebräuchlichen Apparate. Daraus berechnet sich die Menge des kohlensauren
Bleioxyds und folglich die des mit der organischen Materie verbundenen Bleioxyds. Da
die Menge der organischen Materie nur aus der Differenz abgeleitet wird, kann ihre
Bestimmung nur als approximativ betrachtet werden. – Aber es ist leicht, die
organische Materie, wenn auch nicht gänzlich zu isoliren, doch wenigstens von dem
größten Theil der begleitenden Verbindungen zu trennen.
Man löst den Bleiniederschlag in sehr verdünnter Salpetersäure in geringem Ueberschuß
und filtrirt die Lösung vom schwefelsauren Bleioxyd ab. Man setzt nun eine passende
Menge Kalkmilch zu, wodurch die Verbindung der organischen Materie mit Bleioxyd und
eine Menge basisch-salpetersaures Bleioxyd gefällt wird, welches letztere
sich durch sorgfältiges Auskochen mit Wasser ausziehen läßt. Es bleibt dann nur die
Verbindung der organischen Materie mit Bleioxyd als ein gelbliches Pulver zurück,
welches zuerst über Kalk und dann bei 110° C. getrocknet wird. Es enthielt
65,7 Bleioxyd und 34,4 organische Materie. Diese gab die folgende
Zusammensetzung:
Kohlenstoff
53,1
Wasserstoff
2,7
Stickstoff
2,4
Sauerstoff
41,8
–––––
100,0.
Eine andere Probe nach einem verschiedenen Verfahren dargestellt gab 3,0 Proc.
Stickstoff.
Diese Zahlen reichen hin, nicht um die Formel dieser Substanz festzustellen, denn ich
bin weit entfernt, sie für eine chemische Species zu halten, aber um zu zeigen, zu
welcher Classe von Körpern sie zu rechnen ist. Ihre Eigenschaften und ihr Ursprung
weisen ihr eine sehr nahe Verwandtschaft zu der von Berzelius in Mineralquellen, namentlich in der von Porla, entdeckten
Quellsäure und Quellsatzsäure an. Das Wasser von Porla, obgleich sehr reichlich
quellend, enthält so viel davon, daß es gelb aussieht. In Berührung mit der Luft
setzt es nach dem berühmten schwedischen Chemiker einen braunen Ocker ab, welcher
basisch-quellsaures und quellsatzsaures Eisenoxyd enthält. Berzelius schreibt vor, diesen Absatz mit Kalilauge zu
kochen, man erhält einen braunen Auszug, welcher mit Essigsäure gesättigt und mit
essigsaurem Kupferoxyd gefällt wird. Der Niederschlag ist quellsatzsaures
Kupferoxyd, welches man abfiltrirt, und aus dem Filtrat kann man dann, nachdem man
es mit einem geringen Ueberschuß von kohlensaurem Ammoniak versetzt hat, die Quellsäure
durch dasselbe Reagens niederschlagen.
Bei meinen Versuchen habe ich dieses Verfahren nicht zu befolgen gewagt, ich habe
sorgfältig die Anwendung vegetabilischer Säuren und des Ammoniaks vermieden, da es
sich darum handelt, eine in geringer Menge vorhandene und an Stickstoff arme
organische Substanz zu isoliren.
Diese beiden Säuren entstehen nach Berzelius aus der
Zersetzung vegetabilischer Substanzen. In seinem Jahresberichte über die
Fortschritte der Chemie in 1844 an die Akademie der Wissenschaften in Stockholm
stellt er sie mit den von Mulder und Hermann aus der Ackererde erhaltenen Substanzen zusammen.
Mulder fand in seiner Quellsatzsäure:
Kohlenstoff
51,8
Wasserstoff
3,7
Stickstoff
3,3
Sauerstoff
41,2
–––––
100,0.
Sie war aus 3 Proben holländischer Ackererde erhalten.
Diese Zahlen, welche nicht viel von den meinigen abweichen, reichen hin, um die
Analogie und wahrscheinlich die Identität dieses Productes mit dem von mir aus den
Wassern abgeschiedenen darzuthun. Die Verbindung von brauner organischer Materie,
Eisenoxyd und Thonerde, welche Chevreul 1824 in dem
Erdboden der Höhle von Kuyloch gefunden hat, mehrere der zahlreichen Substanzen,
welche er aus den krankhaften Ausschwitzungen von Bäumen ausgezogen, endlich die
braunen Producte, welche Paul Thenard aus Mistjauche und
Ackererde abgeschieden hat, gehören derselben Familie an. – Diese Substanzen
entstehen sämmtlich durch die Zersetzung gewisser organischer Stoffe, welche, bevor
sie jene definitive Verbrennung erleiden, welche sie der Circulation in der Gestalt
von Kohlensäure, Wasser und Ammoniak zurückgibt, sich in braune Stoffe verwandeln,
welche sehr geneigt sind, sich mit gewissen Oxyden zu verbinden und noch eine
verhältnißmäßig sehr große Beständigkeit besitzen. Diese Producte, welche das
Regenwasser mit mineralischen Bestandtheilen aus dem Boden auszieht, finden sich
aufgelöst in einigen Mineralquellen und selbst in Flüssen. Von ihnen rührt ohne
Zweifel die Farbe des Moorwassers und der Wasser in den Heiden (landes) von Bordeaux her.
Es war interessant, in anderen für gut geltenden Trinkwassern die organische Materie
der Seine und des Ourcqcanals aufzusuchen. Ich benutzte einen Aufenthalt in Havre im
September, um das Wasser, welches die Administration der Stadt den Einwohnern
liefert, und von dessen vortrefflicher Beschaffenheit ich mich überzeugte, einigen
Versuchen zu unterwerfen. Die Wasser, welche ich untersuchte, stammten her von dem
Kreide-Terrain an der Mündung der Seine, von den Quellen des Flusses von
Gournay und von Saint-Laurent. Sie sind frisch, klar und von vortrefflichem
Geschmack. Die Administration vertheilt sie mit seltener Liberalität, denn
zahlreiche Springbrunnen laufen Tag und Nacht.
Der ockerige Niederschlag aus 10 Litern dieses Wassers mit Eisenchlorid bestand nur
aus basischem Eisenchlorid, und gab mit Kali erhitzt keine ammoniakalischen Dämpfe;
auch die Verbrennung mit Natronkalk zeigt die gänzliche Abwesenheit
stickstoffhaltiger Materien. Dieses Wasser scheint also ganz frei von allen
organischen Stoffen zu seyn, trotzdem enthält es Mineralbestandtheile in
verhältnißmäßig beträchtlicher Menge. Es zeigt am Hydrotimeter 55 bis 40 Grad. Ein Liter
läßt beim Abdampfen zur Trockne 0,560 Grm. Rückstand, bestehend aus:
kohlensaurem Kalk
64,1
schwefelsaurem Kalk
12,7
Kochsalz
15,2
andere Salze, nicht bestimmt
8,0
–––––
100,0.
Dieses Wasser, vortrefflich zu trinken, besser als irgend eines, welches man in Paris
verbraucht, taugt aber nicht zum Waschen mit Seife. Die Häuser in Havre sind aber
fast alle mit gutconstruirten Cisternen für Regenwasser versehen, was ja zu diesem
Zwecke am besten taugt.
Es mag mir hier erlaubt seyn zu bemerken, daß man das hydrotimetrische Verfahren
etwas mißbräuchlich als Mittel anwendet, die Qualität des Wassers zu bestimmen.
Handelt es sich darum zu wissen, ob ein Wasser mehr oder weniger zum Waschen mit
Seife, zur Speisung von Dampfkesseln, zur Färberei taugt, so reicht ohne Zweifel die
Anwendung einer titrirten Auflösung von Seife hin, um nützliche Aufklärung zu geben,
und ich bin weit entfernt, die Dienste zu verkennen, welche dieses so einfache und
leicht auszuführende Verfahren leistet, wenn die Resultate, welche es gibt, richtig
gedeutet werden. Aber von meinem Standpunkte ist das die weniger bedeutende Seite
der Frage; außer diesen speciellen Fällen kann ein Trinkwasser bei weitem
vorzüglicher als ein anderes in seinen wesentlichen Eigenschaften seyn, besonders
als Getränk, obgleich es einen viel höheren hydrotimetrischen Grad zeigt. So ist das
Wasser von Saint-Laurent, obgleich es 40 Grade zeigt, viel vorzüglicher als
das Seinewasser mit nur 18 bis 20. Diese Wasser kommen jedoch beide aus Kalkboden,
beide enthalten dieselben mineralischen Bestandtheile; aber das beste ist meiner
Meinung das daran reichste, weil es keine organischen Bestandtheile enthält. Ich
möchte noch weiter gehen und annehmen, daß in gewissen Fällen die hydrotimetrische
Grädigkeit eines Wassers in umgekehrtem Verhältniß seiner Qualität steht.
Ich habe über diesen Gegenstand einige Versuche mit dem Wasser der Seine gemacht. An
demselben Tage, den 4. April, wurden Wasserproben mitten im Strome, die eine zu
Bercy, eine andere im großen Arm der Seine hinter dem Pont
neuf, und eine dritte hinter dem Pont de la
Concorde geschöpft.
Das
Wasser
von Bercy
zeigte
21,5
hydrotim.
Grade,
„
„
aus dem großen Arm
„
20,8
„
„
„
„
hinter dem Pont de la Concorde
„
20,8
„
„
Trotzdem war das Wasser von Bercy augenfällig besser als das, was die Stadt
durchflossen hatte.
Jedermann kann, besonders im Sommer, das verschiedene Aussehen wahrnehmen, welches
das Wasser der Seine im großen Arm hinter dem Pont neuf
und das im kleinen Arm darbietet, wo sich die Schleuse der Münze befindet. Das
Wasser, durch die Stauung aufgehalten, ist hier immer viel trüber und zeigt oft
einen so deutlichen Zustand von Verderbniß, daß die Bootführer, welche sich auf
diesem Theile des Flusses aushalten, ihr Trinkwasser anderswoher holen. –
Zwei zu derselben Zeit genommene Proben zeigten:
aus dem
großen Arm
21,6
Grad,
„
„
kleinen Arm
20,1
„
Also war auch unter diesen besondern Umständen das beste
Wasser dasjenige, welches die größte Menge von mineralischen Bestandtheilen
enthielt. – Dieses Resultat hat nichts was überraschen kann und sich nicht leicht erklären
läßt. Auf seinem Wege durch die Stadt erhält das Wasser organische Materien von sehr
verschiedener Beschaffenheit und Ursprung, ammoniakalische Verbindungen,
Haushaltungs- und Seifenwasser, welche Kalk daraus abscheiden und an dessen
Stelle treten. Deßhalb und auch wegen des Verlustes an Kohlensäure und der
Ausscheidung von kohlensaurem Kalk, welche die Folge davon ist, läßt das Wasser der
Seine im Sommer bei sehr niedrigem Stande einen geringeren Rückstand beim Abdampfen
als im Winter. Trotzdem riecht das Wasser während der heißen Jahreszeit oft sehr
übel, besonders beim Austritt aus der Stadt; bei Grenelle, Bas-Meudon, Sevres
ist es oft unmöglich, davon ohne sehr gegründeten Ekel zu trinken. Um diese Meinung
auf die Spitze zu stellen, habe ich mir die Frage vorgelegt, ob das Wasser, welches
beim Ausfluß der großen Sammelcloake, die bei Asnières ausmündet, sich in die
Seine ergießt, nicht eine weniger hohe hydrotimetrische Stärke zeigen würde, als das
Wasser oberhalb der Cloake. Dieses Wasser ist sehr verdorben und sehr schaumig. Hr.
Felix Boudet, der sich, so wie auch Hr. Poggiale, mit den in den Wassern von Paris enthaltenen
organischen Materien beschäftigt hat, fand durch Hülfe des von Boussingault
Siehe Mohr's Titrimethode. angegebenen Verfahrens 18 mal mehr Ammoniak im Seinewasser 300 Meter
unterhalb der Cloake, als unter gewöhnlichen Bedingungen.
Am 12. Mai war das Wasser, welches ich an der Mündung dieser Cloake schöpfte, in
voller Fäulniß und reagirte sehr deutlich alkalisch. Nach der Filtration gab es
0,867 Abdampfungsrückstand per Liter und doch zeigte es
nur 53 Grad am Hydrotimeter. Dieß hängt davon ab, daß die organischen Materien wenig
Einfluß auf das Hydrotimeter haben.
Das Wasser der Seine oberhalb der Cloake zeigte 22 Grad. Der Versuch hat daher meine
Vermuthung nicht bestätigt; die Verschiedenheiten können nur dann auf eine nützliche
Weise geschätzt werden, wenn man unter normalen Bedingungen operirt; sie können
übrigens auch nur wenig beträchtlich seyn.
Die Beschaffenheit des Wassers aus der Cloake von Asnières, sein Geruch nach
faulem Urin, haben mich indeß veranlaßt, es genauer zu untersuchen. Der
Abdampfungsrückstand eines Liters dieses Wassers ward mit Alkohol ausgezogen und von
dem Auszug der Alkohol abgedunstet. Der neue Rückstand ward in Wasser gelöst, und
der Dialyse unterworfen, dem werthvollen Trennungsverfahren, womit Hr. Graham die analytische Chemie bereichert hat.Annalen der Chemie und Pharmacie, Bd. CXXI S. 1; polytechn. Journal Bd. CLXII S. 223. Ein mit
Pergamentpapier bezogener Reif wird auf Wasser schwimmen gelassen und die zu
untersuchende Flüssigkeit in denselben gegeben. Die krystallisirbaren Stoffe
wandern hindurch, die unkrystallisirbaren nicht. Als ich das durch das Pergamentpapier hindurchgegangene Wasser abdampfte und
den Rückstand mit Salpetersäure versetzte, erhielt ich Krystalle von salpetersaurem
Harnstoff.
Seinewasser, etwa 100 Meter unterhalb der Cloake geschöpft, gab weniger, aber mit dem
Mikroskop noch deutlich erkennbare Krystalle derselben Substanz.
Diese Resultate ließen sich voraussehen. Man findet im Wasser der Seine, was man
hineinbringt. Es scheint mir, daß man sich übertriebene Vorstellungen von der
Schnelligkeit macht, mit welcher die organischen Materien von dem im Wasser gelösten
Sauerstoff zerstört werden. Die organischen Rückstände, welche vom Menschen selbst
oder von seiner Industrie herstammen, zeigen eine gewisse Beständigkeit gerade
deßhalb, weil es
Rückstände sind. Vauquelin hat schon vor 40 Jahren durch
entscheidende Versuche bewiesen, daß die vollständige Zersetzung des Harnstoffs im
Wasser viel langsamer ist als gewöhnlich angenommen wird.
Diese Untersuchung des Wassers von Asnières beweist, daß die Anwohner der von
diesem verdorbenen Wasser bespülten Ufer sich nicht ohne Grund über die Weise
beklagen, wie man die Centralisation in Rücksicht auf sie ausführt. Es ist
sicherlich sehr zu wünschen, daß die Arbeiten an der Sammelcloake fortgesetzt werden
und daß dem Ackerbaue bald diese Stoffe übergeben werden, welchem sie von großem
Nutzen seyn werden, anstatt, daß sie jetzt den Ländereien, welche sie erhalten, eine
Ursache von Ungesundheit und Verödung sind.
Ich komme nun, nach dieser Abschweifung, zu den praktischen Folgerungen aus dieser
Arbeit. In dem Maaße, wie die Industrie eine größere Entwickelung erhält, wird das
Wasser der Flüsse, welche durch die großen Mittelpunkte der Bevölkerung fließen,
weniger rein, denn während die Menge des Wassers dieselbe bleibt, wächst die der
hineingeschütteten Materien. Die Professoren der Chemie, welche, wie ich, seit
langen Jahren und periodisch vergleichende Untersuchungen mit dem Wasser von Paris
anstellen, haben sich überzeugen müssen, daß die Wasser der Seine und des Ourcq
heute nicht mehr sind, wie vor 20 oder 30 Jahren. Die in Rücksicht auf öffentliche
Gesundheitspflege beschwerlichsten Industrien sind sicherlich die, welche auf die
Behandlung der von Thieren herstammenden Producte sich gründen; da sie nur da
existiren können, wo eine große Menge Menschen sich zusammendrängen, kann man nicht
daran denken, sie anderswohin zu verlegen; man muß sich daher darein ergeben, ihnen
den Fluß zu opfern, in welchen man sie zwingt, auf dem kürzesten und sichersten Wege
den Abfall ihrer Fabricationszweige zu schaffen.
Die Seine entgeht weniger als irgend ein anderer Fluß dieser unaufhörlichen Ursache
von Verderbniß. Man ist daher der Municipal-Administration großen Dank
schuldig, daß sie der öffentlichen Meinung vorangeschritten ist in Erkennung der
baldigen Nothwendigkeit, der Stadt besseres Trinkwasser zu schaffen, und man muß die
Anstrengungen loben, welche sie seit mehreren Jahren macht, um diese wichtige
Verbesserung zu verwirklichen. Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1865
S. 91.)