Titel: | Hühnerbrütanstalten in Egypten. |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. CXXXII., S. 462 |
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CXXXII.
Hühnerbrütanstalten in Egypten.
Mit einer Abbildung auf Tab. VI.
Hühnerbrütenanstalten in Egypten.
Das künstliche Ausbrüten von Eiern hat sich bis auf die neueste Zeit in seiner
primitivsten Form in den Fellahdörfern Egyptens erhalten. Durch Jahrtausende sich
fortpflanzend, scheint sich in allen Theilen des Landes eine Normalschablone der
nöthigen Gebäulichkeiten eingebürgert zu haben. Ich hatte Gelegenheit, mehrere
dieser eigenthümlichen Bauwerke in verschiedenen Districten aufzunehmen und war
erstaunt über die Gleichförmigkeit der Hauptdimensionen bei einem sonst nicht an
Pedanterie und Genauigkeit leidenden Volk.
Die Anstalten sind nicht häufig. Im Delta findet sich auf 5 Quadratmeilen vielleicht
eine. Da sie gewöhnlich im Innern der Dörfer liegen und sich äußerlich kaum von dem
biberartigen Baustyl der Fellahhäuser unterscheiden lassen; da sie überdieß nur eine
kurze Zeit im Jahr im Gebrauch stehen, mag dieß die Veranlassung zu der da und dort
ausgesprochenen Ansicht gegeben haben, es sey der alte Industriezweig gänzlich
vergessen. Dieß ist jedoch keineswegs der Fall, und der größere Theil der von
Hühnern fast allein lebenden Bevölkerung erhält seinen Bedarf auf künstlichem
Wege.
Das einfache Baumaterial, aus dem der Fellah seine Brütöfen darstellt, sind die aus
Nilerde geformten sonngebrannten Backsteine und einige Palmstämme. Von 4 bis zu 10
und 12 Oefen bilden eine vollständige Anstalt, von der wir in Figur 18 eine Skizze mit
Dimensionen geben.
Gewöhnlich hat man mehrere Gemächer des Wohnhauses zu durchkriechen, ehe man eine 2
1/2 Fuß hohe Pforte erreicht, die in das Innere derselben führt. Ein hölzernes Thor,
das dieselbe verschließt, führt in einen centralen Gang, der oben gewölbt eine Höhe
von 6–7' und eine Breite von 5' hat. Die Länge entspricht der Anzahl der Oefen, die
sich auf beiden Seiten des Ganges befinden. Luft und Licht erhält derselbe durch 3
bis 4 kleine in der Decke befindliche Oeffnungen. An den Seitenwänden erscheinen für
jeden Ofen zwei übereinander liegende Oeffnungen von 1 1/2 Fuß im Quadrat, durch
welche das Innere desselben zugänglich ist. Seitlich von jeder dieser
Doppelöffnungen ist eine kleine Nische angebracht, in welche eine kleine Oellampe
während des Betriebes gestellt werden kann.
Der einzelne Ofen nun ist ein quadratischer überwölbter Raum von etwa 9' Länge, Breite und Höhe. 4 Palmstämme, horizontal in der Höhe von etwa 2
1/2' angebracht, tragen einen Lehmboden, der somit
das Ganze in eine obere und untere Etage abtheilt. Beide communiciren direct durch
ein in der Mitte des Lehmbodens befindliches quadratisches Loch von etwa 1 1/4' Weite. In dem eigentlichen Gewölbe oben, gerade über
dieser quadratischen Oeffnung, befindet sich ein rundes Loch von 1' Durchmesser. Beide Etagen sind endlich von dem
Centralgange aus durch die erwähnten zwei Pförtchen zugänglich.
Während der Boden der unteren Etage ganz flach ist, finden wir in der oberen, an den
Seitenwänden, parallel mit dem Centralgang hinlaufend, einen niederen Damm, der
dadurch eine über 1' breite flache Grube bildet. Auch
das Loch in der Mitte des Lehmbodens ist umdämmt.
Die Operation beginnt nun Mitte Januars damit, daß in der unteren Etage jedes Ofens
klein gehacktes Weizenstroh (tebn), wie es die
landesüblichen Dreschmaschinen liefern und wie es als Vieh- und Kamelsfutter
gebraucht wird, an den 4 Wänden hin 1' tief
aufgeschüttet wird. Das Loch im Gewölbe und die 2 Thürchen jedes Ofens werden dann
verschlossen und das Stroh in Brand gesteckt. Durch die obere Oeffnung wird der
Luftzutritt so regulirt, daß das Stroh langsam glimmend abbrennt und nach 20 Tagen
vollständig verzehrt ist.
In die erloschene Asche der unteren Etage werden nun die Eier gelegt, indem jeder
Ofen von 4 bis 6000 Stück erhält. Ein Fellah begibt sich in den Centralgang, dessen
Hauptthor nun verschlossen wird und hat für 2 Wochen von der Außenwelt Abschied
genommen. Die einzige Verbindung, die er mit derselben unterhält, ist durch die
Luftlöcher in der Decke möglich, durch welche ihm, als wohlverdienter Trost in der
Einsamkeit, die besten Lebensmittel geschoben werden, die dem Dorf zu Gebot
stehen.
Vom Hauptgang aus zugänglich und im Bereich des nun sehr gleichförmig durchwärmten
Inneren der Anstalt befindet sich ein Magazin, das mit Stroh gefüllt ist. Die
Beschäftigung des Eingeschlossenen besteht nun darin, kleine Partien dieses Strohes
in den flachen Gruben in den oberen Etagen der Oefen fortwährend glimmend zu
erhalten. Dieß dauert 12 Tage, während welcher Zeit die beiden Thürchen zwischen dem
Centralgang und den 2 Etagen jedes Ofens offen bleiben, die Oeffnung im Gewölbe der
oberen Etage jedoch theilweise verschlossen wird.
Nach 12 Tagen wird sämmtliches Feuer gelöscht, die Eier werden aus der unteren in die
obere Etage übergesiedelt und sämmtliche Oeffnungen und Thore verschlossen.
Nach weiteren 5 Tagen wird die obere Thüre geöffnet und die Hühnchen sind
lebensfähig.
Aus 6000 Eiern werden im günstigen Fall auf diesem Wege 4000 Hühnchen, im ungünstigen
3000 erzielt. Was die Temperatur während des eigentlichen Brütens betrifft, so
konnte ich leider keine positiven Versuche anstellen, da es mir nicht gelang, den
Eigenthümer einer dieser Anstalten zu bewegen, mir das Thor zu öffnen. Doch muß
dieselbe ziemlich genau mit der Brutwärme des Huhns Harmoniren, da die Brutzeit mit
der natürlichen so genau übereinstimmt. Nicht unbeträchtliche Schwankungen, die mir
bei der wohlbekannten Indolenz und Nachlässigkeit der Fellahs mehr als
wahrscheinlich erscheinen, haben offenbar auf das Endresultat keinen bedeutenden
Einfluß.
Gewöhnlich werden die Oefen nur einmal des Jahres benutzt und zwar während des
Ramadan (Februar). Die Ursache hiervon liegt einzig im Preis der Eier, welcher um
diese Zeit in Egypten sein Minimum erreicht. (Württembergisches Wochenblatt für
Land- und Forstwirthschaft, 1865, Nr. 22.)Die Redaction unserer Quelle verdankt diese werthvolle Mittheilung ihrem
Landsmann, Hrn. Eyth in Cairo, welcher sich seit
einigen Jahren als Oberingenieur in Diensten des Vicekönigs von Egypten
daselbst befindet.A. d. Red.