Titel: | Miscellen. |
Fundstelle: | Band 178, Jahrgang 1865, Nr. , S. 73 |
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Miscellen.
Miscellen.
Die neuesten Fortschritte der Dioptrik.
Von den Fortschritten der Dioptrik ist der Fortschritt der Naturwissenschaften
bedingt. Ein Blick in die Geschichte der Astronomie, der Physiologie, zeigt, wie mit
der Leistung des Instrumentes die Naturkenntniß wächst. Darum haben auch die größten
Mathematiker, Euler, Lagrange, Bessel, Gauß u.a., sich vielfach mit der Verbesserung der Dioptrik
beschäftigt. Dennoch bestehen bis zur Stunde keine Vorschriften, aus denen eine
Linsencombination abgeleitet werden könnte, die ein richtiges Helles Bild erzeugt.
Diesem Umstand ist es wohl zuzuschreiben, daß die neueren Optiker fast alle die
Theorie als ungenügend im Erfolg verlassen haben. Man schlug den Weg des Versuchs
ein, man combinirte besonders für Mikroskope eine größere Zahl von Linsen, änderte ihre Abstände
und Gestalten, immer geleitet vom Erfolg, bis dieser genügte, d.h. bis die
gestellten Anforderungen ungefähr erfüllt waren. Wir erinnern nur an die Mikroskope
von Oberhäuser, Plößl, Kellner, Amici, Roß u.a. Sie leisten entschieden mehr als die berechneten
Fraunhofer'schen Doppelobjective. Man darf aber nicht
vergessen daß dabei auch mehr Hülfsmittel, mehr Linsen in Anspruch genommen sind,
und daß sie hauptsächlich durch die kleinen Dimensionen wirken, weil damit auch die
Fehler, die einen Theil der Brennweite betragen, verkleinert werden, und selbst
unter die Größe einer Lichtwelle kommen können, also nur noch wenig Einfluß üben.
Doch führt dieser Weg auf andere Unzukömmlichkeiten: die große Nähe des Objectes an
dem Objective, den Mangel an scharfen Bildern und an Tiefe des Bildes, und die
ungleiche Leistung jedes einzelnen Instrumentes. Diese Uebelstände sind durch
Versuche nicht zu entfernen. Sie sind es bloß durch wirkliche Verbesserung des
Bildes, die nur die Rechnung geben kann.
Auch in den Instrumenten für Photographie sind auf demselben Wege seit der ersten
Anwendung eines Fernrohrobjectivs beträchtliche Verbesserungen erlangt worden. Die
Objective von Voigtländer, Jamin, Dallmeyer, Sutton, Harrison bilden Belege. Aber der Nachtheil der Methode
des Ausprobirens tritt hier erst recht deutlich hervor. Während kleine Instrumente
ganz gut seyn können, werden die großen ungenügend, weil die mitvergrößerten Fehler
nur wieder durch Verminderung der Oeffnung, also langsamere Wirkung, vermindert
werden können.
Wenn demnach auf dem Wege des Versuchs auch wirklich bessere einzelne Instrumente
hergestellt wurden, so ist doch nicht zu läugnen, daß der Versuchsweg sehr viel zu
wünschen läßt. Man wäre sicher zu besseren Erfolgen gelangt, wenn man, anstatt die
Theorie als unvollständig zu verlassen, darauf ausgegangen wäre sie zu
vervollständigen. Denn der Versuch kann nur so lange Besseres liefern, als die
Theorie unvollständig ist. Er wird aber nie ein Bestes finden lassen, nie es
ermöglichen alle Instrumente mit gleichem Erfolg herzustellen.
Aus diesem Gesichtspunkt begrüßen wir eine Mittheilung in den Sitzungsberichten der
mathematisch-physikalischen Classe der k. bayerischen Akademie der
Wissenschaften vom 9. Juli 1865 als einen wahren Fortschritt. Wir sehen daraus, daß
es dem Akademiker Steinheil, im Zusammenarbeiten mit
seinem Sohn Dr. Adolf, gelungen ist die allgemeinen
Bedingungen festzustellen, von welchen ein richtiges ausgedehntes Bild abhängt.
Diese Bedingungen, aus denen die Anordnung einer Linsen-Combination im
Allgemeinen hervorgeht, welche winkelgetreue stabil achromatische Bilder erzeugt,
sind bisher in der Theorie ganz unberücksichtigt geblieben, und daher der Mangel an
Uebereinstimmung zwischen Rechnung und Erfahrung.
Die neuen Formen der Objective sind wesentlich verschieden von den bisherigen. Noch
auffallender aber ist der erzielte Erfolg. Diesen weist Steinheil an einigen der Classe vorgelegten Instrumenten nach, die er den
neuen Vorschriften gemäß berechnen und ausführen ließ. Darunter ist ein neues
Photographen-Objectiv, welches nur aus zwei einfachen und gleichen
Crownglaslinsen besteht, die eine symmetrische Lage zum gemeinschaftlichen
Hauptpunkt haben. Dennoch ist das Bild dieses Objectivs ganz ohne prismatische
Farbensäume vollkommen scharf, und umfaßt den unglaublichen Bildwinkel von 90 Grad
in der Tangentialebene. Es war eine Photographie vorgelegt, erzeugt durch ein
solches Objectiv von 2 Zoll Oeffnung und 15 Zoll Brennweite. Die Photographie hat 30
Zoll Durchmesser, ist gleich scharf bis zum Rand und ohne alle Verzerrung. Für
Aufnahmen von Landschaft und Architektur, namentlich des Innern von Gemächern, ist
dadurch ein neues Feld eröffnet, da keines der jetzigen Objective so große
Bildwinkel umfaßt und so getreu zeichnet. Steinheil legte
der Classe auch einen kleinen Refractor vor, der bei 2 Zoll Oeffnung nur 10 Zoll
Brennweite hat und gut eine 120malige Vergrößerung erträgt. Bei dem Objectiv ist die
Kugelgestalt in und außer der Achse streng gehoben, und das Bild ist in und außer
der Achse stabil achromatisch. Das Objectiv besteht aus vier Linsen, zwischen
welchen drei Abstände sind. Die Flintglaslinsen liegen nach außen. Für die
Herstellung großer Achromaten ist diese Construction von Bedeutung, weil sie nicht
nur bessere Bilder liefert, sondern auch die Länge der Instrumente auf die Hälfte
vermindert, womit ermöglicht ist, die Biegung, diese schlimmste aller Fehlerquellen
in der beobachtenden Astronomie, endlich mit Erfolg zu bekämpfen.
Ausführlicheres wird demnächst hierüber in den „Astronomischen
Nachrichten“ zu lesen seyn. (Beilage zur Allgemeinen Zeitung vom 6.
September 1865.)
Verpackungsmaterial für Stopfbüchsen etc.
In einer Sitzung der Société industrielle
zu Mülhausen im Elsaß theilte Herr Th. Schlumberger
hierüber Folgendes mit: Statt Hanf oder Kautschuk macht man eine Mischung von
gleichen Theilen Talg und Sägespänen und drückt diese in die Stopfbüchse ein,
nachdem man letztere durch einen um die Kolbenstange gelegten Baumwollendocht nach
unten abgeschlossen hat. Ein gleicher Docht wird oben aufgelegt und dann die
Stopfbüchse durch den Deckel geschlossen. Durch Anziehen der Schrauben wird die
Mischung genügend comprimirt und erlangt nach einiger Zeit eine große Festigkeit und
Dichte. Schlumberger erhielt diese Methode durch E. Franger in Guebwiller mitgetheilt und hat sich derselben
seit Monaten mit dem besten Erfolge bedient, ebenso wie Hr. Burnat, der seine Angaben lediglich bestätigte. (Dieses
Verpackungsmaterial ist im Wesentlichen das für H. C. Coulthard in England patentirte, welches bereits in Deutschland mit Erfolg
angewendet worden ist; man sehe polytechn. Journal Bd. CLXXI S. 461 und Bd. CLXXII S.
234.)
Chatwood's feuer- und diebssichere Geldschränke.
Um Geldschränke gegen alle Anstrengungen der Einbrecher zu sichern, hat Chatwood in Bolton (Firma: Lancashire Safe and Lok Works, Bolton) verschiedene sinnreiche
Einrichtungen getroffen. Da das Verfahren der Diebe, die Schränke durch Schießpulver
zu sprengen, welches in die Schlüssellöcher eingeführt wird, dadurch unmöglich
gemacht wurde, daß man das Spiel des Schlüsselbartes ganz klein machte und diesen
Spielraum vollständig von dem Körper des Schlosses abtrennte, so bohrten diese
Herren zu diesem Zweck ein besonderes Loch in den Kasten. Dieß läßt sich dadurch,
daß man zum Schrank gehärteten Stahl, hartes Gußeisen etc. verwendet, nicht
vermeiden, weil dann die Wand mit Hammerschlägen zertrümmert werden kann. Chatwood macht nun die Wände und Thüren seiner besten
Schränke aus abwechselnden Schichten von weichem und hartem Stahl; zu diesem Zwecke
wird in eine Stahlplatte von 3/4'' Dicke eine große Zahl
conischer Löcher von 1/2'' Tiefe so dicht neben einander
gebohrt, daß sich deren Ränder berühren, es bleibt also noch eine solide Masse von
1/4'' Stärke. Zwei solcher Platten werden mit den
gebohrten Seiten einander gegenüber gestellt, fest verschraubt und nun Gußstahl
eingegossen, der in Berührung mit den kalten Stahlwänden natürlich so plötzlich
abgeschreckt wird, daß er die größte mögliche Härte erlangt und durch Instrumente
völlig unangreifbar wird. Wirkt nun ein guter Bohrer auf diese im Ganzen 2'' starke Wand, so dringt er leicht durch die äußere
Rinde von weichem Stahl, durchaus aber nicht durch die Schicht, wo der weiche Stahl
mit dem in conischen Erhebungen dazwischen liegenden harten wechselt. Zur Sicherung
für den Fall, daß noch irgendwie Schießpulver in das Schloß oder die Thür gebracht
wird, ist die Längsseite der Thür, welche beim Oeffnen sichtbar wird, an die äußere
Thürplatte nicht befestigt, sondern legt sich nur durch die Federkraft des Stahles
an. Der so vorhandene Schlitz wird durch eine Explosion im Innern der Thür weit
auseinander getrieben werden und so die Pulvergase entweichen lassen. Zu gleichem
Zweck liegen alle Köpfe der Schrauben, welche die beiden Platten der Thür verbinden,
auf starken Spiralfedern, welche gleichfalls bei einer Explosion nachgeben und den
Gasen Austritt gestatten. Nachher kehrt Alles in den ersten Zustand zurück. Gegen
die Anwendung von Keilen sind die Schränke dadurch gesichert, daß die Fläche, mit
der Thür und Thürrahmen aufeinander liegen, nicht geradlinig, sondern karniesförmig
ist (mit S förmigem Querschnitt). Ferner treten die
Riegel in die Schließklampen von unten ein und beide greifen dann wie zwei Haken in
einander, so daß die Struktur des 2'' starken Eisens
erst ganz zerstört seyn müßte, ehe man sie von einander reißen könnte, was durch
keine Gewalt bewirkt werden kann, welche Einbrechern zu Gebote steht. (Breslauer
Gewerbeblatt, 1865, Nr. 18.)
Gummischläuche für Laboratorien, Gasleitungen u.s.w.
Bekanntlich haben die gewöhnlichen vulcanisirten Gummischläuche den großen
Uebelstand, nach einiger Zeit, namentlich wenn sie nicht gebraucht werden, hart und
brüchig zu werden.
Besonders wenn man einen gewissen Vorrath verschiedener Schläuche halten muß, macht
sich diese kostspielige Eigenschaft sehr empfindlich bemerkbar; man hat in diesem
Falle fast alljährlich eine wiederkehrende Ausgabe für den Ersatz noch ganz
unbenutzter Schläuche.
In neuerer Zeit sind Schläuche in den Handel gebracht worden, welche diese
Eigenschaft nicht besitzen, die vielmehr, wie ich mich
durch die Erfahrung überzeugt habe, stets weich und biegsam bleiben. Dieselben sind
als „Patent-Schläuche“ von Julius
Blancke in Magdeburg zu beziehen und sollen erst
vulcanisirt und dann wieder entschwefelt seyn. Ich habe Proben verschiedener
Dimensionen nunmehr fast ein Jahr unbenutzt liegen lassen, ohne eine Veränderung
daran wahrnehmen zu können. Auch bei den verschiedenartigsten Anwendungen in
Laboratorien und bei der Gasleitung bin ich stets mit diesen
Patent-Schläuchen durchaus zufrieden gewesen.
Es kommt wohl vor, daß einzelne Stellen etwas steif erscheinen, doch genügt ein
einmaliges Ausziehen des Schlauches, der Länge nach, um die vollkommene Biegsamkeit
wieder herzustellen; irgend ein Brüchigwerden ist mir bei vielfacher Verwendung
dieser Schläuche, wie gesagt, nicht vorgekommen und der ganze Vorrath daher bis zum
letzten Stück zu benutzen.
Der Preis dieser Schläuche richtet sich nach dem Gewichte und ist für gleiches
Gewicht etwas höher als für die gewöhnlichen vulcanisirten; da aber ein wieder
entschwefelter Schlauch bei gleicher Länge und Dicke leichter als ein vulcanisirter
ist, so stellt sich für gleiche Dimension der Preis der neuen Schläuche nur wenig
höher, während sie durch Vermeidung des beregten Fehlers entschiedenen Vortheil
bieten.
Ich kann diese Schläuche daher bestens empfehlen.
Koberwitz, im August 1865.
Dr. C. Stammer.
Conservirung von Rauchfleisch.
A. Eckstein, Chemiker in Wien, hat, wie er in den
„Neuesten Erfindungen“ angibt, bereits eingetretene Fäulniß
bei einer Sendung Schinken dadurch beseitigt, daß er die Schinken auspacken, jedes
Stück in frischem Wasser gut abwaschen, dann in rohen Holzessig eintauchen, in einen
hölzernen Bottich mit Zwischenlagen von Holzstückchen eintragen und soviel Holzessig
aufgießen ließ, bis die obere Schicht etwa 1 Zoll von der Flüssigkeit überragt war.
Nach acht Tagen wurden die Schinken aus dem Bottiche herausgenommen, jedes Stück
einzeln wieder mit frischem Wasser abgewaschen und an der Luft im Schatten
getrocknet. Der faulige Geschmack war dadurch nicht nur gänzlich verschwunden,
sondern das Fleisch hatte auch ein angenehmes Aroma und war beim Abschnitt ganz
rosenroth und sehr saftig.
Um ähnliche Unfälle zu vermeiden, schlug Eckstein vor, das
zur Versendung (von der serbischen Grenze nach Oberösterreich) bestimmte
Rauchfleisch in Pergamentpapier, das eine Stunde lang in heißen Holzessig eingelegt
war, einzuwickeln und dann erst zu verpacken. Seitdem dieß befolgt wurde, ist selbst
im Hochsommer keine Klage mehr vorgekommen.
Ueber die Verwendung des Grünmalzes und der Mutterhefe zur
Branntweinbrennerei; vom Oekonomen Walz in Speyer.
In der Pfalz wird wenig Roggen und Weizen zur Branntweinerzeugung verwendet, sondern
hauptsächlich Kartoffeln mit einem Zusatz von Gerstenmalz und zwar meistens dem
sogenannten Brauer- oder gedörrten Malz. In dem benachbarten Rheinhessen
wendet man in neuerer Zeit fast ausschließlich das sogenannte Grünmalz oder Filzmalz an; dasselbe wird in der Weise bereitet, daß man
Gerste nach dem Einquellen entweder in hölzerne Kästen bringt (die je einer den
täglichen Bedarf fassen) und sie dort bis zu 1/9–1/2 Zoll Länge wachsen läßt,
oder indem man in einem Raum von gleichmäßiger Temperatur eine größere Quantität
gequellter Gerste zum Wachsen bringt, und sobald dieß geschehen, wozu bei einer
Temperatur von 12° R. 2–3 Tage nöthig, den Haufen täglich dünner legt,
um das Fortwachsen (den Gras- oder Blattkeim) zu verhüten. Für kleine
Brennereien sind die Kästen wohl geeignet haben aber den Nachtheil, daß an den Wänden derselben die
Gerste nicht gleichmäßig wächst, wogegen für größere Brennereien das Wachsen auf
Haufen mehr zu empfehlen ist. Das Grünmalz wird gequetscht und wie das Darrmalz vor
dem Einmaischen der Kartoffeln im Vormaischbottich mit Wasser angerührt. 90 Pfd.
Gerste liefern 125 Pfd. Grünmalz, während 100 Pfd. Gerste 80 Pfd. Darrmalz geben;
man rechnet gewöhnlich 50 Pfd. Darrmalz = 78 Pfd. Grünmalz und hat bei einem
täglichen Verbrauche von 500 Pfd. Kartoffeln, die mit 50 Pfd. Darrmalz eingemaischt
wurden, 90–92 Liter Branntwein erzielt, während 78 Pfd. Grünmalz mit 500
Kartoffeln die gleiche Ausbeute lieferten.
Doch gehen die Erfahrungen hier etwas auseinander, indem einige Brennereibesitzer bei
Anwendung von 78 Pfd. Grünmalz 6–7 Liter Branntwein weniger erzielt haben
wollen, als bei 50 Pfd. Darrmalz auf 500 Pfd. Kartoffeln. So viel steht jedenfalls
fest, daß die Grünmalzbereitung viel einfacher und wohlfeiler und die Verwendung
desselben zum Brennereibetrieb weniger kostspielig ist; denn nach obiger Angabe
haben 120 Pfd. Grünmalz so viel Werth, als 80 Pfd. Darrmalz, während aus 100 Pfd.
Gerste 136 Pfd. Grünmalz und nur 80 Pfd. Darrmalz erzeugt werden, die Kosten für
Darren oder Trocknen gar nicht in Betracht gezogen.
Was die Mutterhefe betrifft, so ist deren Anwendung in den
Branntweinbrennereien längst unter dem Namen „der
Satzfortsetzer“ bekannt. Bei Beginn der Brennerei wird in den bereit
stehenden Satzständern, deren zwei nöthig sind, etwas Hafer- oder
Roggenschrot vermischt und dieser Masse bei einer Temperatur von 18 bis 20°
R. entsprechend frische Bierhefe oder in deren Ermangelung Kunsthefe zugesetzt; ist
die Gährung eingetreten und die Maische im Gährbottich zum Stellen fertig, dann wird
ein Theil dieses Satzes der Maische zugesetzt, der andere kleinere Theil aber in den
zweiten Satzständer, in welchem ebenfalls etwas Maische abgekühlt worden, gebracht,
um am nächsten Tage zur Stellung der Maische zu dienen; man behält dann wieder etwas
zurück und fährt so oft einen ganzen Winter durch fort, ohne frische Hefe zu
verwenden.
Es versteht sich von selbst, daß die Satzständer sehr rein gehalten werden müssen,
damit sich keine Säure bildet, und findet man, um diese zu verhüten, in größeren
Brennereien diese Satzständer mit Kupfer ausgeschlagen.
Die Anwendung der Mutterhefe hat den großen Vorzug, daß, wenn die Gefäße stets rein,
man immer einen gleichmäßigen Gährstoff besitzt, was bei Verwendung von frischer
Bier- oder Kunsthefe nicht immer der Fall, und überdieß wird bei diesem
Verfahren die Ausgabe für Hefe erspart, die, wenn auch nicht bedeutend, da die
Bierhefe sehr billig, doch in Rechnung zu ziehen ist.
Wie groß der Unterschied in der Ausbeute von Branntwein von einer und derselben
Quantität Kartoffeln gleicher Qualität, hatten wir dieses Jahr zu erfahren
Gelegenheit, indem ein Brennereibesitzer von 100 Pfd. Kartoffeln und 5 Pfd.
Darrmalzschrot kaum 7 Maaß Branntwein erzielte, während andere von 100 Pfd.
Kartoffeln und 10 Pfd. Schrot 9 Maaß und darüber erhalten; es hat diese geringe
Ausbeute ihre Ursache nicht allein im geringen Malzzusatz, sondern in dem
unrationellen Verfahren beim Einmaischen und dem Mangel an der bei einer Brennerei
unbedingt nöthigen Reinlichkeit; wo diese fehlt, wo nicht alle zum Betriebe nöthigen
Gefäße täglich auf's Sorgfältigste, wie man sagt, süß gemacht werden, da tritt nur
zu leicht saure Gährung ein, der Proceß geht nicht gehörig vor sich und ein Theil
des Alkohols bleibt als Stärkmehl in der Maische zurück; bei strenger Kälte ist die
saure Gährung zwar weniger zu befürchten, wogegen sie aber bei wärmerer Witterung
sehr rasch eintritt. (Zeitschrift des landwirtschaftlichen Vereins in Bayern.)
Technische Anwendung des Ammoniaks zur Erzeugung der
Luftleere, von C. Tellier.
In diesem Betreff hat C. Tellier der französischen
Akademie am 13. Febr. 1865 eine Notiz eingereicht, welche wir im Folgenden (nach Armengaud's
Génie industriel, August 1865, S. 66)
mittheilen:
„Angenommen, es handle sich darum, die Luftleere in den Tonnen zu
erzeugen, welche zum Aufsaugen der Malen Massen aus den Gruben bestimmt sind. Im
Wagenhaus befindet sich ein Kessel, welcher eine Lösung von Ammoniakgas enthält,
die sich nach
Bedürfniß erneuern läßt. Dieser Kessel steht mit einer Reihe von Waschgefäßen in
Verbindung, welche kalt erhaltenes Wasser enthalten. Das Ganze ist so
angeordnet, daß man zwischen diesem Kessel und den Waschgefäßen nach Belieben
eine Tonne von Eisenblech einschalten kann.
Erhitzt man nun den Kessel, so zieht das aus demselben entwickelte Gas durch die
Tonne und vertreibt aus dieser die Luft. Letztere entweicht bei ihrem Durchzuge
durch die Waschgefäße und hinterläßt darin das Ammoniak, welches sie mitgerissen
hatte. Nachdem die Operation einige Minuten lang fortgesetzt worden ist, besteht
die innere Atmosphäre der Tonne ausschließlich aus Ammoniakgas. Um den
Wiedereintritt von Luft zu verhindern, kann man die Tonne unter einem höheren
Druck als dem der Atmosphäre mit dem Gase beschicken: dabei kann man sich auch
leicht von dem dichten Zustand der Wände versichern, indem man einen mit
Salzsäure benetzten Glasstab denselben annähert, um zu sehen, ob durch
entweichendes Ammoniakgas Salmiaknebel entstehen.
Man kann nun die Tonne, wenn man will, an den Ort fahren, wo sie benutzt werden
soll, um sie daselbst mit der zu entleerenden Grube in Verbindung zu setzen. Bis
zur Benützung der so vorbereiteten Tonne kann man acht Tage und noch mehr Zeit
verstreichen lassen, unterdessen bleibt der innere Druck derselben immer gleich
demjenigen der Atmosphäre, wenn er nicht größer ist.
In der an die Grube gefahrenen Tonne wird auf folgende Weise die Luftleere
hergestellt, damit sie die Latrinenmasse aufsaugt: Ueber der Tonne ist ein
kleiner Recipient angebracht, welcher einige Liter Wasser enthält und den man
mittelst eines Hahns mit dem Innern derselben in Verbindung setzen kann; man
öffnet diesen Hahn, das Wasser fließt in die Tonne und absorbirt sehr rasch das
in derselben enthaltene Gas (es sind etwa 6–7 Liter Wasser per Kubikmeter erforderlich), wodurch augenblicklich
die Luftleere erzeugt wird, welche bewirkt, daß nach dem Oeffnen eines Hahnes
die Tonne in zwei bis drei Minuten mit der aufgesaugten Latrinenmasse gefüllt
ist.
Damit das angewandte Ammoniak nicht verloren geht, sammelt man die gebildete
Auflösung in einem unteren Behälter, welchen man von der Tonne durch einen Hahn
absperrt, ehe die Latrinenmasse aufgesaugt wird.
Wie man sieht, beschränken sich die Kosten dieser Operation fast auf den Werth
der Kohle, welche erforderlich ist, um das Ammoniak aus der wässerigen Lösung
wieder auszutreiben; der Aufwand hierfür dürfte im Großen nur 4–5
Centimes per Kubikmeter betragen.In Leipzig wird statt der Grubenreinigung
durch Pumpen schon seit einiger Zeit die Methode angewandt, daß luftleer
gemachte Eisenblechkessel an die Grube gefahren werden, welche dann nach
dem Oeffnen eines Hahnes die Latrinenmasse aufsaugen. Um einen solchen
Kessel luftleer zu machen, wird er mit einem Dampfkessel in Verbindung
gesetzt und der Dampf von etwa 1 1/2 Atmosphären Spannung so lange
durchgeleitet, bis alle Luft aus dem Kessel verdrängt ist, was sich in
sehr kurzer Zeit erreichen läßt. Alsdann werden alle Hähne am Kessel
geschlossen, in welchem sich nun bei der Abkühlung desselben dadurch,
daß die Wasserdämpfe sich verdichten, ein luftleerer Raum bildet. Dieses
Abkühlen geschieht in der Zeit, welche zur Beförderung des Kessels an
die zu räumende Grube gebraucht wird. Auf dem Kessel ist ein
Luftdruckzeiger angebracht, welcher dazu dient, um einerseits zu sehen,
ob der Kessel auch luftleer ist, dann aber auch zur Beobachtung des
Zeitpunktes dient, wann der Kessel voll ist. Die Zeit, welche ein
solcher Kessel braucht, um 100 Kubikfuß Latrinenstoff aufzusaugen, ist
nur 10 Minuten.Anm. d. Red.
In der Anwendung des Ammoniaks hat somit die Industrie ein Mittel zur leichten
und augenblicklichen Erzeugung der Luftleere, welches sich um so mehr benutzen
läßt, da das Ammoniak gewisse Metalle gar nicht angreift.“
Desinfection von Senkgruben nach dem Müller-Schür'schen System.
Von allen Vorschlägen, die in neuerer Zeit behufs der Desinfection von Senkgruben
gemacht worden sind, verdient das vollständig praktische Desinfectionssystem des
Prof. A. Müller in Stockholm, das durch Dr. O. Schür in Stettin
wesentlich verbessert wurde, die größte Aufmerksamkeit und praktische Verbreitung.
Das angewendete Desinfectionspulver besteht aus 20–35 Th. gebrannten Kalks (in gröblichen
Stücken) und 2 Th. trockenen Holzkohlenpulvers. Der Kalk absorbirt die
Feuchtigkeiten, während die Kohle die Gase in sich aufnimmt; hierdurch entsteht so
werthvoller Dünger, daß derjenige, welcher die Excremente abholt, nicht nur die
kostenfreie Abfuhr, sondern auch noch die Lieferung des Desinfectionspulvers
bewirken kann. Dieser geruchlose Dünger kann ohne Unannehmlichkeit für die
Hausbewohner oder die Passanten der Straße zu jeder Tageszeit abgefahren werden. Die
Stettiner polytechn. Gesellschaft ließ in einer Anzahl von Häusern praktische
Versuche anstellen und setzte, veranlaßt durch den Einwand einiger Mitglieder,
„daß mancher aus Bequemlichkeit die Aufstreuung des
Desinfectionspulvers unterlassen und daran die praktische Durchführung des Müller-Schür'schen
Systems scheitern würde,“ einen Preis von 100 Thlr. Gold für die
Erfindung eines Apparats aus, der das Aufstreuen des Desinfectionspulvers ohne
willkürliche menschliche Hülfe bewirke. Von den zahlreichen Lösungsversuchen wurde
der von dem Mühlenbescheider W. Reincke aus
Friedrichsberg construirte Apparat als der einfachste und praktischste mit dem
Preise gekrönt.
Die Anwendung des Systems ist nach Dr.
Schür in folgender Weise zu bewerkstelligen:
Zur Placirung einzelner mit dem Selbststreuapparat versehener Closets bedarf es
keiner besondern Erläuterung, da sie einfach nur an einer passenden Stelle
aufgestellt zu werden brauchen; auch können dieselben bei etwa eintretenden
Krankheitsfällen, ohne daß man deßhalb Unannehmlichkeiten zu befürchten hat, ruhig
im Wohn- oder Krankenzimmer placirt werden. Die innere Einrichtung ist auf
Trennung des Festen vom Flüssigen basirt. Ein inwendig emaillirter Eimer aus dünnem
Eisenguß, vorn mit trichterförmigem Ansatz zur Aufnahme des Urins (diese Eimer
werden bereits in Neusalzwerk bei Glogau angefertigt), vertritt die Stelle des
bisherigen Holz- oder Zinkeimers im Nachtstuhl. Ein nierenförmiges sich an
den Eimer anschmiegendes Gefäß aus demselben Metall ist bestimmt, den Urin
aufzusaugen und läßt sich von Zeit zu Zeit nach Bedürfniß durch eine Klappe zum
Entleeren fortnehmen. Am Sitz des Nachtstuhles ist das Reservoir des
Desinfectionspulvers mit dem Mechanismus für die selbstthätige Bestreuung
angebracht, welche erfolgt, sobald der auf der Brille Sitzende von dieser sich
erhebt, d.h. sobald die bewegliche Brille durch eine Sprungfeder in die Höhe gehoben
wird und dadurch den Mechanismus der Bestreuung in Thätigkeit setzt. Die emaillirten
Eimer bilden an sich, in einen alten Nachtstuhl gestellt, ein Trennungssystem nach
Müller-Schür'schem Princip, natürlich ohne
Streuapparat, weßhalb hierbei Jeder selbst das Desinfectionspulver über die
entleerten Fäces streuen muß. Dergleichen fertige Closets werden in Stettin bei A.
Töpfer und Moll und Hügel, in Berlin beim Hoflieferanten C. Geißler vorräthig gehalten.
Der Urin solcher einzeln stehender Closets muß alle Tage wie die Nachtgeschirre
ausgegossen werden, während der etwa 1 Kubikfuß haltende Eimer für eine Familie von
5 Personen mindestens 4 Wochen ausreicht. Der Streuapparat ist solid und einfach
construirt, so daß man nicht befürchten darf, daß derselbe seinen Dienst versagen
wird. Die Menge des durch denselben bei einmaligem Gebrauch gestreuten Pulvers
beträgt etwa 1 Loth, also für eine Familie von 5 Personen pro Jahr 50–60 Pfd.; 100 Pfd. des Streupulvers kosten 25 Sgr. bis 1
Thlr. Dasselbe besteht aus 100 Th. gröblich gepulvertem gebrannten Kalk und 15 Th.
fein gepulverter ganz trockener Holzkohle, und muß der größere Vorrath stets an
einem recht trockenen Orte aufbewahrt werden.
Da die im Eimer auf diese Weise bestreuten Fäces völlig desinficirt sind, so ist das
Austragen eines vollen Eimers durchaus nicht mit irgend welchen Unannehmlichkeiten
verbunden; es geschieht am einfachsten auf folgende Weise: Die Fäces des im Closet
befindlichen Eimers werden durch Umstülpen in einen andern Eimer geschüttet und
diese wieder in eine aus dem Hose des Hauses in einem bedeckten Raume aufgestellte
Tonne entleert und wenn nöthig, noch mit etwas Desinfectionspulver bestreut, deren
Inhalt von Zeit zu Zeit von einem Landwirth oder einem Düngerfabrikanten abgeholt
wird.
Am Boden des mit dem Streuapparat versehenen Closets müssen vier 1/2'' weite Blechtüllen und an der Hinterwand unmittelbar
unter dem Streuer eine 2zöllige Tülle zur Ventilation angebracht werden, welche
letztere mit einem conischen Rohre in Verbindung zu setzen oder durch die Außenwand
zu leiten ist, damit die bei ihrer Entleerung blutwarmen Excremente innerhalb keine
Wassertropfen ansetzen. Da es nicht füglich praktisch ausführbar ist, die Filtration
des Urins durch Torfgrus innerhalb solcher einzeln stehender Closets vorzunehmen, um die für
die Landwirtschaft werthvollen Stoffe des erstern durch letztern absorbiren zu
lassen, so muß dieß auf dem Hofe des Hauses in einem sogenannten Pissoir auf
folgende Weise geschehen: Ein aus grobem Weidengeflecht bestehender
(Schwefelsäure-) Korb wird zu 3/4 mit Torfgrus gefüllt, der mit Abgängen aus
Sodafabriken oder dem Nebenproduct der Mineralwasserfabriken (saurer schwefelsaurer
Magnesia) oder endlich mit dem Sauerwasser der Oelraffinerien und dergl. gemischt
ist. Der Korb wird dann so auf einige Steine gestellt, daß die unten durchsickernde,
nicht mehr riechende Flüssigkeit in den Rinnstein laufen kann. Ueber diesen
präparirten Torfgrus werden sämmtliche Urinmengen des Hauses ausgegossen. Die
Erneuerung des Torfgruses, der ebenfalls vom Landwirth oder Düngerfabrikanten
abgeholt wird, geschieht je nach der Größe des Hauses nach 4–6 Wochen.
Vorhandene Retiraden etc. mit darunter befindlichen Senkgruben können gleichfalls
ohne erhebliche Kosten für dieses System umgearbeitet werden.
Seit einem Jahre ist dieses Müller-Schür'sche
System durch Dr. O. Schür in
Stettin praktisch nach den verschiedensten Arten in kleinerem und größerem Maaßstabe
zur großen Befriedigung Aller, die es besitzen, ein- und durchgeführt worden,
und es ist nicht schwer, demselben die größte Zukunft zu prophezeien, namentlich
wenn die heilsame Reaction, welche sich allerorts gegen die Waterclosets und das
Canalisirungssystem bemerkbar gemacht, erst mehr Boden gewonnen haben wird.
Die Kalkexcremente, nach Müller-Schür'schem System
dargestellt, enthalten nach der Analyse von Dr. Scheibler in Stettin im Durchschnitt von 500 Centnern in
100 Theilen:
Werthbestimmung nach Prof. Stöckhardt.
Thlr.
Sgr.
Pf.
1.
Hygroskopisches Wasser
24,04
2.
Organische verbrennliche Stoffe
27,00
à Pfd.
1/2 Pf.
–
1
1 1/2
3.
Stickstoff
2,01
„
10 Sgr.
–
20
–
4.
In Salzsäure unlösliche Stoffe
5,42
„
–
–
–
5.
Basisch-phosphorsaure Kalkerde
3,00
„
1 Sgr.
–
3
–
6.
Phosphorsaures Eisenoxyd
1,29
„
9 Pf.
–
1
–
7.
Kohlensaure Magnesia
0,90
„
1/2 Pf.
–
–
1/2
8.
Kohlensauren Kalk
27,26
„
1/2 Pf.
–
1
2
9.
Aetzkalk
5,22
„
1/2 Pf.
–
–
3
10.
Thonerde
0,18
–
–
–
11.
Alkalien (als Chlorverbindung)
3,01
„
1 Sgr. 5 Pf.
–
4
3
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
100,03
1
–
10
Diese Analyse zeigt auf das Evidenteste, welch' ein wichtiges Material dadurch dem
Boden wieder gegeben werden kann, und ist die gute Wirkung der desinficirten
Excremente bereits durch verschiedene Landwirthe aus der Umgegend von Stettin durch
praktische Anwendung constatirt. Man kann dieselbe wie conservirte frische Fäces
betrachten; denn sowie denselben Säure zugesetzt wird, tritt der den frischen Fäces
eigenthümliche Geruch wieder ein.
Will ein Düngerfabrikant diese Excremente für die Landwirthschaft leicht verwendbar
und transportabel machen, so müssen dazu die fast trockenen Excremente in einem
bedeckten, aber luftigen Raum auf Bretern zum völligen Trocknen ausgebreitet werden;
deßgleichen der die Harnsalze enthaltende Torfgrus, und nachdem beide Theile völlig
lufttrocken sind, müssen sie gemischt, mittelst breiter Holzklötze zerkleinert und
gesiebt werden, und sind dann zum Transport wie zur Anwendung fertig. Durch diese
einfache Fabricationsmethode ist es möglich, dem Landwirthe, der sie natürlich auch
ganz allein vornehmen kann, 100 Pfd. trockene Kalkexcremente für 15 Sgr. zu liefern,
wie dieß auch bereits von der Stettiner Kraftdüngerfabrik geschieht. Bei vermehrtem
Absatz an die Landwirthe wird es den Fabrikanten leicht möglich, nicht nur die
Excremente kostenfrei abzuholen, sondern selbst noch einige Groschen für den Centner
zu bezahlen, statt daß sonst der Hauseigenthümer pro
Fuhre 20–25 Sgr. für das Abholen zahlen mußte.
(Industrie-Blätter.)