Titel: | Reuleaux's Zeit- und beziehungsweise Percussionszünder für mit Spielraum aus dem gezogenen Vorderladungsgeschütz abzuschießende Granaten und Shrapnels. |
Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. X., S. 27 |
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X.
Reuleaux's Zeit- und beziehungsweise Percussionszünder für mit
Spielraum aus dem gezogenen Vorderladungsgeschütz abzuschießende Granaten und
Shrapnels.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Reuleaux's Ventilzünder.
In dem kürzlich erschienenen zweiten Hefte von Bd. LVIII des Archivs für die
Officiere der königl. preußischen Artillerie- und Ingenieur-Corps wird
durch Hrn. Carl Reuleaux, Ingenieur am königl. Arsenal
von Turin, die Construction eines von ihm erfundenen und mit dem Namen Ventilzünder belegten Zünders veröffentlicht, welcher,
aus dem Zünderkörper a, dem Deckel b und dem Ventile c, Fig. 12,
bestehend und in den Kopf eines mit Spielraum zu ladenden cylindro-ogivalen
Geschosses für gezogenes Vorderladungsgeschütz eingesetzt, den Zweck hat, das
überströmende Geschützladungsfeuer vermittelst einer Zündschnur aufzunehmen, welche,
in die Rinne e des Zünderkopfes eingelegt, zu beiden
Seiten der Durchbohrung f des letzteren hervorragt, und
dann als Zeit- und beziehungsweise Percussionszünder zu wirken, indem das der Zündschnur
mitgetheilte Ladungsfeuer sich zunächst dem sogenannten Zeitzündsatze
z mittheilt, welcher in die, eine Verlängerung des
Ventiles c bildende Röhre d
von der dem jedesmaligen Schußzwecke entsprechenden Länge eingeschlagen ist und
durch das in der Achsenrichtung des Zünders durchbohrte Ventil c auch mit dem sogenannten Sicherheitszündsatze
s in Verbindung steht, welcher letztere, zwischen das
Ventil c und den Deckel b
des Zünders eingepreßt, jedesmal verbrannt seyn muß, bevor das Ventil c, beim Anschlage des im Fluge befindlichen Geschosses an irgend einen seine
Fortbewegung hindernden Gegenstand, vermöge des ihm innewohnenden
Beharrungsvermögens, gegen den Zünderdeckel b vorfahren
und so den Canal g frei machen kann, welcher, mit
Kornpulver gefüllt und unten etwa mit Wachs etc. verschlossen, das Zündsatzfeuer der
Röhre d – sobald es ihm bei gelüftetem Ventile
c durch den Canal f
mitgetheilt wird – der Sprengladung des Geschosses zuführt.
Soll ein derartiger Zünder lediglich als Zeitzünder
dienen, so wird das Ventil c durch einen haarnadelförmig
gebogenen Draht, die sogenannte Brosche
h festgestellt, welche dicht über der oberen Fläche des
Ventils in die Löcher l, l des auch zu diesem Ende
durchbohrten Zünderkopfes hindurchgesteckt, so lange sie an ihrem Platze verharrt,
dem Ventile c jede Art von Bewegung untersagt (s. Fig. 12, 13 und 14).
Um ferner den Ventilzünder als Percussionszünder etwas weniger
empfindlich haben zu können, so daß z.B. das mit einer solchen
Percussionsvorrichtung versehene Geschoß ohne Gefahr eines vorzeitigen Crepirens auf
dem Wasser ricoschettiren kann, wird für den dahingehörigen, sogenannten Marinezünder vorgeschlagen, in dem Zünderdeckel b desselben einen mehr oder minder harten, aus
geschmolzenem Schwefel etc. bestehenden Mastic m
anzubringen, welche dem Voreilen des Ventiles nach Verbrennung des
Sicherheitszündsatzes noch ein kleines Hinderniß entgegengestellt, zu dessen
Besiegung jedesmal eine – von der Geschwindigkeit der Geschoßmasse und der
Natur des Hindernisses, welchem das Projectil in seinem Fluge begegnet, abhängige
– gewisse Energie der lebendigen Kraft des Ventiles erforderlich ist.
Will man endlich den Ventilzünder weder als
Percussionszünder noch als Zeitzünder wirken, das mit ihm
versehene Geschoß demnach nur als Vollgeschoß sich verhalten lassen, so kappt man
beim Einführen des Geschosses in das Rohr den Zünder nicht ab, läßt also die im
Canale e desselben verborgene und überklebte Zündschnur
unaufgedeckt.
Modificationen dieses Systemes, welche schließlich zu
einem sogenannten Universalzünder führen, beziehen sich
dann noch auf Folgendes:
1) Beseitigung des Uebelstandes, daß es bei vorbeschriebener Anordnung schwierig ist,
mit Sicherheit die zum Verbrennen des Sicherheitssatzes nothwendige Zeit zu
bestimmen, weil die gleichzeitige, von zwei einander entgegengesetzten Seiten
stattfindende Entwickelung der Verbrennungsgase von Zeit- und
Sicherheitszündsatz Veranlassung zu Unregelmäßigkeiten geben kann.
Die Zündschnur soll zu diesem Ende ihr Feuer zunächst nur dem Sicherheitszündsatze mittheilen,
so daß erst nach dessen Verbrennung auch der Zeitzündsatz
sich entzünden kann.
2) Erschwerung des Verstopfens der Feuerlöcher f des
Zünders beim Ricoschettiren des Geschosses auf weichem Terrain, zu welchem Zwecke
zwei Zündschnüre und also vier Ausströmungsöffnungen für die Flamme angeordnet werden.
3) Entbehrlichmachung der Brosche, indem der Sicherheitszündsatz vom Zeitsatz
gänzlich abgesondert und der Zünderkopf von zwei Canälen
umringt wird, von denen jeder, unabhängig vom anderen, eine Zündschnur birgt, welche
beim oberen Canale mit dem Sicherheitszündsatze und beim unteren mit dem
Zeitzündsatze in Verbindung steht. – Deckt man dann keinen der beiden Canäle auf, so ist weder Zeit- noch
Percussionszünder-Thätigkeit vorhanden, deckt man nur den unteren Canal auf, so hat man einen Zeitzünder und deckt
man endlich beide Canäle auf, so wirkt der Ventilzünder
als Percussionszünder.
4) Auswechselung der für kürzere oder längere Brennzeiten bestimmten Ventile zum
Tempiren von Shrapnelzündern.
Der Zünderdeckel soll, um dieses zu ermöglichen, so
construirt werden, daß in demselben sich der Sicherheitszündsatz, die Zündschnur und die Brosche des ursprünglichen
Zündermodells befinden. – Wenn man dann den Deckel abschraubt, so werden
dadurch auch diese drei genannten Theile entfernt, das Ventil ist folglich alsdann
frei, und man kann es herausziehen, beziehungsweise durch ein anderes von anderer
Länge ersetzen.
Bei hinweggenommener Brosche haben die mit solchen Ventilzündern versehenen Shrapnels
auch noch den Vortheil, daß sie, für den Fall die Explosion nicht vor dem Ziele erfolgt, jedenfalls crepiren, sobald sie
das Ziel berühren, während diejenigen Shrapnels, welche mit dem reinen Zeitzünder
versehen sind, auch erst nach dem Ueberschreiten des
Zieles crepiren können.
D......y, Major
im Generalstabe in Cassel.