Titel: | Ueber die Anwendung der Bessemer-Stahlbleche zu Dampfkesseln; von A. R. v. Burg. |
Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. XXIV., S. 98 |
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XXIV.
Ueber die Anwendung der
Bessemer-Stahlbleche zu Dampfkesseln; von A. R. v. Burg.
Aus der Wochenschrift des nieder-österreichischen
Gewerbevereins, 1865, Nr. 52.
v. Burg, über Anwendung der Bessemer-Stahlbleche zu
Dampfkesseln.
Bei dem Umstande, daß wir in der allernächsten Zeit ein neues Gesetz gegen die Gefahr
von Dampfkessel-Explosionen für Oesterreich zu erwarten haben, in welchem
allen seit dem Jahre 1854, zu welcher Zeit das jetzt bestehende Gesetz erlassen
wurde, gemachten Erfahrungen und Fortschritten im vollsten Maaße Rechnung getragen
werden soll, und dabei namentlich sowohl die Blechdicke, als auch mit wenigen
Ausnahmen die Wahl des Materiales für die Kesselwandungen freigegeben und dem
eigenen Ermessen der Kesselfabrikanten überlassen bleiben dürfte, mag es
entschuldigt werden, und den Kesselfabrikanten nicht unwillkommen seyn, wenn ich
schon heute Einiges über Stahlkessel, welche seit der Einführung des
Bessemer-Processes immer mehr zur Anwendung kommen und wohl nach und nach die
Dampfkessel aus Eisenblechen verdrängen werden, mittheile.
Was zuerst die Verwendung der Gußstahlbleche zu Dampfkesseln betrifft, so mißglückten
bekanntlich die ersten in England an verschiedenen Orten gemachten Versuche
gänzlich, und erst der mehrere Jahre später von den französischen Fabrikanten Jackson, Pétin und Gaudet aus weichem Stahl verfertigte und in der Pariser internationalen
Industrie-Ausstellung im Jahre 1855 ausgestellt gewesene Dampfkessel
entsprach allen nothwendigen Bedingungen in ausgezeichneter Weise.
Dieser Kessel hatte 3 Meter im Durchmesser und eine Blechdicke von 6 Millimeter,
wornach sich dem damaligen Gesetze gemäß die vor dessen Verwendung vorzunehmende
Druckprobe auf 6 Atmosphären hätte beschränken können; allein die Verfertiger
verlangten ausdrücklich eine bis 17 Atmosphären gesteigerte Probe, welche der Kessel
auch, ohne den geringsten Schaden zu leiden, vollkommen aushielt.
Nachdem der Kessel durch drei Jahre in starkem Betrieb gestanden, wurde er durch eine vom
französischen Minister für Ackerbau, Handel und öffentliche Arbeiten angeordnete
Commision (bestehend aus den Herren Combes, Lorieux und
Couche) zerlegt und einer genauen Prüfung
unterzogen.
Nach Entfernung des Mauerwerkes zeigte sich die äußere Beschaffenheit des Kessels
tadellos, die dem directen Feuer ausgesetzt gewesenen Theile ohne sichtliche
Aenderung, die Bleche waren alle wohl erhalten, die Kanten scharf und die Nietköpfe
(ebenfalls Gußstahl) unversehrt. Der Kessel wurde vor seiner Zerstörung einer
Druckprobe bis 21 Atmosphären unterworfen, wobei sich nur einige wenige undichte
Stellen zeigten.
Die aus den Platten herausgeschnittenen Blechstreifen ergaben eine absolute oder
Zugfestigkeit von 73350 Pfund, auf den Wiener Quadratzoll bezogen, und eine
durchschnittliche Dehnung von 10 Procent der ursprünglichen Länge.
In dem hierüber von der Commission erstatteten BerichteIm polytechn. Journal, 1862, Bd. CLXIV S. 3. wird auf eine Toleranz in der Stahlblechdicke bis zur Hälfte, jedoch nur
unter der ausdrücklichen Bedingung eingerathen, daß dabei nach der Länge des Kessels
eine doppelte Nietreihe angewendet werde. Mit dem Hinweis auf die Fairbairn'schen Versuche, nach welchen die Zugfestigkeit
der zusammengenieteten Bleche nach der Richtung senkrecht auf die Nietreihe bei der
einfachen Vernietung auf 56, dagegen bei der gehörig ausgeführten doppelten
Vernietung bloß auf 70 Procent der Blechstärke reducirt wird, hielten sie es für
unverzeihlich, wenn man auf eine so wesentliche, zu den größeren Kosten in keinem
Verhältniß stehende Vermehrung der Widerstandsfähigkeit verzichten wollte.
Die der genannten Commission gleichzeitig aus mehreren Theilen von Frankreich und
England zugegangenen gutächtlichen Aeußerungen von Sachverständigen sprechen sich
fast alle zu Gunsten der Gußstahlkessel aus. Dr. Clark bemerkt in seiner Schrift: „Recent practice in the locomotive engine, London
1860,“ daß in Sheffield Gußstahlbleche zu Dampfkesseln fabricirt
werden, welche eine absolute Festigkeit von 67 Kil. auf den Quadratmillimeter (d. i.
83000 Pfund) besitzen.
Aber nicht bloß im Auslande, sondern auch bei uns im Inlande wurde der Versuch
gemacht, Dampfkessel aus Gußstahlblechen zu erzeugen, wozu vorzüglich unser
bekannter Leobener Gewerke Franz v. Mayr durch seine
fortgesetzten Versuche, für diesen Zweck ganz brauchbaren Gußstahl zu fabriciren,
bereitwilligst die Hand bot. Auf Veranlassung des Hrn. Regierungsraths R. v. Engerth wurden im Jahre 1859 in der
Staatseisenbahn-Werkstätte unter Leitung des Directors Haswell die ersten Locomotivkessel aus solchen Gußstahlblechen erzeugt,
und wenn dabei auch einige dieser Bleche wegen zu großer Sprödigkeit noch
ausgeschieden werden mußten, so wurde gleichwohl durch diese Versuche bei uns die
Bahn zur Stahlkesselerzeugung gebrochen und es hat auch Hr. v. Mayr, wie die Zahlen der nachstehenden Tabelle beweisen, die Mängel einer
theilweisen zu großen Sprödigkeit der Stahlplatten durch fortgesetztes Bemühen
gänzlich beseitigt.
Einen neuen und bedeutenden Aufschwung erhielt die Stahlkesselfabrication durch die
Einführung des die Stahlerzeugung total reformirenden Bessemer-Processes, und
es werden bereits allenthalben mehr oder weniger gelungene Versuche gemacht,
Bessemer-Stahlbleche für Dampfkessel zu liefern. Die Vortheile, dieses
Material zur Dampfkesselerzeugung zu benützen, treten namentlich dort in eclatanter
Weise hervor, wo es darauf ankommt, das Gewicht derselben zu vermindern. In dem
Maaße nämlich, in welchem die absolute Festigkeit dieser Stahlbleche größer als jene
der Eisenplatten ist, können die ersteren dünner, folglich auch leichter als die
letzteren seyn.
Es versteht sich übrigens von selbst, daß, je nachdem das Gußeisen durch den
Bessemer-Proceß mehr oder weniger entkohlt wird, die aus den betreffenden
gegossenen Zainen erzeugten Kesselbleche sich auch mehr oder weniger sowohl
bezüglich der Festigkeit als Dehnbarkeit dem weichen Eisen oder harten Stahle
nähern, und es können eigentlich streng genommen, bis man nämlich den
Bessemer-Proceß nicht vollkommen in seiner Gewalt hat, nur immer geeignete
Versuche von Fall zu Fall den richtigen Maaßstab für die zulässige Reduction der
Blechdicke des Stahles gegenüber jener, welche bis jetzt noch für Eisen normirt
sind, liefern.
Von den zahlreichen Festigkeitsproben, welche ich in Verbindung mit meinem
Assistenten Hrn. Radinger im Laufe dieses Jahres mit
Bessemer-Stahl von den verschiedensten Erzeugungsorten vorgenommen, habe ich
mehrere in der nachstehenden Tabelle zusammengestellt und will dabei nur bemerken,
daß die aus den verschiedenen Stahlblechen kalt herausgehauenen Probeprismen bei 7
Zoll Länge und bis aus die beiden schwalbenschwanzförmigen Köpfe auf circa 1/3 Zoll Dicke oder Durchmesser genau rund gedreht
waren.
Bei Vergleichung dieser Zahlen wird man bemerken, daß die Festigkeit mit der
Dehnbarkeit beinahe im umgekehrten Verhältniß steht oder daß eines auf Kosten des
anderen zunimmt. Da nun aber gerade für Kesselbleche die Eigenschaft der Dehnbarkeit und
Geschmeidigkeit beinahe einen noch höheren Werth als die größere Festigkeit hat, so
ist es höchst wichtig, dafür eben jene Gattung von Stahlblechen zu wählen, bei
welcher Festigkeit und Dehnbarkeit im richtigen Verhältniß zu einander stehen oder
mit einander verbunden sind; man wird also ganz rationell lieber auf eine sehr hohe
Festigkeit zu Gunsten einer größeren Dehnbarkeit und Geschmeidigkeit bis zu einem
gewissen Grade verzichten.
Aus diesem Grunde wurde auch von Seite des h. Handelsministeriums die von mehreren
Seiten nachgesuchte Bewilligung, statt der Eisenbleche zu Dampfkesseln
Bessemer-Stahlbleche, und zwar in geringerer Dicke, verwenden zu dürfen,
bisher immer dahin ertheilt, daß die Verwendung dieses Materiales mit einer
Reduction der Dicke bis auf 2/3 oder auf 3/8 unter der Voraussetzung gestattet sey,
daß die absolute oder Zugfestigkeit der verwendeten Bleche mindestens von
70000–60000 Pfd. und die Dehnung von 10–15 Proc. der ursprünglichen
Länge betrage.
So sicher aber auch der Vorgang wäre, jede Stahlplatte vor ihrer Verwendung zu einem
Dampfkessel auf ihre Festigkeit und Dehnbarkeit zu prüfen, wie dieß in der That in
Frankreich vor Erscheinen des neuen Gesetzes (1. Januar 1865)Polytechn. Journal Bd. CLXXVI S.
256. noch vorgeschrieben war, so unbequem und umständlich wäre dieses Verfahren
andererseits. Ich glaube vielmehr die Hoffnung aussprechen zu dürfen, daß unsere
intelligenteren Gewerke, welche den Bessemer-Proceß bereits eingeführt haben
oder noch einzuführen Willens sind, durch fortgesetzte Versuche sehr bald dahin
kommen werden, Stahl für die verschiedenen Zwecke, nämlich von beliebiger Härte und
Dehnbarkeit zu erzeugen – eine Hoffnung, in welcher ich u.a. durch die
ausgezeichneten Leistungen des Directors des Gratzer Schienenwalzwerkes, Hrn. Hall, bestärkt werde. Sollte es dann noch möglich seyn,
wie es wünschenswerth ist, daß sich die betreffenden Stahlfabrikanten dahin
einigten, bestimmte mehr oder weniger kohlenstoffhaltige Gattungen mit
übereinstimmenden Nummern zu bezeichnen, so daß sich immer ein und dieselbe Nummer
aus den verschiedenen Erzeugungsorten auf eine Blechgattung von bestimmter
Festigkeit und Dehnbarkeit bezöge, so wäre es dem Dampfkessel-Fabrikanten
dann offenbar sehr leicht gemacht, sich für jeden vorkommenden Fall jene
Stahlbleche, welche ihm dafür am geeignetsten erscheinen, nach Nummern in den Werken
zu bestellen, oder wenn solche nach Auswahl schon vorräthig seyn sollten, diese aus
den betreffenden
Magazinen zu beziehen. Die Möglichkeit, in solcher Weise vorgehen zu können, wäre
für den Kesselfabrikanten besonders dann von besonderer Wichtigkeit, wenn ihm nach
dem neuen Dampfkesselgesetze etwa die Wahl des Materiales zu den Kesselblechen,
sowie deren Dicke unter seiner eigenen Verantwortlichkeit sollte überlassen
bleiben.
Weitere Versuche und Erfahrungen werden dann auch an die Hand geben, wie weit man am
füglichsten mit der Härte des Bessemer-Stahles für Kesselbleche herabgehen
dürfe und ob die Meinung, es sey am zweckmäßigsten, die Entkohlung so weit zu
treiben, daß sich die Masse nicht mehr härten läßt, also schon mehr homogenes Eisen
als wirklicher Stahl ist, eine berechtigte sey. Die in der nachstehenden Tabelle
unter der Rubrik „Neuberger Bessemer-Stahl“
aufgeführten, am 6. Nov. 1865 probirten Prismen dürften wohl schon so ziemlich in
diese Kategorie des homogenen Bessemer-Eisens zu zählen seyn.
Ich bin nicht einen Augenblick im Zweifel, daß durch die Fortschritte, welche in der
Bessemer-Stahlerzeugung stattfinden werden, die gewöhnlichen Eisenbleche für
Dampfkessel nach und nach von diesen Bessemer-Blechen gänzlich werden
verdrängt werden.
Abgesehen von der größeren Homogenität der Stahlbleche gegen die gewöhnlichen
Eisenbleche, die sich beim Gebrauche nicht selten spalten oder abblättern und blasig
werden; abgesehen auch davon, daß Stahlkessel bei derselben Widerstandsfähigkeit ein
geringeres Gewicht besitzen, findet bei diesen auch eine Ersparung an Brennmaterial
statt oder es geben diese einen größeren Nutzeffect.
Diese letztere Eigenschaft wird u.a. durch Versuche constatirt, welche mit zwei neben
einander aufgestellten, vollkommen gleichen Dampfkesseln in dem Harkort'schen Walzwerk in Schönthal bei Wetter durch
längere Zeit ausgeführt wurden und wovon der eine ein Stahl-, der andere ein
Eisenkessel ist. Bei dem in ganz gleicher Weise behandelten Stahlkessel ergab sich
eine Mehrproduction an Dampf von 28 Proc. in Bezug auf einerlei Zeit und von 26
Procent in Beziehung auf das verbrauchte Brennmaterial.
Da sich außerdem bei diesem Kessel, wahrscheinlich in Folge der glätteren und
gleichförmigeren Oberfläche, weit weniger Wasserstein als bei dem eisernen Kessel
absetzte, so mag wohl diese Mehrverdampfung außer den dünneren Kesselwänden in
dieser geringeren Kesselsteinbildung zu suchen seyn.
Schließlich möchte ich noch darauf aufmerksam machen, daß die Stahlplatten während
ihrer Bearbeitung zu einzelnen Kesselbestandtheilen, besonders wenn sie, wie z.B. zum
Behufe der Umflantschungen, häufig und nur theilweise in's Feuer gebracht werden, in
einzelnen Theilen ihres krystallinischen Gefüges leicht falsche Spannungen erhalten
können, welche man nur dadurch wieder beseitigt, daß man die betreffenden Platten
nach ihrer Vollendung ganz gleichförmig bis zu einem gewissen Grade ausglüht und
hierauf sehr langsam und wieder eben so gleichförmig erkalten läßt; dadurch scheinen
sich die nur zu einem labilen Gleichgewicht verschobenen kleinsten Theilchen wieder
in das stabile Gleichgewicht zu setzen. Uebrigens bin ich der Meinung, daß, wenn
diese Operation nicht vollkommen ausgeführt wird, sie mehr schaden als nützen kann,
zugleich aber auch der Ueberzeugung, daß sich unsere Arbeiter, wie es schon jetzt
größtentheils der Fall ist, sehr bald die nöthige Uebung in der Behandlung solcher
Stahlplatten aneignen werden.
Tabelle über die absolute Festigkeit mehrerer Gattungen von
Guß- und Bessemer-Stahl.
Gratzer
Walzwerk.
Bessemer-Gußstahl.
Datum1865.
AbsoluteFestigkeit.
Dehnungin Proc.
Datum1865.
AbsoluteFestigkeit.
Dehnungin Proc.
20. März
91974
3,1
6. Mai
97642
8
detto
82735
12,5
detto
96020
6
„
89156
1,0
„
109156
3
„
54746
0
8. Mai
124481
7
6. Mai
125262
5
detto
96458
10,6
detto
102459
10
„
103472
9
„
114412
5
„
112616
6
Bessemer-Kesselblech.
10. October
63685
17
10. October
69564
21,5
detto
69980
17
detto
68902
18,5
„
73065
14
„
68460
18
„
72214
13,5
„
70640
18
„
73430
15
„
72135
15
„
72750
15
„
70836
14
„
136190
0Blau
angelaufen.
„
70890
16,5
„
72876
16
Heft.
Bessemer-Kesselblech.
3. März
63445
nicht zu beobachten
3. März
63079
nicht zu beobacht.
detto
63445
detto
detto
46783
14,5
Datum1865.
Absolute Festigkeit.
Dehnungin Proc.
Datum1865.
Absolute Festigkeit.
Dehnungin Proc.
3. Mai
50448
26
8. Mai
54841
27
detto
47644
26
detto
62162
21
8. Mai
48478
32
„
77672
12
detto
47646
30
„
81753
10
„
50787
11,5
„
115228
5,5
„
55353
10
„
112690
8
„
56146
14
„
83885
17
„
55690
11
„
88450
7
„
54141
17
Krupp in
Essen.
Gußstahl.
17. März
68385
18,7
27., 28., 29. u. 30.
61200
18
7. Juli
61659
18
November
62160
14
detto
67264
18,4
detto
58030
14
„
69505
19
„
70330
11
„
69095
16
„
61200
18
„
63524
18
„
72880
11
11. Juli
65780
10,1
„
60000
14
detto
65070
16
„
59470
18
„
63240
14,5
„
67630
14
„
64650
15,7
„
61560
16
27., 28., 29. u. 30.
55230
18
„
73070
10
November
66680
11
„
69050
12
detto
69400
12
„
60750
11
„
61210
14
„
71980
13
„
60740
14
„
62629
26
„
62480
14
„
63342
16
„
62110
14
„
100372
12
„
58930
17
„
68894
19
„
63700
12
Mayr in
Leoben
Stahlblech.
6. März
77720
20
30. November
68892
23
detto
88400
10
detto
68018
18
„
89800
10
„
99841
19
10. März
83455
10
„
84583
21
detto
80717
11
Neuberg
Bessemer-Stahl.
28. Juni
59500
21,8
6. November
57970
12,3
detto
60700
20
detto
73680
17
„
68840
17
„
70710
15
„
73025
15
„
69360
14
6. Novbr.
52148
20,3
„
71910
15
detto
52559
15,5
„
68180
17
„
52559
19
„
70830
15
Eisen.
„
45950
23