Titel: | Ueber eine neue Elektrisirmaschine; von W. Holtz in Berlin. |
Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. XXXVII., S. 134 |
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XXXVII.
Ueber eine neue Elektrisirmaschine; von W. Holtz in
Berlin.
Auszugsweise aus Poggendorff's Annalen der Physik und Chemie, September 1865, S.
157.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Holz, über eine neue Elektrisirmaschine.
Bekanntlich liefern die besten Elektrisirmaschinen im Allgemeinen nur eine geringe
Elektricitätsmenge und erfordern, wenn dieselben durch längere Zeit in Thätigkeit
versetzt werden sollen, einen bedeutenden Aufwand an bewegender Kraft. Um mit
größeren Elektricitätsmengen experimentiren zu können, hat man die
Elektrisirmaschine mit einem Ladungsapparate zu verbinden: in diesem Falle sind aber
die Wirkungen nur momentane, und es ist daher der Zeit- und Kraftaufwand
hierbei noch unverhältnißmäßig größer, abgesehen davon, daß man mittelst Anwendung
irgend eines der bekannten Ladungsapparate die Wirkungen eines durch beliebig lange
Zeit andauernden continuirlichen Stromes nur in mangelhafter Weise nachahmen kann.
In allen Fällen, in welchen man größere Elektricitätsmengen von bedeutender Spannung
für die vorzunehmenden Untersuchungen braucht, ist daher der elektrodynamische
Inductionsapparat in der neuesten Zeit als der ergiebigste Motor zur Erzeugung
elektrischer Wirkungen in Anwendung gekommen, da bei diesem die bewegende Kraft
durch den von einer kleinen Volta'schen Batterie gelieferten continuirlichen Strom
ersetzt wird, und die Wirkungen der inducirten Ströme innerhalb weit auseinander
liegender Grenzen gesteigert und modificirt werden können, wenn man dem Apparate die
hierfür geeignete Anordnung gibt.
Die in Rede stehende neue Elektrisirmaschine hat den Zweck, durch einen geringen
Kraftaufwand und unter Umgehung mancher Uebelstände der
Reibungs-Elektrisirmaschinen, einen Elektromotor zu liefern, der quantitativ
mehr leistet als letztere und dabei die Intensität der auftretenden
Elektricitätsmengen noch bis zu einem gewissen Grade zu steigern fähig ist. Die
Idee, von welcher Holtz bei der Construction seines
Apparates ausgieng, und die fast gleichzeitig in origineller Weise von
Töpler in Riga für die Construction eines
„Influenz-Elektromotors“ benutzt worden ist,Poggendorff's Annalen, Juli 1865, S. 469. besteht beiläufig darin, eine in rasche Rotation versetzte Glasscheibe
äußerst nahe und parallel zu einer festen mit einer geringen Ladung versehenen
Condensatorscheibe in unmittelbarer continuirlicher Aufeinanderfolge zu laden und zu
entladen, so daß die gegenseitigen influescirenden Wirkungen der auf beiden Scheiben
durch Influenz angesammelten Elektricitätsmengen einen durch längere Zeit
anhaltenden Strom erzeugen, der bei passender Anordnung des Apparates in
quantitativer Beziehung sowie bezüglich der Dichte der zur Vergleichung kommenden
Elektricitäten die Wirkungen des continuirlichen Volta'schen Stromes einerseits
sowie die der Ladungsapparate andererseits nachahmen kann.
Die Einrichtung der Elektrisirmaschine von Holtz ist
beiläufig folgende: „Eine Stahlwelle von 9 Zoll Länge (Fig. 10) sey an ihren
Endpunkten in horizontaler Lage unterstützt und mittelst einer Schnur und einer
größeren Holzscheibe, welche durch eine Kurbel gedreht wird, in schnelle
Rotation zu setzen. (Eine Vorrichtung zum Treten bietet hierbei manche
Bequemlichkeit dar). In der Mitte dieser Welle sitzt auf einem Ueberzug aus
Kammmasse, und durch eine Fassung aus derselben Masse, genau senkrecht zu jener
befestigt, eine runde Glasscheibe von 15 Zoll Durchmesser. Die Glasscheibe muß
genau centrirt und aus sehr dünnem und geradem Spiegelglase gewählt werden.
– Eine andere ebenfalls runde, aber um 2 Zoll größere Scheibe, welche aus
recht geradem Fensterglase bestehen kann, ist in der Mitte mit einer solchen
Oeffnung versehen, daß es möglich ist sie der ersteren parallel und in etwa 1/8
Zoll Entfernung zu befestigen. Letzteres wird durch vier horizontal laufende
Stäbe aus Kammmasse, welche den äußeren Glasrand in ziemlich gleichen
Intervallen berühren und durch kleine auf denselben verschiebbare Ringe bewirkt.
Diese Scheibe ist noch mit zwei eigenthümlichen Ausschnitten und
Papierbelegungen versehen, von denen die einen wie die anderen genau um eine
halbe Umdrehung von einander entfernt sind, und zwar so, daß jedesmal ein
Ausschnitt unmittelbar einer Belegung vorangeht. Die Form der Ausschnitte ist am
besten aus der Zeichnung ersichtlich; ihre größte Breite und Tiefe beträgt 4
Zoll. Von derselben Länge, ohne indeß den Rand der rotirenden Scheibe zu
überschreiten, sind die Belegungen, welche sich auf beide Seiten der Glasscheibe
erstrecken. Die Breite des äußeren Theiles beträgt 2 Zoll, die des inneren etwa nur die
Hälfte. Von dem letzteren ausgehend ragen zwei zugespitzte Stückchen
Kartenpapier bis ungefähr in die Mitte der Ausschnitte hinein. – Vor der
rotirenden Scheibe, parallel zur Welle, und ebenfalls nur eine halbe Umdrehung
von einander entfernt, sind zwei Metallstangen, e
und f, welche Conductoren heißen sollen, isolirt
befestigt. An ihrem freien Ende sind dieselben mit Klemmschrauben, an dem
anderen, mit dem sie sich der Glasfläche nähern, mit radial laufenden
Querstäbchen, und die letzteren wieder mit einer größeren Anzahl feiner und 1/2
Zoll langer Spitzen versehen, welche dem Glase möglichst nahe stehen, ohne
dasselbe zu berühren. Diese Spitzenreihen befinden sich den Belegungen, aber nur
ihrem äußerem Theile, gegenüber.“
Die Scheiben sind, um denselben eine größere Isolationsfähigkeit zu geben, mit
Schellackfirniß überzogen, der von Zeit zu Zeit erneuert werden muß, da bei längerer
Thätigkeit des Apparates dieser Firniß eine eigenthümliche Aenderung erleidet, durch
welche namentlich die rotirende Scheibe wieder leitend wird, wenn dieselbe nicht von
den angesetzten und vom Firniß abgelösten Staubtheilchen befreit wird.
Zum Erregen der Elektricität benutzt Holtz eine dünne
Platte aus Hartkautschuk von 4 Zoll Breite und etwa der doppelten Länge, welche nach
gehörigem Reinigen ihrer Oberflächen auf einer oder abwechselnd auf beiden Seiten
mit Pelzwerk gerieben wird. „Die elektrische Fläche nähere man einer der
Belegungen, während die Scheibe wie der Zeiger einer Uhr rotirt und die
Conductoren mit einander oder mit der Erde in leitender Verbindung stehen.
Sofort nehmen dann beide Belegungen entgegengesetzte elektrische Ladungen an,
deren Dichtigkeit nun schnell unter einem knisternden Geräusche wächst, bis
schon nach wenigen Secunden ein bestimmter und vorläufig constanter Maximalwerth
erreicht ist. Innerhalb derselben Zeit wird sich im Schließungsbogen ein
continuirlicher elektrischer Strom etabliren (der aus Ladungs- und
Entladungsströmen besteht), mit dem man nun, so lange man denselben nicht
vollständig unterbricht, in beliebiger Weise experimentiren kann.“
Bei kurzer Unterbrechung der Thätigkeit der Maschine wird dieselbe durch Rotation
allein wieder wirksam, namentlich wenn der Apparat den gehörigen Isolationszustand
beibehält; überhaupt scheint eine nur äußerst geringe primitive Erregung
auszureichen, um durch Notation die Wirksamkeit hervorzurufen. – Als
Entladungsvorrichtung dient der in Fig. 11 abgebildete
Apparat, bei welchem von drei isolirten Messingständern, die beiden äußeren a und c mit den Conductoren
oder einer gleichzeitig mit der Erde verbunden wird, zwischen b und c die Einschaltung eines beliebigen der Untersuchung
unterworfenen Leiters l geschieht und durch Verschiebung
der beiden Drähte m und n
die Schlagweite abgeändert werden kann. Zur Verstärkung der Entladungen –
unter Verringerung ihrer Anzahl also mit Verlust der Continuität – müssen die
Schlagweite, die Elektroden oder die Oberflächen der Conductoren vergrößert werden;
letzteres geschieht am bequemsten durch Einschaltung einer Leydener Flasche.
– Die quantitativen Leistungen werden bei gleichbleibender
Rotationsgeschwindigkeit durch Anbringung von mehr als zwei Conductoren, von denen
jeder hier ein Element genannt wird, erhöht. In Fig. 12 ist gezeigt, wie
vier Elemente p, q, r und s
an der Maschine zu vertheilen sind; dieselben können paarweise mit Modificationen so
vereinigt werden, daß bald die quantitative, bald die Leistung der Maschine
bezüglich der sog. Intensität der Entladungs- und Ladungsströme
vorherrscht.
Aus den Wirkungen, welche die Maschine zu erzeugen fähig ist, und die der Verfasser
erörtert, läßt sich entnehmen, daß dieselben mit denen eines Inductionsapparates
analog sind, und von diesen nur durch den Grad ihrer Stärke, die im Allgemeinen noch
gering zu seyn scheint, sich unterscheiden. (Die Lichterscheinungen zwischen
zugespitzten und kugelförmigen Elektroden, die sich bekanntlich nach Gestalt und
Entfernung der letzteren ändern, sind in Fig. 13 angedeutet.) Der
Verfasser erwähnt, daß er mit der Construction zusammengesetzter Maschinen
beschäftigt sey, welche aus einer kleinen Elektrisirmaschine obiger Form und einem
größeren Apparat bestehen, dessen Belegungen nicht durch seine eigene Thätigkeit,
sondern durch die der Elektrisirmaschine in elektrischer Spannung erhalten werden.
Ein solcher Apparat, der insbesondere für hohe Spannung sich eignet, und der aus
Scheiben von 30 Zoll Durchmesser besteht, ist in Fig. 14 dargestellt: die
mit + bezeichnete Belegung ist hier constant elektrisch, den ihr gegenüber
befindlichen Conductor e hat man sich mit der Erde, den
Conductor f aber mit einem Leiter von großer Ausdehnung
verbunden zu denken. Mit einem solchen Apparate konnte schon bei mangelhafter
Ausstattung eine Schlagweite von 9 Zoll erhalten werden.Die Anfertigung von Maschinen, wie die oben beschriebene, hat der Erfinder
dem Mechaniker W. Schulz, Auguststraße 23 in
Berlin übertragen: der Preis eines Exemplares soll sich auf 25 bis 30 Thlr.
stellen. Ein größerer Tisch mit Schwungrad und Trittbret dazu würde den
Preis um 15 bis 20 Thlr. erhöhen.