Titel: | Die Zinnoberfabrication in Idria. |
Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. XCI., S. 376 |
Download: | XML |
XCI.
Die Zinnoberfabrication in Idria.
Aus der österreichischen Zeitschrift für Berg- und
Hüttenwesen, 1865, Nr. 42.
Zinnoberfabrication in Idria.
Bei der Zinnoberbereitung bezweckt man zuerst die Erzeugung von Schwefelquecksilber;
dieses geschieht durch Amalgamation des Schwefels mit Quecksilber, wobei zu bemerken
ist, daß immer ein Ueberschuß von Schwefel vorhanden seyn muß, um das Quecksilber
desto leichter mit demselben binden zu können, daher man vom stöchiometrischen
Verhältnisse abgeht und erfahrungsgemäß auf 84 Theile Quecksilber 16 Theile Schwefel
gibt, um den möglichst kleinsten Quecksilberverbrauch zu erzielen. Bei der
Amalgamation oder Mohrbereitung geschieht die Verbindung des Schwefels mit dem
Quecksilber nur mechanisch, zu dem sogenannten Mohr, einer schwarzen Masse mit einem
Strich in's Violette, die aus amorphem Schwefelquecksilber, chemisch gebundenem
Quecksilber und einem Ueberschuß von Schwefel besteht. Um diese mechanische
Verbindung in eine chemische übergehen zu lassen, wird der Mohr abgedampft; bei
einer Temperatur von circa 120° R. geschieht
diese Umwandlung, wobei ein Entzünden des Schwefels in Begleitung einer heftigen
Detonirung und ein starkes Rauchen erfolgt. Der frühere Mohr, aus welchem man durch
mechanisches Pressen Quecksilber abscheiden konnte, zum Beweise, daß es
hauptsächlich eine mechanische Verbindung war, verwandelt sich in eine
dunkel-violette pulverartige Masse, worin das Quecksilber mit dem Schwefel
schon chemisch gebunden ist, aus welcher man durch mechanische Kraft Quecksilber
nicht mehr abscheiden kann. Der abgedampfte Mohr wird nun in Sublimationsgefäßen der
Sublimation unterworfen, wobei der abgedampfte Mohr (amorphes Schwefelquecksilber
mit Ueberschuß von Schwefel) aus den gußeisernen Kolben in Helme, Röhren und
Vorlagen als Stückzinnober hinüber sublimirt. In den Vorlagen findet man bei
Anwendung neuer Subl.-Kolben oft Spuren von reinem Quecksilber. Der
Stückzinnober besteht aus krystallinischem Schwefelquecksilber und einem
Ueberschusse von Schwefel, er ist strahlig krystallinisch, von dunkel
cochenillerother Farbe, metallisch glänzend und von leicht zerbrechlichem
Gefüge.
Behufs Erzeugung des Zinnobers als Farbe wird der Stückzinnober der Mahlung, einer
rein mechanischen Operation, unterworfen; und zwar geschieht die Mahlung unter
Wasser, theils um das Verstauben zu verhindern, theils um ein gleichförmiges
Korn zu erhalten, was trocken nie erlangt werden könnte.
Die verschiedenen Nüancen der Schärfe und Lichte werden dadurch hervorgebracht, daß
man den Zinnober mehrere Male durch den Stein durchläßt, so z.B. geht der
chinesische zweimal, der dunkelrothe viermal, der hochrothe fünfmal durch den Stein.
Je öfter der Zinnober gemahlen wird, desto mehr wird das krystallinische Gefüge
zerstört, desto Heller die Farbe.
Die letzte Operation besteht im Raffiniren, welche die Entfernung des überschüssigen
Schwefels zum Zwecke hat. Das Raffiniren geschieht in Kalilauge
(10–13° B. aus Asche oder der Potasche erzeugt); diese entzieht dem
Zinnober den überschüssigen Schwefel und bildet Schwefelleber
(Fünffach-Schwefelkalium, KaS⁵); durch Waschen im reinen warmen Wasser
werden die verschiedenen Salze der Lauge, da diese nicht ganz rein angewendet wird,
sowie das Fünffach-Schwefelkalium, KaS⁵ weggebracht, und es bleibt der
reine Zinnober mit scharlachrother Farbe.
Das Manipulationsverfahren zerfällt in die Amalgamation oder Mohrbereitung, in die
Sublimation, Mahlung und in die Raffinirung; die einzelnen Arbeiten bestehen in
Folgendem:
Mohrbereitung. Der Schwefel wird vorerst in einer Stampfe
gekocht und fein gesiebt. Das Sieb ist erfahrungsgemäß am zweckmäßigsten mit
25–30 Fäden auf einen Zoll. Ist das Sieb weiter, daher der Schwefel gröber,
so bindet sich das Quecksilber schwerer und es bleiben große Quecksilberkügelchen
ungebunden; ist das Sieb enger, daher der Schwefel feiner, so schwimmt er auf der
Oberfläche des Quecksilbers ohne es zu binden. Im oben angeführten Verhältnisse wird
der Schwefel sowohl, als auch das Quecksilber abgewogen und in die Fäßchen des
Mohrbereitungs-Apparates hineingegeben. Die Fäßchen sind von Ulmenholz, mit
eisernen Reifen wohl beschlagen, und ruhen auf zwei längs der längeren Achse
angebrachten Spindeln in einem horizontalen Lager. Die Fäßchen haben inwendig
prismatische hölzerne Hervorragungen (Federn), um mehr Abstoßflächen zu erzielen.
Der ganze Apparat besteht aus 18 Fäßchen, von denen jedes 50 Pfund von dem Gemenge
(42 Quecksilber und 8 Schwefel) faßt; diese werden mit der Kraft eines
unterschlächtigen Wasserrades, welches 15 Umdrehungen per Minute macht, in eine rotirende Bewegung gebracht, bei jeder
Wasserradumdrehung machen die Fäßchen vier Umdrehungen, jedoch so, daß je zwei in
entgegengesetzter Richtung erfolgen. Im Ganzen macht jedes Fäßchen sechzig
Umdrehungen per Minute. Um das Durchsickern des
Quecksilbers durch die Dauben der Fäßchen zu verhindern, werden sie vor dem
Einfüllen mit warmem
Wasser besprengt. Da ein jedes Fäßchen 50 Pfund faßt und es deren 18 gibt, so werden
auf einmal 756 Pfd. Quecksilber und 144 Pfd. Schwefel amalgamirt. Die Dauer der
Rotirung kommt durchschnittlich auf 2 Stunden 44 Minuten, wobei der Mohr auf eine
Temperatur von 25° R. gebracht wird. Die Differenz zwischen der Temperatur
des Amalgamations-Locales und der des fertigen Mohres beträgt im
Durchschnitte 19° R.; je höher die Temperatur, desto kürzer die
Rotirungszeit. Das Product ist der rohe Mohr. Die Fäßchen werden ausgehoben, der
Mohr ausgeleert, abgewogen und in Portionen jede zu 20 Pfund in eigens dazu conisch
geformte thönerne Tiegel gefüllt.
Sublimation. Zur Sublimirung des erzeugten rohen Mohres
bestehen vier Sublimationsöfen (Zugflammöfen); in einem jeden Ofen sind sechs
gußeiserne birnförmige Kolben, die auf Trag eisen ruhen, angebracht; die Feuerung
geschieht mit fein gespaltetem harten Brennholz. In die sechs Kolben eines jeden
Ofens, deren gewöhnlich bloß zwei im Betriebe sind, werden 6 Ctr. 20 Pfd. rohen
Mohrs gleichmäßig vertheilt und zwar der Art, daß in jeden Kolben fünf ganze
Mohrtiegel, jeder zu 20 Pfund, kommen, und ein Tiegel unter alle sechs Kolben
gleichmäßig vertheilt wird.
Die Sublimation selbst zerfällt in drei Perioden: Abdampfen, Stücken und
Sublimiren.
Nachdem die Kolben gefüllt sind, werden sie mit blechernen Helmen bedeckt, an diese
kommen thönerne Vorlagen lose angesteckt, die Helme aber werden mit Ziegeln
beschwert; darauf wird unter den Kolben gelinde und der Art gefeuert, daß man zuerst
die ersten zwei Kolben von der Flamme bespülen läßt und dann langsam gegen die
weiteren vorrückt. Nach einem unbedeutenden Zeitraum erfolgt die Entzündung des
Schwefels in den ersten zwei Kolben, es schlingt sich eine Flamme mit einer starken
Detonirung bei dem Helme heraus, worauf ein dicker Rauch und eine stärkere Flamme
folgt. Von dieser Erscheinung des Rauches oder Dampfes wird auch diese Periode die
Abdampfungsperiode genannt. Wenn diese bei den ersten zwei Kolben vorüber ist, wird
mit dem Feuer gegen die weiteren zwei vorgerückt, und so weiter, bis bei allen sechs
diese Erscheinung eingetreten ist.
Das Product heißt abgedampfter Mohr, wird ohne Unterbrechung der Arbeit in den Kolben
gelassen und einer weiteren Umwandlung unterworfen. Wenn die Abdampfperiode vorüber
ist, werden die blechernen Helme mit thönernen gewechselt und diese mit den Kränzen
der Kolben lutirt; darauf folgt eine ziemlich starke Feuerung, jedoch unter allen
Kolben auf einmal. In Folge der Feuerung entzündet sich der Schwefel abermals, und nach circa 2 Stunden 20 Minuten ist die Temperatur so weit
gestiegen, daß der überschüssige Schwefel beim Helmenrohre hinüber destillirt und in
Berührung mit der atmosphärischen Luft mit einer geringen Verpuffung sich entzündet;
dieß dient als Kennzeichen, um an die Helme Vorstöße (Röhren) und an diese die
Vorlagen, beide von gebranntem Thon, anzustecken, welche Arbeit das Stücken heißt,
daher diese Periode die Stückperiode genannt wird. Die Vorstöße und Vorlagen werden
mit Lehmlutum lutirt, letztere jedoch so, daß eine kleine Oeffnung zum Abziehen des
flüchtigen überschüssigen Schwefels bleibt. Nun beginnt die Sublimation des
Zinnobers, während welcher stark gefeuert wird. Wenn eine Schwefelflamme bei der
freigelassenen Oeffnung zu sehen ist, so wird auch diese sorgfältig lutirt. Weil das
Lutum bei der vorhandenen Temperatur bald trocknet, Sprünge bekommt und dann nicht
mehr gut schließt, so muß der Arbeiter während der ganzen Sublimationsperiode das
Lutum feucht zu erhalten trachten. Der Stückzinnober setzt sich zuerst an den
kältesten Stellen der Vorlagen und Vorstöße an, und sublimirt endlich auch in die
Helme. Gegen Ende der Operation treten an der Zusammenstoßungsfläche des Helmes mit
dem Kolben blaue Flämmchen von Schwefel auf, die wieder verschwinden, welche
Erscheinung als Kennzeichen der vollbrachten Sublimation anzusehen ist, daher man
das Feuer ausgehen und den Ofen ganz abkühlen läßt. Darauf werden die Vorlagen,
Röhren und Helme weggehoben. Die Vorlagen und Helme werden zerschlagen, aus den
Röhren jedoch läßt sich der Zinnober ausstoßen, daher diese für die folgende
Sublimation benutzt werden können. Die Scherben werden von dem anhaftenden Zinn
sorgfältig mit Pinsel und Messer geputzt. Producte sind: Stückzinnober und Putzwerk.
letzteres wird bei der folgenden Sublimation zugetheilt. Das Sublimiren dauert im
Durchschnitte 6 Stunden 48 Minuten, wovon 15 Minuten auf die Abdampfperiode, 2
Stunden 24 Minuten auf die Stuckperiode und 4 Stunden 9 Minuten auf die eigentliche
Sublimationsperiode entfallen. Was die Ansammlung des Stückzinnobers betrifft, so
kann man annehmen, daß sie sich in den Helmen auf 69 Proc., in den Röhren auf 26
Proc. und in den Vorlagen auf 5 Proc. beläuft.
Mahlung. Der bei der Sublimation gewonnene Stückzinnober
wird behufs Zerkleinerung auf Mühlen gemahlen. Die Mühlen, deren es sechs gibt, und
von denen jede für sich durch ein unterschlächtiges Wasserrad in Bewegung gesetzt
wird, bestehen aus einem festliegenden Untersteine und einem sich bewegenden
Obersteine, der in einem hölzernen Mantel läuft; beide Steine sind geschärft, sonst
sind sie analog den Getreidemühlen. Wie bereits bemerkt, geschieht die Mahlung unter Wasser, theils um
die Verstaubung zu verhüten, theils um ein gleichförmiges Korn zu erzielen. Beim
ersten Durchlassen der groben Stücke wird der Zwischenraum zwischen dem Ober-
und Unterstein etwas größer gemacht, beim zweiten aber kleiner und stets Wasser
zugesetzt. Die zerdrückte Masse drängt sich beim Spunde, der sich am Untersteine
befindet, heraus, außerdem wird vom Arbeiter durch Hin- und Herschieben eines
Holzes im Spunde nachgeholfen. Unter dem Spunde wird eine thönerne Mehlschüssel
gestellt und darin die zerdrückte Masse (Vermillon) aufgefangen. Die Temperatur des
ausgehenden Vermillons beträgt nach gemachten Versuchen durchschnittlich 30°
R. und die des Locales 12° R., wobei das Wasserrad 5 und der Stein 40
Umdrehungen per Minute macht. Je Heller man den Zinnober
haben will, desto öfter muß er den Stein passiren, jedoch hat dieß seine Grenze und
überschreitet die Zahl fünf nicht.
Raffiniren. Diese Operation zerfällt in: 1) die Bereitung
der Lauge, 2) das Kochen des Vermillons in der bereiteten Lauge, und 3) das
Aussüßen.
ad 1. Die Lauge wird in hölzernen Bottichen (10
Metzen Fassungsvermögen) mit doppeltem Boden, wovon der obere durchlöchert ist und
zwischen beiden Stroh als Filtrum sich befindet, durch Maceration der Buchenasche
oder der Potasche gewonnen. Bei jedem Bottiche befindet sich seitwärts unterhalb ein
Spund zum Abzapfen der Lauge. Die Stärke der Lauge ist 10–13° B., je
nach der Qualität des Zinnobers verschieden. Zum Raffiniren des hochrothen braucht
man die Lauge mit 10° B., des dunkelrothen mit 11° und des
chinesischen mit 13° B. Stärke.
ad. 2. Nachdem der Zinnober (je nach der
Farbenqualität, die man erzielen will) genug oft den Stein passirt hat, so wird er,
und zwar von je drei Steinen (6 Ctr.) in einen Bottich geschüttet, wo er sich am
Boden absetzt; das Wasser wird mittelst eines Hahnes abgelassen. Der abgesetzte
Zinnober wird in Partien von ungefähr 2 Ctr. ausgeschöpft und in einen kleinen
eisernen Kessel gethan. Auf diese Quantität werden nun 45 Pfd. kohlensaure Kalilauge
in der nöthigen Concentration gegossen, dann wird der Kessel geheizt bis zum
Siedepunkte der Lauge und circa 10 Minuten im siedenden
Zustande erhalten. Nachdem dieses geschehen, wird der Zinnober ausgeschöpft und in
einen frischen Bottich gebracht. Ebenso verfährt man mit dem übrigen Zinnober, bis
die ganzen 6 Ctr. in der Lauge gekocht und in die frischen Bottiche gebracht worden sind.
Nun läßt man den Zinnober am Boden sedimentiren, die Lauge (jetzt KaS⁵) den
Hahn abgelassen.
ad. 3. Durch eiserne Röhren, welche durch einen
Kessel communiciren, worin Wasser gehitzt, wird nun heißes Wasser daraufgeleitet;
der Zinnober wird digerirt und dann läßt man ihn wieder sich am Boden Absetzen;
dieses Verfahren wiederholt sich viermal, nach jedem Daraufgießen von heißem Wasser
wird digerirt und gewartet bis er sich absetzt, sodann das Wasser abgeleitet. Das
Wasser wird jedesmal durch eine auf einen hölzernen Rahmen gespannte Leinwand
durchgeseiht. Darauf wiederholt man dasselbe Verfahren mit kaltem Wasser 4–6
Mal, im Ganzen so lange, bis das Wasser ganz klar ist und den am Boden abgesetzten
Zinnober deutlich zu sehen gestattet, endlich wird das letzte Wasser abgezapft. Der
Zinnober wird dann ausgeschöpft, in flache thönerne Schüsseln gegeben, letztere auf
den Trockenherd gestellt, und bei einer Temperatur von 50–70° R.
getrocknet. In 2–3 Tagen ist er getrocknet. Das Gewicht einer Trockenschüssel
beläuft sich auf 5 Pfd., und eine solche faßt durchschnittlich 19 Pfd. an nassem und
15 Pfd. an trockenem Vermillon. Das Quantum des aus einer Schüssel zu verdampfenden
Wassers beläuft sich durchschnittlich auf 4 Pfund. Der Nässegehalt des zu
trocknenden Vermillons beträgt 21 Procent. Die Erfahrung lehrt, daß je reiner der
nasse Vermillon, desto mehr Wasser enthält er, und daher ein desto kleineres Quantum
in eine Schüssel geht.
Der getrocknete Vermillon backt auf dem Trockenherde etwas zusammen; um nun den
erwünschten Aggregatzustand zu erhalten, wird er auf einem großen Trog mit hölzernen
Handwalzen von einem Arbeiter zermahlen und dann in einem Siebkasten gesiebt. Der
ganz fertige Vermillon wird je nach der Gattung entweder in Leder oder in Kisten
verpackt.
S.
Miszke, k. k. Oberhutmann.