Titel: | Technisch-chemische Notizen; von Dr. R. Brimmeyr. |
Autor: | R. Brimmeyr |
Fundstelle: | Band 179, Jahrgang 1866, Nr. XCV., S. 388 |
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XCV.
Technisch-chemische Notizen; von Dr.
R. Brimmeyr.
Brimmeyr, technisch-chemische Notizen.
II. Zur Fuchsinfabrication.
(Fortsetzung.)
Die früher erhaltenen Resultate (man sehe die Abhandlung in diesem Journal Bd. CLXXVI S. 461) wurden noch an einem
fabrikmäßig dargestellten Material geprüft, wobei besonders auf das Verhalten der
arsenigen Säure Rücksicht genommen und versucht wurde, dieselbe wo möglich zum
größten Theile wohlfeil wieder zu gewinnen.
Zur Untersuchung diente Rohmasse, welche durch Erhitzen von 11 Theilen Anilin und 16
Theilen syrupöser Arsensäure in gußeisernen Retorten dargestellt worden und wobei
ungefähr 40 Proc. Anilin der Reaction durch Destillation entgangen waren. Da beim
fabrikmäßigen Betriebe, wo verhältnißmäßig bedeutende Mengen Material in Arbeit
genommen werden, die Rohmasse beim Garpunkt angelangt noch immer etwas Anilin
zurückhält, welches einen gewissen Werth repräsentirt, so muß dasselbe bei späterer
Behandlung nothwendiger Weise auch in Betracht kommen, indem es sonst in die
Waschwässer übergeht und somit verloren ist. Als Mittel aus mehreren Bestimmungen
des in die wässerige Lösung des Rohfuchsins übergehenden Anilins ergab sich, daß bei
einer gutgeführten Operation die Schmelze nicht über 2 Proc. ihres Gewichtes an
Anilin zurückhalten darf und dieses ist noch immer nicht unbedeutend, wenn man
erwägt daß im Mittel 100 Theile Schmelze 45 Theilen Anilin entsprechen. Wir werden
später sehen, daß man günstigere Verhältnisse erzielen kann.
Es war ferner interessant zu wissen, welches durchschnittlich das Gewicht des
unlöslichen, von den Säuren des Arsens befreiten organischen Rückstandes sey.
Mehrere Bestimmungen, worunter eine mit 9 Centnern Schmelze ausgeführte, ergaben
nach vollständigem, mehrmaligem Auskochen mit Salzsäure und Wasser, als trockenen
unlöslichen Rückstand 10 Proc. vom Gewichte der Rohmasse.
Als 10 Grm. obigen Rohmaterials durch mehrmaliges Kochen mit Wasser ausgezogen wurden bis dasselbe kaum gefärbt ablief, blieb ein
Rückstand, der getrocknet 1,22 Grm. wog; derselbe zu wiederholten Malen mit
kohlensaurem Natron und Essigsäure behandelt und getrocknet, wog noch 1,035 Grm.
oder 10,35 Proc. vom Gewicht der Schmelze; der Verlust bestand aus 0,02 Grm.
arseniger Säure und 0,175 Grm. eines, aus der alkalischen Lösung durch Essigsäure
gefällten violetten Farbstoffes, der neben Fuchsin und einem schmutzig dunkelblauen Farbstoff
in der Schmelze vorkommt. Der erste concentrirte Auszug setzte beim Erkalten
arsensaures Rosanilin ab, denn 0,3015 Grm. enthielten 0,0988 Grm. AsO⁵ und
nur 0,008 AsO³.
Die vereinigten wässerigen Auszüge enthielten nach dem Sättigen mit kohlensaurem Kalk
und Filtriren:
18,6 Proc.
(vom Gewichte
der Rohmasse)
arsenige Säure,
3,6 Proc.
„
„
Arsensäure
2,8 Proc.
„
„
Kalk (CaO).
Der Niederschlag wurde ein zweites Mal mit kochendem Wasser ausgezogen, wobei 1,89
Proc. Arsensäure und 2,5 Proc. arsenige Säure in Lösung giengen.
Nach wiederholtem Auswaschen, ohne weitere Prüfung der Waschwässer, enthielt der
Rückstand noch 16,38 Proc. Arsensäure und 2,86 Proc. arsenige Säure.
30 Grm. Fuchsinschmelze wurden unter Zusatz von etwas Kalkmilch, welche die Lösung
der Masse bedeutend befördert, mit kochendem Wasser behandelt; die Flüssigkeit, aus
der sich beim Erkalten der größte Theil des Farbstoffes abgeschieden, wurde wieder
kochend mit einem Ueberschuß von Kreide gesättigt. Die abfiltrirte erkaltete
Flüssigkeit ergab bei der Bestimmung durch Jod 4,43 Grm. AsO³ und 0,258 CaO;
das auf's Filtrum nachgegossene Waschwasser enthielt noch 0,1 Grm. AsO³.
Als die Flüssigkeit mit einer dem Kalkgehalt entsprechenden Menge Schwefelsäure
versetzt und erwärmt wurde, setzte sich gleich anfangs ein weißer krystallinischer
Niederschlag ab, der sich als schwefelsaurer Kalk, mit 1,5 Proc. seines Gewichtes
AsO³ gemischt, erwies. Bei fernerem Eindampfen schied sich ein schwerer, aus
arseniger Säure bestehender und 4,493 Grm. wiegender Niederschlag ab. Die übrig
gebliebene Flüssigkeit entwickelte mit Kalkhydrat versetzt reichlich Ammoniak, welches aber nicht weiter quantitativ bestimmt
wurde.
In der Ammoniakentwickelung und der Thatsache, daß trotz der vollkommenen heißen
Saturation mit kohlensaurem Kalk noch so viel arsenige Säure und wenig Kalk in
Lösung bleiben, finden wir eine Bestätigung der schon früher von Bolley (in diesem Journal Bd. CLXVIII S. 51) angeführten Beobachtung
der Gegenwart von Ammoniaksalzen in dem rohen Fuchsin und der durch dieselben
herbeigeführten Löslichkeit des arsenig- und arsensauren Kalkes. Es stellte
sich durch Versuche heraus, daß durch längeres Kochen der obigen Flüssigkeit mit
Kalkmilch zwar alle Arsensäure, nicht aber alle arsenige
Säure gefällt wurde. Es ist dieß insofern von Bedeutung, als aus
gesundheitspolizeilichen Rücksichten die Fabrikanten von Anilinfarben gehalten sind, die Säuren
des Arsens auf eine unschädliche Weise zu beseitigen und alle vorgeschlagenen
Mittel, die abfließenden Mutterlaugen von denselben zu befreien, sich als ungenügend
erwiesen haben. Das von Levinstein (dieses Journal Bd. CLXXVI S. 155) als in Norddeutschland
gebräuchlich angeführte Verfahren möchte den Zweck nur theilweise erfüllen, indem in
der Kälte die Sättigung mit Kalk und Kreide nicht vollständig ist und die Anhäufung
von Mutterlaugen wohl bald lästig werden muß. Um letzteres zu vermeiden, wird man
also doch einmal gezwungen seyn, durch Abdampfen das Volum der schädlichen
Flüssigkeiten zu vermindern. Wie dieß am besten zu bewerkstelligen, sey es durch
Anlegung besonderer Oefen mit Abdampfwannen oder durch Benutzung verlorener Wärme,
muß dem Ermessen der Fabrikanten anheimgestellt bleiben; unsere Aufgabe muß sich auf
Andeutungen beschränken, die wir aus Beobachtungen und Versucht in kleinerem und
größerem Maaßstabe gewonnen haben.
In den französischen Fabriken, welche bis in die letzte
Zeit das Fuchsin nur als salzsaures Rosanilin in den Handel brachten, wird die
Fuchsinschmelze mit dem anderthalbfachen bis zweifachen Gewicht Wasser gekocht; beim
Erkalten scheidet sich der größte Theil des Farbstoffes mit den unlöslichen
Bestandtheilen am Boden des Gefäßes ab. Die Waschflüssigkeit enthält fast alle
Arsensäure und einen Theil der arsenigen Säure gelöst, nebst etwas rothem und gelbem
Farbstoff. Die rückständige Masse des Rohfuchsins wird mit Salzsäure und Wasser
gekocht, bis die Lösung des Fuchsins vollständig geworden; die Flüssigkeit wird nach
viertelstündiger Ruhe in tiefer stehende Bottiche gezogen und durch krystallisirte
Soda (!) gesättigt, wobei der rohe chlorwasserstoffsaure Farbstoff als geschmolzener
Kuchen durch die Kohlensäure an die Oberfläche gerissen und dann zu fernerer
Behandlung abgeschäumt wird. Wie leicht einzusehen, geht hier alle angewandte Soda
in Form von Chlornatrium und arsenigsaurem Natron verloren, da die Lösung in Gruben
abfließt, woselbst sie einige Zeit mit Kalk in Berührung bleibt, oder bei der Nähe
eines Flusses direct durch Canäle abgeführt wird.
Obige Waschflüssigkeit scheidet beim Eindampfen bis auf die Hälfte ihres Volums 5
Proc. vom Gewicht der Schmelze arsenige Säure, durch Sättigen mit Soda 3 Proc.
Farbstoff von schmutzigrother Färbung ab; also von der arsenigen Säure kaum 1/4 des
technisch wieder verwerthbaren Körpers. Außerdem enthält dieselbe noch 2 Proc.
Anilin, welche ebenfalls verloren gehen, wenn man sie nicht auf Kosten der Säuren
durch Destillation mit Kalkhydrat wieder gewinnen will.
Abgesehen von den complicirten Operationen, welche das Product unnöthigerweise vertheuren, hat
man bei diesem Verfahren noch nicht die Sicherheit, ein arsenfreies Salz zu
erhalten, bei einer lästigen Anhäufung schädlicher Flüssigkeiten.
Es wäre also meiner Ansicht nach rathsamer, das arsensaure Rosanilin darzustellen und
von demselben ausgehend, arsenfreie Rosanilinsalze für den Handel zu liefern. Zu
diesem Ende wird die Fuchsinschmelze in ihrem 4 bis 5fachen Gewichte Wasser gelöst,
unter allmählichem Zusatz von so viel Kreide oder Marmorpulver bis ein
herausgenommener Tropfen beim Erkalten auf einem Uhrglase beinahe farblos
erscheint.
Der Zusatz von kohlensaurem Kalt bietet den Vortheil, alle arsenige Säure in Lösung
zu bringen, während durch bloße Behandlung mit Wasser ein Theil dieser Säure beim
Erkalten sich wieder ausscheidet oder gar nicht gelöst werden kann. Was das Gewicht
des anzuwendenden kohlensauren Kalkes betrifft, so kann man bis zu 1/3 vom Gewichte
der in der Schmelze repräsentirten Arsensäure zufügen und kochen lassen, bis alle
Kohlensäure entwichen ist; die heiße Lösung wird in Krystallisationsgefäße filtrirt
und zum Erkalten hingestellt.
Nach einem oder zwei Tagen wird die Flüssigkeit in die Abdampfwannen abgezogen und
mit einer dem Kalkgehalte entsprechenden Menge Schwefelsäure entweder gleich
versetzt oder erst nachdem man durch Zusatz von einem Ueberschuß kohlensauren Kalkes
den größten Theil der Arsensäure gefällt hat. Die Wahl zwischen diesen beiden
Verfahrungsarten hängt von dem Ermessen des Fabrikanten ab, der zwischen zwei Uebeln
für das geringste sich zu entscheiden hat. Bei ersterer umgeht man, bei größerem
Verbrauch an Schwefelsäure, die Operation des Decantirens von dem gefällten
arsensauren Kalk; man gewinnt auch dabei wieder einen Theil der Arsensäure, nebst
der größten Menge der arsenigen Säure. Sobald nach Zusatz der Schwefelsäure erwärmt
wird, scheidet sich der schwefelsaure Kalt rasch ab; die Flüssigkeit wird dann in
andere Concentrationspfannen decantirt, welche ähnlich den Auslaugapparaten der
Sodafabriken terrassenförmig übereinander gestellt seyn können; in jedem Kasten oder
Pfanne scheidet sich eine dem Concentrationsgrade entsprechende Menge arseniger
Säure in Pulverform aus. Das Endresultat ist eine concentrirte Lösung von
Arsensäure, zum Theil gebunden an Anilin, Farbstoff und Ammoniak; man kann daraus
nach dem Sättigen mit Soda das Anilin abdestilliren, den Farbstoff isoliren und
ziemlich reines arsensaures Natron gewinnen.
10 Liter Waschwasser, in der Kälte mit 500 Grm. Marmorpulver behandelt und filtrirt,
enthielten 317 Grm. AsO⁵ und 176,5 CaO, welche zur Sättigung 300–305
Grm. Schwefelsäurehydrat erforderten.
Nach Entfernung des schwefelsauren Kalkes wurde beim Eindampfen ein reichlicher
Niederschlag von arseniger Säure erhalten, der, obgleich nicht genauer gewogen,
nicht weniger als 500 bis 700 Grm. betragen konnte.
Bei der zweiten Verfahrungsart hat man vorzüglich die gänzliche Bindung aller Säuren
an Kalk und die Wiedergewinnung des in der Schmelze eingeschlossenen Anilins im
Auge; das Uebrige ergibt sich aus dem oben Gesagten.
Der durch die erste Behandlung nicht vollkommen erschöpfte Rückstand wird mit einer
neuen Menge Wasser gekocht und die Lösung in die Krystallisationspfannen filtrirt;
die nach dem Erkalten abgezogene Mutterlauge wird zur Lösung der Rohschmelze
verwendet.
Was die weitere Behandlung der in beiden Operationen erhaltenen Rosanilinsalze
betrifft, so bietet dieselbe keine Schwierigkeiten, indem vermittelst des jetzt
käuflichen Aetznatrons oder des ebenfalls nicht theuren Ammoniaks die Umwandlung in
Rosanilin leicht bewerkstelligt wird. In Bezug auf die nachherige Lösung in den
Säuren, deren Salze man erzielen will, sey nur bemerkt, daß die Krystalle um so
schöner und vollkommener ausfallen, je concentrirter die Lösung gehalten wird und je
langsamer sie erkaltet. Ich habe aus concentrirten Lösungen von
chlorwasserstoffsaurem und schwefelsaurem Rosanilin stänglige Krystalle von
4–5''' Länge erhalten, deren Oktaeder treppenförmig übereinander gelagert
sind, mit vollkommener Ausbildung der Endflächen.
Je nach dem Säurequantum erhält man Fuchsin von mehr oder minder violettem Tone.
Gewöhnlich enthält das im Handel vorkommende Fuchsin etwas violetten Farbstoff
beigemengt; derselbe ist etwas löslich in heißem Wasser, daher seine Gegenwart im
Fuchsin, aber vollkommen unlöslich in kaltem; man kann ihn daher leicht isoliren,
indem man die Fuchsinkrystalle in viel kaltem, mit Salzsäure angesäuertem Wasser
löst, beim Filtriren bleibt der violette Farbstoff auf dem Filter.
Bekanntlich enthält das Rohfuchsin auch ein lösliches Harz von schwach basischen
Eigenschaften, aus welchem Nicholson das Chrysanilin
ausgezogen hat. Zu derselben Zeit als A. W. Hofmann seine
Arbeit über das Chrysanilin veröffentlichte, brachte das Haus Renard und Franc einen gelben Farbstoff unter
dem Namen „Xanthin“ in den Handel,
welchen ich zuerst aus den Waschwässern des Bleu de Lyon
dargestellt hatte. Das aus denselben durch Soda gefällte, wahrscheinlich von dem
unvollkommen gereinigten Fuchsin herrührende Harz wurde mit verdünnter Sälzsäure und
Zink so lange in Berührung gelassen, bis die dunkel braunrothe Farbe der Lösung in
Orangegelb übergegangen war. Die filtrirte kalte Lösung wurde mit Ammoniak vorsichtig versetzt, bis eben
ein pulveriger Niederschlag entstand; auf diese Weise gelang es den Farbstoff frei
von Zinkoxyd zu gewinnen; derselbe stellt trocken ein ziegelrothes Pulver dar,
welches, wenig löslich in Wasser, leichter löslich in verdünnten Säuren und
vollkommen löslich in Alkohol, Seide und Wolle ohne Beize schön orange färbt. Ob
dieser Stoff mit dem von Hofmann beschriebenen
Chrysanilin identisch ist, kann ich nicht bestimmt sagen, indem es mir nicht gelang,
krystallisirte Salze und besonders das schwer lösliche Nitrat damit zu gewinnen.
Als Material zur Bereitung des Xanthins bediente ich mich später des obigen Harzes;
dasselbe wird in Salzsäure gelöst und ebenfalls mit Zinkabfällen erhitzt, bis die
Flüssigkeit eine schöne, gelbe Farbe angenommen hat, und dann in erwähnter Weise mit
Ammoniak gefällt. Will man dem Harz alles Rosanilin entziehen, so genügt ein
successives Auskochen mit salmiakhaltigem Wasser, welches das Rosanilin als
chlorwasserstoffsaures Salz löst und das Harz als einen gelbgrünlich schillernden
Kuchen zurückläßt. Seide und Wolle werden dadurch schmutzig braunroth gefärbt.
Wird der ziegelrothe Niederschlag längere Zeit mit einem Ueberschuß von
Ammoniakflüssigkeit digerirt, so verwandelt er sich in ein grüngelbes Pulver,
welches in seinem Verhalten zu Säuren mit dem Chrysanilin einige Analogie zeigt.
Wir haben im Eingange gesehen, daß die Fuchsinschmelze ungefähr 2 Proc. ihres
Gewichtes an Anilin zurückhält. Da die Rosanilinsalze um so löslicher in dem
Waschwasser sind, je mehr Anilinsalz dasselbe enthält, so muß in der Technik die
nächste Aufmerksamkeit auf eine regelrechte Darstellung der Schmelze gerichtet seyn.
Arbeitet man immer unter denselben Bedingungen in Bezug auf Concentrationsgrad der
Arsensäure, Temperatur und Mischungsverhältniß von Säure und Anilin, so muß man auch
ein constantes Verhältniß constatiren können zwischen verbrauchtem oder der Reaction
entgangenem Anilin und Säuremenge, oder, da letztere in ihrer Concentration variiren
kann, zwischen verbrauchtem Anilin und erzeugter Rohschmelze.
A. Während halbjährigen Betriebes
waren in Arbeit genommen worden:
68998 Kilogr. Anilin und
98439 Kilogr. syrupöser Arsensäure (60 bis 63 Proc. wasserfreier
Arsensäure enthaltend).
Es entgiengen der Reaction durch Destillation 23951 Kil. Anilin und
wurden erhalten:
102721 Kil. Schmelze. Charge der Retorten 15 Kil. Anilin auf 22
Kil. Arsensäure.
a.
Verhältniß des in Arbeit genommenen Anilins zu dem verflüchtigten
100 : 34,7
b.
Verhältniß des
verbrauchten
Anilins
zur Arsensäure
45,7 : 100
c.
„
„
„
zur Rohmasse
43,8 : 100
B. In einer anderen Operation
wurden die Retorten mit 10 Kilogr. Anilin auf 16 Arsensäure gefüllt; es wurden dabei
erzielt:
a.
Verhältniß des in Arbeit genommenen zum verflüchtigten Anilin
100 : 36,87
b.
Verhältniß des
verbrauchten
Anilins
zur Arsensäure
39,45 : 100
c.
„
„
„
zur Rohmasse
40,7 : 100
C. Endlich wurden die Retorten mit
20 Kilogr. Anilin auf 35 Kil. Arsensäure beschickt:
a.
Verhältniß des in Arbeit genommenen zum verflüchtigten Anilin
100 : 39,1
b.
Verhältniß des
verbrauchten
Anilins
zur Arsensäure
34,8 : 100
c.
„
„
„
zur Rohmasse
33,8 : 100
Es war bei der letzteren Operation stärker erhitzt und die Masse so lange im Oelbade
gelassen worden, bis kein Tropfen mehr überdestillirte und dieselbe beim
Herausnehmen sogleich fest und spröde wurde. Dessenungeachtet enthielt die Schmelze
noch 1,4 Proc. ihres Gewichtes Anilin.
Bei Wiederholung dieser Versuche im Laboratorium änderte ich nicht nur die
Mischungsverhältnisse von Anilin und Säure, sondern auch die Temperatur, bei welcher
die Reaction vor sich gehen sollte, so daß mit einem und demselben Verhältniß ein
Versuch über freier Flamme, ein anderer im Oelbad zwischen 180 und 200°C.,
und ein dritter im Oelbad zwischen 200 und 210° gemacht wurde. Die Temperatur
der Mischung wurde vermittelst eines in derselben befindlichen Thermometers
beobachtet. Es stellte sich heraus, daß die Reaction erst beginnt nachdem alles
Wasser fortgetrieben ist; bei allen Versuchen fieng die Masse, unter beständigem
Sieden, bei 175°C. an sich zu färben, und stieg die Temperatur langsam,
während noch etwas Anilin überdestillirte, bis 195°, wo die Operation als
beendet angesehen werden konnte; zwischen 175 und 180° lag jedoch der
eigentliche Punkt der Reaction. Dieß stimmt so ziemlich mit den Beobachtungen von H.
Schiff und Béchamp
überein.
Folgendes waren die Resultate, welche ich erhielt (Bedeutung der Buchstaben wie
oben):
1. Ueber freiem Feuer: AsO⁵ (60 proc.)
100 Grm., Anilin 68 Grm.
a = 100/36,7 b = 43/100 c = 41/100
2. Oelbad 180°–200°: AsO⁵ (60 proc.)
100 Grm., Anilin 68 Grm.
a = 100/32,4 b = 46/100 c = 43,8/100
3. Oelbad 200°–210°: AsO⁵ (60 proc.)
100 Grm., Anilin 68 Grm.
a = 100/45,6 b = 37/100 c = 34,5/100
4. Oelbad 200°–210°: AsO⁵ (60 proc.)
100 Grm., Anilin 62 Grm.
a = 100/43,2 b = 35,5/100 c = 33,8/100
5. Ueber freiem Feuer: AsO⁵ (60 proc.) 100 Grm., Anilin
58,6 Grm.
a = 100/30,7 b = 40,6/100 c = 40,6/100
6. Oelbad 180°–200°: AsO⁵ (60 proc.)
100 Grm., Anilin 58,6 Grm.
a = 100/25,6 b = 43,6/100 c = 40,5/100
7. Oelbad 200°–210°: AsO⁵ (60 proc.)
100 Grm., Anilin 58,6 Grm.
a = 100/27,3 b = 42/100 c = 40,5/100
8. Oelbad 180°–200°: AsO⁵ (60 proc.)
100 Grm., Anilin 43 Grm.
a = 100/21 b = 34/100 c = 34/100.
Quantitativ das in der Schmelze enthaltene Rosanilin zu bestimmen, ist bei kleinen
Mengen und vergleichenden Versuchen ziemlich schwierig; besser gelingt dagegen
Aufdrucken von vergleichenden Mustern in verschiedenen Abstufungen der Farbe auf
weißen Merinozeug und Fixiren durch Dampf; man erhält dadurch ein Kriterium für
Intensität und Reinheit der Farbe, welches für die Technik maaßgebend ist. Ich fand
für die Versuche 1, 5, 7 die Farbe der Muster am reinsten und intensivsten, weniger
befriedigend fielen 3 und 4 aus.
Ohne ein endgültiges Urtheil in einer Frage fällen zu wollen, welche nur durch eine
größere, mit aller Umsicht geführte und vollendete Versuchsreihe entschieden werden
kann, glaube ich doch, daß man eine um so günstigere und schönere Ausbeute an
Fuchsin gewinnt, je näher das Mischungsverhältniß von Säure und Anilin dem
Aequivalentenverhältniß steht und je rascher die Operation zu Ende geführt wird.
Diese zwei wesentlichen Punkte erklären für den mit dem Processe vertrauten Fachmann
einerseits den schädlichen Einfluß eines großen Ueberschusses von Anilin auf die
Ausbeute an rothem Farbstoff und andererseits die Nachtheile, welche eine zu große
Verdünnung der Arsensäure mit Wasser herbeiführt, indem durch die Wasserdämpfe ein
Theil des für die Reaction nöthigen Anilins mit fortgerissen wird. Bestimmte
Anhaltspunkte bei der Erzeugung der Rosanilinsalze können auch nur allein zu einer
Werthbestimmung der käuflichen Anilinsorten führen, indem sie uns in den Stand
setzen, immer dieselben Bedingungen hervorzurufen, von denen die relativen
Verhältnisse der mit dem Rosanilin entstehenden noch wenig bekannten Substanzen
abhängen. Bekanntlich ist die fractionirte Destillation allein ein sehr unsicheres
und unbequemes Mittel, die relativen Mengen der mit dem Anilin vermischten Homologen
zu bestimmen. Ich glaube daher, daß eine quantitative Bestimmung der in der Schmelze
enthaltenen Farbkörper, welche, in ihrem Verhalten gegen Säuren und Alkalien eine
gewisse Stufenfolge der Basicität einhaltend, wahrscheinlich im Zusammenhange stehen mit den das
käufliche Anilin componirenden homologen Basen, eher zum Ziele führen würde. Ich
bedaure, augenblicklich mich selbst nicht mit diesen interessanten Fragen
beschäftigen zu können und empfehle sie daher den Fachgenossen zur wohlverdienten
Beachtung. Schließlich sey es mir erlaubt zu bemerken, daß mir die ganze auf Anilin
bezügliche Literatur vorliegt, ich aber nicht näher auf einzelne vielleicht schon
von Anderen berührte Thatsachen eingehen konnte, da ich nur die Absicht hatte in
meinen Andeutungen dem praktischen Chemiker einige Winke zu geben. In chemischen
Laboratorien wird des Neuen und Interessanten Manches gefunden, dem der technische
Chemiker vielleicht schon längst begegnet ist, ohne näher darauf eingehen zu können,
da für ihn praktische Anwendung die Hauptsache ist. Ich kann hierin nur folgender
Bemerkung von Dr. Max Vogel
im Vorwort zu seinem schätzbaren Werkchen „die Entwickelung der
Anilin-Industrie“ mich anschließen: „Die chemischen
und technischen Journale bringen fast in jeder Nummer Neues über Anilinfarben,
und noch viel Wichtigeres wird in den chemischen Fabriken, in den Färbereien und
Druckereien von fleißigen Technikern erforscht, ohne daß die Mitwelt mehr als
die Producte dieser rührigen Thätigkeit zu sehen bekommt.“
III. Verbessertes Verfahren zur
technischen Darstellung von Anilin.
Von allen in Vorschlag gebrachten Methoden zur Darstellung von Anilin hat sich meines
Wissens die von Béchamp allein erhalten und als
praktisch bewährt; alle anderen leiden an den Nebeln der Unzuverlässigkeit und des
zu hohen Preises der Chemikalien, sind also in technischer Beziehung einer
wohlverdienten Vergessenheit anheimgefallen. Das von Kremer (in diesem Journal Bd. CLXIX S.
377) angegebene Verfahren allein besitzt einen reellen Werth und könnte da
in Anwendung kommen, wo es gelänge Zinkstaub nicht allein wohlfeil darzustellen,
sondern auch nachher wieder zu verwerthen; bis jetzt ist es aber nicht gelungen, dem
Zinkstaub seines immerhin hohen Preises wegen Eingang in die Anilinfabriken zu
verschaffen. Die Reaction zwischen Zinkstaub und Nitrobenzin brachte mich auf den
Gedanken, sie auch auf Eisen anzuwenden, und es ist mir wirklich gelungen,
vermittelst Eisen ohne Beihülfe der theuren Essigsäure die Reduction des
Nitrobenzins zu vollführen. Durch Wasserstoff reducirtes Eisen soll nach Kremer ebenso gut, jedoch langsamer wirken wie Zinkstaub;
es ist jedoch praktisch ziemlich schwierig zu erzeugen und daher zu kostspielig.
Besser bewährt sich gröbliches Pulver von Eisen oder sogar Gußeisen, welches
verhältnißmäßig billig ist oder erhalten werden kann. Mir gelang die vollständige Reduction noch sehr gut
mit Pulver das durch ein Sieb von 9/10 Millimeter Maschenöffnung geschlagen worden.
Wenn man bedenkt, daß durch den Wegfall der Essigsäure wenigstens 10 Proc. an den
Herstellungskosten des Anilins gespart werden, so ist dieses Verfahren für den
fabrikmäßigen Betrieb gewiß beachtenswerth. Versuche sowohl im Laboratorium mit
kleineren Mengen Material, als auch im größeren Maaßstabe bis zu 40 Pfund
Nitrobenzin, haben mir stets ein vollkommen reines Product geliefert, welches der
Rectification nicht bedurfte. Die Art der Anwendung des Eisens, welche ich als mein
Eigenthum am 8. März 1864 bei der Lyoner Handelskammer als versiegeltes Packet
deponirte, bedingt allein den Erfolg. Folgende zwei Versuche dürften zum besseren
Verständniß des Verfahrens beitragen und dessen praktischen Werth einleuchtender
machen.
In einem ersten Versuche erhielt ich aus 20 Pfd. Nitrobenzin und 15 Pfd. Eisenpulver,
nachdem beide Stoffe mit angesäuertem (2 bis 2,5 Proc. Salzsäure vom Gewichte des
Nitrobenzins) Wasser während zwei Tagen in Berührung geblieben, durch Destillation
11,96 Pfd. Anilin, welches durch etwas Kochsalz leicht vom Wasser getrennt werden
konnte. Folgendes sind die Resultate einer fractionirten Destillation:
Anilin
gesammelt
bis
185°
5 Proc.
„
„
von
185–190°
49,6 „
„
„
von
190–195°
26,4 „
„
„
von
195–200°
9,6 „
„
„
von
200–210°
4,8 „
Rückstand
4,8 „
Brennmaterial (Steinkohlen) 100 Pfd.
Bei einem anderen Versuche wurden 40 Pfd. Nitrobenzin (dasselbe wie oben) und 60 Pfd.
Eisenpulver unter Zusatz von angesäuertem Wasser in derselben Retorte während drei
Tagen in Digestion gelassen. Durch Destillation mit 160 Pfd. Brennmaterial
(Steinkohlen) wurden 24 Pfd. Anilin erhalten, dessen Zusammensetzung sich wie folgt
ergab:
Wasser
3 Proc.
Anilin
gesammelt
bei
182°
5 „
„
„
von
182–185°
9 „
„
„
von
185–190°
57 „
„
„
von
190–195°
18 „
„
„
von
195–200°
8 „
Wie man sieht, ist das Verfahren, was Quantität des erhaltenen Productes betrifft,
sehr befriedigend, indem in der Technik wohl selten mehr als 60 Proc. vom
angewendeten Nitrobenzin an Anilin gewonnen werden. In Bezug auf Qualität wurde das
Anilin ebenso gut befunden als das nach dem gewöhnlichen Béchamp'schen Verfahren dargestellte, wie die aus demselben
bereitete Fuchsinschmelze colorimetrisch zur Genüge bewies.
Echternach (Luxemburg), im Januar 1866.
(Die Fortsetzung folgt.)