Titel: Selbstthätiger Kessel-Speiseapparat von J. Brière, Maschineningenieur in Brüssel.
Fundstelle: Band 180, Jahrgang 1866, Nr. IV., S. 15
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IV. Selbstthätiger Kessel-Speiseapparat von J. Brière, Maschineningenieur in Brüssel. Aus Armengaud's Génie industriel, Januar 1866, S. 3. Mit Abbildungen auf Tab. I. Brière's selbstthätiger Kessel-Speiseapparat. Unter den Unfällen, welche durch die Dampfkessel veranlaßt werden, ist die durch Wassermangel entstehende Explosion der häufigste.In einer Abhandlung von Doubleday, Mitglied des Vereins der englischen Bergingenieure, wird bei Erwähnung der Explosionen welche während der Verstärkung des Feuers nach der Frühstücks- und Mittagszeit der Arbeiter entstehen, Folgendes gesagt:„Dem Wasser, welches gekocht hat, ist der größere Theil der Luft, die es enthielt, entzogen; dasselbe erfordert dann, um in Dampf überzugehen, eine Temperatur, welche seinen gewöhnlichen Siedepunkt übersteigt. Sobald man nun das Feuer vermindert, gelangt dieses Wasser, welches schwerer als das lufthaltige ist, auf den Boden des Kessels. Verstärkt man aber das Feuer wieder, so nimmt solches Wasser wie gesagt dann mehr Wärme auf als sonst erforderlich wäre um es zum Sieden zu bringen, und wenn hierauf die Dampfbildung beginnt, so entsteht plötzlich eine große Dampfmenge, welche außerordentlich stark auf die Wandungen des Kessels drückt, die ihr dann nicht immer widerstehen können.Deßhalb ziehen es manche Besitzer von Dampfmaschinen vor, ihre Maschinen ohne Leistung fortgehen oder die Ventile abblasen zu lassen, ohne das Feuer auf dem Roste bedeutend zu vermindern.“ Der Wassermangel wird aber nicht etwa dadurch herbeigeführt, daß die Vorrichtungen, welche den Wasserstand im Kessel angeben sollen, versagen, sondern leider nur zu oft dadurch, daß das verdampfte Wasser entweder in Folge der Nachlässigkeit des Heizers oder des schlechten Ganges der Speisepumpe nicht rechtzeitig ersetzt wird. Nachdem schon viele anerkennenswerthe Versuche zur Verbesserung der Kesselspeisung gemacht worden sind, um diese für alle Fälle vollkommen wirksam herzustellen und dadurch, daß man sie selbstthätig machte,Im polytechn. Journal Bd. CLXIX S. 13 ist Cleuet's selbstthätiger Speiseapparat mit Schwimmer und in Bd. CLXXVIII S. 86 Jolly's selbstthätiger Regulator für die Kesselspeisung beschrieben. allen Unfällen vorzubeugen, welche durch die Sorglosigkeit oder Unfähigkeit des Heizers entstehen können, hat auch der Ingenieur Brière in Brüssel, welcher sich sehr eingehend mit diesem wichtigen Gegenstande beschäftigte und alle bisher gebräuchlichen Systeme prüfte, einen Apparat construirt, der allen Bedingungen zu entsprechen scheint, die er nach dem Programme des Erfinders erfüllen sollte. Das System von Brière beruht auf einem der einfachsten physikalischen Gesetze, nämlich auf dem Gleichgewicht der Flüssigkeiten. Das Wasser gelangt in Folge der Niveau-Differenz in den Apparat und fließt aus derselben Ursache von da in den Kessel. Keines von den Organen des Mechanismus erfordert eine große Genauigkeit bei der Montirung. Der Gang des Apparates ist einfach, wie es die Gesetze sind, auf denen seine Wirkungsweise beruht. Dieses System besitzt keinen von den Nachtheilen, die man den bisher bekannten Speisevorrichtungen zum Vorwurf macht und auch der wenigst geübte Maschinist kann sich sehr rasch und genau von dem Gange des Apparates überzeugen. Mit diesem selbstthätigen Speiseapparate bewirkt man auf die einfachste Weise die Speisung der Dampfkessel. Fig. 5 stellt einen Querschnitt des Apparates nach der Linie 1–2 dar; Fig. 6 ist eine Seitenansicht desselben mit einem Durchschnitt durch den einen Cylinder; Fig. 7 ist eine obere Ansicht desselben. Fig. 5 zeigt den Apparat in Verbindung mit dem Kessel L; ersterer besteht aus einem Reservoir mit zwei Abtheilungen A und B, die aber in einem Stücke gegossen sind. Die Abtheilung B ist es, welche nach der Zeichnung gerade den Kessel L speist. Um der Spannung im Kessel das Gleichgewicht zu halten, tritt der Dampf durch das Rohr F in den oberen Theil der Abtheilung B ein und gestattet dem Wasser in Folge seiner Schwere und der Niveau-Differenz durch das Rohr E in den Kessel auszufließen. Während nun das Wasser aus der Abtheilung B in den Kessel ausfließt, tritt das Wasser aus dem Behälter K (ebenfalls in Folge der Niveau-Differenz) durch das Rohr M über dem Schieber c in die Abtheilung A und füllt dieselbe an. Ehe wir zur Beschreibung des Mechanismus übergehen, durch welchen die Schieber c, d bewegt und abwechselnd die eine von den beiden Abtheilungen A und B mit dem Dampfkessel L, die andere mit dem Behälter K in Verbindung gesetzt wird, müssen wir noch bemerken, daß das Dampfrohr F in den Kessel soweit herabgeht, als die Wasserstandshöhe beständig betragen soll. Man sieht leicht ein, daß, sobald die beiden Röhren E und F durch das Wasser geschlossen werden, das in der Abtheilung B enthaltene Wasser nicht in den Kessel ausfließen kann, sondern in dieser Abtheilung durch den Druck im Kessel zurückgehalten wird. Das Wasser in dem Kessel wird daher beständig gleich hoch stehen, weil der Apparat stets mehr Wasser liefern kann, als verbraucht wird, und der Wasserstand niemals höher als bis zum unteren Ende des Rohres F steigen kann. Von diesem Rohr ist das in den Kessel reichende Stück mit einem Mantel F' umgeben, dessen oberer Theil mit Löchern versehen ist, um den Dampf einzulassen und dessen unterer Theil unter den Wasserstand herabreicht. Man hat diese Anordnung getroffen, um das Dampfrohr gegen den Eintritt von Substanzen sicher zu stellen, welche an der Oberfläche des siedenden Wassers schwimmen. Die Bewegung der Schieber c und d findet durch den Hebel I statt. Der Apparat kann zwar auch mit der Hand in Bewegung gesetzt werden, ist aber hier mit einem Motor versehen, den wir sogleich beschreiben werden. Es ist zu bemerken, daß, sobald die eine von den Abtheilungen A oder B mit dem Kessel in Verbindung gesetzt wird, in dieser auch dieselbe Spannung wie im Kessel entsteht, während in der anderen Abtheilung, welche nur mit dem Behälter K communicirt, kein Druck oder doch nur der durch die Niveau-Differenz entstehende stattfindet. Figur 6 zeigt im Durchschnitt einen Cylinder, dessen eines Ende mit der Abtheilung A, das andere mit der Abtheilung B in Verbindung steht. Je nachdem nun der Druck in der einen oder anderen von diesen Abtheilungen stattfindet, nimmt der Kolben des Cylinders G die entgegengesetzte Richtung an, und da die Kolbenstange auf den Schieber des Cylinders H mittelst des Hebels U einwirkt, so theilt der Dampf, wenn er zum Kolben des Cylinders H gelangt, demselben eine Bewegung mit, durch welche mit Hülfe des Hebels I die Schieber c, d in ihren Stellungen gewechselt werden und die Abtheilung A mit dem Dampfkessel L in Verbindung tritt. Sobald nun die Kesselspannung in diese Abtheilung übergegangen ist, nimmt der Kolben des Cylinders G die entgegengesetzte Richtung an und veranlaßt wieder einen Wechsel der Schieber c, d, damit die Abtheilung B, welche sich mit Wasser aus dem Behälter K gefüllt hat, von Neuem den Kessel speisen kann, und so fort. Die Geschwindigkeit des Kolbens in dem Cylinder G hängt von dem mehr oder weniger weiten Oeffnen des Hahnes J ab. Letzterer wird derart regulirt, daß zum Entleeren einer Abtheilung in den Kessel die erforderliche Zeit bleibt. Die Ausflußgeschwindigkeit in den Kessel beträgt 5 Liter per Minute und per Quadratcentimeter Querschnitt von den Canälen des Schiebers c. Der Apparat hat eine Ausflußöffnung von 20 Quadratcentimeter und kann in der Stunde 6000 Liter Wasser ausfließen lassen; die nachfolgende TabelleDiese Tabelle des Originales enthält offenbar mehrere verdruckte Zahlen. zeigt die Leistung des Apparates je nach der Größe der Triebkraft. Tabelle über das Gewicht des per Stunde und Pferdekraft verbrauchten Wassers bei Maschinen mit einem doppeltwirkenden Cylinder und mit oder ohne Condensation. Textabbildung Bd. 180, S. 18 Absoluter Dampfdruck in Atmosphären.; Maschine ohne Condensation.; Maschine mit Condensation.; Dampfadmission.; Voller Dampf; Kilogr. Sobald mehrere Kessel mit einander gespeist werden sollen, bieten sich Schwierigkeiten dar, welche beim Speisen eines einzigen Kessels nicht vorhanden sind. Man könnte glauben, daß wenn mehrere Kessel durch ein Dampfrohr mit einander communiciren, jeder dieselbe Spannung haben muß; dieß ist aber keineswegs der Fall und es entsteht gerade hierdurch die große Schwierigkeit für die Speisung; denn wenn die Dampfkessel durch das Speiserohr in Verbindung gesetzt werden, so ist man der Gefahr ausgesetzt, daß ein Kessel sich in den anderen entleert. Zur Vermeidung dieses Uebelstandes, welcher eine Explosion im Gefolge haben kann, nimmt man seine Zuflucht zu einer Anordnung von Hähnen, welche aber Aufmerksamkeit und Einsicht von Seite des Maschinisten erfordert. Das System von Brière, welches nicht nur ein Speiseapparat, sondern auch eine Sicherheitsvorrichtung ist, bietet in dieser Beziehung jede wünschenswerthe Sicherheit. Um die Wichtigkeit der mechanischen Anordnungen einleuchtend zu machen, welche zum Zwecke der Speisung von Kesselgruppen hinzugefügt werden müssen, theilen wir einige Details über den Betrieb der gekuppelten Kessel mit. Wenn in einem von den Feuerräumen mehr Wärme erzeugt wird als in den anderen, so wird in dem zugehörigen Kessel nicht nur eine größere Dampfbildung, sondern auch eine höhere Spannung entstehen, obwohl die Kessel durch ihren oberen Theil mit einander in Verbindung stehen. Dieß scheint den Gesetzen des Gleichgewichtes zu widersprechen, es läßt sich jedoch leicht nachweisen, daß, wenn der Motor arbeitet, keines von den Manometern dieselbe Dampfspannung anzeigt und dieß beweist, daß der Unterschied in der Spannung wirklich vorhanden ist; sobald aber der Dampfverbrauch aufhört, tritt sofort eine gleiche Spannung ein. Um den Grund dieser Unterschiede auseinanderzusetzen, wollen wir zwei Kessel annehmen, von denen der eine 5 und der andere 5 1/4 Atmosphären Spannung hat. Bei dem Betriebe handelt es sich in diesem Falle um drei Fassungsräume, nämlich um die beiden Kessel und den Cylinder des Motors; in letzterem ist niemals derselbe Druck wie in den Kesseln vorhanden, sondern derselbe ist je nach der zu überwindenden Kraft verschieden groß, stets aber wenigstens um eine Atmosphäre geringer als der Druck im Kessel. Der Dampf, dessen Spannung 5 1/4 Atmosphären beträgt, wird viel leichter zum Kolben abströmen, welcher beständig dem Drucke nachgibt, als in den anderen Kessel, der nur ein Viertel Atmosphäre weniger hat; jener Dampf wird nicht nur in letzteren Kessel nicht eintreten, sondern kann auch keinen größeren Druck erlangen, in Folge des Umstandes, daß er durch die Geschwindigkeit des Dampfes in den Röhren (die sehr groß ist, da der Durchmesser derselben in der Regel nur ein Zwanzigstel von dem des Cylinders beträgt) eben so wie der Dampf in dem Kessel mit geringerem Druck fortgerissen wird. Wir müssen nämlich bemerken, daß, sobald einmal eine Dampfströmung hergestellt ist, kein Grund vorhanden ist, warum sich das Gleichgewicht der Spannung in den Kesseln herstellen sollte, weil bei dem Zusammentreffen des verschieden gespannten Dampfes in den Röhren dasselbe Verhältniß eintritt wie bei zwei Flüssen, welche zusammenfließen; der Dampf mit der höheren Spannung hat eine größere Ausflußgeschwindigkeit, als der andere, aber er staut diesen nicht an, sondern vereinigt sich mit ihm zur Verfolgung eines gemeinschaftlichen Weges. Je nach der Leitung des Feuers kann der Fall eintreten, daß die größte Spannung in den Kesseln wechselt; eine gleiche Spannung in denselben zu erhalten, bleibt immer schwierig; das einzige Mittel hierzu wäre, sie durch ein Rohr von großem Durchmesser in Verbindung zu setzen, welches aber kein Dampfrohr für den Motor seyn darf. Durch dieses Mittel könnte man zu große Differenzen in der Spannung vermeiden, aber es würde immer schwierig bleiben, eine vollkommen gleiche Spannung zu unterhalten. Der Unterschied in der Spannung ist also in der Praxis nachgewiesen und die Theorie erklärt diese Erscheinung genügend. Jeder Speiseapparat muß daher so construirt seyn, daß die Kessel sich trotz eines Versehens von Seite des Maschinisten niemals durch das Speiserohr in Verbindung setzen können. Die Vortheile, welche der beschriebene selbstthätige Speiseapparat gewährt, sind nach der Angabe des Erfinders folgende: 1) der Apparat ist ganz selbstthätig; derselbe braucht weder in Gang gesetzt noch angehalten zu werden; er arbeitet ganz unabhängig von der Maschine; 2) der selbstthätige Speiseapparat unterhält beständig denselben Wasserstand in dem Kessel; in Folge dessen ist es unmöglich, daß die Kesselbleche rothglühend werden und eine Explosion entsteht; 3) derselbe speist mit Wasser, welches bis zu einem beliebigen Grade vorgewärmt ist, ohne dadurch die Dampfbildung im Geringsten aufzuhalten oder die Leistung der Maschinen zu beeinträchtigen; 4) derselbe führt das Wasser ununterbrochen ein, in der Menge, welche der Dampfbildung und dem Dampfverbrauche entspricht; 5) derselbe verursacht keinen Abgang an Triebkraft, keinen Verlust an Dampf, was eine beachtenswerthe Ersparniß an Brennmaterial zur Folge hat;Eine Druckpumpe verbraucht nach Brière's Angabe ein Dampfvolumen, welches doppelt so groß als das von ihr eingepumpte Wasservolumen ist. Der Giffard'sche Injector condensirt ein Dampfvolumen, welches 30mal so groß ist als das von ihm eingepumpte Wasservolumen. Der neue selbstthätige Speiseapparat condensirt aber nur ein Dampfvolumen, welches gleich dem Volumen des von ihm eingeführten Wassers ist, plus drei Liter per hundert Liter. 6) in Folge der Anordnungen des selbstthätigen Speiseapparates braucht man nicht mehr zu befürchten, daß der geringste fremdartige Körper in den Apparat gelange; Schmiere und eingedrungene Luft können den Gang des Apparates nicht aufhalten und die Schieber sind so construirt, daß sie niemals eine Communication der Kessel mit der äußeren Luft gestatten; 7) die Speisung geht auf diese Weise bei der höchsten wie bei der niedrigsten Dampfspannung leicht von Statten; 8) mit Hülfe desselben können mehrere Kessel zugleich gespeist werden und zwar ist die Zahl derselben und die Differenz ihrer Dampfspannung gleichgültig; 9) dieser Apparat kann in keinem Falle seinen Dienst versagen, denn seine selbstthätige Wirkung und der constante Wasserstand im Kessel sind gesichert. Der Apparat ist bereits nicht nur bei kleinen Kesseln angewendet worden, sondern auch bei Maschinen von 200 Pferdekräften, wobei er drei oder vier Kessel zugleich zu speisen hatte, also unter sehr ungleichen und sehr verschiedenen Verhältnissen, mit einem bis auf 80° C. vorgewärmten Speisewasser, und hat stets alle Hindernisse überwunden. E. F.

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